Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

31.1.15

Noch ein paar Gedanken zu Böhmermann und dem Urheberrecht

Der Fernsehmoderator Jan Böhmermann hatte vor einiger Zeit ein Foto eines Berufsfotografen online gestellt bzw. getwittert, das er nach eigenen Angaben über die Google-Bildersuche gefunden hatte. Wenig überraschend hat er später von dem Fotografen eine anwaltliche Abmahnung erhalten und sollte einen Betrag von ca. 900 EUR (Schadensersatz und Anwaltskosten) bezahlen.

Böhmermann hatte anschließend nichts besseres zu tun, als den Fotografen öffentlich unter Namensnennung anzuprangern.

Die Rechtslage ist an dieser Stelle denkbar einfach und sollte auch für Journalisten und Medienleute nachvollziehbar sein. Wenn Böhmermann nur auf eine bereits vorhandene Quelle im Netz verlinkt hat, stellt sein Verhalten nach der Rechtsprechung des EuGH keine öffentliche Zugänglichmachung dar und damit auch keine Urheberrechtsverletzung. Wenn er das Foto allerdings selbst ins Netz stellt und dann twittert – was offenbar der Fall war – liegt ein öffentliches Zugänglichmachen und damit eine relevante Nutzungshandlung vor. Warum hat also Böhmermann nicht einfach nur verlinkt?

Bei Menschen die privat twittern, greift zudem die Privilegierung des § 97a Abs. 3 S. 2 UrhG, mit der Folge, dass die erstattungsfähigen Anwaltskosten gedeckelt sind, regelmäßig auf EUR 124 (netto), soweit dies nicht nach den Umständen des Einzelfalls unbillig ist. Dass sich Böhmermann auf diese Deckelung berufen kann, halte ich für eher unwahrscheinlich. Denn er twittert als Fersehmoderator mit ca. 150.000 Followern, verfügt also über eine erhebliche Reichweite.

Ungeachtet der juristischen Betrachtung gibt es vermutlich schlimmere Schicksale als das, dass ein Fernsehmoderator für eine Urheberrechtsverletzung ca. 900 EUR zu berappen hat.

Wer an dieser Stelle dem Fotografen Vorwürfe macht, sollte sich fragen, was die Alternative wäre. Dass ein Fotograf die beliebige kostenlose Nutzung und Weiterverbreitung seines Fotos in jedweden Medien zu dulden hat? Der Fotograf hat offenbar auch keine normalen Twitternutzer abgemahnt, sondern Jan Böhmermann und auch BILD-Chef Kai Diekmann, der durch dieselbe Urheberrechtsverletzung aufgefallen ist. Es hat hier bestimmt nicht die Falschen getroffen. Anders als beispielsweise Dirk von Gehlen in der SZ, habe ich für das Verhalten Böhmermanns wenig Verständnis, zumal er dann auch noch gemeint hat, den Fotografen attackieren zu müssen. Die Rechtslage ist hier nicht so schwierig. Man kann von Medienleuten wie Böhmermann und Diekmann erwarten, dass sie wissen, was sie dürfen und was nicht.

posted by Stadler at 21:39  

30.1.15

Vermutung der Urheberschaft auch im Internet

Eine heute veröffentlichte Entscheidung des BGH (Urteil vom 18.09.2014, Az.: I ZR 76/13) nimmt gleich zu mehreren interessanten und relevanten Fragen des Urheberrechts Stellung.

Zunächst erläutert der BGH, dass die Vermutung der Urheber- oder Rechtsinhaberschaft nach § 10 UrhG auch für Werke gilt, die ins Internet eingestellt wurden. Auch insoweit liegt nach Ansicht des BGH ein Vervielfältigungsstück vor. Die Vermutung gilt aber nur dann, wenn ein Urhebervermerk an einer Stelle angebracht ist, wo bei derartigen Werken üblicherweise der Urheber benannt wird und die Bezeichnung inhaltlich erkennen lässt, dass sie den Urheber des Werkes wiedergibt. Allerdings muss der Verkehr nach Ansicht des BGH darin die Bezeichnung einer natürlichen Person erkennen können.

Der BGH geht zudem davon aus, dass die Vorlage von Originaldateien, die über eine höhere Auflösung als die auf der Internetseite eingestellten Dateien verfügen, zumindest ein Anhaltspunkt für die Urheberschaft an Lichtbildern bietet.

Schließlich stellt der BGH klar, dass eine Unterlassungserklärung, die sich (nur) auf das Verbreiten von Lichtbildern bezieht, auch das öffentliche Zugänglichmachen im Internet umfassen kann, wenn sich der Unterlassungsanspruch des Klägers auch auf ein Verbot des öffentlichen Zugänglichmachens bezog und der gerügte Verstoß allein die Nutzung von Bildern im Internet betroffen hat.

posted by Stadler at 12:34  

30.1.15

Arbeitet Deutschland in der EU gegen den Datenschutz?

Die Bürgerrechtsorganisation digitalcourage hat in ihrem Blog einen Beitrag von Max Schrems veröffentlicht, einem wegen seiner Klage gegen Facebook bekannten österreichischen Datenschutzaktivisten. Schrems behauptet in seinem Beitrag, Deutschland würde in der EU gegen den Datenschutz arbeiten und führt zur Begründung acht Beispiele für datenschutzunfreundliche Änderungen des Entwurfs einer Datenschutzgrundverordnung an, die auf „die Beamten des deutschen Innenministeriums“ zurückgehen sollen.

Jetzt könnte man Schrems schon ganz allgemein entgegenhalten, dass die EU das (vermeintlich) hohe Datenschutzniveau der geplanten Grundverordnung primär aus Deutschland importiert hat und unterschiedliche politische Akteure deutscher Herkunft auch für zahlreiche datenschutzfreundliche Klauseln im Entwurf verantwortlich sind. Eine kurze Überprüfung der acht von Schrems genannten Punkte ergibt außerdem, dass diese keineswegs alle aus dem BMI kommen. Dennoch möchte ich auch einen inhaltlichen Blick auf einige der aufgeworfenen Aspekte richten.

Schrems behauptet u.a. folgendes:

Die bisher vorgesehene explizite“ Zustimmung („Opt-In“) wurde durch eine Definition ersetzt, bei der auch eventuell sogar nur durch die „Nutzung einer Webseite“ oder durch eine, vielleicht sogar nur versteckt angebrachte, Klausel eine Nutzerin oder Nutzer „zustimmen“ kann.

Als schwächende Veränderung wurde von Schrems dabei gewertet, dass bei der datenschutzrechtlichen Einwilligung der Begriff “explicit” durch “unambiguous” consent ersetzt worden ist (Art. 6 Nr. 1a). Nur bei bestimmten Daten wird noch „explicit consent“ verlangt (Art. 9). Diesen Änderungsvorschlag, der seit 2013 existiert und m.W. nicht vom BMI stammt, kann man allerdings auch als sinnvolle Klarstellung bewerten. Denn der vorhergehende Entwurfstext war in diesem Punkt widersprüchlich. Er sprach einerseits davon, dass die Einwilligung ausdrücklich (explicitly) erteilt werden soll, um dann auszuführen, dass auch eine eindeutige Handlung (clear affirmative action)  – also konkludentes Verhalten – ausreichend sein soll. Es war jedenfalls notwendig, diesen Widerspruch aufzulösen, um spätere gegensätzliche Auslegungen zu vermeiden. Eine Erklärung durch konkludentes Verhalten ermöglicht aber auch keine Einwilligung durch versteckt angebrachte Klauseln wie Schrems behauptet. Das belegt auch die Notwendigkeit einer  „clear affirmative action“ in Erwägungsgrund 25. In diesem Kontext hätte man wohl auch noch erwähnen müssen, dass die deutsche Delegation im Rat der EU kürzlich Vorschläge zur Ergänzung der Anforderungen an die Einwilligung gemacht hat, die schwerlich als Schwächung der datenschutzrechtlichen Einwilligung angesehen werden können.

Dass der Grundsatz der Datenminimierung (Datensparsamkeit) gestrichen wurde, ist insofern richtig, als nunmehr in Art. 5 c nur noch davon die Rede ist, dass die Speicherung nicht exzessiv sein darf, während es vorher hieß, dass sie auf ein Mindestmaß zu beschränken ist. Ob damit allerdings eine substantielle Veränderung verbunden ist, darf man bezweifeln. Die Datensparsamkeit wird außerdem nunmehr – übrigens auf Vorschlag Deutschlands – zusätzlich in Art. 23 Nr. 1 erwähnt.

Die Behauptung, der Grundsatz der Zweckbindung sei mit einer großen Ausnahme versehen worden, wird von Schrems nicht näher erläutert und erscheint mir auch nicht nachvollziehbar.

Schrems weist außerdem darauf hin, dass die bisher vorgeschriebenen Datenschutzbeauftragten freiwillig werden sollen. Gemeint sind damit die betrieblichen Datenschutzbeauftragten nach Art. 35 der Grundverordnung. Der bisherige Entwurf sah vor, dass Unternehmen, die 250 oder mehr Mitarbeiter beschäftigen, einen betrieblichen Datenschutzbeauftragten benötigen. Diese Regelung wurde in der aktuellen Entwurfsfassung wieder gestrichen, mit der Folge, dass es den Mitgliedsstaaten obliegt, diese Frage national zu regeln. Das würde für Deutschland bedeuten, dass die ohnehin deutlich strengere Regelung des BDSG beibehalten werden kann. Danach ist ein betrieblicher Datenschutzbeautragter zu bestellen, wenn mehr als 9 Personen ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigt sind. Dieser Änderungsvorschlag in der Grundverordnung geht übrigens nicht auf eine Initiative des BMI zurück. Aus den Fußnoten wird vielmehr deutlich, dass Deutschland eine einheitliche Regelung im Rahmen der Verordnung bevorzugt hätte.

Es gibt übrigens durchaus Anhaltspunkte dafür, dass das BMI punktuell auf eine wirtschaftsfreundliche Abschwächung des Datenschutzes hinarbeitet. Der Text von Schrems ist allerdings schlicht verzerrend. Dass Bürgerrechtsorganisationen wie digitalcourage beim Thema Datenschutz ebenfalls Lobbyismus betreiben, ist klar und letztlich auch wünschenswert. Man sollte sich hierbei aber zumindest halbwegs an die Fakten halten und nicht auf Desinformation setzen. Die Verfälschung ist kein legitimes Mittel des politischen Meinungskampfs, auch wenn sie allzu gerne betrieben wird.

posted by Stadler at 10:54  

29.1.15

BGH entscheidet demnächst wieder Filesharing-Sachverhalte und den Streit um die Tagesschau-App

Am 30.04.2015 verhandelt der BGH den Streit um die Tagesschau-App (Az.:I ZR 13/14), mit dem ich mich in diesem Blog u.a. hier und hier ausführlich beschäftigt habe.

Außerdem sind zwei weitere Filesharing-Fälle beim BGH gelandet, über die der I. Zivilsenat am 11.06.2015 (Az.: I ZR 7/14 und I ZR 19/14) verhandeln wird. Eine grundlegende Klärung ist wohl auch in diesen Verfahren nicht zu erwarten.

Im ersten Fall steht fest, dass die 16-Jährige Tochter der Anschlussinhaberin die Rechtsverletzung begangen hat. Der Streit dreht sich offenbar primär noch um die Frage, ob die Mutter die 16-jährige dahingehend belehren musste, dass sie den Anschluss nicht für Urheberrechtsverletzung benutzen darf. Eine entsprechende Belehrungspflicht hatte der BGH bei einem 13-jährigen Kind angenommen und eine Haftung unter dem Aspekt der Aufsichtspflichtverletzung angenommen.

Die Belehrungspflichten die der BGH annimmt, haben mit der Lebenswirklichkeit ohnehin wenig zu tun. In vielen Fällen ist es nämlich so, dass die als Anschlussinhaber in Anspruch genommenen Eltern von dem Phänomen „Filesharing“ zum ersten Mal mit dem Erhalt der Abmahnung überhaupt erfahren haben. Wer hier eine Belehrungspflicht annimmt, erwartet von einem Durchschnittsbürger erhebliche (technische) Kenntnisse, über die viele Menschen schlicht nicht verfügen.

In dem anderen Fall leben neben dem Beklagten (Anschlussinhaber) noch dessen Ehefrau und sein 17-jähriger Sohn im Haushalt, wobei beide nach den Feststellungen der Instanzgerichte nicht als Verletzter in Betracht kommen. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob man von einer Täterschaft des Anschlussinhabers ausgehen kann, oder ob die Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers, die der BGH in einer früheren, meines Erachtens ebenfalls kritikwürdigen Entscheidung, postuliert hat, allein dadurch erschüttert ist, dass mehrere Personen den Anschluss nutzen.

Quelle: PM des BGH vom 28.01.2015

posted by Stadler at 09:27  

27.1.15

Wann darf sich ein Rechtsanwalt als Spezialist bezeichnen?

Bislang waren die Instanzgerichte davon ausgegangen, dass man sich als Anwalt auf Rechtsgebieten, auf denen eine Fachanwaltsbezeichnung existiert, nicht als Spezialist bezeichnen darf. Dieser Rechtsansicht hat der BGH (Urteil vom 24.07.2014, Az.: I ZR 53/13) nunmehr eine Absage erteilt, die er wie folgt begründet:

Bezeichnet sich ein Rechtsanwalt als Spezialist auf einem Rechtsgebiet, ist dies eine dem Informationsinteresse und der Orientierung des rechtsuchenden Verkehrs dienende nützliche Information. Wie sich aus der Begründung der Änderungen des § 7 Abs. 1 BORA ergibt, hat der Satzungsgeber ausdrücklich die Angabe von qualifizierenden Zusätzen wie „Spezialist“, „Spezialgebiet“ oder „Experte“ für zulässig angesehen. Die Verwendung solcher Zusätze wird jedoch davon abhängig gemacht, dass der entsprechend werbende Rechtsanwalt seine Angaben rechtfertigende theoretische Kenntnisse besitzt und auf dem betreffenden Gebiet in erheblichem Umfang tätig gewesen ist. Je intensiver der Rechtsanwalt Teilbereiche seiner Berufstätigkeit werbend herausstellt, desto fundierter müssen seine Kenntnisse und praktischen Erfahrungen sein (BRAK 2006, 212).

Die Selbstbezeichnung als Spezialist ist auch für den Rechtsanwalt sachdienlich. Er kann damit die Inanspruchnahme in sonstigen Materien weit-gehend abwehren, weil Rechtsuchende bei ihm nur unter besonderen Umständen Rechtsrat auf anderen Feldern nachfragen werden.

Eine entsprechende Interessenlage besteht bei der Führung von Fachanwaltsbezeichnungen. Die gesetzlichen Regelungen zur Fachanwaltschaft in der Bundesrechtsanwaltsordnung wurden damit begründet, dass die Beschäftigung des Rechtsanwalts mit Rechtsfragen außerhalb eines Kernbereichs, vor allem des Straf- und Zivilrechts, einer nachdrücklichen Einarbeitung in das betreffende Rechtsgebiet bedürfe, die sich unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten häufig nur dann lohne, wenn die einmal erlangten Kenntnisse in ständiger Beschäftigung mit dem Gebiet weiter angewandt und ausgebaut werden könnten. Viele Rechtsanwälte hätten sich daher Spezialgebieten zugewandt. Ihre beruflichen Interessen träfen sich mit dem Verlangen der Rechtsuchenden nach einer möglichst hohen Befähigung der Rechtsanwälte, die sie beraten und vertreten sollen (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechts-ausschusses, BT-Drucks. 11/8307, S. 19). Der Rechtsanwalt, der eine Fachanwaltsbezeichnung führt, weist damit das rechtsuchende Publikum auf Spezialkenntnisse hin, über die er im Unterschied zu anderen Rechtsanwälten verfügt, die keine Fachanwaltsbezeichnung führen dürfen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 1990 AnwZ (B) 4/90, BGHZ 111, 229, 231; Urteil vom 25. November 2013 AnwZ (B) 44/12, NJW-RR 2014, 751 Rn. 11).

Angesichts der vom Berufungsgericht festgestellten Verwechslungsgefahr zwischen den Bezeichnungen „Spezialist“ und „Fachanwalt“ ist es im Hinblick auf die Interessenlage des rechtsuchenden Publikums und der Anwaltschaft gerechtfertigt, von einem sich selbst als Spezialisten bezeichnenden Rechtsanwalt zumindest die Expertise eines Fachanwalts zu erwarten.

Wer sich selbst als „Spezialist“ bezeichnet, muss also zumindest über dieselben theoretischen Kenntnisse und dieselbe praktische Erfahrung wie ein Fachanwalt verfügen und hat dies im Streitfall auch nachzuweisen. Wie man das genau macht, dürfte allerdings spannend sein. Was die praktische Erfahrung angeht, müsste vermutlich eine Fallliste vorgelegt werden können, die den Vorgaben der Fachanwaltsordnung entspricht. Die theoretischen Kenntnisse dürften allerdings noch schwieriger nachzuweisen sein, nachdem das theoretische Wissen des Fachanwalts in Klausuren nachgeprüft wird. Vergleichbaren Prüfungen hat sich der „Spezialist“ ja nicht unterzogen.

Da der BGH zurückverwiesen hat, wird das OLG im konkreten Fall jetzt zu prüfen haben, ob der klagende Anwalt tatsächlich über entsprechend ausreichende Spezialkenntnisse verfügt. Wir dürfen gespannt sein, anhand welcher Kriterien das Berufungsgericht diese Feststellungen treffen wird.

posted by Stadler at 16:47  

22.1.15

Weiterhin Rechtsunsicherheit beim Thema Filesharing

Die aktuelle Rechtsprechung zum Filesharing, die streitwertbedingt überwiegend von Amtsgerichten kommt, ist nach wie vor vollkommen uneinheitlich. Während es einerseits immer mehr Gerichte gibt, die Klagen der Rechteinhaber auf Schadensersatz und Erstattung von Anwaltskosten abweisen, dürfte die Mehrzahl der Urteile immer noch zugunsten der Rechteinhaber ausfallen. Die Rechtsprechung ist oftmals sogar innerhalb desselben Gerichts uneinheitlich, weil bei einem Amtsgericht eben verschiedene Richter entscheiden, die nicht zwingend eine einheitliche Linie verfolgen müssen, wie aktuelle Entscheidungen des Amtsgerichts München zeigen.

Ein Kollege von Waldorf Frommer sagte mir kürzlich – allenfalls halb im Scherz – dass die Rechteinhaber derzeit die meisten Probleme bei den Gerichten haben, die mit B anfangen. Er meinte damit u.a. Berlin, Bielefeld und Braunschweig.

Das ändert aber nichts daran, dass an anderen Gerichtsorten nach wie vor anders entschieden wird, wie aktuelle Urteile des Amtsgerichts Leipzig und des Landgerichts Bochum zeigen. Die Kollegen von Waldorf Frommer rühmen sich deshalb in einem aktuellen Blogbeitrag auch, dass sie bundesweit für Rechteinhaber mit Erfolg klagen, was vermutlich auch nicht falsch sein dürfte. Die Mehrzahl der Filesharing-Klagen hat nach wie vor Erfolg, auch wenn die Zahl der Klageabweisungen sicherlich zugenommen hat. Sehr häufig werden vor Gericht auch Vergleiche geschlossen.

Wie hoch die Erfolgsaussichten einer Rechtsverteidigung tatsächlich sind, hängt allerdings auch immer sehr stark vom Sachvortrag im Einzelfall ab. Wer darauf abstellen will, dass die Rechtsverletzung möglicherweise durch andere Familienangehörige begangen worden ist, sollte diese Angehörigen möglichst namentlich benennen, mitteilen, dass sie den Internetanschluss mitbenutzen, als Rechtsverletzter in Betracht kommen, dass sie am besagten Tag auch zu Hause waren, das Internet (evtl.) genutzt haben und die Familienmitglieder auf Rückfrage hin, die Rechtsverletzung nicht eingeräumt haben. Beispielsweise das Landgericht München I erachtet aber auch einen solchen schon sehr konkreten Vortrag nicht für ausreichend.

Für die abgemahnten Anschlussinhaber bleibt die Gegenwehr schwierig, die Erfolgsaussichten einer Verteidigung im Prozess hängen oftmals vom Gerichtsstand ab und sind nicht immer einfach zu prognostizieren.

posted by Stadler at 11:10  

21.1.15

Filesharing: Benutzung des werkseitig vorgegebenen Router-Passworts keine Pflichtverletzung

Der BGH hatte vor einigen Jahren entschieden, dass in Fällen des Filesharings die Verwendung des vom Hersteller eines W-LAN-Routers vorgegebenen Passworts eine Pflichtverletzung darstellen, die eine Störerhaftung begründet.

Das Amtsgericht Hamburg ist in einer neuen Entscheidung (Urteil vom 09.01.2015, Az.: 36a C 40/14) der Ansicht, dass das nur für werkseitig vorgegebene Standardpasswörter gelten kann die für eine Vielzahl von Geräten verwendet werden können. Im Urteil des AG Hamburg heißt es dazu:

Die Beklagte haftet auch nicht deshalb als Störerin, weil der werkseitig vergebene WPA2-Schlüssel nicht individuell verändert wurde. Es ist zwar richtig, dass der Inhaber eines WLAN-Anschlusses, der es unterlässt, die im Kaufzeitpunkt des WLAN-Routers marktüblichen Sicherungen ihrem Zweck entsprechend anzuwenden, als Störer auf Unterlassung und damit auch aus Ersatz der Abmahnkosten haftet, wenn Dritte diesen Anschluss missbräuchlich nutzen, um urheberrechtlich geschützte Musiktitel in Internettauschbörsen einzustellen (BGH, I ZR 121/08, NJW 2010, 2061 – Sommer unseres Lebens).

In der genannten Entscheidung führt der Bundesgerichtshof aus:

„Welche konkreten Maßnahmen zumutbar sind, bestimmt sich auch für eine Privatperson zunächst nach den jeweiligen technischen Möglichkeiten (vgl. BGHZ 172, 119 Tz. 47– Internet-Versteigerung II). Es würde die privaten Verwender der WLAN-Technologie allerdings unzumutbar belasten und wäre damit unverhältnismäßig, wenn ihnen zur Pflicht gemacht würde, die Netzwerksicherheit fortlaufend dem neuesten Stand der Technik anzupassen und dafür entsprechende finanzielle Mittel aufzuwenden. Die Prüfungspflicht im Hinblick auf die unbefugte Nutzung eines WLAN-Routers konkretisiert sich vielmehr dahin, dass jedenfalls die im Kaufzeitpunkt des Routers für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen ihrem Zweck entsprechend wirksam einzusetzen sind (vgl. dazu für den Bereich der Verkehrssicherungspflichten BGH, Urt. v. 31.10.2006 – VI ZR 223/05, NJW 2007, 762 Tz. 11; Urt. v. 2.3.2010 – VI ZR 223/09 Tz. 9 f., VersR 2010, 544).

Die dem privaten WLAN-Anschlussinhaber obliegende Prüfungspflicht besteht nicht erst, nachdem es durch die unbefugte Nutzung seines Anschlusses zu einer ersten Rechtsverletzung Dritter gekommen und diese ihm bekannt geworden ist. Sie besteht vielmehr bereits ab Inbetriebnahme des Anschlusses. […] Das hoch zu bewertende, berechtigte Interesse, über WLAN leicht und räumlich flexibel Zugang zum Internet zu erhalten, wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die zum Zeitpunkt der Installation des WLAN-Routers auch im Privatbereich verkehrsüblich vorhandenen Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung angewandt werden.

Die Prüfpflicht des Beklagten bezieht sich aber auf die Einhaltung der im Kaufzeitpunkt des Routers für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen. Diese Pflicht hat der Beklagte verletzt. Der Beklagte hat es nach dem Anschluss des WLAN-Routers bei den werkseitigen Standardsicherheitseinstellungen belassen und für den Zugang zum Router kein persönliches, ausreichend langes und sicheres Passwort vergeben. Der Schutz von Computern, Kundenkonten im Internet und Netzwerken durch individuelle Passwörter gehörte auch Mitte 2006 bereits zum Mindeststandard privater Computernutzung und lag schon im vitalen Eigeninteresse aller berechtigten Nutzer. Sie war auch mit keinen Mehrkosten verbunden.“

Diese höchstrichterliche Entscheidung kann jedoch nur in Fällen Geltung beanspruchen, in denen ein Router ausgeliefert und angeschlossen wird, der mit einem werkseitig vorgegebenen Schlüssel ausgestattet ist, der für eine Vielzahl von Geräten gilt. Das erkennende Gericht schließt sich dazu den folgenden Ausführungen des Amtsgerichts Frankfurt am Main (Urteil vom 14.06.2013, MMR 2013, 607 – zitiert nach juris; dem zustimmend Mantz, MMR 2013, 607, sowie Koch, jurisPR-ITR 1/2014 Anm. 4) an:

„Zwar hat der Beklagte dieses Passwort nicht in ein persönliches Passwort geändert. Allerdings handelt es sich – gerichtsbekannt – bei den auf einer Fritz-Box seit 2004 verwendeten Authentifizierungsschlüsseln um solche, die bereits ab Werk individuell pro Gerät vergeben werden. Vor diesem Hintergrund ist der seitens des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung vom 12.05.2010, I ZR 121/08 erstrebte Zweck eines hohen Schutzniveaus, welches den Zugriff unbefugter Dritter ausschließt, auch ohne ein persönliches Passwort – das regelmäßig nicht länger als 13-stellig sein wird – erreicht. Der Bundesgerichtshof kann in der oben zitierten Entscheidung lediglich die Fälle im Blick gehabt haben, in denen die Router einer Modellreihe werksseitig über den gleichen Authentifizierungsschlüssel verfügen, so dass ein effektiver Schutz für diese Fälle nur über eine sofortige Personalisierung des Passwortes gewährleistet war. (vgl. Mantz, Anm. zu BGH Urt. v. 12.05.2010 in MMR 2010, 569).“

Ein werkseitig vergebenes, individuelles und daher nur dem Inhaber des WLAN-Routers bekanntes Kennwort ist mindestens ebenso sicher wie ein selbst gewähltes, in vielen Fällen sogar sicherer (Mantz, a.a.O.).

Hier ist zwar nicht gerichtsbekannt, dass der Router „Alice Modem WLAN 1421“ werkseitig mit einem individuellen Authentifizierungsschlüssel ausgeliefert wird, und diese Frage ist zwischen den Parteien streitig. Die Beklagte hat jedoch substantiiert vorgetragen, dass es sich um einen individuellen Authentifizierungsschlüssel handele, und dazu sogar überobligatorisch Beweis angeboten. Zudem ist unstreitig, dass nach der Bedienungsanleitung eine Abänderung des Schlüssels nicht nötig war. Daher wäre es nunmehr an der für eine zur Störerhaftung führende Pflichtverletzung der Beklagten darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin gewesen, Beweis dafür anzutreten, dass dieser Vortrag der Beklagten nicht zutrifft. Die anwaltlich vertretene Klägerin hat sich jedoch auf ein Bestreiten mit Nichtwissen beschränkt. Das reicht nicht aus. Der Klägerin wäre es auch durchaus möglich gewesen, dazu näher vorzutragen und auch Beweis anzubieten. Zum einen sind Bedienungsanleitungen für gängige Routermodelle wie das hiesige ohne weiteres zu beschaffen, zum anderen hatte die Beklagte bereits zwei Geschäftsführer des Herstellers bzw. Vertreibers des Routers als Zeugen zu diesem Thema benannt. Das hätte die Klägerin ohne weiteres aufgreifen können.

Das Urteil des AG Hamburg ist auch deshalb interessant, weil das Gericht davon ausgeht, dass die Anschlussinhaberin nicht für eine Sicherheitslücke eines W-LAN-Routers haftet, jedenfalls dann nicht, wenn diese Sicherheitslücke erst nach dem Zeitpunkt der maßgeblichen Rechtsverletzung öffentlich bekannt geworden ist.

posted by Stadler at 11:55  

20.1.15

BGH: Klinik muss Privatanschrift des behandelnden Arztes nicht herausgeben

Der BGH hat heute entschieden (Urteil vom 20. Januar 2015, Az.: VI ZR 137/14), dass ein Arbeitgeber grundsätzlich nicht berechtigt ist, die Privatanschrift und sonstige private Kommunikationsdaten eines Mitarbeiters an einen Dritten herauszugeben. In der Pressemitteilung heißt es dazu:

Der Auskunftserteilung steht außerdem die datenschutzrechtliche Vorschrift des § 32 Abs. 1 Satz 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) entgegen. Die Regelung gestattet dem Arbeitgeber die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Daten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses. Der Arbeitgeber ist aber grundsätzlich nicht berechtigt, personenbezogene Daten, die für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben worden sind, an Dritte weiterzuleiten. Da die Daten für die Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben worden sind, ist die Übermittlung an Dritte nach dem für den Datenschutz geltenden Zweckbindungsgebot grundsätzlich als zweckfremde Verwendung ausgeschlossen. Eine Weiterleitung privater Kommunikationsdaten an Dritte bedarf vielmehr der Einwilligung des Betroffenen oder der besonderen Gestattung durch eine Rechtsvorschrift.

Hintergrund war die Forderung eines Patienten gegenüber dem Träger einer Klinik die Privatanschrift eines Arztes zum Zwecke der Führung eines Arzthaftungsprozesses herauszugeben.  Insoweit, so der BGH, sei der Klinikträger auch grundsätzlich gehalten, dem Patienten den Namen des ihn behandelnden Arztes mitzuteilen. Weil die Klage aber unter der Klinikanschrift zugestellt werden konnte, war eine Preisgabe der Privatanschrift nicht erforderlich und konnte nicht verlangt werden.

posted by Stadler at 16:17  

19.1.15

BGH: Unternehmen müssen auch scharfe und überzogene Kritik dulden

Nach einer neuen Entscheidung des BGH (Urteil vom 16.12.2014, Az.: VI ZR 39/14) schützt die Vorschrift des § 824 BGB nicht gegen abwertende Meinungsäußerungen, sondern nur gegen (unwahre) Tatsachenbehauptungen. Dies gilt auch für Äußerungen, in denen Tatsachen und Meinungen sich vermengen, sofern sie durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind. Auch Begriffe wie Schwindel oder Betrug können so zu verstehen sein, dass damit nur der weit gefasste Vorwurf einer bewussten Verbrauchertäuschung erhoben werden soll.

Hierzu führt der BGH aus:

Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind, wird sie als Meinung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte (vgl. Senatsurteile vom 29. Januar 2002 – VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 170; vom 11. März 2008 – VI ZR 189/06, AfP 2008, 193 Rn. 12, 18; vom 22. September 2009 – VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rn. 11; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 – XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 70; BVerfGE 85, 1, 15; BVerfG, NJW 2008, 358, 359). Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als ausschlaggebend angesehen, so könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit wesentlich verkürzt werden (BVerfGE 85, 1, 15 f. m.w.N.; BVerfG, NJW 1993, 1845, 1846).
Die zutreffende Einstufung einer Äußerung als Wertung oder Tatsachenbehauptung setzt die Erfassung ihres Sinns voraus (Senatsurteile vom 22. September 2009 – VI ZR 19/08, AfP 2009, 588 Rn. 11; vom 11. März 2008 – VI ZR 7/07, AfP 2008, 297 Rn. 15; vom 16. November 2004 – VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 73; vom 5. Dezember 2006 – VI ZR 45/05, AfP 2007, 46 Rn. 14; BVerfGK 10, 485, 489). Bei der Sinndeutung ist zu beachten, dass die Äußerung stets in dem Zusammenhang zu beurteilen ist, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 1996 – VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 20; vom 16. November 2004 – VI ZR 298/03, AfP 2005, 70, 73; vom 27. Mai 2014 – VI ZR 153/13, AfP 2014, 449 Rn. 13; BVerfG, NJW 2013, 217, 218).

Nach diesen Grundsätzen sind die angegriffenen Aussagen als Mei-nungsäußerungen zu qualifizieren. Die Äußerungen, die Klägerin betreibe mit der Vermarktung ihres unter dem Markennamen E. hergestellten Produktes einen „groß angelegten Schwindel“ bzw. „Betrug“, bei den Kunden der Klägerin handele es sich um „Opfer dieses Betrugs“, bei den E.-Produkten der Klägerin handele es sich um „Scharlatanerieprodukte“, die Wirkung der von der Klägerin vermarkteten Magnete entspreche der eines „Perpetuum-Mobiles“ und die vom Hersteller „herbeigezerrte“ wissenschaftliche Begründung der angeblichen Wirkung sei „völliger Unsinn“, sind entscheidend durch das Element des Dafürhaltens und Meinens geprägt. Zwar weisen alle Teilaussagen in ihrer Gesamtheit betrachtet auch tatsächliche Elemente auf. So bringt der Beklagte mit den Begriffen „Schwindel“, „Betrug“, „Scharlatanerieprodukte“ und „Unsinn“ im vorliegenden Zusammenhang zum Ausdruck, dass die von der Klägerin bei der Vermarktung ihres Produkts hervorgehobene energieeinsparende Wirkung der Magnete tatsächlich nicht gegeben sei. Die von der Klägerin zur Bewerbung der Magnete vorgebrachte wissenschaftliche Erklärung der angeblichen Wirkungs-weise treffe nicht zu, die (angeblich) gemessenen Einsparungen könnten auch auf eine beim Einbau der Magnete erfolgte Wartung und Reinigung der Heizungsanlage zurückzuführen sein und die Klägerin habe hiervon Kenntnis. Hierin erschöpfen sich die Aussagen aber nicht; sie bringen vielmehr in erster Linie die Missbilligung des geschäftlichen Verhaltens der Klägerin durch den Beklagten zum Ausdruck und enthalten damit eine subjektive Wertung, die mit den tatsächlichen Bestandteilen der Äußerungen untrennbar verbunden ist. Auch dem Begriff „Betrug“ kommt im vorliegenden Zusammenhang kein weitergehender Aussagegehalt zu. Er wird hier erkennbar nicht im fachspezifischen, sondern in einem alltagssprachlichen Sinne verwendet (vgl. dazu Senatsurteile vom 29. Januar 2002 – VI ZR 20/01, AfP 2002, 169, 170; vom 14. Mai 2013 – VI ZR 269/12, BGHZ 197, 213 Rn. 14; BVerfGE 85, 1, 19; BVerfG, NJW 2012, 1643 Rn. 42). Ein durchschnittlicher Leser versteht unter dieser Behauptung nicht die Verwirklichung eines rechtlich präzise bestimmten Straftatbestandes, sondern den weiter gefassten Vorwurf der bewussten Verbrauchertäuschung.

Abwertende Äußerungen über ein Unternehmen können zwar grundsätzlich einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb (§ 823 Abs. 1 BGB) darstellen. Auch das unternehmerische Ansehen in der Öffentlichkeit wird über § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützt.

Der BGH knüpft hier dann allerdings an seine frühere Rechtsprechung an und führt aus, dass eine wertende Kritik an der gewerblichen Leistung eines Wirtschaftsunternehmens in der Regel auch dann vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt ist, wenn sie scharf und überzogen formuliert ist. Nur unter engen Voraussetzungen können solche Äußerungen als Schmähkritik angesehen werden.

posted by Stadler at 14:15  

17.1.15

1000 Stockhiebe gegen die Meinungsfreiheit

Die Verurteilung des saudischen Bloggers Raif Badawi zu zehn Jahren Haft und 1000 Stockhieben wegen Beleidigung des Islams macht deutlich, dass eine radikal-islamistische Haltung zur Staatsräson eines Staates im nahen Osten gehört, der als enger westlicher Verbündeter gilt und an den Deutschland immer wieder Panzer und Waffen geliefert hat. Einer der Hauptvorwürfe gegen Badawi, der das Blog „Die saudischen Liberalen“ betrieben hat, lautet, dass er Muslime, Christen, Juden und Atheisten als gleichwertig bezeichnet hat. Was also zu den Grundpfeilern unserer Verfassung und Wertvorstellung gehört, nämlich die Gleichberechtigung der Religionen und Weltanschauungen und das damit einhergehende Verbot einer Ungleichbehandlung (Art. 3 Abs. 3 GG), stellt in Saudi-Arabien ein Verbrechen dar. Weiter können Grundwerte gar nicht auseinanderfallen.

Raif Badawi wird zuweilen auch in westlichen Medien als radikal bezeichnet. Ist das konsequente Eintreten für Meinungsfreiheit und Gleichbehandlung aber nicht einfach tolerant und aufgeklärt, während die Missachtung von Menschenrechten, die sich auf die Religion stützt, in Wahrheit radikal ist? Liberale Positionen sind nie radikal, denn sie stehen für Pluralismus und lassen das Andere immer gelten, im Gegensatz zum Islamismus.

Vielleicht sollte die Politik an dieser Stelle dann auch einmal damit anfangen, den Zusammenhang zwischen den islamistischen Grundpositionen eines Staates wie Saudi-Arabien und dem islamistischen Terror zu erkennen und Konsequenzen daraus ziehen. Denn ein Staat wie Saudi-Arabien für den der Islamismus Teil der Staatsräson ist, bietet zwangsläufig den idealen Nährboden für islamistischen Terror. Es ist deshalb kein Zufall, dass viele Saudis in Terrororganisationen wie Al Kaida eine tragende Rolle spielen und einflussreiche und wohlhabende Saudis den islamistischen Terror mitfinanzieren.

Wenn die Bundesregierung diesen Terror effektiv bekämpfen will, dann sollte man weniger über Maßnahmen wie die Vorratsdatenspeicherung sprechen, sondern vielmehr versuchen, das Problem an der Quelle anzugehen. Würde sich dafür nicht gerade der Fall von Raif Badawi wunderbar eignen? Davon, dass die Bundesregierung allerdings politischen Druck auf die saudische Regierung ausübt oder gar Sanktionen verhängt, hört man nichts. Lediglich der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung hatte gefordert, die Vollstreckung der restlichen Stockhiebe auszusetzen. Eine armselige Reaktion, auch angesichts dessen, dass Merkel und Steinmeier schweigen.

Der Umstand, dass es im nahen Osten keine demokratischen Staaten gibt und in den dortigen Gesellschaften eine Form des Islam gelehrt und gelebt wird, die den Islamismus fördert und begünstigt, gehört zuvörderst auf die politische Agenda in Deutschland, Frankreich und der EU.

Wer sich unlängst – und damit meine ich gerade auch politische Amtsträger – mit Charlie Hebdo solidarisiert hat, der müsste jetzt auch öffentlich „Je suis Raif“ sagen und Staaten wie Saudi-Arabien den Kampf ansagen. Und vor allen Dingen darf man Menschen nicht im Regen stehen lassen, die sich in einem totalitären Staat wie Saudi-Arabien mutig und offensiv für Freiheitsrechte einsetzen. Oder denkt Angela Merkel doch wieder nur an die nächsten Panzerlieferungen?

posted by Stadler at 15:12  
Nächste Seite »