Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

31.1.15

Noch ein paar Gedanken zu Böhmermann und dem Urheberrecht

Der Fernsehmoderator Jan Böhmermann hatte vor einiger Zeit ein Foto eines Berufsfotografen online gestellt bzw. getwittert, das er nach eigenen Angaben über die Google-Bildersuche gefunden hatte. Wenig überraschend hat er später von dem Fotografen eine anwaltliche Abmahnung erhalten und sollte einen Betrag von ca. 900 EUR (Schadensersatz und Anwaltskosten) bezahlen.

Böhmermann hatte anschließend nichts besseres zu tun, als den Fotografen öffentlich unter Namensnennung anzuprangern.

Die Rechtslage ist an dieser Stelle denkbar einfach und sollte auch für Journalisten und Medienleute nachvollziehbar sein. Wenn Böhmermann nur auf eine bereits vorhandene Quelle im Netz verlinkt hat, stellt sein Verhalten nach der Rechtsprechung des EuGH keine öffentliche Zugänglichmachung dar und damit auch keine Urheberrechtsverletzung. Wenn er das Foto allerdings selbst ins Netz stellt und dann twittert – was offenbar der Fall war – liegt ein öffentliches Zugänglichmachen und damit eine relevante Nutzungshandlung vor. Warum hat also Böhmermann nicht einfach nur verlinkt?

Bei Menschen die privat twittern, greift zudem die Privilegierung des § 97a Abs. 3 S. 2 UrhG, mit der Folge, dass die erstattungsfähigen Anwaltskosten gedeckelt sind, regelmäßig auf EUR 124 (netto), soweit dies nicht nach den Umständen des Einzelfalls unbillig ist. Dass sich Böhmermann auf diese Deckelung berufen kann, halte ich für eher unwahrscheinlich. Denn er twittert als Fersehmoderator mit ca. 150.000 Followern, verfügt also über eine erhebliche Reichweite.

Ungeachtet der juristischen Betrachtung gibt es vermutlich schlimmere Schicksale als das, dass ein Fernsehmoderator für eine Urheberrechtsverletzung ca. 900 EUR zu berappen hat.

Wer an dieser Stelle dem Fotografen Vorwürfe macht, sollte sich fragen, was die Alternative wäre. Dass ein Fotograf die beliebige kostenlose Nutzung und Weiterverbreitung seines Fotos in jedweden Medien zu dulden hat? Der Fotograf hat offenbar auch keine normalen Twitternutzer abgemahnt, sondern Jan Böhmermann und auch BILD-Chef Kai Diekmann, der durch dieselbe Urheberrechtsverletzung aufgefallen ist. Es hat hier bestimmt nicht die Falschen getroffen. Anders als beispielsweise Dirk von Gehlen in der SZ, habe ich für das Verhalten Böhmermanns wenig Verständnis, zumal er dann auch noch gemeint hat, den Fotografen attackieren zu müssen. Die Rechtslage ist hier nicht so schwierig. Man kann von Medienleuten wie Böhmermann und Diekmann erwarten, dass sie wissen, was sie dürfen und was nicht.

posted by Stadler at 21:39  

27 Comments

  1. Danke.

    Comment by vera — 31.01, 2015 @ 21:43

  2. Nur wurde Kai Diekmann eben nicht abgemahnt, sondern lediglich angefragt wieso er meint das Foto nutzen zu dürfen.

    Comment by r.nuwieder — 31.01, 2015 @ 21:56

  3. Vorweg: die Abmahnung Böhmermanns und Diekmanns ist absolut nicht vorwerfbar. Und überhaupt ist jede unsachliche Kritik an dem Fotografen überflüssig/kontraproduktiv.

    Aber es stimmt nicht, dass der Fotograf „keine normalen Twitternutzer abgemahnt hat“. So schildert zumindest – bislang unwidersprochen – Böhmermann wiederholt Folgendes, z.B. auf Facebook

    Am selben Tag erreichte einen Kollegen von mir das selbe Abmahnschreiben mit dem selben Streitwert, 7.000 Euro. Gleiche Kanzlei, gleiches Foto. Dieses Mal betraf die vermeintliche Verletzung des Urheberrechts einen offensichtlich privaten Twitteraccount mit knapp unter 100 Followern. Kein Promi-Faktor, keine Reichweite. Nur, besagtes, frei zugängliche Nazi-Jogginghosen-Lichtenhagen-Pissfoto gepostet bei Twitter – und die Kanzlei Weinert Levermann Heeg forderte ebenfalls einen Betrag um die 1.000 Euro.

    Und deshalb stellen sich eben schon Fragen von Verhältnismäßigkeit und ganz allgemein, ob jenseits professioneller Twitterer wie Böhmermann nicht doch eine Lösung über Pauschalvergütung sinnvoll wäre.

    Comment by Leonido — 31.01, 2015 @ 22:01

  4. Nur hat sich Böhmermann nicht darüber aufgeregt abgemahnt worden zu sein. Sondern darüber, dass ein Kollege mit knapp 100 Followern abgemahnt wurde und die gleiche Summe wie er bezahlen sollte.

    Sein Vorwurf war und ist dass der Rechteinhaber nicht zwischen ihm mit 150.000 und einem unbekannten Twitterer mit 100 Followern unterschieden hat.

    Comment by Thomas — 31.01, 2015 @ 22:03

  5. PS: überhaupt bin ich der Meinung, dass der Vorwurf der „Kompliziertheit“ an die herrschende Rechtslage in der Regel sowieso am Hauptproblem Verhältnismäßigkeit vorbei geht.

    Comment by Leonido — 31.01, 2015 @ 22:07

  6. jan böhmermann sagt zumindest, dass der fotograf auch „normale Twitternutzer“ abgemahnt hat. bei meedia hat der fotograf zumindest (sinngemäss) gesagt, dass auch gegen die vorgeht: „Auch Privatpersonen dürfen das Bild nicht einfach so öffentlich posten. Das ist doch im Urheberrechtsgesetz sehr anschaulich geregelt. Daran halte ich mich.“

    weil böhmermann auch gar nicht in abrede stellt, dass er falsch gehandelt hat, bzw. sich mit unwissen rausredet, finde ich die betrachtung der ohnehin, in diesem fall, klaren rechtslage eher uninteressant. ich es interessanter, der frage nachzugehen, on auch ein privatnutzer mit 100 oder 200 followern mit 900 euro abgemahnt werden kann — oder ob da diese ominöse deckelung greift oder ob ein retweet von böhmermanns foto-tweet abmahnfähig ist.

    Comment by ix — 31.01, 2015 @ 22:11

  7. Volle Zustimmung. Dazu auch ein Interview bei iRights.

    http://irights.info/artikel/street-photography-urheberrecht-persoenlichkeitsrecht-ostkreuz/24866

    Comment by iRights — 31.01, 2015 @ 22:23

  8. Sie schreiben:

    “Wenn Böhmermann nur auf eine bereits vorhandene Quelle im Netz verlinkt hat, stellt sein Verhalten nach der Rechtsprechung des EuGH keine öffentliche Zugänglichmachung dar und damit auch keine Urheberrechtsverletzung.”

    Wieso klagt dann die Staatsanwaltschaft Bochum und Essen laufend Blogger wegen der externen Verlinkung (!) von Fotos wegen angeblichen Verstoß gegen § 22/23 Kunsturhebergesetz (KunstUrhG) laufend an…????

    Comment by Rainer Hoffmann — 1.02, 2015 @ 07:08

  9. Erstmal schön, dass die Geschichte hier nunmehr um 5ten Blog zusammengefasst ist. Die obige Zusammenfassung setzt allerdings voraus, dass einige Protagonisten lügen. Von Herrn Böhmermann kann jeder halten was er will, ich bezweifle aber stark , dass er dies tun würde, zumal seine geäusserte Inention für die gesamte Geschichte darunter auch stark leiden würde.

    Comment by LHME — 1.02, 2015 @ 08:26

  10. Ob Böhmermann zu Recht abgemahnt würde oder nicht… Ich finde es schlimm, dass er den Fotografen anprangert, denn das war doch Böhmermanns einziges Ziel. Es ging hier nicht im eine journalistisch redaktionelle Meldung, sondern darum, seinen Promistatus auszunutzen und den Fotografen bloßzustellen.
    Diese Unart findet man übrigens auch bei Anwälten. Da wird in Fettdruck und suchmaschinenoptimiert der Name des Anwalts und der Name des Rechteinhabers genannt und in vielen Fällen hat das für mich nichts mehr mit Presse zu tun – zwar hat das BVerfG diese Praxis mal für rechtmäßig befunden – allerdings nimmt das überhand. Ich bin selbst Anwältin und kenne Rechteinhaber, die nicht abmahnen wollen, weil sie nicht derart angeprangert werden möchten

    Comment by Angelika — 1.02, 2015 @ 09:35

  11. Was hat das mit der Anprangerung eines Fotografen zu tun, wenn dieser mit Recht abmahnt?

    Geld für Fotos zu verlangen, ist doch nicht ehrenrührig.

    Kann mir jemand erklären, weshalb hier von einer Anprangerung gepostet wird.

    Liegt das an dem zu hohen geforderten Betrag? Ist die Offenlegung eines Irrtums Anprangerung?

    Ist die Offenlegung von möglicher Gier oder Überrumpelung Anprangerung?

    Sind doch alles ganz normale Verhaltensweisen, zu denen man stehen kann.

    Comment by Rolf Schälike — 1.02, 2015 @ 10:41

  12. „Wer an dieser Stelle dem Fotografen Vorwürfe macht, sollte sich fragen, was die Alternative wäre. Dass ein Fotograf die beliebige kostenlose Nutzung und Weiterverbreitung seines Fotos in jedweden Medien zu dulden hat?“ – Vielleicht bekommt man ja eine differenziertere Regelung hin, vielleicht ähnlich dem amerikanischen fair use. Wie ist es, ungeachtet der Gesetzeage, zu rechtfertigen, dass jemand in diesem Fall 900 Euro zahlen soll? Wenn er mit dem fremden Bild selbst 900 Euro verdient häte, könnte man vielleicht noch drüber reden. Hat aber weder er noch der Kollege oder sonst wer.

    Comment by Sebastian — 1.02, 2015 @ 11:11

  13. Ärgerlichster Beitrag zum Thema bisher. Bitte wenigstens die Sachlage korrekt wiedergeben.

    Comment by K. — 1.02, 2015 @ 12:52

  14. Kein Wunder, wenn Jura-Studenten in der Mehrheit später in die Themenfelder Medien und Internet gehen möchten. Da gibt es das meiste Geld zu verdienen. Was BLÖD betrifft, so sollte wenigstens Diekmann den berühmten russischen Fluß kennen, vor dessen Überschreitung bereits ein gewisser Ex-Bundespräsident gewarnt hat.

    :-D ;-)

    Comment by Ned — 1.02, 2015 @ 13:18

  15. @K.

    Ärgerlichster Nick zum Thema bisher. Bitte wenigstens einen korrekten Nick angeben.

    Ihr Buchstabe- und Punkt-Poster geht mir auf die Eier.

    Comment by Ned — 1.02, 2015 @ 15:06

  16. „was die Alternative wäre. Dass ein Fotograf die beliebige kostenlose Nutzung und Weiterverbreitung seines Fotos in jedweden Medien zu dulden hat?“

    Ja, natürlich, eventuell mit Umsatzbeteiligung. Pragmatismus statt Ideologie.

    Comment by twex — 1.02, 2015 @ 17:02

  17. Falsch! Diese interneteigene Logik, daß alles „irgendwie geht“ und „irgendwie umsonst“ ist, finde ich vollständig daneben.

    Comment by Ned — 1.02, 2015 @ 17:11

  18. „Dass sich Böhmermann auf diese Deckelung berufen kann, halte ich für eher unwahrscheinlich. Denn er twittert als Fersehmoderator mit ca. 150.000 Followern, verfügt also über eine erhebliche Reichweite.“

    Warum muß er dann nicht eigentlich 150.000 Mal 900 Euro bezahlen?

    Comment by Ned — 1.02, 2015 @ 17:18

  19. Weitere Frage: Warum wurde aufgrund der Straftat keine Anzeige erstattet? Oder ist das mittlerweile „irgendwie“ egal? Nicht der Rede wert? Im Strudel des Netzes alles legal, illegal, scheißegal?

    Comment by Ned — 1.02, 2015 @ 17:23

  20. Mein Wort zum Sonntag:

    Ich habe hier in den Blogs von Stadler bezüglich Musik schon was ganz anderes gelesen, nämlich die Verharmlosung, wenn sich ein paar ganz arme Menschen so ganz unschuldig illegal Musik beschaffen. Diese armen, unwissenden Nicht-Kriminellen, die ja so doof sind, und nicht wissen, was sie jahrelang online verbrechen.

    Jetzt sollte man bezüglich Fotos eigentlich bei seiner Meinung bleiben. Oder? Hier wohl eher weniger. Foto-Gate wird ausgerufen! Skandal, alter Schwede.

    Darüber dürft Ihr mal nachdenken, meine Lieben.

    Ciao

    Comment by Ned — 1.02, 2015 @ 17:50

  21. Ps. Und Stadler fragt witzlos und allen Ernstes:

    „Wer an dieser Stelle dem Fotografen Vorwürfe macht, sollte sich fragen, was die Alternative wäre. Dass ein Fotograf die beliebige kostenlose Nutzung und Weiterverbreitung seines Fotos in jedweden Medien zu dulden hat?“

    Gute Nacht

    Comment by Ned — 1.02, 2015 @ 18:10

  22. Wirklich einer der miesesten Beiträge von Stadler ever. In fast allen Fällen finde ich Stadlers Urteil richtig, hier nicht. In den sozialen Medien werden täglich millionenfach solche Urheberrechtsverletzungen begangen, von denen nur ein ganz winziger Bruchteil abgemahnt wird. Angesichts dieses Befunds so fotografenfreundlich wie Stadler rumzulabern, ist einfach nur daneben. Wir brauchen ein anderes Urheberrecht, Stopp dem Abmahnwahn.

    Comment by Dr. Klaus Graf — 1.02, 2015 @ 22:12

  23. Naja, Retweeten, Verlinken, Liken etc. ist eben schon was anderes, als zu posten/twittern/bloggen. Das sollte allerdings schon in der (Grund-)Schule gelehrt werden, denn sonst können wir bald nur noch Gedichtsanalysen, aber in 4 Sprachen, statt auf das wirkliche Leben vorbereitet zu werden.

    Comment by fernetpunker — 2.02, 2015 @ 04:17

  24. „Wer an dieser Stelle dem Fotografen Vorwürfe macht“ ist tatsächlich interessant. Nach geltendem Recht kann man ihm keinen Vorwurf machen. Dennoch gibt es „Probleme“.

    1) Ob ein Link besser als eine lokale Kopie ist, kann man als logisch fragwürdig bezeichnen. Jeder Proxy(-Betreiber) würde bei dieser Denkart eine Urheberrechtsverletzung begehen.

    2) Es ist schon „dumm“, ein Bild aus der Google-Bildersuche zu veröffentlichen. Nur, warum darf Google das?

    3) Könnte nach 2) also ein Abgemahnter die Kosten bei Google einklagen?

    So sehr ich den Photographen auch verstehe, logisch ist das Recht hier nicht.

    Comment by Joachim — 2.02, 2015 @ 10:18

  25. Siehe auch http://archiv.twoday.net/stories/1022393501/

    Comment by Dr. Klaus Graf — 2.02, 2015 @ 18:35

  26. Hier wird doch wahrscheinlich die Bildersuche angeworfen und jedes gefundene Vorkommen des Bildes, bei dem der Poster identifiziert werden kann, abgemahnt. Als ob sich die Kanzlei die Mühe machen würde, nach privaten und gewerblichem Nutzen zu unterscheiden.

    Gut, das ist im Zeitalter des Abmahnwahnes leider „rechtens“. Ob man das gut finden muss, ist etwas anderes.

    Anscheinend ist es dem Fotographen jetzt selber peinlich, bei seinem Abmahnwahn erwischt worden zu sein. Warum sonst regt er sich überhaupt auf? Wenn ich eine Abmahnung von X bekomme, darf ich dies nicht publik machen…?

    Comment by Stefan D. — 3.02, 2015 @ 12:06

  27. Zahlen und fröhlich sein.

    Comment by Ned — 5.02, 2015 @ 19:58

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