Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

6.10.10

Über die Öffentlichkeitsarbeit von Staatsanwaltschaften

Eine Reihe von medienwirksamen Strafprozessen (Kachelmann, Tauss, Benaissa) der letzten Zeit sind von einer durchaus diskussionswürdigen Öffentlichkeitsarbeit von Staatsanwaltschaften und Polizei begleitet worden. Henning Ernst Müller greift dieses Thema im Rahmen eines äußerst lesenswerten Beitrags für das Beck-Blog auf und weist u.a. darauf hin, dass sich die staatsanwaltliche Öffentlichkeitsarbeit im Ermittlungsverfahren auf keine oder eine nur ganz unzureichende Rechtsgrundlage stützen kann, weil das Ermittlungsverfahren nach dem Konzept des Gesetzgebers als nicht-öffentlich ausgestaltet ist. Neben der Gefahr einer öffentlichen Vorverurteilung, kommt es hier z.T. zu Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht der Beschuldigten, für die die öffentliche Gewalt, zu der die Staatsanwaltschaft zu rechnen ist, zumindest einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Und genau die fehlt.

posted by Stadler at 21:52  

31.8.10

Revision von Tauss offensichtlich unbegründet

Die Revision des früheren Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss gegen eine Veurteilung wegen des Besitzes von Kinderpornografie ist vom BGH mit Beschluss vom 24.08.2010 ohne mündliche Verhandlung als offensichtlich unbegründet verworfen worden.

Die Pressemitteilung des BGH ist leider nicht sehr ergiebig und weist nur daraufhin, Tauss hätte die allgemeine Sachrüge erhoben, also die Verletzung materiellen Rechts gerügt.

posted by Stadler at 13:33  

28.5.10

Urteil im Fall Tauss

Jörg Tauss wurde heute vom Landgericht Karlsruhe wegen des Besitzes und der Verbreitung kinderpornografischer Bilder zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung verurteilt. Nachdem das die meisten Leser dieses Blogs vermutlich schon wissen, beschränke ich mich auf einen Ausblick in Richtung der von Tauss angekündigten Revision.

Diese Revision wird es schwer haben, eine Aufhebung des Urteils zu erreichen. Denn das Gericht hat sich nicht auf die Rechtsauffassung beschränkt, dass sich Abgeordnete nicht auf die Privilegierung des § 184b Abs. 5 StGB berufen können. Denn diese Rechtsansicht kann man mit guten Gründen in Zweifel ziehen. Das Gericht hat vielmehr auch dargelegt, dass es aufgrund der Gesamtumstände zu der Überzeugung gelangt ist, dass Tauss das kinderpornografische Material nicht in Zusammenhang mit seinem Mandat als Bundestagsabgeordneter recherchiert hat, sondern aus privaten Gründen. Dieser Aspekt wird sicherlich in der schriftlichen Urteilsbegründung einen breiteren Raum einnehmen. Und gerade diese Würdigung der tatsächlichen Umstände wird der BGH wegen des eingeschränkten Prüfungsumfangs der Revision möglicherweise nicht in Zweifel ziehen.

Allerdings habe ich zudem den Eindruck, dass das Gericht bei der Strafzumessung recht hoch gegriffen hat, nachdem Tauss zumindest den äußeren Sachverhalt eingeräumt hat und es sich außerdem auch in quantitativer Hinsicht wohl eher um einen unterdurchschnittlichen Fall gehandelt hat. Insoweit überrascht eine Freiheitsstrafe von über einem Jahr schon etwas.

Einige Stimmen zum Urteil:

Heise

Rainer Kaufmann

Rechtsanwalt Andreas Fischer

posted by Stadler at 18:46  

19.5.10

Das Strafverfahren gegen Jörg Tauss

Gestern hat die Hauptverhandlung beim Landgericht Karlsruhe gegen den früheren Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss begonnen.  Zahlreiche Medien berichten über das Verfahren. Tauss ist wegen des Besitzes und der Verbreitung kinderpornografischer Bilder angeklagt. Er bestreitet diese tatsächlichen Umstände nicht, sondern verteidigt sich damit, er habe als Abgeordneter, der mit den Themen Internet und Jugenschutz besonders befasst war, versucht selbst zu recherchieren, um u.a. festzustellen, ob das Internet tatsächlich ein Hauptvertriebsweg für Kinderpornografie ist oder primär andere Kanäle wie Mobilfunk benutzt werden.

Wenn man diese Einlassung als zutreffend unterstellt, dann wird sich das Gericht mit der schwierigen Rechtsfrage beschäftigen müssen, ob ein Abgeordneter des Bundestags solche Recherchen betreiben darf. Rechtsprechung existiert hierzu nicht. Meine rechtliche Einschätzung zu der Frage habe ich in einem älteren Blobeitrag unter dem Titel „Hat sich Tauss tatsächlich strafbar gemacht?“ bereits dargestellt.

posted by Stadler at 18:19  

12.8.09

Fall Tauss: Staatsanwaltschaft müsste gegen ihre eigenen Polizeibeamten ermitteln

Im Fall Tauss hat sich der Spiegel unlängst auf einen internen polizeilichen Ermittlungsbericht berufen, der dem Magazin vorliegt.

Dieser interne Ermittlungsbericht – der polizeiliche Abschlussbericht – ist Bestandteil der Ermittlungsakte. Das Mitteilen amtlicher Schriftstücke eines Strafverfahrens im Wortlaut, bevor diese in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind, ist nach § 353d Nr. 3 StGB strafbar. Dieser Ermittlungsbericht kann dem Spiegel aber nur von der Polizei oder der Staatsanwaltschaft zugespielt worden sein. Und genau das ist strafbar. Nachdem bekanntlich im deutschen Strafrecht das Legalitätsprinzip gilt, ist die Staatsanwaltschaft sogar verpflichtet, wegen dieser verfolgbaren Straftat einzuschreiten und ein Ermittlungsverfahren einzuleiten (§ 152 Abs. 2 StPO).

Da kann man gespannt sein, ob das auch wirklich passieren wird.

posted by Stadler at 12:20  

10.8.09

Weitere Indiskretionen im Fall Tauss

Im Fall des Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss, dem der Besitz kinderpornografischen Materials vorgworfen wird, reißen die Indiskretionen der Ermittlungsbehörden nicht ab. Die Verletzung der Grundsätze des fairen Verfahrens erscheint mir eklatant.

Der Abschlussbericht der Polizei war offenbar wieder schneller beim Spiegel als beim Verteidiger. Was aber der Spiegel nicht begriffen hat, ist, dass es sich nicht um einen neuen Ermittlungsbericht handelt, sondern nur um die abschließende Zusammenfassung der bisherigen polizeilichen Ermittlungsergebnisse. Auch mit der Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft darf dieser Bericht nicht verwechselt werden. Die Staatsanwaltschaft muss jetzt (§§ 169a, 170 StPO) den Abschluss des Ermittlungsverfahrens erst verfügen und entweder Anklage erheben oder das Verfahren einstellen. Und diese Abschlussverfügung steht offenbar noch aus.

posted by Stadler at 14:38  

7.8.09

Der Fall Tauss und § 184b Abs. 5 des Strafgesetzbuchs

Im Beck-Blog gibt es wieder einmal eine sehr interessante Diskussion zum Fall Tauss. Prof. Henning Ernst Müller wirft die Frage auf, ob man aus der Einstellungsverfügung gegen Ursula von der Leyen, die Journalisten kinderpornografisches Material vorgeführt hatte, nicht auch Schlussfolgerungen für den Fall Tauss ziehen könne.

posted by Stadler at 12:54  

21.7.09

Anklage gegen Tauss

Die im Fall des Bundestagsabeordenten Jörg Tauss, dem der Besitz kinderpornoprafischer Schriften vorgeworfen wird, ermittelnde Staatsanwaltschaft Karlsruhe, spricht offenbar zuerst und bevorzugt mit der Bildzeitung und kündigt die Erhebung einer Anklage an.

Der Verteidiger von Tauss, der Kollege Jan Mönikes, kritisiert die „Öffentlichkeitsarbeit“ der Staatsanwaltschaft mit scharfen Worten.

Und diese Kritik erscheint mir im Kern zutreffend. Sollte die sachliche Darstellung von Tauss richtig sein, dann bleibe ich bei meiner rechtlichen Einschätzung, dass eine Strafbarkeit von Jörg Tauss sehr schwer zu begründen sein wird.

posted by Stadler at 08:57  

1.7.09

Tauss erhebt Organklage gegen Zugangserschwerungsgesetz

Auch wenn Heise von einer Verfassungsbeschwerde spricht, beim Antrag von Jörg Tauss zum Bundesverfassungsgericht gegen das Zugangserschwerungsgesetz dürfte es sich um eine Organstreitigkeit nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG handeln, in der Tauss als sog. anderer Beteiligter geltend macht, durch das nicht ordnungsgemäße Gesetzgebungsverfahren in seinen Rechten als Abgeordneter verletzt zu sein.

posted by Stadler at 18:41  

24.3.09

Hat sich Tauss tatsächlich strafbar gemacht?

Jörg Tauss wurde von der Staatsanwalt stundenlang vernommen.Über das Ergebnis der Beschuldigtenvernehmung wurde nur soviel bekannt, dass die Staatsanwaltschaft weiterhin am Tatvorwurf des Besitzes von kinderpornografischem Material festhält, während Tauss sich nach wie vor damit verteidigt, Recherchen für seine Tätigkeit als Abgeordneter des deutschen Bundestags betrieben zu haben.

Unterstellen wir, dass es so war wie Tauss sagt und er kein Pädophiler ist. Dann stellt sich die Frage, ob ein Abgeordneter das darf. Kann sich ein Abgeordneter auf § 184b Abs. 5 StGB berufen, der besagt, dass das Sichverschaffen von kinderpornografischen Schriften nicht strafbar ist, wenn es der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher und beruflicher Pflichten dient?

Wie weit reicht die grundgesetzlich verbürgte Freiheit des Abgeordneten eigentlich tatsächlich?

Wenn man andererseits liest, dass Familienministerin von der Leyen Journalisten kinderpornografische Videos vorgeführt haben soll, stellt sich da nicht ebenfalls die Frage, wieso Frau von der Leyen das erlaubt sein soll. Vielleicht weil es zu Erfüllung ihrer dienstlichen Aufgaben gehört und sie selbst im Einzelfall definieren muss, was zur Erfüllung ihrer Aufgaben als Bundesministerin notwendig ist? Gilt desselbe aber dann nicht auch für den Abgeordneten Tauss? Art 38 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz sagt über den Abgeordneten, dass er ein Vertreter des ganzen Volkes ist, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur seinem Gewissen unterworfen ist.

Man darf insoweit die Frage stellen, ob ein Abgeordneter, der sich intensiv mit Kinderpornografie beschäftigt, nicht auch das Recht haben muss, die Szene auf eine Art zu beleuchten und sich Informationen zu beschaffen, wie Jörg Tauss zumindest angibt, es getan zu haben.

Diejenigen, die jetzt sagen, die Vorschrift des § 184b Abs. 5 StGB würde den Abgeordneten überhaupt nicht schützen und erfassen, springen sicherlich zu kurz. Denn was der Abgeordnete darf und was nicht, das ist zunächst und primär am Maßstab des Grundgesetzes zu messen. Das Strafgesetzbuch muss verfassungskonform ausgelegt werden, wenn es darum geht, der Rolle und der Funktion eines gewählten Volksvertreters gerecht zu werden.

Der Fall Tauss gibt Anlass grundsätzlich über die Rolle und die Befugnisse eines Abgeordneten nachzudenken.

posted by Stadler at 11:15  
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