Vergangenen Mittwoch war ich als Sachverständiger zu einer Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestage geladen. Das Thema: Die Einführung eines sog. Leistungsschutzrechts für Presseerzeugnisse.
An dieser Stelle möchte ich nochmals die vier Kernaussagen meines Eingangsstatements wiedergeben und im Anschluss meine Eindrücke der sich anschließenden Sachverständigenbefragung schildern. Meine ausführliche schriftliche Stellungnahme kann man hier nachlesen.
1. Das Leistungsschutzrecht verstößt gegen europäisches Recht
Nach der Rechtsprechung des EuGH und auch des BGH müssen Suchmaschinen als sog. Dienste der Informationsgesellschaft betrachtet werden, die sich auf die Haftungsprivilegierungen der E-Commerce-Richtlinie berufen können.
In Widerspruch dazu würde die geplante Regelung eine (unbeschränkte) Haftung von Suchmaschinen für den Fall der Aufnahme von Presserzeugnissen in den Suchindex bewirken und damit unmittelbar die Vorgaben der Richtlinie unterlaufen.
2. Das Leistungsschutzrecht beeinträchtigt die Möglichkeit Hyperlinks zu setzen
Auch wenn der Hyperlink als solcher von der Regelung nicht unmittelbar betroffen sein mag, muss bedacht werden, dass Links nicht isoliert stehen, sondern regelmäßig einen Linktext unterlegen. Sobald dieser Verweistext aber auch nur aus einem kleinen Schnippsel eines journalistischen Textes besteht, greift das Leistungsschutzrecht ein.
Dieser Effekt wirft zudem die Frage eines Konflikts mit dem Grundrecht auf Informationsfreiheit auf.
3. Das Leistungsschutzrecht betrifft nicht nur Suchmaschinen und News-Aggregatoren, sondern voraussichtlich auch zahlreiche andere Dienste
Betroffen sind in jedem Fall alle Dienste, die in irgendeiner Form eine Suchfunktionalität vorhalten, sowie voraussichtlich auch soziale Netzwerke wie Twitter, Facebook oder Xing.
4. Das geplante Leistungsschutzrecht schützt keine verlegerische Leistung
Es ist nicht ersichtlich, weshalb sich die verlegerische Leistung deren Schutz begehrt wird, bereits in sog. Snippets widerspiegeln sollte. Was der Gesetzesentwurf letztlich beanstandet, ist das bloße Sichtbarmachen von kleinen Textteilen durch Suchmaschinen und News-Aggregatoren.
Wenn man aber bereits die Darstellung von Überschriften und kurzen Textauszügen in den Suchergebnissen einer Suchmaschine als rechtswidrig ansieht, stellt man damit die Arbeitsweise und Funktionalität von Suchmaschinen generell in Frage.
Mein Eindruck war insgesamt der, dass die Gegner eines Leistungsschutzrechts auch in dieser Anhörung die deutlich besseren Sachargumente vorbringen konnten, was nicht zuletzt an Gerald Spindler und Till Kreutzer gelegen hat.
Es scheint darüber hinaus aber tatsächlich so zu sein, dass ein Teil der Befürworter des Leistungsschutzrechts weiterhin die Auffassung vertritt, Snippets würden für einen Verstoß nicht ausreichen und normale Suchmaschinentreffer, wie sie heute bei Google üblich sind, wären gar nicht betroffen. Diese Auslegung erscheint mir angesichts des Gesetzeswortlauts und der Gesetzesbegründung allerdings eher fernliegend und dürfte auch kaum der Intention der Verlage entsprechen. Die Argumentation von Verlagsvertretern wie Christoph Keese ist speziell an dieser Stelle immer nebulös geblieben, was Till Kreutzer zu der Bemerkung veranlasst hat, er müsse sich jetzt erst einmal von dem ganzen Nebel befreien.
Auch die ebenfalls gestellte Frage, wie ein Suchmaschinenbetreiber die gesetzlichen Anforderungen eigentlich umsetzen soll, wie also die Maschine erkennen soll, dass ein bestimmter Text einem Leistungsschutzrecht unterfällt, erscheint mir wichtig. An dieser Stelle war es sicherlich ein Manko, dass die Fraktionen zwar Verlagslobbyisten wie Keese zur Anhörung geladen hatten, aber keinen Vertreter von Google. Arnd Haller, der Justitiar von Google Deutschland, musste unter den Zuhörern Platz nehmen.
Die äußerst selektive Auswahl der Sachverständigen ist ohnehin eine Sache für sich. Wie ich von mehreren Seiten gehört habe, war zunächst auch der Juraprofessor Malte Stieper als Sachverständiger geladen, was beispielsweise auch Heise bereits gemeldet hatte. Als man dann bei den Regierungsfraktionen etwas verspätet bemerkte, dass Stieper ein erklärter Gegner des Leistungsschutzrechts ist, wurde er kurzerhand wieder ausgeladen.
Ob diese Anhörung noch etwas bewirkt, bleibt abzuwarten. Aber auch beim Thema Netzsperren schien eine (politische) Wende nahezu unmöglich und sie kam dennoch. Hilfreich wäre sicherlich ein noch größerer Widerstand seitens der Nutzer/Bürger, zumal die Auswirkungen eines solchen Leistungsschutzrechts voraussichtlich für sehr viele Menschen spürbar wären.