Kein Schertz: Medienanwalt wollte Spiegel einschüchtern und verliert
Die Berichterstattung des Spiegel über zweifelhafte Steuervermeidungsstrategien großer Fußballstars wie Ronaldo oder Özil (Football Leaks) ist erwartungsgemäß juristisch bekämpft worden. Allerdings sind nicht nur die Fußballer (erfolglos) gegen den Spiegel vorgegangen, sondern auch der von ihnen beauftragte Medienanwalt, nachdem der Spiegel Passagen aus Anwaltsschriftsätzen zitierte, in denen der Rechtsanwalt u.a. eine „neue Qualität von journalistischer Verrohung“ beklagte. Der Anwalt sah hierin eine Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte und nahm seinerseits den Spiegel auf Unterlassung in Anspruch. Das Landgericht Köln hat seiner Klage dann tatsächlich stattgegeben, das Urteil wurde vom Oberlandesgericht allerdings wieder aufgehoben.
Der BGH hat die Zulässigkeit der Berichterstattung des Spiegel mit Urteil vom 26.11.2019 (Az.: VI ZR 12/19) bestätigt. Der BGH führt hierzu aus:
Im Streitfall ist der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts weder als Recht, von der Unterschiebung nicht getaner Äußerungen ver-schont zu bleiben (BVerfGE 54, 148, 153 f. – Eppler), noch in seinen Ausprä-gungen der Berufsehre und der sozialen Anerkennung (vgl. Senatsurteil vom 27. September 2016 – VI ZR 250/13, AfP 2017, 48 Rn. 17 mwN), in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 – 1 BvR 16/13, Rn. 83 ff.; Senatsurteil vom 5. November 2013 – VI ZR 304/12, BGHZ 198, 346 Rn. 11 mwN) oder in seiner Ausprägung als Schutz der Vertraulichkeits- und Geheimsphäre (vgl. Senatsurteil vom 30. September 2014 – VI ZR 490/12, NJW 2015, 782 Rn. 15 mwN) betroffen. In Betracht kommt allein, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers in seiner Ausprägung als Bestimmungsrecht des Autors über die Veröffentlichung eines von ihm verfassten Schreibens berührt ist (vgl. BVerfG NJW 1991, 2339, juris Rn. 16). (…)
Der Kläger wird als Rechtsanwalt dargestellt, der im Namen seines Mandanten mit einer Klage gedroht und sich – wie bereits mehrfach zuvor („bekannt für … erhöhtes Empörungspotential“; „Diesmal“) – über das Vorgehen der Presse empört habe, weil diese Material aus einem Hackerangriff nutze und die Privatsphäre und das Steuergeheimnis seines Mandanten betreffende Fragen stelle. Das ist aber nicht geeignet, sein Bild in der Öffentlichkeit oder sein berufliches Ansehen zu beeinträchtigen. Der Senat tritt vielmehr der Wertung des Berufungsgerichts bei, dass sich daraus (lediglich) ergibt, dass der Kläger die Interessen seiner (prominenten) Mandanten mit Nachdruck verfolge. Die Rügen der Revision greifen demgegenüber nicht durch.
Äußerst instruktiv ist folgende Passage der Urteilsbegründung des BGH:
Das Schreiben betrifft indes nicht den persönlichen Lebensbereich des Klägers; es handelt sich nicht um eine private Kommunikation, mit deren Wiedergabe in der Öffentlichkeit er keinesfalls rechnen musste. Kurz wiedergegeben wird der Inhalt eines Schriftstücks, das der Kläger im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit verfasst und selbst aus der Hand gegeben hat. Dabei war ihm bewusst, dass an der Reaktion von X auf die von der Zeitschrift angestellten Recherchen ein großes Interesse der Zeitschrift bestand. Ein absolutes Recht, über die Weitergabe der Information, mit welchem Inhalt er sich an die Zeitschrift gewandt habe, zu bestimmen, steht dem Kläger nach den oben ausgeführten Grundsätzen entgegen der Ansicht der Revision nicht zu. Der Kläger kann ein solches Recht – wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt – daher auch nicht durch die einseitige Erklärung begründen, seine Einlassungen seien nicht zur Veröffentlichung bestimmt. Würde man einer solchen Erklärung Bedeutung beimessen, könnte jeder zu Lasten der dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gegenüberstehenden Freiheitsrechte Dritter (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 – 1 BvR 16/13 Rn. 81 f.) durch einseitige Erklärung zu seinen Gunsten einen Persönlichkeitsschutz begründen, der über die Gewährleistungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Spannungsverhältnis zwischen Schutz und Freiheit hinausreicht.
Durch die Aussage, etwas sei nicht zur Veröffentlichung bestimmt, lässt sich also eine Veröffentlichung nicht verbieten. Ansonsten könnte jeder durch einseitige Erklärung die Presse- und Meinungsfreiheit aushebeln.
Klingt banal, muss manchen meinungsfeindlichen Kollegen aber erst vom BGH verdeutlicht werden.