Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

31.5.10

Ist das Internet ein Zoo?

Die SPD-Politikerin Barbara Kisseler – übrigens Fachfrau für Kultur in Steinmeiers grandiosem Wahlkampfteam – hat sich mit einer beachtlichen These zu Wort gemeldet. „Die freie Wildbahn im Internet kann nicht in unserem gesellschaftspolitischen Interesse sein“, sagte sie der Zeitschrift proMedia in einem Interview. Was dem Rechtspolitiker sein rechtsfreier Raum, das ist für den Kulturpolitiker offenbar die freie Wildbahn.

Entspricht es tatsächlich unserem gesellschaftspolitischen Interesse, das Internet in einen Zoo umzufunktionieren?  Und wen meint Frau Kisseler, wenn sie von wir spricht? Wohl eher die Content-Industrie als die Gesamtheit dieser Gesellschaft.

Schön ist auch folgender Satz aus dem Interview mit Kisseler:

Wenn man als Provider journalistische Inhalte benutzt, hat man davon einen direkten Vorteil und muss eine Gegenleistung erbringen.

Da kommt man aus dem Staunen gar nicht mehr raus vor lauter Expertentum, an dem bei der SPD nach wie vor kein Mangel zu herrschen scheint.

posted by Stadler at 08:00  

29.5.10

Burkhard Hirsch zum 80. Geburtstag

Heribert Prantl hat in der Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung eine schöne Laudatio auf den FDP-Politiker Burkhard Hirsch, den ich seit längerer Zeit nur noch als Bürgerrechtler wahrnehme, zu dessen 80. Geburtstag verfasst. Seine Erfolge feiert Hirsch freilich schon seit längerer Zeit nicht mehr auf der politischen Bühne als Mitglied der Partei, die sich liberal nennt. Ihn darf man allerdings mit Fug und Recht einen Liberalen nennen, der unbeirrt und geradlinig für die Bürgerrechte eintritt. Den großen Lauschangriff, das Lufsicherheitsgesetz und die Vorratsdatenspeicherung hat er vor dem Bundesverfassungsgericht als Beschwerdeführer oder Prozessvertreter erfolgreich bekämpft. Er ist, wie Prantl schreibt, ein Anwalt des Rechts.

Ein Zitat aus einem Text, den Hirsch vor einigen Jahren für die ZEIT verfasst hat, bringt seine konsequente rechtsstaatliche Haltung auf den Punkt:

„Der Schutz der Privatheit und der individuellen Freiheitsrechte sind kein eigenbrötlerischer Individualismus. Sie gehören zur Menschenwürde. Sie sind zentrale Werte des Grundgesetzes. In dieser freiheitlichen Qualität unserer Verfassung liegt ihre integrierende Kraft, nicht etwa in der möglichst lückenlosen Anwendung polizeilicher Eingriffsmöglichkeiten. Daran ändern auch Eitelkeit oder Einfalt mancher Bürger nichts, die ihr Privatleben am Handy in die Gegend brüllen oder in TV-Talks bereitwillig ausbreiten. Daran ändert auch das so gute Gewissen vieler Bürger nichts, die ihr Privatleben mit der Behauptung leugnen, sie hätten nichts zu verbergen. In Wirklichkeit glauben sie, von einem Verdacht verschont zu bleiben. Sie wollen mehr eigene Sicherheit mit der Freiheit anderer bezahlen. Das ist politische Zechprellerei.“ (Wehret dem bitteren Ende! – Die Politik verliert im Kampf gegen innere Feinde jedes Maß, DIE ZEIT 10/2005)

Ich würde mir so wünschen, es gäbe mehr Menschen wie Burkhard Hirsch.

posted by Stadler at 17:49  

28.5.10

Urteil im Fall Tauss

Jörg Tauss wurde heute vom Landgericht Karlsruhe wegen des Besitzes und der Verbreitung kinderpornografischer Bilder zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung verurteilt. Nachdem das die meisten Leser dieses Blogs vermutlich schon wissen, beschränke ich mich auf einen Ausblick in Richtung der von Tauss angekündigten Revision.

Diese Revision wird es schwer haben, eine Aufhebung des Urteils zu erreichen. Denn das Gericht hat sich nicht auf die Rechtsauffassung beschränkt, dass sich Abgeordnete nicht auf die Privilegierung des § 184b Abs. 5 StGB berufen können. Denn diese Rechtsansicht kann man mit guten Gründen in Zweifel ziehen. Das Gericht hat vielmehr auch dargelegt, dass es aufgrund der Gesamtumstände zu der Überzeugung gelangt ist, dass Tauss das kinderpornografische Material nicht in Zusammenhang mit seinem Mandat als Bundestagsabgeordneter recherchiert hat, sondern aus privaten Gründen. Dieser Aspekt wird sicherlich in der schriftlichen Urteilsbegründung einen breiteren Raum einnehmen. Und gerade diese Würdigung der tatsächlichen Umstände wird der BGH wegen des eingeschränkten Prüfungsumfangs der Revision möglicherweise nicht in Zweifel ziehen.

Allerdings habe ich zudem den Eindruck, dass das Gericht bei der Strafzumessung recht hoch gegriffen hat, nachdem Tauss zumindest den äußeren Sachverhalt eingeräumt hat und es sich außerdem auch in quantitativer Hinsicht wohl eher um einen unterdurchschnittlichen Fall gehandelt hat. Insoweit überrascht eine Freiheitsstrafe von über einem Jahr schon etwas.

Einige Stimmen zum Urteil:

Heise

Rainer Kaufmann

Rechtsanwalt Andreas Fischer

posted by Stadler at 18:46  

28.5.10

Filesharing: Zweifelhafte Doppelabmahnungen

Dass es bei Filesharing-Abmahnungen gelegentlich äußerst fragwürdig zugeht, belegt ein neuer Fall, den ich gerade auf den Tisch bekommen habe.

Der Mandant wurde bereits vor einigen Monaten von der Kanzlei Rasch im Auftrag von Universal Music abgemahnt, weil er das Werk „Aggro Berlin“ des Rappers Sido über einen Bit-Torrent-Client zum Download verfügbar gemacht haben soll.  Der Abgemahnte hat eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.

Monate später flattert dem Mandanten dann eine weitere Abmahnung ins Haus, diesmal von der Kanzlei Nümann & Lang, die die Verletzung der Rechte an dem Musikwerk „Siggi und Harry“ des Miturhebers David Vogt und am Musikwerk „Geburtstag“ des Urhebers Haschim Elobied rügen. Die Datei die Nümann & Lang als Gegenstand der Rechtsverletzung benennt, trägt allerdings den Namen „Sido – Aggro Berlin-DE-2009-YSP seeded by www.p2p-crew.to“. Die Zeitpunkte des ersten und zweiten Verstoßes sind, bis auf eine Differenz von neun Minuten, identisch, die benutzte IP-Adresse ist dieselbe. Interessanterweise liegen beiden Abmahnungen aber unterschiedliche Auskunftsbeschlüsse des Landgerichts Köln zugrunde.

Nachdem ich kein großer Fan von Sido bin, brachte erst die Überprüfung der Trackliste des Albums die Gewissheit, dass es sich bei „Siggi und Harry“ und bei „Geburtstag“ um zwei Stücke vom Album „Aggro Berlin“ handelt.

Hier wurde also derselbe Verstoß von zwei verschiedenen vermeintlichen Rechteinhabern und verschiedenen Kanzleien abgemahnt. Dieser Fall lässt sich durch Verweis auf die bereits erfolgte Drittunterwerfung gegenüber Universal erledigen. Er wirft freilich die Frage der Abmahnbefugnis bzw. Aktivlegitimation der verschiedenen Rechteinhaber auf.

Auch die Spruchpraxis des Landgerichts Köln rückt mit solchen Vorgängen ins Zwielicht. Denn offenbar bemerkt man dort nicht, dass man für ein und denselben Verstoß zwei unterschiedlichen Antragstellern – die möglicherweise beide ausschließliche Rechte behaupten – die Ermittlung der Anschlussinhaber ermöglicht und dadurch diese Mehrfachabmahnungen überhaupt erst möglich macht.

posted by Stadler at 16:38  

28.5.10

Onlinehandel: Änderungen im Widerrufsrecht zum 11.06.2010

Am 11.06.2010 treten Änderungen im Fernabsatzrecht in Kraft, die für Onlinehändler wichtige Neuerungen mit sich bringen.

Durch eine Änderung des § 355 BGB soll nunmehr gewährleistet werden, dass auch bei Verkäufen über die Handelsplattform eBay eine 14-tägige Widerrufsfrist eingeräumt werden kann. Bislang hatten einige Obergerichte die durchaus fragwürdige Rechtsansicht vertreten, dass Widerrufsbelehrungen auf Websites nicht der Textform genügen, mit der Folge, dass speziell bei eBay-Verkäufen eine einmonatige Widerrufsfrist eingeräumt werden musste. Diese Ungleichbehandlung versucht der Gesetzgeber nunmehr zu beseitigen. Ob der neue Gesetzeswortlaut insoweit ausreichend Klarheit bietet, wird man allerdings abwarten müssen.

Wer wegen einer zu kurzen Widerrufsfrist bei eBay in der Vergangenheit abgemahnt wurde und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegegeben hat, muss sich u.U. Gedanken darüber machen, ob er den Unterlassungsvertrag wegen der Gesetzesänderung kündigen muss. Denn andernfalls ergibt sich bei einer Anpassung der Widerrufsbelehrung an die neue Rechtslage und die Verkürzung der Frist auf 14 Tage das Problem, dass man damit gegen die weiter existente Unterlassungsverpflichtung verstößt. Hier ist in jedem Fall Vorsicht geboten und ggf. anwaltlicher Rat einzuholen.

Neu ist ferner auch, dass die Musterwiderrufsbelehrung nunmehr Gesetzesrang hat. Damit ist es den Gerichten verwehrt, die Widerrufsbelehrung als unwirksam oder intransparent zu qualifizieren, was zu mehr Rechtssicherheit führen soll.

posted by Stadler at 11:20  

27.5.10

Jugendmedienschutz: Der AK Zensur macht den Praxistest

Der Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur hat heute ein sehr interessantes Experiment vorgestellt. Er möchte testen, wie sich der neue Jugendmedienschutz-Staatsvertrag tatsächlich in der Praxis auswirkt und auswirken kann.

Hierzu benennt der AK Zensur jetzt jeden Tag eine Website und bittet die Nutzer eine Altersklassifizierung vorzunehmen. Die Nutzer sollen also ihre Meinung dazu äußern, welche Altersfreigabe sie der betreffenden Website geben würden. Das Experiment beginnt heute. Nehmen Sie bitte zahlreich an der Abstimmung teil.

posted by Stadler at 13:56  

27.5.10

Schleswig-Holstein will ausländische Webseiten sperren

Nach einem Bericht von Telemedicus will das Land Schleswig-Holstein Sperrungsverfügungen gegen Access-Provider erlassen, um ausländische Glückspielseiten zu blockieren.

Da dies auf Grundlage des geltenden Rechts schwierig werden würde, plant Schleswig-Holstein den Glückspielsstaatsvertrag aller Länder 2011 auslaufen zu lassen, um sodann eine eigene Regelung auf Landesebene zu etablieren. Am 09.06.2010 soll ein Gesetzesentwurf vorgestellt werden, der auch die Möglichkeit der Anordnung von Access-Sperren vorsieht.

Ausgerechnet der „Liberale“ Wolfgang Kubicki ist offenbar die treibende Kraft hinter diesem Vorhaben.

Update:

Die geplante Regelung muss allerdings über die bereits existierende Norm in § 59 Abs. 3 RStV hinausgehen, da eine einzelfallbezogene Blockade aufgrund einzelner Sperrungsverfügungen kaum zielführend sein dürfte. Der Gesetzesentwurf wird daher, ähnlich wie das Zugangserschwerungsgesetz, vermutlich mit einer behördlichen Sperrliste arbeiten, die laufend aktualisiert und von den Internet Service Providern automatisiert umgesetzt werden soll. Die Anordnung kann sich allerdings nur an solche Provider richten, die ihren Sitz in Schleswig-Holstein haben. Mit diesem Problem hatten die ersten deutschen Sperrungsverfügungen der Bezirksregierung Düsseldorf ebenfalls zu kämpfen. Die großen Provider, die in anderen Bundesländern sitzen, wird man so von Kiel aus nicht zur Sperrung verpflichten können. Das Ganze sieht also sehr nach einem Sturm im Wasserglas aus, was ja irgendwie auch zu Kubicki passen würde.

posted by Stadler at 12:20  

27.5.10

Google, Microsoft und Yahoo halten sich nicht an den Datenschutz

Das sagt zumindest die Art. 29 Datenschutzgruppe der EU, ein Expertengremium dessen Aufgabe es ist, die Kommission in datenschutzrechtlichen Fragen zu beraten. Die Kritik richtet sich bei allen drei Unternehmen gegen ihre Suchmaschinenfunktionen, die nach Ansicht des Gremiums immer noch nicht den Vorgaben der Datenschutzrichtlinie genügen. Die Gruppe verlangt eine vollständige Anonymisierung der Daten von Suchmaschinennutzern.

posted by Stadler at 08:00  

26.5.10

Das Datenschutzrecht braucht ein allgemeines Medienprivileg

Rechtsanwalt Dr. Damm hat ein Schreiben des Baden-Württembergischen Innenminsteriums veröffentlicht, das als Aufsichtsbehörde für den Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich darüber zu befinden hatte, ob Abmahnwarnungen im Netz, unter namentlicher Nennung des Abmahnenden und der ihn vertretenden Anwaltskanzlei, gegen das Datenschutzrecht verstoßen. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der „Spickmich“ Entscheidung des BGH (Az.: VI ZR 196/08) hat die Behörde einen Verstoß verneint.

Mir ist noch gut in Erinnerung, dass der Hamburgische Datenschutzbeauftragte vor ca. zehn Jahren gegenüber der Initiative Freedom For Links noch eine ganz andere Ansicht vertreten und eine solche Auflistung von Abmahnern als unzulässige Verarbeitung und Übermittlung personenbezogener Daten bewertet und einen Verstoß gerügt hat.

Solche Fälle zeigen, dass im Datenschutzrecht dringend eine eigenständige Regelung des Spannungsverhältnisses von Berichterstattung und Datenschutz nötigt ist. Denn § 29 BDSG ist dafür eigentlich nicht ausgelegt und § 41 BDSG normiert, zumindest für den Onlinebereich, ebenfalls kein Medienprivileg. Andererseits werden der Datenschutz und das allgemeine Persönlichkeitsrecht immer wieder bemüht, wenn es darum geht, eine unliebsame Berichterstattung oder die Information der Öffentlichkeit zu unterbinden. Die Behinderung kritischer Berichterstattung ist aber nicht Sinn des Datenschutzrechts.

posted by Stadler at 15:14  

25.5.10

Forderungskatalog zum Jugendmedienschutz

Der Arbeitskreis gegen Internet-Sperren hat einen Forderungskatalog zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag aufgestellt. Das Papier weist zutreffend darauf hin, dass der Ansatz des JMStV insgesamt verfehlt ist und überdacht werden sollte. Kritisiert wird insbesondere die umstrittene „freiwillige Kennzeichnung“ von Onlineinhalten, die neu eingeführt werden soll. SPD-Medienexperten berufen sich nach einem Bericht von Heise auf den Forderungskatalog des AK Zensur und schließen sich der Kritik an. Selbst in der CDU gibt es mittlerweile offenbar durchaus unterschiedliche Ansichten im Hinblick auf die Sinnhaftigkeit des aktuellen Novellierungsvorschlags.

posted by Stadler at 20:43  
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