Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

29.1.20

Kein Schertz: Medienanwalt wollte Spiegel einschüchtern und verliert

Die Berichterstattung des Spiegel über zweifelhafte Steuervermeidungsstrategien großer Fußballstars wie Ronaldo oder Özil (Football Leaks) ist erwartungsgemäß juristisch bekämpft worden. Allerdings sind nicht nur die Fußballer (erfolglos) gegen den Spiegel vorgegangen, sondern auch der von ihnen beauftragte Medienanwalt, nachdem der Spiegel Passagen aus Anwaltsschriftsätzen zitierte, in denen der Rechtsanwalt u.a. eine „neue Qualität von journalistischer Verrohung“ beklagte. Der Anwalt sah hierin eine Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte und nahm seinerseits den Spiegel auf Unterlassung in Anspruch. Das Landgericht Köln hat seiner Klage dann tatsächlich stattgegeben, das Urteil wurde vom Oberlandesgericht allerdings wieder aufgehoben.

Der BGH hat die Zulässigkeit der Berichterstattung des Spiegel mit Urteil vom 26.11.2019 (Az.: VI ZR 12/19) bestätigt. Der BGH führt hierzu aus:

Im Streitfall ist der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts weder als Recht, von der Unterschiebung nicht getaner Äußerungen ver-schont zu bleiben (BVerfGE 54, 148, 153 f. – Eppler), noch in seinen Ausprä-gungen der Berufsehre und der sozialen Anerkennung (vgl. Senatsurteil vom 27. September 2016 – VI ZR 250/13, AfP 2017, 48 Rn. 17 mwN), in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 – 1 BvR 16/13, Rn. 83 ff.; Senatsurteil vom 5. November 2013 – VI ZR 304/12, BGHZ 198, 346 Rn. 11 mwN) oder in seiner Ausprägung als Schutz der Vertraulichkeits- und Geheimsphäre (vgl. Senatsurteil vom 30. September 2014 – VI ZR 490/12, NJW 2015, 782 Rn. 15 mwN) betroffen. In Betracht kommt allein, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers in seiner Ausprägung als Bestimmungsrecht des Autors über die Veröffentlichung eines von ihm verfassten Schreibens berührt ist (vgl. BVerfG NJW 1991, 2339, juris Rn. 16).  (…)

Der Kläger wird als Rechtsanwalt dargestellt, der im Namen seines Mandanten mit einer Klage gedroht und sich – wie bereits mehrfach zuvor („bekannt für … erhöhtes Empörungspotential“; „Diesmal“) – über das Vorgehen der Presse empört habe, weil diese Material aus einem Hackerangriff nutze und die Privatsphäre und das Steuergeheimnis seines Mandanten betreffende Fragen stelle. Das ist aber nicht geeignet, sein Bild in der Öffentlichkeit oder sein berufliches Ansehen zu beeinträchtigen. Der Senat tritt vielmehr der Wertung des Berufungsgerichts bei, dass sich daraus (lediglich) ergibt, dass der Kläger die Interessen seiner (prominenten) Mandanten mit Nachdruck verfolge. Die Rügen der Revision greifen demgegenüber nicht durch. 

Äußerst instruktiv ist folgende Passage der Urteilsbegründung des BGH:

Das Schreiben betrifft indes nicht den persönlichen Lebensbereich des Klägers; es handelt sich nicht um eine private Kommunikation, mit deren Wiedergabe in der Öffentlichkeit er keinesfalls rechnen musste. Kurz wiedergegeben wird der Inhalt eines Schriftstücks, das der Kläger im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit verfasst und selbst aus der Hand gegeben hat. Dabei war ihm bewusst, dass an der Reaktion von X auf die von der Zeitschrift angestellten Recherchen ein großes Interesse der Zeitschrift bestand. Ein absolutes Recht, über die Weitergabe der Information, mit welchem Inhalt er sich an die Zeitschrift gewandt habe, zu bestimmen, steht dem Kläger nach den oben ausgeführten Grundsätzen entgegen der Ansicht der Revision nicht zu. Der Kläger kann ein solches Recht – wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt – daher auch nicht durch die einseitige Erklärung begründen, seine Einlassungen seien nicht zur Veröffentlichung bestimmt. Würde man einer solchen Erklärung Bedeutung beimessen, könnte jeder zu Lasten der dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gegenüberstehenden Freiheitsrechte Dritter (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 – 1 BvR 16/13 Rn. 81 f.) durch einseitige Erklärung zu seinen Gunsten einen Persönlichkeitsschutz begründen, der über die Gewährleistungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Spannungsverhältnis zwischen Schutz und Freiheit hinausreicht. 

Durch die Aussage, etwas sei nicht zur Veröffentlichung bestimmt, lässt sich also eine Veröffentlichung nicht verbieten. Ansonsten könnte jeder durch einseitige Erklärung die Presse- und Meinungsfreiheit aushebeln.

Klingt banal, muss manchen meinungsfeindlichen Kollegen aber erst vom BGH verdeutlicht werden.

posted by Thomas Stadler at 23:49  

18.6.19

BGH zur Haftung für Uploads durch Dritte

In welchem Umfang haftet ein Fernsehsender (hier der MDR), wenn ein Dritter einen persönlichkeitsrechtsverletzenden Filmbericht bei YouTube und Facebook einstellt? Mit dieser Frage hatte sich der BGH (Urteil vom 09.04.2019, Az.: VI ZR 89/18) unlängst zu beschäftigen. Anders als das Oberlandesgericht hält der BGH eine Haftung des MDR (für Abmahnkosten) für denkbar.

Der BGH geht zunächst davon aus, dass der MDR die Erstveröffentlichung durch die Ausstrahlung und das Einstellen des Films in die ARD-Mediathek verursacht hat und insoweit auf Unterlassung und Schadensersatz haftet. Für die Folgefrage der Einstellung bei YouTube geht der BGH von der tatbestandlichen Feststellung des Berufungsgerichts aus, dass der Uploader den Filmbericht aus der Mediathek hochgeladen hat. Diese tatbestandliche Feststellung ist möglicherweise falsch, aber wegen § 314 Abs. 1 ZPO für den BGH bindend.

Sodann nimmt der BGH an, dass die von den Uploadern bewirkten Rechtsverletzungen dem MDR zuzurechnen sind. Der BGH bekräftigt damit seine bisherige Rechtsprechung, nach der sich durch die Weiterverbreitung im Internet, sei es durch Verlinkung oder erneutem Upload, eine internetetypische Gefahr verwirklicht, welche gerade durch die Erstveröffentlichung geschaffen wurde. Die hiergegen in der juristischen Literatur erhobene Kritik, dass dies jedenfalls dann nicht gelten könne, wenn der Dritte einen Beitrag urheberrechtswidrig weiterverbreitet, weil dies nicht dem Willen des Erstveröffentlichenden entspreche und dieser gleichsam selbst Opfer einer Rechtsverletzung sei, überzeugt den BGH nicht. Für die Zurechnung einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die durch die Weiterverbreitung eines Beitrags durch Dritte im Internet entstanden ist, sei vielmehr allein die Frage maßgebend, ob in ihr die vom Erstveröffentlicher geschaffene Gefahr fortwirkt.

Der BGH erkennt, dass diese recht starre Betrachtung in Konflikt mit Art. 5 GG stehen könnte, weil von ihr eine veröffentlichungshemmende Wirkung ausgeht. Hier meint der BGH aber, dass abträgliche Effekte auf den Gebrauch von Presse- und Meinungsfreiheit oder gar ein „existenzbedrohender Einschüchterungseffekt“ weder zu befürchten noch eingetreten seien. Das mag man im Fall eines öffentlich-rechtlichen Senders so bewerten. Ob das aber ausnahmslos so gesehen werden kann, darf bezweifelt werden.

Wer im Internet Texte oder Filme veröffentlicht, muss also laut BGH immer damit rechnen, dass diese (auch rechtswidrig) weiterverbreitet werden und haftet deshalb nach deliktischen Grundsätzen regelmäßig auch für solche Rechtsverletzungen, die erst durch das Handeln Dritter entstehen.

posted by Thomas Stadler at 10:43  

3.4.19

BVerfG zur Darlegungslast beim Filesharing

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 18.02.2019 (Az.:
1 BvR 2556/17) entschieden, dass es nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG (Grundrecht auf Achtung des Familienlebens) verstößt, wenn ein Zivilgericht im Rahmen eines Filesharing-Verfahrens dem Anschlussinhaber aufgibt, darzulegen, wer von seinen Familienmitgliedern die Urheberrechtsverletzung begangen hat. Das Bundesverfassungsgericht betont, dass der Beklagte ja nicht gezwungen sei, dies zu offenbaren, in diesem Fall dann aber eben die negativen prozessualen Folgen, sprich den Prozessverlust, zu tragen habe.

Ausdrücklich offen gelassen hat das Gericht die Frage, ob der Anschlussinhaber gehalten ist, das Nutzungsverhalten seiner Angehörigen zu überwachen oder Nachforschungen anzustellen, wenn er nicht weiß, wer die Rechtsverletzung begangen hat. In diesem Fall dürfte allerdings die Beeinträchtigung von Art. 6 GG deutlich intensiver sein, als in dem entschiedenen Fall.

posted by Stadler at 22:22  

4.11.17

Preisvergleichsportale müssen auf Provisionsvereinbarungen hinweisen

Preisvergleichsportale müssen nach einer aktuellen Entscheidung des BGH (Urteil vom 27.04.2017, Az.: I ZR 55/16) darauf hinweisen, dass ihr Preisvergleich nur solche Anbieter erfasst, die sich für den Fall eines Vertragsschlusses zur Zahlung einer Provision an den Anbieter verpflichtet haben. Dieser Umstand stellt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs eine wesentliche Information im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG dar.

Nach § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält, die dieser je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen (Nr. 1), und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (Nr. 2).

posted by Stadler at 20:45  

26.4.17

EuGH: Streaming von illegalen Inhalten ist eine Urheberrechtsverletzung

Mit Urteil vom heutigen 26.04.2017 (Az.: C-527/15) hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass der Verkauf von Mediaplayern, die dem Nutzer einen einfachen Zugang zu illegalen Streamingangeboten ermöglichen, selbst eine öffentliche Wiedergabe im urheberrechtlichen Sinne beinhaltet und damit eine Urheberrechtsverletzung darstellt.

Die Entscheidung ist aber vor allem auch deshalb interessant, weil sie sich zudem mit der Frage befasst, wie das Streaming durch den Nutzer zu bewerten ist. Insoweit kommt der EuGH zu dem Ergebnis, dass der Nutzer, der urheberrechtswidrige Inhalte streamt sich nicht darauf berufen kann, dass er damit eine vom Gesetz (Art. 5 der Infosoc-Richtlinie, in Deutschland umgesetzt in § 44a UrhG) privilegierte Zwischenspeicherung vornimmt. Der Nutzer, der urheberrechtswidrige Inhalte streamt, verletzt also selbst das Urheberrecht, jedenfalls dann, wenn er sich freiwillig und in Kenntnis der Sachlage Zugang zu einem kostenlosen und nicht zugelassenen Angebot geschützter Werke verschafft.

Der EuGH setzt damit eine dogmatisch wenig überzeugende Rechtsprechung fort, die ich an anderer Stelle schon kritisiert hatte.

posted by Stadler at 17:44  

27.1.17

Ab 1.2.2017 wieder neue Informationspflichten für Unternehmen

Das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) verlangt von Unternehmern ab dem 1.2.2017, dass sie Verbraucher darüber informieren, ob und gegebenenfalls bei welcher Verbraucherschlichtungsstelle sie an Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung teilnehmen.

Hierbei gibt es eine allgemeine Informationspflicht nach § 36 VSBG sowie eine besondere Informationspflicht nach § 37 VSBG nach Entstehen einer Streitigkeit. Beide Pflichten bestehen unabhängig voneinander.

Betroffen sind Unternehmen, die mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigen (§ 36 Abs. 3 VSBG). Weitere Voraussetzung ist, dass das Unternehmen eine Webseite unterhält oder AGB verwendet. Sofern keine gesetzliche Pflicht zur Teilnahme an einem solchen Verbraucherschlichtungsverfahren besteht und der Unternehmer sich auch nicht (freiwillig) verpflichten will, an einer solchen Streitbeilegung mitzuwirken, muss er auf seiner Homepage bzw. zusammen mit seinen AGB dennoch zumindest „leicht zugänglich, klar und verständlich“ darauf hinweisen, dass er nicht bereit ist, an einem solchen Streitbeilegungsverfahren mitzuwirken.

Die Informationspflicht betrifft übrigens auch Anwaltskanzleien und es existiert hierzu auch eine Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft, die Verbraucherschlichtungsstelle im Sinne des VSBG ist.

posted by Stadler at 15:09  

25.11.16

Abmahnwelle Black Friday?

Wenn Sie bei Black Friday immer noch an einen Börsenchrash im Jahre 1929 denken, dann sind sie wirklich von vorgestern, denn es handelt sich mittlerweile um eine aus den USA herübergeschwappte Bezeichnung für den letzten Freitag im November, in dem der Handel, quasi zu Beginn des Weihnachstgeschäfts gerne Umsatzrekorde einfahren würde. Gesagt getan. Zu so einer richtigen Hype- und Marketingwelle gehört in Deutschland natürlich auch noch eine gestandene Abmahnwelle. Ein windiges Unternehmen aus Hongkong hat im Jahre 2013 die deutsche Wortmarke Black Friday eintragen lassen und wenn man sich das dazugehörige, schwindelerregende Waren- und Dienstleistungsverzeichnis anschaut, muss man sofort den Eindruck gewinnen, dass das eigentliche Geschäftsmodell hinter der Marke von vornherein das Abmahngeschäft war. Gesagt getan, wie die SZ berichtet.

Sollten sich die Abmahnungen der Super Union Holdings Ltd allerdings allein darauf stützen, dass Händler Sonderangebote o.ä. für den heutigen Black Friday anpreisen und ankündigen, dürfte die markenmäßige Benutzung zur Bezeichnung einer Ware- oder Dienstleistung äußerst zweifelhaft sein. Die Abmahnwelle könnte also ein Sturm im Wasserglas sein.

posted by Stadler at 17:03  

24.11.16

BGH verneint Störerhaftung bei passwortgeschütztem W-LAN

Der BGH hat in einer heute verkündeten Entscheidung eine Störerhaftung des Inhabers eines Internetanschlusses verneint, wenn das W-LAN ausreichend (WPA2) verschlüsselt ist. Hierzu reicht nach Ansicht des BGH auch die Benutzung des vom Routerhersteller auf das Gerät aufgebrachten 16-stelligen Schlüssels, wenn es sich hierbei um ein Passwort handelt, das vom Hersteller für jedes Gerät individuell vergeben wird (Urteil vom 24.11.2016, Az.: I ZR 220/15). Das klang beim I. Zivilsenat in der Entscheidung „Sommer unseres Lebens“ noch anders.

Die Bedeutung der Entscheidung für Fälle des Filesharing ist allerdings begrenzt. Denn der BGH geht zunächst einmal von der Vermutung aus, dass der Anschlussinhaber die Rechtsverletzung begangen hat. Zur Störerhaftung – die eine Haftung für Rechtsverletzungen Dritter ist – gelangt man überhaupt erst dann, wenn man ausreichend darlegen kann, dass eine Rechtsverletzung durch einen Dritten ernsthaft und konkret in Betracht kommt. Wenn es sich hierbei um einen unbekannten Dritten handeln soll, der den Router gehackt hat, dann müssen die konkreten Umstände dargelegt werden, unter denen sich der Dritte den unberechtigten Zugang verschafft hat. Das ist im Zweifel kaum möglich. Im vorliegenden Fall wird sich der BGH mit dieser Frage vermutlich nicht näher befasst haben, weil er insoweit auf die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen zurückgegriffen hat und an diese auch gebunden ist.

In den typischen Fällen des Filesharings wird diese Entscheidung den Anschlussinhabern also nicht helfen.

posted by Stadler at 17:50  

25.10.16

Aktuelle Rechtsprechung des BGH zum Filesharing

Die am 12.05.2016 verkündeten Entscheidungen des BGH zu Filesharingkonstellationen ( (Az.: I ZR 272/14, I ZR 1/15, I ZR 43/15, I ZR 44/15, I ZR 48/15 und I ZR 86/15) liegen nunmehr im Volltext vor.

In der Entscheidung I ZR 86/15 führt der BGH aus, dass der Inhaber eines Internetanschlusses, anders als Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern, grundsätzlich keine Aufsichtspflicht gegenüber volljährigen Mitbewohnern oder Gästen hat, die Grundlage einer Belehrungspflicht über die Gefahren der Nutzung von Internettauschbörsen sein kann. Eine Haftung des Anschlussinhabers für volljährige Mitbewohner oder Gäste scheidet folglich aus. Mit dem Vortrag, ein konkret und namentlich benannter Gast oder Mitbewohner habe die Urheberrechtsverletzung begangen, kann sich der in Anspruch genommene Anschlussinhaber grundsätzlich also exkulpieren.

In der Entscheidung I ZR 48/15  führt der BGH zum Umfang der sog. sekundären Darlegungslast des Anschlussinhabers folgendes aus:

Allerdings spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss benutzen konnten (BGHZ 200, 76 Rn. 15 – BearShare; BGH, GRUR 2016, 191 Rn. 37 – Tauschbörse III).

Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. In solchen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Diese führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber allerdings im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Rechtsverletzung gewonnen hat. Die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt des Beklagten lebenden Dritten auf seinen Internetanschluss wird den an die Erfüllung der sekundären Darlegungslast zu stellenden Anforderungen daher nicht gerecht.

(…)

Entgegen der Auffassung der Revision kommt ein Eingreifen der tatsächlichen Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers auch dann in Betracht, wenn der Internetanschluss – wie bei einem Familienanschluss – regelmäßig von mehreren Personen genutzt wird. Für die Frage, wer als Täter eines urheberrechtsverletzenden Downloadangebots haftet, kommt es nicht auf die Zugriffsmöglichkeit von Familienangehörigen im Allgemeinen, sondern auf die Situation im Verletzungszeitpunkt an (BGH, GRUR 2016, 191 Rn. 39 Tauschbörse III). Der Inhaber eines Internetanschlusses wird der ihn treffenden sekundären Darlegungslast in Bezug darauf, ob andere Personen als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen, erst gerecht, wenn er nachvollziehbar vorträgt, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen.

Die sekundäre Darlegungslast geht also nach Ansicht des BGH nicht so weit, den Täter der Urheberrechtsverletzung zu benennen. Allerdings muss konkret vorgetragen werden, dass in Betracht kommende Angehörige zum fraglichen Zeitpunkt zuhause waren, das Internet konkret genutzt haben könnten und über welche Endgeräte sie das Internet nutzen und ob ihr übliches Nutzungsverhalten und ihre Kenntnisse die Rechtsverletzung plausibel erscheinen lassen. Die Hürden des BGH sind also sehr hoch, um die von ihm postulierte Vermutung, der Anschlussinhaber sei auch der Täter – die man durchaus für zweifelhaft halten kann – zu erschüttern.

In derselben Entscheidung nimmt der BGH außerdem an, dass im Wege der Lizenzanalogie in Fällen des Filesharings für einen jeden geteilten einzelnen Musiktitel ein Schadensersatz von pauschal EUR 200,- angemessen ist.

Zum Gegenstandswert bei Unterlassungsansprüchen führt der BGH in der Entscheidung I ZR 1/15 aus, dass das öffentliche Zugänglichmachen eines durchschnittlich erfolgreicher Spielfilms nicht allzu lange nach seinem Erscheinungstermin regelmäßig einen Gegenstandswert des Unterlassungsanspruchs von nicht unter 10.000 EUR rechtfertigt. Liegt die Verletzungshandlung noch vor dem Beginn der Auswertung mittels DVD, kann auch ein noch höherer Gegenstandswert anzunehmen sein.

posted by Stadler at 11:00  

12.10.16

BGH zu notariellen Unterlassungserklärungen

Die seit einigen Jahren kontrovers geführte Diskussion, ob es sinnvoll ist, anstelle einer schrifltichen Unterlassungserklärung eine solche in notarieller Form mit Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung aus der Notarurkunde abzugeben, dürfte durch eine gerade veröffentlichte Entscheidung des BGH (Urteil vom 21.04.2016, Az.: I ZR 100/15) beendet worden sein.

Der BGH geht davon aus, dass eine notariellen Unterlassungserklärung noch nicht das Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers für eine gerichtliche Verfolgung des Unterlassungsanspruchs beseitigt, sondern die Wiederholungsgefahr erst durch die Zustellung des Beschlusses über die Androhung von Ordnungsmitteln gem. § 890 Abs. 2 ZPO beim Schuldner entfällt. Ähnlich hatte bereits das OLG Düsseldorf entschieden.

Der BGH weist ausdrücklich darauf hin, dass es dem Gläubiger freisteht, die Androhung von Ordnungsmitteln zu beantragen, er aber auch davon abzusehen und einen Unterlassungstitel erwirken kann.

Von der Abgabe derartiger notarieller Unterlassungserklärungen ist daher dringend abzuraten, da man als Schuldner weiterhin der Gefahr einer einstweilige Verfügung oder Unterlassungsklage ausgesetzt bleibt. Der Sinn und Zweck der Unterlassungserklärung, nämlich die Beseitigung der Gefahr einer gerichtlichen Inanspruchnahme, wird durch eine notarielle Unterwerfungserklärung nicht erreicht.

posted by Stadler at 15:27  
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