Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

27.2.13

DJ’s sollen an die GEMA zahlen, wenn sie einen Track kopieren, bevor sie ihn spielen

Dass die GEMA für die „Vervielfältigung von Werken des GEMA-Repertoires auf  Tonträger oder Bildtonträger, die ausschließlich zur Verwendung bei öffentlicher Wiedergabe Dritter bestimmt sind“ Geld möchte, ist nicht neu. Bislang wurde dafür allerdings beim Veranstalter ein pauschaler Aufschlag erhoben.

Neu ist jetzt, dass die GEMA ab 01.04.2013 diese Zahlungen direkt von den Disc Jockeys verlangt und zwar immer dann, wenn ein Musikstück vom DJ zum Zweck der späteren öffentlichen Wiedergabe kopiert wird.

Wenn man also eine Original-CD oder eine Schallplatte auflegt, entsteht keine Gebühr. Wenn man die CD rippt und anschließend vom Notebook abspielt, fällt die Gebühr an. Bei Musik, die im Wege des legalen Downloads bezogen wurde, soll keine Gebühr entstehen, wenn die Datei von dem Rechner/Notebook, auf dem sie zuerst gespeichert wurde, abgespielt wird. Wird die Datei allerdings nochmals auf einen anderen Rechner bzw. einen anderen Datenträger (USB-Stick, gebrannte CD, externe Festplatte) kopiert und von dort abgespielt, fällt für jeden dieser Kopiervorgänge eine Gebühr von EUR 0,13 pro Track (!) an.

Die GEMA stellt sich das offenbar so vor, dass der DJ an die GEMA meldet, wieviele solcher kostenpflichtiger Kopien er im Jahr gemacht hat und die GEMA auf dieser Basis dann abrechnet.

Ganz unabhängig von der Frage, wie die GEMA das überwachen will, erscheint mir die Regelung weder praktikabel noch fair zu sein. Denn ob der DJ eine Musikdatei abspielt, die er via iTunes auf sein Notebook geladen hat (keine Zahlungspflicht) oder ob er dieselbe Datei für die Zusammenstellung seines Sets noch auf eine externe Festplatte packt (Zahlungspflicht), ergibt für mich keinen relevanten Unterschied.

Derjenige DJ, der sich vollständig korrekt verhalten will, müsste jetzt jeden einzelnen Kopiervorgang einer Musikdatei erfassen und zusätzlich festhalten, dass die Vervielfältigung zum Zweck einer späteren öffentlichen Wiedergabe erfolgt. Denn ob die Kopie später mal beim Auflegen verwendet wird, steht im Zeitpunkt des Kopierens ja noch nicht unbedingt fest. Auch wenn man einen beträchtlichen Aufwand betreibt, dürften die Vorgaben der GEMA nur schwer zu erfüllen sein, zumal professionelle DJs im Regelfall zehntausende Musikstücke auf ihren Speichermedien haben.

Mir erscheint die Idee einer Gebühr für die Vervielfältigung zum Zwecke der öffentlichen Wiedergabe im Zeitalter moderner Datenverarbeitung ohnehin anachronistisch. Dass in der DJ-Szene derzeit Aufruhr herrscht, kann ich nachvollziehen.

posted by Stadler at 15:28  

27.2.13

EDV-Gerichtstag: Einladung zur Mitgestaltung

Der 22. EDV-Gerichtstag findet vom 25.09. – 27.09.2013 in Saarbrücken statt. Diese jährlich Veranstaltung bietet unterschiedliche Vorträge und Workshops zu Themengebieten wie elektronischer Rechtsverkehr/E-Government, Datenschutz, Urheberrecht, oder Computerstrafrecht. Es wäre sehr schön, auf dieser äußerst informativen und lohnenswerten Veranstaltung im kommenden Jahr noch mehr Anwaltskollegen aus dem Bereich des IT-Rechts begrüßen zu können.

Der Vorstand des EDV-Gerichtstages – dem ich seit kurzem ebenfalls angehöre – bittet um Themenvorschläge für den 22. EDV-Gerichtstag.

Wer Vorschläge für Themen und Referenten einbringen möchte, wendet sich bitte per E-Mail (edvgt@jura.uni-sb.de) an den EDVGT.  Sie können Ihre Vorschläge aber auch an mich unter ts@cplus.de mailen. Ich trage die eingehenden Vorschläge dann gerne auf der Vorstandssitzung vor. Da die Vorstandssitzung bereits am 04.03.2013 stattfindet, bräuchte ich Ihre/Eure Vorschläge allerdings bis zum 02.03.2013.

Weitere Informationen gibt es in der neu gegründeten Xing-Gruppe des EDVGT und im Blog von Ralf Zosel.

posted by Stadler at 09:24  

26.2.13

Massenabmahner DigiProtect insolvent

DigiProtect war eines der schillerndsten sog. Anti-Piracy-Unternehmen, das durch die massenhafte Abmahnung von Filesharing-Fällen bekannt geworden ist. Die Gesellschaft wurde ursprünglich von Moses Pelham mitgegründet und lange Jahre von Rechtsanwalt Udo Kornmeier vertreten.

Die DigiProtect GmbH hat sich unlängst in FDUDM2 GmbH umbenannt und kurze Zeit später Insolvenzantrag gestellt. In den Insolvenzbekanntmachungen liest sich das dann so:

810 IN 131/13 F: In dem Insolvenzantragsverfahren über das Vermögen der FDUDM2 GmbH, Krögerstraße 2, 60313 Frankfurt am Main (AG Frankfurt am Main, HRB 79436), vertr. d.: Alexandros Besparis, (Geschäftsführer) ist am 15.02.2013 um 15:05 Uhr die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Schuldnerin angeordnet worden. Verfügungen der Schuldnerin sind nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter ist Rechtsanwalt Karl-Heinz Trebing, Hanauer Landstraße 148 a, 60314 Frankfurt am Main, Tel.: 069/15051300, Fax: 069/15051400 bestellt worden.

Amtsgericht Frankfurt am Main, 15.02.2013

Da davon auszugehen ist, dass DigiProtect mit der massenhaften Abmahnung von Urheberrechtsverletzungen über Jahre hinweg erhebliche Einnahmen erzielt hat, wird sich der Insolvenzverwalter die Frage stellen müssen, was mit dem Geld passiert ist.

Speziell über DigiProtect gab es in den letzten Jahren jede Menge zweifelhaftes zu berichten.

posted by Stadler at 21:18  

26.2.13

Doch keine Snippets: Leistungsschutzrecht soll in letzter Minute entschärft werden

Wie Heise und SPON melden, gibt es eine geänderte Entwurfsfassung zu dem geplanten Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse über das am Freitag im Bundestag abgestimmt werden soll. Offenbar will sich auch morgen der Rechtsausschuss nochmals mit dem Thema befassen.

Nach Informationen von netzpolitik.org soll die entscheidende Änderung in dem geplanten § 87 f Abs. 1 UrhG folgende sein:

(1) Der Hersteller eines Presseerzeugnisses (Presseverleger) hat das ausschließliche Recht, das Presseerzeugnis oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen, es sei denn, es handelt sich um einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte. Ist das Presseerzeugnis in einem Unternehmen hergestellt worden, so gilt der Inhaber des Unternehmens als Hersteller.

Das bedeutet, dass Snippets ausdrücklich ausgenommen werden, wobei man wiederum darüber diskutieren kann, was genau kleinste Textausschnitte sein sollen. News-Aggregatoren könnten weiterhin, je nach Länge des übernommenen Textteils, betroffen bleiben. Das sind sie aber im Grunde schon nach geltendem Urheberrecht, denn die Übernahme längerer Textpassagen ist bereits jetzt unzulässig. Die Verlage sind auch bislang übrigens schon erfolgreich gegen die  wörtliche Übernahme von Textpassagen vorgegangen, wie die Entscheidung „Perlentaucher“ des BGH belegt.

Aus Sicht der Verlage ist damit der Versuch, Google zur Kasse zu bitten, gänzlich gescheitert. Es dürfte sich lediglich um einen Formelkompromiss handeln, der niemandem hilft, aber dennoch zusätzliche Rechtsunsicherheit erzeugt.

Als Abgeordneter sollte man deshalb trotzdem oder vielleicht erst recht gegen diese wirklich sinnlose Regelung stimmen.

Update:
Habe gerade den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP bekommen. Die Begründung für die oben dargestellte Änderung lautet:

Die Empfehlung soll sicherstellen, dass Suchmaschinen und Aggregatoren ihre Suchergebnisse kurz bezeichnen können, ohne gegen Rechte der Rechteinhaber zu  verstoßen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit Blick auf das Leistungsschutzrecht für Tonträgerhersteller (Urteil „Metall auf Metall“ vom 20.11.2008, Az. I ZR 112/06) soll hier gerade keine Anwendung finden. Einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte, wie Schlagzeilen, zum Beispiel „Bayern schlägt Schalke“, fallen nicht unter das Schutzgut des Leistungsschutzrechtes. Die freie, knappe aber zweckdienliche Beschreibung des verlinkten Inhalts ist gewährleistet. Suchmaschinen und Aggregatoren müssen eine Möglichkeit haben, zu bezeichnen, auf welches Suchergebnis sie verlinken. Insofern gilt der Rechtsgedanke der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Vorschaubildern („Vorschaubilder I“, Urteil vom 29.04.2010, Az. I ZR 96/08; „Vorschaubilder II“, Urteil vom 19.10.2011, Az. 140/10).

Das ist natürlich eine vollkommene Abkehr von der ursprünglichen Gesetzesbegründung.

posted by Stadler at 16:20  

25.2.13

Fall Mollath: Weiter nichts Neues aus der Anstalt

Seit einiger Zeit ist der Wiederaufnahmeantrag von Mollaths Verteidiger Strate öffentlich bekannt, der sich wie eine Fehlerchronik der Justiz liest. Mich hat daran allerdings etwas verwundert, dass sich der Antrag explizit auf das Beweis- und Aktenmaterial beschränkt, das dem Landgericht Nürnberg-Fürth bei seinem Urteil am 8.8.2006 zur Verfügung stand oder bei ordnungsgemäßer Aufklärung schon damals hätte zur Verfügung stehen können. Im Zentrum des Antrags steht deshalb der Vorwurf der vorsätzlichen Rechtsverletzung durch Gericht und Sachverständige, während betont wird, dass die neuen Erkenntnisse, die die Staatsanwaltschaft Regensburg gewonnen hat, bewusst nicht verarbeitet wurden, weil sich der Verteidigerantrag als Ergänzung des zu erwartenden staatsanwaltlichen Antrags versteht. Der Schuss könnte natürlich nach hinten losgehen, sollte die Staatsanwaltschaft doch keinen Wiederaufnahmeantrag stellen. Zumal mir etwas der Glaube daran fehlt, dass ein Gericht dem seinerzeit entscheidenden Gericht tatsächlich Rechtsbeugung attestieren wird.

Lesenswert ist auch der Blogbeitrag von Henning-Ernst Müller, der offenbar Einsicht in die Akte hatte und zu dem Schluss kommt, dass in dem Verfahren derart viele und so erhebliche Fehler gemacht worden seien, dass die Rechtskraft des Urteils und die weitere Unterbringung nicht mehr mit rechtsstaatlicher Legitimität aufrecht erhalten werden könne.

Oliver Garcia befasst sich in einem neuen Blogbeitrag mit der Rolle des Gutachters Klaus Leipziger und legt auch juristisch überzeugend dar, weshalb man dessen maßgebliches Gutachten als fehlerhaft und nicht tragfähig einschätzen muss. Das bestätigt meine bereits vor einiger Zeit hier vertretene Ansicht.

Ganz unabhängig davon, ob die Voraussetzungen eines Wiederaufnahmeverfahrens vorliegen oder nicht, ist mittlerweile wohl mehr als deutlich, dass die Voraussetzungen einer Unterbringung zu keinem Zeitpunkt in ordnungsgemäßer und rechtsstaatlicher Art und Weise festgestellt wurden. Und das kann und muss bei der Frage der Fortdauer berücksichtigt werden.

Je mehr Fakten und Details bekannt werden, umso stärker erinnert der Fall Mollath allerdings an „Einer flog über das Kuckucksnest“ und weniger an ein rechtsstaatliches Verfahren.

posted by Stadler at 22:13  

25.2.13

Bundestag will Leistungsschutzrecht schon am 01.03.2013 beschließen

Nachdem heute noch eine kurfristig anberaumte zweite Ausschussanhörung zum geplanten Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse abgehalten wurde, ist die 2. und 3. Lesung des Leistungsschutzrechts nun doch auf der Tagesordnung der Sitzung des Bundestages für den 01.03.2013.

Nachdem die Bundesregierung das Leistungsschutzrecht beschlossen hat, ist unter normalen Umständen auch davon auszugehen, dass die Koalition das Gesetzesvorhaben mit ihrer Mehrheit auch im Bundestag beschließen wird.

Sollte es so kommen, wird es für die Bundesregierung und die Abgeordneten vermutlich lehrreich sein, anschließend die praktischen Folgen beobachten zu können. Und vielleicht ist gerade ein solcher Lerneffekt notwendig. Möglicherweise ergibt sich so ja auch noch ein Wahlkampfthema, das bisher noch niemand auf der Rechnung hatte.

Das Gesetz wird allerdings erst drei Monate nach seiner Verkündung in Kraft treten, um – wie es in der Gesetzesbegründung heißt – es der urheberrechtlichen Praxis zu ermöglichen, sich auf die neue Gesetzeslage einzustellen.

posted by Stadler at 18:25  

22.2.13

Wenn Minister Persönlichkeitsrechte verletzen

Dass der bayerische Innenminister keine gute Figur macht, ist nicht neu. Neu ist vermutlich aber, dass er die Rechte einer Bürgerin direkt und unmittelbar durch seine Aussagen verletzt.

Über die junge Frau, die unlängst in München Opfer von brutaler Polizeigewalt wurde, hatte Innenminister Herrmann im Landtag behauptet, bei ihr habe bereits vor Monaten einmal eine vorläufige Unterbringung in der Psychiatrie im Raum gestanden.

Wenn diese Behauptung wahr ist, handelt es sich hierbei um die Preisgabe einer sensiblen Information aus der Privatssphäre der Frau und damit um eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung. Sollte die Aussage unwahr sein, wäre zudem eine üble Nachrede gegeben.

Ungeachtet dessen stellt sich natürlich die Frage, was uns der Minister mit dieser Information eigentlich sagen will. Dass Polizeigewalt eher zu tolerieren ist, wenn sie sich gegen psychisch Kranke richtet?

Jetzt hat hier auch keine Privatperson gehandelt, sondern ein Minister im Rahmen seiner Amtsausübung. Und das macht die (zivilrechtliche) Persönlichkeitsrechtsverletzung zugleich zu einem Grundrechtseingriff. Es ist daher mehr als verständlich und auch dringend notwendig, wenn jetzt die Wellen hochschlagen.

Nur unwesentlich besser sind die Aussagen des Abgeordneten Florian Herrmann – der mir als Anwaltskollege aus Freising bekannt ist – der den Anwalt der jungen Frau der Lüge bezichtigt.

In Bayern drängt sich einmal mehr die Schlussfolgerung auf, dass der Fisch vom Kopf weg stinkt. Der Filz wird schlicht und einfach zu dick, wenn eine Partei irgendwo zu lange regiert. Und das gilt allgemein, unabhängig von der Couleur.

posted by Stadler at 22:06  

22.2.13

Kauder kritisiert die Auswahl der Sachverständigen für die Anhörung zum Leistungsschutzrecht

Der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestages Siegfried Kauder – der dem nächsten Bundestag übrigens nicht mehr angehören wird – hat heute eine eigene Pressekonferenz zum Thema Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse abgehalten, über die u.a. netzpolitik.org berichtet.

Kauder wird dort folgendermaßen wiedergegeben:

Die Auswahl der Sachverständigen sei einzig nach ihrer Haltung zum LSR erfolgt, es habe sich um Parteivorträge gehalten, unabhängige Sachverständige seien nicht zum Zug gekommen.

Als einer der zu dieser Anhörung geladenen Sachverständigen fühle ich mich jetzt doch bemüßigt, dazu etwas zu sagen.

Es erscheint mir etwas merkwürdig, dass Kauder das Fehlen unabhängiger Sachverständiger beklagt, dann aber zu seiner Pressekonferenz mit Till Kreutzer ebenfalls einen Sachverständigen beizieht, der auch bei der Anhörung war. Warum hat er sich keinen unabhängigen Verfassungsrechtler dazu geholt?

Ich bin sicherlich von den Grünen auch deshalb benannt worden, weil ich ein erklärter Gegner des Leistungsschutzrechts bin. Aber haben nicht die Ausschussanhörungen im Bundestag seit jeher so funktioniert und weiß Siegfried Kauder als erfahrener Parlamentarier und Ausschussvorsitzender das nicht zu gut? Es war schließlich seine Fraktion, die Verlagsvertreter und Lobbyisten als Sachverständige benannt hatte.

Experten werden von Fraktionen natürlich auch deshalb benannt, weil man von ihnen weiß, welche Meinung sie vertreten. Der Vorwurf der fehlenden Unabhängigkeit stört mich persönlich dennoch, denn ich vertrete, wenn ich gefragt werde, immer meine eigene Meinung und die wird nicht von einem Auftraggeber oder einer Partei bestimmt.

Dass verfassungsrechtliche Fragen in der Anhörung nicht erörtert wurden, lag auch daran, dass man als Sachverständiger nur auf Fragen antworten kann und dazu kaum Fragen gestellt wurden. Von den Sachverständigen hat Spindler sich in seiner schriftlichen Stellungnahme ausführlich mit verfassungsrechtlichen Fragen beschäftigt und auch meine Stellungnahme enthält dazu Ausführungen.

Das von eco und Google in Auftrag gegebene Gutachten ist natürlich auch nicht neutral, zeigt aber die verfassungsrechtlichen Probleme zutreffend auf.

Vielleicht sollte der Rechtsausschuss einfach eine weitere Anhörung mit urheberrechts- und netzaffinen Verfassungsrechtlern machen.

posted by Stadler at 19:13  

21.2.13

Die Datenschutzgrundverordnung und die Bürgerrechte

In der Diskussion um die geplante Datenschutzgrundverordnung wird von Bürgerrechtsgruppen regelmäßig darauf hingewiesen, dass Industrielobbyisten versuchen würden, den Kommissionsentwurf zu verwässern. Grundsätzliche Kritik an der geplanten Datenschutzreform hört man aus der bürgerrechtlichen Ecke demgegenüber kaum. Es wird ganz im Gegenteil der Eindruck erweckt, als sei das vorgestellte Konzept im Sinne der Bürgerrechte zwingend notwendig und sogar noch zu verschärfen. Slogans wie „Unsere Grundrechte auf Privatsphäre und Datenschutz sind in Gefahr! schüren Ängste und lenken von der eigentlich notwendigen Diskussion ab.

Es werden insoweit von Bürgerrechtsorganisationen durchaus auch bedenkliche Forderungen aufgestellt, was ich anhand eines konkreten Beispiels einmal näher erläutern möchte. Der Verein Digitale Gesellschaft e.V. hat einen 10-Punkte-Katalog zur Datenschutzgrundverordnung aufgestellt, in dem u.a. folgende Forderung enthalten ist:

Einer der sechs Kriterien für eine rechtmäßige Verarbeitung von Daten ist das sogenannte „berechtigte Interesse“ der Unternehmen. (…) Der Bericht des Europäischen Parlaments lässt viel zu viele Ausnahmen zu. Der Begriff des „berechtigten Interesses“ wird dadurch zu einer Art Trojaner, der eine exzessive Verarbeitung unserer Daten ermöglicht. (…)

Wir fordern daher, dass das „berechtigte Interesse“ als Kriterium für eine rechtmäßige Datenverarbeitung komplett gestrichen wird.

Um zu verstehen, was das bedeutet, muss man etwas weiter ausholen und sich mit der Grundstruktur des Datenschutzrechts auseinandersetzen.

Das Datenschutzrecht ist vom sog. Verbotsprinzip geprägt, das unter einem Erlaubnisvorbehalt steht. Dieses Konzept wird von der Datenschutzgrundverordnung, trotz erheblicher Kritik, beibehalten. Es besagt, dass zunächst jede Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten verboten ist, solange nicht der Betroffene ausdrücklich in die Datenverarbeitung einwilligt oder ein Gesetz die Datenverarbeitung zulässt.

Der Entwurf der Datenschutzgrundverordnung macht insoweit in seinem Art. 6 zur Rechtmäßigkeit einer Datenverarbeitung folgende Vorgaben:

Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:
a) Die betroffene Person hat ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere genau festgelegte Zwecke gegeben.
b) Die Verarbeitung ist für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, erforderlich oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen, die auf Antrag der betroffenen Person erfolgen.
c) Die Verarbeitung ist zur Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung erforderlich, der der für die Verarbeitung Verantwortliche unterliegt.
d) Die Verarbeitung ist nötig, um lebenswichtige Interessen der betroffenen Person zu schützen.
e) Die Verarbeitung ist für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung hoheitlicher Gewalt erfolgt und die dem für die Verarbeitung Verantwortlichen übertragen wurde.
f) Die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des für die Verarbeitung Verantwortlichen erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt. Dieser gilt nicht für die von Behörden in Erfüllung ihrer Aufgaben vorgenommene Verarbeitung.

Was die Digitale Gesellschaft also fordert, ist die komplette Streichung von Art. 6 Abs. 1 Nr. f. Das wird zu unlösbaren praktischen Problemen führen und würde zu Ende gedacht sogar ein Verbot sämtlicher Internetkommunikation bedeuten.

Die Internetkommunikation ist bekanntlich IP-basiert, d.h. es werden laufend IP-Adressen übermittelt und ganz regelmäßig auch gespeichert. IP-Adressen sind aber nach der derzeitigen Einschätzung aller deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden stets als personenbezogene Daten anzusehen. Ob das nach der Verordnung auch so sein soll, ist nach der Entwurfsfassung nicht gänzlich klar. Die Änderungsvorschläge des Berichterstatters im EU-Parlament Jan Philipp Albrecht sehen im Änderungsantrag 15 deshalb vor, klarzustellen, dass auch IP-Adressen und Cookies als personenbezogen im Sinne der Verordnung betrachtet werden müssen, es sei denn, es handelt sich um IP-Adressen von Unternehmen. Diese Differenzierung ist schon deshalb problematisch, weil man der IP-Adresse ja nicht ansieht, ob sie von einem Unternehmen oder einer natürlichen Person verwendet wird, weshalb man als sog. verantwortliche Stelle im Zweifel immer alle IP-Adressen als personenbezogen betrachten muss.

Die Übermittlung und Speicherung von IP-Adressen und Cookies wäre damit nach dem geltenden Verbotsprinzip zunächst generell verboten. Das bedeutet eigentlich, dass damit in einem ersten Schritt die gesamte Internetkommunikation datenschutzwidrig ist. Diese Datenverarbreitung kann nun natürlich aber zulässig sein, wenn ein gesetzlicher Erlaubnistatbestand vorliegt. Weil eine Einwilligung ausscheidet und auch ein Vertragsverhältnis im Regelfall nicht gegeben ist, bleibt als einziger Erlaubnistatbestand nach der Datenschutzgrundverordnung die Vorschrift des Art. 6 Abs. 1 Nr. f, nämlich die Wahrung eines berechtigten Interesses. Und genau diese Regelung möchte die Digitale Gesellschaft streichen, mit der Begründung, es handle sich um eine Art Trojaner, der eine exzessive Verarbeitung unserer Daten ermöglicht. Das Dumme ist jetzt nur, dass dieser Trojaner die Internetkommunkation datenschutzrechtlich überhaupt erst erlaubt.

Gerade schwer nachvollziehbare Folgen dieser Art sind der Grund dafür, dass einige ernsthafte Stimmen eine grundlegende Reform des Datenschutzrechts fordern und eine Abkehr vom Verbotsprinzip.

Was in der bürgerrechtlichen Diskussion ebenfalls viel zu kurz kommt, ist das Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz einerseits und Kommunikationsgrundrechten (Meinungs- und Informationsfreiheit) andererseits. Das Verbot personenbezogene Daten zu veröffentlichen, schränkt nämlich grundsätzlich auch die Meinungs- und Pressefreiheit ein, denn jedwede Information zu einer bestimmten Person ist gleichzeitig auch immer ein personenbezogenes Datum.

Man geht daher schon seit langem davon aus, dass es ein Berichterstattungsprivileg geben muss, das die Vorgaben des Datenschutzrechts einschränkt. Ein solches hat der BGH beispielsweise in der Spick-Mich-Entscheidung angenommen und ausgeführt, dass die Meinungsfreiheit und das berechtigte Informationsinteresse das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen überwiegen können.

Dieses Medien- oder Berichterstattungsprivileg ist bislang praktisch nicht kodifiziert. Es wäre deshalb naheliegend – zumal wir immer von einer Informationsgesellschaft reden – dass sich der europäische Gesetzgeber dieses zentralen Punkts annimmt, um eine möglichst klare und europaweit einheitliche Regelung zu schaffen.

Um es deutlich zu sagen: Ein strenges Datenschutzregime beinhaltet immer auch eine Einschränkung der Kommunikationsfreiheiten. Es besteht also ein latentes Spannungsverhältnis zwischen dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung – als Grundlage des Datenschutzes – und der Meinungs- und Informationsfreiheit. Es ist also aus bürgerrechtlicher Sicht etwas kurzsichtig, sich nur auf einen grundrechtlichen Aspekt zu konzentrieren, ohne die Wechselwirkungen zu beachten.

Leider sind wir von einer differenzierten Diskussion noch meilenwert entfernt. Auf der einen Seiten haben wir Unternehmenslobbyisten, die Datenschutz in der Tendenz primär als Hemmnis sehen, während wir auf der Gegenseite vermeintliche Bürgerrechtler stehen haben, die z.T. bedenkliche und nicht durchdachte Positionen einnehmen.

Wir haben es mit einer Diskussion zu tun, in der es um das Spannungsverhältnis verschiedener Grundrechte geht. Demzufolge ist eine ausdifferenzierte Abwägung erforderlich. Das setzt allerdings die Erkenntnis voraus, dass sowohl die Position der Hardcore-Datenschützer wie auch die der Industrielobbyisten in ihrer Absolutheit falsch ist. Wir leben aber leider in einer Gesellschaft die Kampagnen bevorzugt, die von klaren Schwarz-Weiß-Schemata geprägt sind. Und das spürt man auch bei dieser Diskussion mehr als deutlich.

 

Zur inhaltlichen Kritik an den Reformplänen der EU hier noch ein Überblick über Blogbeiträge zum Thema:

Hebelt die geplante EU-Datenschutzverordnung deutsche Grundrechte aus?

Der Entwurf einer EU-Datenschutzverordnung in der Kritik

Weitere Kritik an der geplanten EU-Datenschutzverordnung

Alternativentwurf einer EU-Datenschutzverordnung

Wie sinnvoll und wie demokratisch ist die geplante EU-Datenschutzgrundverordnung?

Muss unser Datenschutzrecht runderneuert werden?

5 Thesen zur Datenschutz-Verordnung (via Telemedicus)

posted by Stadler at 17:24  

20.2.13

BVerwG: Auskunftsanspruch der Presse unmittelbar aus dem Grundgesetz

Was das Bundesverwaltungsgericht heute entschieden hat, ist durchaus progressiv, aber im Lichte der Presse- und Informationsfreiheit dringend geboten (Urteil vom 20. Februar 2013, Az.: 6 A 2.12).

Auch wenn das Bundesrecht keinen ausdrücklichen Aukunftsanspruch der Presse gegenüber Bundesbehörden vorsieht, kann eine Auskunft dennoch verlangt werden und zwar unmittelbar aus dem Grundgesetz.

Mit der Gewährleistung der Pressefreiheit trägt das Grundgesetz der besonderen Bedeutung der Presse in einem freiheitlichen demokratischen Staatswesen Rechnung. Hieraus folgt die Pflicht des Staates zur Erteilung von Auskünften. Fehlt es an einer Regelung des zuständigen Gesetzgebers, ist ein Minimalstandard an Auskunftspflichten in der Weise verfassungsunmittelbar garantiert, dass das Grundgesetz einen klagbaren Rechtsanspruch auf Erteilung einer bestimmten Information zuerkennt, soweit ihm nicht berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit von Informationen entgegenstehen, wie sie beispielhaft in den Landespressegesetzen aufgeführt sind.

Im konkreten Fall hat das Gericht die Klage dennoch abgewiesen. Es hat betont, dass sich der Auskunftsanspruch nur auf aktuell vorhandene Informationen beziehen kann und jedenfalls nicht zu einer Informationsbeschaffungspflicht der Behörde führt.

Quelle: Pressemitteilung des BVerwG

posted by Stadler at 17:53  
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