Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

30.6.12

Haftungsprivileg für (offene) W-LANs?

Der Verein „Digitale Gesellschaft“ möchte die Haftung der Betreiber privater und gewerblicher W-LAN-Netze durch eine gesetzliche Ergänzung von § 8 Telemediengesetz (TMG) für Rechtsverletzungen durch Dritte ausschließen. Udo Vetter hat das Vorhaben in seinem Blog zustimmend kommentiert. Ähnliche Vorschläge gibt es derzeit aus den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen, die über den Bundesrat die Störerhaftung von W-LAN-Betreibern einschränken wollen. Den Anlass dieser Initiativen liefert ein fragwürdiges Urteil des BGH, in dem faktisch eine Rechtspflicht zur Verschlüsselung von W-LAN-Routern konstituiert worden ist.

Die „Digitale Gesellschaft“ hat einen ausformulierten Gesetzesvorschlag vorgestellt, der folgende Ergänzung von § 8 TMG vorsieht:

(3) Der Ausschluss der Verantwortlichkeit (Absatz 1) umfasst auch gewerbliche und nichtgewerbliche Betreiber von Funknetzwerken, die sich an einen nicht im Voraus namentlich bestimmten Nutzerkreis richten (öffentliche Funknetzwerke).

(4) Der Ausschluss der Verantwortlichkeit (Absatz 1) umfasst auch Ansprüche auf Unterlassung.

Der Vorschlag weist aus meiner Sicht in die richtige Richtung, wenngleich er in dieser Form kaum Aussichten auf eine Umsetzung haben dürfte. Auch wenn ich den Vorstoß außerordentlich begrüße, kann ich mir zwei kritische Anmerkungen nicht verkneifen.

Der BGH geht davon aus, dass die Haftungsprivilegien der §§ 8-10 TMG Unterlassungsansprüche nicht erfassen, sondern in diesen Fällen generell auf die Grundsätze der Störerhaftung zurückzugreifen ist. Insoweit erscheint es mir nicht sinnvoll, nur für Access-Provider klarzustellen, dass die Haftungserleichterung auch für Unterlassungsansprüche gilt, weil dies im Gegenzug ja bedeutet, dass es in Fällen des Hostings und des Cachings bei diesem Ausschluss verbleibt.

Man kann sich außerdem die Frage stellen, ob der Wortlaut tatsächlich ganz allgemein die Betreiber privater W-LAN-Router umfasst. Denn die gewählte Formulierung deutet darauf hin, dass nur derjenige in den Genuss der Haftungsprivilegierung kommen soll, der sein W-LAN gezielt für die Allgemeinheit öffnet. Das erscheint mir aber letztlich zu eng, denn warum sollte derjenige, der aus Nachlässigkeit oder anderen Gründen sein W-LAN nicht verschlüsselt, schlechter stehen, als derjenige, der sein privates Netz gezielt für Andere öffnet?

 

posted by Stadler at 22:20  

22.6.12

Keine Rechtsunsicherheit beim Leistungsschutzrecht?

Weil in der aktuellen Diskussion über ein Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse auch immer wieder davon die Rede ist, dass die Einführung eines Leistungsschutzrechts zu Rechtsunsicherheit führen wird, hat Springer-Cheflobbyist Christoph Keese bei seiner Haus- und Hof-Anwaltskanzlei ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das genau diese Folge in Abrede stellt.

Die Ausführungen von Rechtsanwalt Dr. Robert Heine sind stellenweise durchaus bemerkenswert. Besonders hervorzuheben ist m.E. folgende Passage:

Das Leistungsschutzrecht verletzt daher, wer zum Beispiel den elektronischen Scan einer Zeitung oder die technische Kopie einer Nachrichten-Website im Internet verfügbar macht. Keine Verletzung des Leistungsschutzrecht bewirkt, wer nur den Inhalt eines Presseartikels übernimmt – sei es in einem Blog, einem Tweet oder auf Facebook.

Die Springer-Lobby behautet also allen Ernstes, dass das vollständige Kopieren des Textes eines Presseartikels in ein Blog keine Verletzung des Leistungsschutzrechts sei, solange der Artikel nicht abgescannt wird.

Diese Auslegung hat der Kollege Heine exklusiv und sie ist auch nicht mit dem geplanten Gesetzeswortlaut in Einklang zu bringen.  Denn Teile eines Presseerzeugnisses liegen ja nicht nur dann vor, wenn man ein Presseerzeugnis 1:1 scannt, sondern auch dann, wenn man (kleine) Teile seines Inhalts übernimmt.

Wenn die Verlage tatsächlich nur die von Rechtsanwalt Heine dargestellte Lesart durchsetzen wollen, dann wäre eine Ergänzung des Gesetzeswortlauts sinnvoll und notwendig. Mein ergänzender Formulierungsvorschlag wäre in diesem Fall dann folgender:

Das Leistungsschutzrecht verletzt nur, wer eine technische Kopie (Scan) eines Presseerzeugnisses öffentlich zugänglich macht.

Ein solches Leistungsschutzrecht wäre zu verschmerzen, wenngleich es sachlich natürlich gänzlich überflüssig wäre. Also bitte lieber Herr Keese, wenn ich das ernst nehmen soll, was in Ihrem Blog steht, dann erwarte ich, dass Sie sich beim BMJ für eine entsprechende Klarstellung bei der Gesetzesformulierung einsetzen.

Wie die derzeitige Formulierung tatsächlich auszulegen ist, habe ich hier und hier ausführlich erläutert.

Update:
Die Kollegen Dosch und Vetter scheinen auch kein (juristisches) Verständnis für die Herren Keese und Heine zu haben, ebensowenig wie der Presseschauer.

posted by Stadler at 10:21  

21.6.12

EuGH: Warenverkehrsfreiheit darf zum Schutz des Urheberrechts eingeschränkt werden

Ein deutscher Geschäftsmann, der Geschäftsführer einer italienischen Spedition war, ist vom Landgericht München II wegen Beihilfe zur gewerbsmäßigen unerlaubten Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke verurteilt worden.

Die Besonderheit des Falls bestand darin, dass die Nachbildungen von Einrichtungsgegenständen im „Bauhaus“-Stil, die der Geschäftsmann von Italien nach Deutschland transportiert hatte, nur in Deutschland nicht aber in Italien eine Urheberrechtsverletzung darstellten. Der BGH sah in dieser Fallkonstellation einen Konflikt zwischen dem deutschen Urheberrecht und der Warenverkehrsfreiheit der EU und hat den Rechtsstreit an den EuGH vorgelegt.

Der EuGH hat mit Urteil vom 21.06.2012 (Az.: C-5/11) entschieden, dass die Warenverkehrsfreiheit in diesem Fall eingeschränkt werden kann und die Verurteilung wegen Urheberrechtsverletzung nicht zu beanstanden ist.

Der EuGH stellte allerdings klar, dass eine urheberrechtliche Verbreitung in Deutschland vorliegen musste, was aber von den nationalen Gerichten zu beurteilen ist.

Der Gerichtshof stellte dann fest, dass das strafrechtlich sanktionierte Verbot der Verbreitung in Deutschland eine Behinderung des freien Warenverkehrs darstellt. Eine derartige Beschränkung kann jedoch zum Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sein.

 

posted by Stadler at 21:18  

21.6.12

Der Streit um die Tagesschau-App

Die Tagesschau-App wurde gestern mit dem Grimme-Online-Award Publikumspreis ausgezeichnet, was man auch als Grußadresse an die Verlage verstehen kann, die derzeit vor Gericht versuchen, der ARD diese Mobilfunk-App zu verbieten.

Weshalb ich die Prozessaussichten der Verlage – sollte am Ende tatsächlich streitig entschieden werden – nicht für besonders gut halte, habe ich hier bereits erläutert.

Erstaunlich is darüber hinaus, dass sich neuerdings auch Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger beim Thema Tagesschau-App mit der Verlagslobby solidarisiert nachdem sie sich bereits für das fragwürdige Leistungsschutzrecht der Verleger einsetzt. Leider ist ihre ansonsten in vielen Bereichen lobenswerte Politik in diesen Fällen von etwas zuviel Lobbyismus und zu wenig Gemeinsinn geprägt.

 

posted by Stadler at 16:38  

21.6.12

Kann YouTube MP3-Konvertierungsdienste verbieten?

Google (YouTube) hat in den vergangenen Tagen offenbar mehrere Dienste abgemahnt, die die Dateien, die YouTube nur als Stream bereitstellt in MP3-Dateien konvertiert und damit die dauerhafte Speicherung von Musikstücken ermöglicht.

Vor ein paar Monaten hatte ich am Beispiel von Spotify erläutert, dass das Mitschneiden von Musik bei Streaming-Portalen aus Sicht des Nutzers durchaus urheberrechtlich problematisch sein kann.

Aus Sicht eines Anbieters einer Software oder eines Webservices stellt sich m.E. nach deutschem Recht aber zusätzlich die Frage, ob es sich hierbei um Tools handelt, die (wirksame) technische Maßnahmen im Sinne von § 95a UrhG umgehen. Das würde nämlich dann bedeuten, dass derartige Tools und Services nach § 95a Abs. 3 UrhG verboten sind und deren Herstellung, Verbreitung etc. zu gewerblichen Zwecken nach § 108b Abs. 2 UrhG  sogar strafbar wäre.

Die Annahme, dass die Beschränkung des Angebots auf das Streaming gleichzeitig eine technische Maßnahme darstellt, die im normalen Betrieb dazu bestimmt ist,  das Kopieren zu verhindern oder zu erschweren, dürfte keineswegs abwegig sein. Gerichtliche Entscheidungen zu dieser Frage sind mir bislang nicht bekannt, aber vielleicht beabsichtigt Google ja jetzt, eine solche Entscheidung herbeizuführen. Man darf auf die weitere Entwicklung gespannt sein.

Der Nutzer, der sich eines solchen Tools bedient, macht sich jedenfalls nicht strafbar, solange er den Konvertierungsdienst zum eigenen privaten Gebrauch nutzt. Eine (zivilrechtliche) Urheberrechtsverletzung könnte nach derzeitiger Rechtslage aber dennoch vorliegen.

posted by Stadler at 11:21  

20.6.12

Leistungsschutzrecht: Was ist von den „Fakten und Argumenten“ des BDZV zu halten?

Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) versucht anhand eines Fragen-Antwort-Katalogs das geplante Leistungsschutzrecht für Presserzeugnisse zu rechtfertigen und Bedenken zu zerstreuen. Die fünf Fragen die der BDZV aufwirft, möchte hier ebenfalls stellen und beantworten.

 

Schränkt ein Leistungsschutzrecht für Verlage die Informationsfreiheit ein?

Ja. Die Begründung des vorliegenden Referentenentwurfs bezieht sich ausdrücklich auf die BGH-Entscheidung “Metall-auf-Metall” die zum Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers ergangen ist. Das Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers umfasst selbst “kleinste Tonfetzen”, wie der BGH in der Metall-auf-Metall-Entscheidung wörtlich ausführt. Übertragen auf ein Leistungsschutzrecht für Verlagsprodukte würde dies bedeuten, dass auch kleinste Textbestandteile, sogar einzelne Wörter, vom Schutz umfasst wären. Jedenfalls aber ganze Sätze und Überschriften von Artikeln wären danach geschützt. Die Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR) sieht darin zu Recht die Gefahr einer Monopolisierung der Sprache.

Auch die Möglichkeit Links zu setzen, wird, entgegen der Behauptung der Verleger, beeinträchtigt. Es mag zwar richtig sein, dass der Hyperlink als solcher vom Leistungsschutzrecht nicht erfasst wird. Wenn man als Linktext aber die Überschrift des Presseartikels oder eine prägnante Textpassage wählt, dann wäre das bereits ein solcher kleiner Fetzen des Presserzeugnisses und mithin ein Verstoß gegen das Leistungsschutzrecht des Verlags.

 

Besteht überhaupt eine Gesetzeslücke?

Nein. Dass die Verlage kein eigenständiges Schutzrecht besitzen, liegt daran, dass das Urheberrecht grundsätzlich nur den Urheber schützt. Wirtschaftliche Leistungen werden in fast allen Bereichen des Wirtschaftslebens nicht durch ein spezielles Sonderrecht geschützt. Das Fehlen eines Schutzrechts ist also der Normalfall. Die Verlage sind ohnehin in der komfortablen Situation, dass sie sich von ihren Autoren urheberrechtliche Nutzungsrechte in fast beliebigem Umfang einräumen lassen können und davon auch umfassend Gebrauch machen.

Es ist sachgerecht, dass die Verlage die Rechte an Inhalten, die nicht von ihnen selbst stammen, von denjenigen (Urhebern) ableiten müssen, die diese Inhalte geschaffen haben. Die Verlage haben deshalb bislang aus gutem Grund kein eigenes, sondern nur ein abgeleitetes Recht an den Texten ihrer Autoren.

Wenn man den urheberrechtlichen Schutz von Texten über den Umweg des Leistungsschutzrechts dahingehend ausdehnen will, dass selbst kleinste Textschnipsel zugunsten der Verleger geschützt sind, würde sich zudem ein nicht hinnehmbarer Wertungswiderspruch ergeben. Die Verlage geben vor, ihre organisatorische und wirtschaftlich-finanzielle Leistung schützen lassen zu wollen. In Wirklich werden durch das geplante Leistungsschutzrecht aber wiederum nur Texte geschützt und zwar in einer Art und Weise die weit über den urheberrechtlichen Schutz hinausgeht, den der Journalist als Autor des Schriftwerks genießt. Warum aber sollte ein Text in größerem Umfang zugunsten eines Verlegers geschützt sein als zugunsten des Urhebers, der ihn verfasst hat?

Im Ergebnis bewirkt das Leistungsschutzrecht, dass der Verlag eine stärkere Position erhält, als der Urheber selbst, was keinesfalls sachgerecht ist.

 

Ist die Einführung eines Leistungsschutzrechts für Verlage erforderlich?

Um diese Frage beantworten zu können, muss man sich die Zielrichtung dieses Leistungsschutzrechts vor Augen führen. Das Leistungsschutzrecht zielt ausschließlich auf das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ab und damit allein auf Onlinesachverhalte. Die Verlage stellen ihre Print-Titel derzeit in mehr oder minder großem Umfang freiwillig und kostenlos ins Netz. Niemand zwingt sie dazu. Es ist also gar nicht so sehr die Urheberrechtsverletzung, die den Verlagen zu schaffen macht. Denn der massenhafte kostenlose Abruf von Artikeln, die die Verlage selbst ins Netz gestellt haben, stellt keine Urheberrechtsverletzung dar. Was die Verlage letztlich beklagen, ist der Umstand, dass sie es bislang nicht geschafft haben, funktionierende Paid-Content-Modelle für das Netz zu etablieren. Man versucht hier also ein Problem, das seine Ursache außerhalb des urheberrechtlichen Bereichs hat, durch eine Verschärfung des Urheberrechts zu lösen. Und darin liegt vermutlich der Kardinalfehler des Gesetzesvorhabens.

Der BDZV bedient sich an dieser Stelle ergänzend einer beachtlichen Argumentation. Das Leistungsschutzrecht sei nämlich u.a. deshalb erforderlich, weil der Journalist dem Verleger, jedenfalls im Bereich der Tageszeitungen, regelmäßig nur einfache Nutzungsrechte an dem Text einräumen würde. Wenn jemand nur ein einfaches Nutzungsrecht erwirbt, dann bedeutet dies aber auch, dass eine (beliebige) Nutzung durch Dritte möglich bleibt und der Verlag in diesem Fall auch eine Nutzung durch Dritte nicht unterbinden kann. Wenn man nun ein Leistungsschutzrecht schafft, das wie ein ausschließliches Nutzungsrecht wirkt und ein Verbietungsrecht gegenüber jedermann enthält, dann unterläuft man die gesetzliche Wertung des § 31 Abs. 1 UrhG und schränkt die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit der Autoren ein. Wenn nämlich ein Verlag ein Leistungsschutzrecht besitzt, stellt sich die Frage, wie sich dieses Leistungsschutzrecht zu einem weiteren einfachen Nutzungsrecht verhält, das der Journalist eingeräumt hat. Und genau an dieser Stelle zeigt sich auch der Unterschied zum Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers sehr deutlich. Der Komponist eines Musikstücks kann mehrfach das nicht ausschließliche Recht einräumen, sein Lied aufzunehmen und zu verbreiten. Im Rahmen der Musikproduktionen entstehen unterschiedliche Versionen desselben Musikstücks, die wiederum in Form der jeweiligen Aufnahme gesondert durch ein Leistungsschutzrecht erfasst werden können. Dasselbe funktioniert bei einem Text allerdings nicht. Wenn der Autor eines Artikels zwei verschiedenen Verlagen an demselben Text einfache Nutzungsrechte einräumt, dann erweist es sich als Problem, wenn anschließend beide Verlage zusätzlich qua Gesetz ein Leistungsschutzrecht erwerben sollen, das ausschließlich wirkt. Es gibt in diesem Fall nämlich anders als beim Tonträgerrrecht keine zwei unterschiedlichen Tonaufnahmen, sondern nur einen einzigen, identischen Text. Die Differenzierung, die also beim Tonträgerhersteller zumindest nachvollziehbar ist, kommt bei bloßen Texten überhaupt nicht in Betracht.

 

Ist das Leistungsschutzrecht für Verlage aus ökonomischer Sicht gerechtfertigt?

Das hängt davon ab, worauf man abstellt. Aus Sicht der Verlage mag das Leistungsschutzrecht ökonomisch sinnvoll erscheinen, gesamtwirtschaftlich betrachtet, dürfte die Antwort allerdings anders ausfallen. Hier stellt sich aber auch ganz grundlegend die Frage, inwieweit die Schaffung neuer Monopolrechte – und nichts anderes ist ein Leistungsschutzrecht – volkswirtschaftlich sinnvoll ist. Was wird die Politik außerdem wohl machen, wenn immer mehr Branchen derartige Monopolrechte für sich reklamieren, mit Verweis darauf, dass ihre wirtschaftliche Leistung ebenso schützenswert ist wie die von Verlagen?

Letztlich funktioniert das bisherige Geschäftsmodell der Verlage nicht mehr so wie noch vor 10 oder 15 Jahren, weshalb vom Gesetzgeber erwartet wird, dass qua Gesetz ein neues Geschäftsmodell geschaffen wird.  Diese Form des Protektionismus ist gänzlich illiberal. Die Politik muss sich von der Vorstellung lösen, dass man die Wünsche jeder wirtschaftlichen Gruppe, die über eine ausreichend starke Lobby verfügt, auch zu erfüllen hat.  Der Bürger wird den Parteien diese Form der Klientelpolitik immer weniger durchgehen lassen, weil er sie immer stärker durchschaut.

 

Verhindert das Leistungsschutzrecht für Verlage neue Geschäftsmodelle? 

Möglicherweise nicht, aber es nimmt den Verlagen u.U. den Druck, aus eigener Kraft ein funktionierendes Geschäftsmodell etablieren zu müssen. Es könnte allerdings auch sein, dass der Schuss komplett nach hinten losgeht und sich das Leistungsschutzrecht – sofern es überhaupt kommt – auch für die Verlage als wirtschaftlich nachteilig erweist.

posted by Stadler at 12:07  

19.6.12

EGMR zur Abwägung zwischen Pressefreiheit und dem Schutzbedürfnis Minderjähriger

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat heute entschieden (Az.: 27306/07 und 1593/06), dass über einen Minderjährigen, der weder eine „public figure“ ist, also nach deutschen Maßstäben eine Person der Zeitgeschichte, noch von sich aus die Öffentlichkeit gesucht hat, auch dann nicht personenidentifizierend berichtet werden darf, wenn der Sachverhalt einen Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse liefert.

Im konkreten Fall ging es darum, dass österreichische Boulevardmedien über einen Sorgerechtsstreit berichtet hatten und im Zuge dessen auch Fotos, auf denen das Kind u.a. mit schmerzverzerrtem Gesicht gezeigt wurde, veröffentlicht worden sind.

Der EGMR betont, dass er die Frage, wie die Behörden Sorgerechtsentscheidungen umsetzen und durchsetzen, durchaus als ein Thema von öffentlichem Interesse betrachtet. Angesichts der Tatsache, dass weder das Kind noch seine Eltern „public figures“ sind, sei es für das Verständnis der Besonderheiten des Falles dennoch nicht notwendig, die Identität des Kindes öffentlich zu machen.

Der EGMR betont an dieser Stelle das besondere Schutzbedürfnis von Minderjährigen, insbesondere in ihrem persönlichen Lebensbereichs, zumal dann, wenn sie nicht von sich aus in die Öffentlichkeit getreten sind.

Der EGMR hat deshalb entschieden, dass die Verurteilung der Zeitungen zur Zahlung von Entschädigung bzw. Schadensersatz keine Verletzung der Meinungs- und Pressefreiheit darstellt.

(via e-comm)

posted by Stadler at 16:12  

19.6.12

Verfassungsgericht muss erneut die Rechte des Parlaments stärken

Das Bundesverfassungsgericht hat erneut die Rechte des Bundestages gestärkt, wie es in der Presse heißt.

Nach dem heute verkündeten Urteil des BVerfG (Az.: 2 BvE 4/11) hätte die Bundesregierung das Parlament so früh wie möglich über die Verhandlungen zum Europäischen Rettungsschirm (ESM) und zum Euro-Plus-Pakt informieren müssen.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatten im Rahmen eines Organstreits beanstandet, dass die Bundesregierung insoweit ihre Unterrichtungspflichten nach Art. 23 Abs. 2 GG gegenüber dem Deutschen Bundestag verletzt habe.

Das Verfassungsgericht beanstandet in seiner Entscheidung u.a., dass die Bundesregierung vorhandene Dokumente und Entwürfe nicht frühestmöglich an den Bundestag weitergeleitet hat. Denn das Parlament darf nicht in eine bloß nachvollziehende Rolle geraten, so das Gericht, sondern muss die Möglichkeit haben, frühzeitig und effektiv Einfluss auf die Willensbildung der Bundesregierung zu nehmen.

So erfreulich diese Entscheidung auch sein mag, sie macht einmal mehr deutlich, dass sich die parlamentarische Demokratie in Deutschland und Europa in einer substantiellen Krise befindet und sich die Parlamentarier nicht mehr von selbst aus dem Würgegriff ihrer Regierungen befreien können, sondern darauf angewiesen sind, dass sich Parlamentsminderheiten, wie hier einmal mehr die Grünen, gegen die Beschneidung der parlamentarischen Rechte vor dem Verfassungsgericht zur Wehr setzen.

Wenn sich die Funktion des Korrektivs allerdings auf die Judikative verlagert, bedeutet dies gleichzeitig, dass die Parlamente ihre Kontrollfunktion und ihre Aufgabe als Volksvertreter nicht mehr wahrnehmen.

Quelle: PM Nr. 42/2012 des BVerfG vom 19.06.2012

posted by Stadler at 11:35  

18.6.12

Die Speicherpraxis der TK-Unternehmen

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung berichtet aktuell über eine Erhebung der Bundesnetzagentur zur Praxis der Speicherung von Verbindungs- und Staandortdaten durch TK-Unternehmen.

Danach werden z.B. Standortdaten von der Telekom für 30 Tage und von Vodafone sogar für 210 Tage gespeichert. Auch bei Verbindungsdaten ist – selbst bei Flatrates – eine Speicherdauer von 30 Tagen nicht ungewöhnlich, einige Anbieter speichern sogar noch deutlich länger.

Ähnliche Zahlen – die allerdings im Detail differieren – ergeben sich aus einem Leitfaden der Generalstaatsanwaltschaft München.

Wenn man sich dazu noch vor Augen führt, welch eine Fülle an Einzelbefugnissen im Bereich der Telekommuniaktion-Überwachung tatsächlich existiert, ergibt sich in der Gesamtschau ein durchaus beunruhigendes Bild.

posted by Stadler at 17:15  

18.6.12

Vorratsdatenspeicherung nun doch beim EuGH

Seit zwei Jahren kursierte immer wieder mal die Meldung, dass der irische HighCourt dem EuGH die Vorabprüfung der Frage, ob die Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung mit den europäischen Grundrechten vereinbar ist, vorgelegt hätte. Erst vor einigen Wochen hatte Telemedicus allerdings berichtet, dass eine derartiges Verfahren beim EuGH nicht anhängig ist.

Nunmehr ist am 11.06.2012 aber offenbar doch noch ein entsprechender Antrag des irischen HighCourts beim Europäischen Gerichtshof eingegangen (C-293/12), wie der Kollege Lehofer in seinem Blog berichtet. Die Vorlagefragen sind im Wortlaut aber noch nicht veröffentlicht. Der irische HighCourt hat für diese Vorlageentscheidung damit geschlagene 2 Jahre gebraucht, was ebenfalls Fragen aufwirft.

Mit dem Vertragsverletzungsverfahren, das die Kommission derzeit gegen Deutschland wegen Nichtumsetzung der Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung anstrengt, hat dieses Verfahren übrigens nichts zu tun. In dem Vertragsverletzungsverfahren kann und wird der EuGH die Frage der Vereinbarkeit der Richtlinie mit den Grundrechten nämlich nicht überprüfen.

posted by Stadler at 13:48  
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