Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

29.7.16

Olympia: Kann der Hashtag #Rio2016 verboten werden?

Nach Medienberichten behält sich der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) rechtliche Schritte wegen der Nutzung des Twitter-Hashtags „Rio2016“ vor, während das IOC die Auffassung vertritt, dass nur offizielle Sponsoren „Rio2016“ in sozialen Netzen benutzen dürfen.

Was ist davon rechtlich – aus Sicht des deutschen Rechts – zu halten?

Nach dem Gesetz zum Schutz des olympischen Emblems und der olympischen Bezeichnungen (OlympSchG) steht das ausschließliche Recht zur Verwendung und Verwertung des olympischen Emblems und der olympischen Bezeichnungen dem Nationalen Olympischen Komitee und dem Internationalen Olympischen Komitee zu (§ 2). Das gilt nach § 3 aber nur dann, wenn damit für Waren oder Dienstleistungen oder ein Unternehmen geworben wird. Wer den Hashtag also zu Zwecken der Berichterstattung oder ohne geschäftlichen Hintergrund verwendet, kann keinesfalls mit einem Verbot belegt werden.

Die Reichweite des Schutzes von § 3 OlymSchG ist außerdem auch geringer als beispielsweise der markenrechtliche Schutz, wie der BGH in einer lesenswerten Entscheidung ausgeführt hat.

Zentral ist allerdings auch die Frage, ob der Hashtag „Rio2016“ überhaupt zu den olympischen Bezeichnungen zählt. Nach § 1 Abs. 3 OlympSchG gehören zu den olympischen Bezeichnungen nur die Wörter „Olympiade“, „Olympia“, „olympisch“, allein oder in Zusammensetzung. #Rio2016 wird man damit schon gar nicht als olympische Bezeichnung betrachten können.

Ein sonstiger kennzeichenrechtlicher bzw. markenrechtlicher Schutz dürfte ebenfalls kritisch zu bewerten sein. Der BGH hat im Zusammenhang mit der Fußball-WM 2006 entschieden, dass das Zeichen „WM 2006“ für die Bezeichnung des Sportereignisses grundsätzlich keine herkunftshinweisende Funktion hat bzw. nur in einer verfremdeten Verwendung herkunftshinweisende Kraft haben kann und damit nicht als Marke eingetragen werden kann. Wer seine Leistung zum Ereignis – als Sponsor oder als Veranstalter, als Warenlieferant oder als Diensteanbieter – unter Benennung des Ereignisses mit registerrechtlichem Schutz bezeichnen möchte, hat nach der Rechtsprechung des BGH hierzu eine von der bloßen Beschreibung des Ereignisses unterscheidungskräftig abweichende Angabe zu wählen.

Es ist also nicht davon auszugehen, dass das IOC oder der DOSB – jedenfalls nach dem Maßstab des deutschen und europäischen Rechts – die Benutzung des Hashtags „Rio2016“ erfolgreich verbieten kann, auch nicht solchen Unternehmen, die keine offiziellen Sponsoren sind.

Update:
Nachdem ich jetzt mehrfach darauf hingewiesen wurde, dass es aber eine eingetragene Marke des IOC gebe, die auch über ein umfangreiches Waren- und Dienstleistungsverzeichnis verfügt, hierzu noch folgende Ergänzung. Die Marke dürfte jedenfalls in Teilen nur über eine unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft verfügen. Ein Konflikt entsteht meines Erachtens auch nur dann, wenn im geschäftlichen Verkehr unter dem Hashtag Produktwerbung gepostet wird. Solange sich der Tweet oder Post mit den Spielen selbst beschäftigt, wird schon keine (markenmäßige) Benutzung für Waren- oder Dienstleistungen vorliegen.

posted by Stadler at 09:26  

28.7.16

Änderung des TMG zur Haftung von W-LAN-Anbietern in Kraft getreten

Die umstrittene Ergänzung von § 8 TMG, die die Vorschrift um einen neuen Absatz 3 erweitert, der den „Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk“ regelt, ist gestern in Kraft getreten. Aus meiner Sicht handelt es sich um eine (entbehrliche) gesetzgeberische Klarstellung, die nichts an der geltenden Rechtslage ändert und von der nicht erwarten ist, dass sich hierdurch die bisherige Rechtsprechung ändert.

Voraussichtlich im September wird der EuGH über die Frage der Haftung des Betreibers eines offenen W-LANs entscheiden. Die Auswirkung dieser Entscheidung düfte bedeutender sein als die neue Vorschrift des § 8 Abs. 3 TMG.

posted by Stadler at 11:30  

25.7.16

München und die medialen Zerrbilder

Es fällt mir schwer nach dem Attentat von München – der nunmehr überwiegend gebrauchte Begriff des Amoklaufs missfällt mir, auch wenn man ihn seit kurzem offenbar auch für geplante Taten verwendet – die Gedanken wieder zu sortieren und zu begreifen, was sich da draußen bei den Menschen, befeuert durch eine irrational überzogene Berichterstattung, gerade für Ängste breitmachen.

Unter den medialen Irrlichtern war die Sondersendung der Tagesthemen am Abend des 22.07.2016 ein Highlight, aber leider kein Ausreißer. Der ganze Irrsinn einer völlig aus den Fugen geratenen Berichterstattung kumulierte in der Frage des Moderators Thomas Roth an seinen Gesprächspartner nach der Sicherheitslage im Berliner Regierungsviertel. Man muss sich das vorstellen. Eine Gewalttat in der Nähe eines Münchener Einkaufzentrums veranlasst einen Journalisten zu einer solchen Frage, so als wäre die gesamte Republik Krisen- und Kriegsgebiet.

Und ich frage mich an dieser Stelle, ob es noch einen Weg zurück gibt, weg von diesem Eskalationsjournalismus, wieder hin zu einer analytischen und unaufgeregten Form der Berichterstattung, jedenfalls im beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Oder müssen wir einfach damit leben, dass sich (fast alle) journalistischen Medien getrieben fühlen durch soziale Medien und die alarmistische und am Ende grob verzerrende Berichterstattung zum Normalfall wird. Welche Folgen wird das aber für die öffentliche Wahrnehmung und Einordnung bestimmter Ereignisse und Vorgänge haben? Die Berichterstattung verstärkt allzuoft Panik und Angst, was im Falle des Attentats von München besonders deutlich wurde. Und sie vermittelt auch jetzt den Eindruck, als sei es gerade besonders unsicher in Deutschland zu leben. Obwohl das Gegenteil der Fall ist. Man könnte an dieser Stelle beispielsweise darauf verweisen, dass die Zahl der Tötungsdelikte in Deutschland heute niedriger ist als vor 15 Jahren. Stattdesen liest man aber, dass derzeit 73 % der Deutschen Angst vor Terrorismus haben, dicht gefolgt von der Angst vor politischem Extremismus mit 68 %. Diese Ängste der Menschen stehen in einem geradezu absurden Missverhältnis zu den tatsächlichen Risiken für den Einzelnen.

Obwohl es also keine Zeit in der Geschichte gab, in der man so sicher in Mitteleuropa leben konnte wie jetzt, nehmen die Ängste der Menschen immer stärker zu. Man fühlt sich bedroht von Terrorismus, Amokläufern und Flüchtlingen, die angeblich so viele Straftaten begehen. Und man muss an dieser Stelle fragen, welchen Anteil die Medien daran haben, dass die Wirklichkeit von einer Mehrheit der Bevölkerung falsch bzw. äußerst verzerrt wahrgenommen wird.

Es mag unfair sein, den klassischen Medien die Hauptverantwortung für diese Entwicklung zuzuweisen, denn es gibt daneben noch die sozialen Medien und eine ganze Armada von Angstmachern aus Gesellschaft und Politik, die ihr Geschäft mit der Angst aus eingenützigen Motiven betreiben. Aber es führt aus meiner Sicht dennoch kein Weg an der Erkenntnis vorbei, dass die Medien in ihrer Gesamtheit durch eine geradezu hysterische Form der Berichterstattung sehr häufig ein Zerrbild der Wirklichkeit zeichnen. München ist dafür nur ein sehr auffälliges Beispiel.

posted by Stadler at 16:56  

19.7.16

BGH zur Angabe der Energieeffizienzklasse in einem Webshop

Nach einer EU-Verordnung (Delegierte Verordnung Nr. 1062/2010) muss der Händler in technischem Werbematerial zu einem bestimmten Fernsehgerätemodelle u.a. die Energieeffizienzklasse angeben. Es war bislang streitig, wo und in welcher Form diese Angabe online erfolgen muss.

Der BGH hat mit Urteil vom 04.02.2016 (Az.: I ZR 181/14) entschieden, dass die Energieeffizienzklasse eines in einem Internetshop beworbenen Fernsehers nicht auf derselben Internetseite wie die preisbezogene Werbung angegeben werden muss. Es genügt, wenn die Energieeffizienzklasse auf einer weiteren Webseite angegeben wird, die sich nach Anklicken eines Links öffnet, der in der Nähe der preisbezogenen Werbung angebracht ist und klar und deutlich als elektronischer Verweis auf die Angabe der Energieeffizienzklasse zu erkennen ist.

Der BGH bewertet die Bestimmung des Art. 4 Buchst. c der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 1062/2010 als sog. Marktverhaltensregel im Sinne von § 3a UWG, mit der Folge, dass ein Verstoß zugleich nach deutschem Recht zu einem abmahnbaren Wettbewerbsverstoß führt.

 

posted by Stadler at 17:14  

12.7.16

BGH zum Titelschutz von Mobile-Apps

Der BGH hat sich in einer heute veröffentlichten Entscheidung (Urteil vom 28.01.2016, Az.: I ZR 202/14) damit befasst, unter welchen Voraussetzung der Titel einer Smartphone-App Werktitelschutz nach § 5 MarkenG genießen kann.

Die grundsätzliche Feststellung des BGH, dass titelschutzfähige Werke im Sinne von § 5 Abs. 3 MarkenG auch Apps für Mobilgeräte sowie Informationsangebote im Internet sein können, ist wenig spektakulär. Als titelschutzfähige Werke gelten seit längerer Zeit u.a. Computerprogramme und Computerspiele, so dass ein Titelschutz für Apps natürlich auch möglich sein muss. Für Domainnamen – auch als Bezeichnung einer Website – hatte der BGH die Frage bereits entschieden.

Wesentlich interessanter ist die Entscheidung insoweit, als man der Bezeichnung „wetter.de“ für eine App und auch Website Titelschutz versagt, mit dem Argument, dass die Bezeichnung beschreibend ist und die für Zeitungs- und Zeitschriftentitel geltenden geringen Anforderungen an die Unterscheidungskraft von Werktiteln, nicht auf Apps und auf Internetangebote übertragen werden können. Das bedeutet, dass bei Zeitungs- und Zeitschriftentiteln stark beschreibende Titel weiterhin Werktitelschutz genießen können, während dies bei Apps und Internetangeboten grundsätzlich nicht in Betracht kommt.

Das grundlegende Problem der konkreten Entscheidung besteht allerdings auch darin, dass die Klagepartei in den Vorinstanzen zu diesem Aspekt wohl wenig vorgetragen hat und der BGH einigen neuen Sachvortrag nicht mehr zugelassen hat, nachdem die Revision ja auch keine Tatsacheninstanz mehr ist. Das könnte dazu führen, dass eine prozessual richtige Entscheidung des BGH materiell-rechtlich dennoch fragwürdig ist. Denn jedenfalls bei Websites hat sich eine gewisse Übung etabliert, wonach Websites, die über eine beschreibende Domain erreichbar sind, von den Nutzern mit der Second-Level-Domain und der Top-Level-Domain bezeichnet werden. Speziell im Bereich von Wetterangeboten ist beispielsweise die Bezeichnung „wetter dot com“ eine gängige Bezeichnung für das unter dieser Domain abrufbare Onlineangebot, wie auch für die dazugehörige Smartphone App. Dass es, wie der BGH in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen meint, keine tatsächliche Gewöhnung des Verkehrs an derartige Bezeichnungen geben würde, darf man also bezweifeln.

Möglicherweise wird sich also jetzt die Schlussfolgerung durchsetzen, dass für Apps und Websites höhere Anforderungen an den Werktitelschutz gelten als bei Zeitungen- und Zeitschriften.

posted by Stadler at 12:07  

7.7.16

Wie hat der Gesetzgeber „nein heißt nein“ umgesetzt?

In zahlreichen Pressemeldungen des heutigen Tages war zu lesen, dass der Bundestag einstimmig (!) eine Reform des Sexualstrafrechts beschlossen habe, durch das die Forderung „nein heißt nein“ im Gesetz verankert wurde. Was der Gesetzgeber aber genau regelt, war nirgends zu lesen. Deshalb hier zunächst ein kurzer Überblick über den Worlaut.

Neu ist zunächst, dass in § 177 Abs. 1 und 2 StGB (nF) ein neuer Tatbestand des sexuellen Übergriffs geschaffen wird, der die bisherigen Regelungen zur sexuellen Nötigung und Vergewaltigung erweiter bzw. ergänzt.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
1. der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2. der Täter ausnutzt, dass die Personaufgrund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3. der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4. der Täter eine Lage ausnutzt, in derdem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5. der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

„Nein heißt nein“ ist also vom Gesetzgeber in Absatz 1 umgesetzt worden, in der Form, dass sexuelle Handlungen gegen den erkennbaren Willen der betroffenen Person strafbar sind. Absatz 2 erfasst die sog. Überraschungs- und Überrumpelungsfälle, sowie die Konstellationen, in denen sich das Opfer keinen Willen bilden konnte. Auch die (einfache) sexuelle Nötigung, also unterhalb der Schwelle einer Drohung mit einer Gefahr für Leib oder Leben, ist jetzt einheitlich im Sexualstrafrecht geregelt und nicht mehr als besonders schwerer Fall der Nötigung in § 240 StGB.

Mir erscheint die nunmehr gefundene Regelung einigermaßen rund zu sein, auch wenn man über einzelne Aspekte sicherlich immer diskutieren kann. Der generellen Kritik an dem Reformvorhaben, das ja immer mit der These einherging, das geltende Recht sei ausreichend und es gäbe keine Strafbarkeitslücken, kann ich im Ergebnis nichts (mehr) abgewinnen. Die These renommierter Strafrechtler, namentlich von Monika Frommel und Thomas Fischer, das geltende Recht sei ausreichend, erweist sich bei näherer Betrachtung als nicht wirklich stichhaltig. Die Argumentation beider Kritiker läuft letztlich immer darauf hinaus, dass Strafbarkeitslücken bei richtiger Anwendung des geltenden Rechts vermeidbar wären. Damit hören die Gemeinsamkeiten aber schon auf. Während Frommel u.a. die ihres Erachtens „unangemessene Kommentierung“ von Bundesrichter Thomas Fischer für die bestehende Rechtsunsicherheit verantwortlich macht, räumt zwar auch Fischer ein, dass es problematische Entscheidungen von Gerichten, auch des BGH, geben würde und – entgegen seiner öffentlichen Aussagen – puntktuell sogar Strafbarkeitslücken, hält dies aber offenbar für hinnehmbar. Ich möchte an dieser Stelle nicht die gesamte Diskussion aufwärmen, sondern gezielt auf einige Beiträge aus dem Verfassungsblog verweisen, die mich davon überzeugt haben, dass diese Reform zumindest im Grundsatz notwendig und richtig ist:

Plädoyer für eine sachlichere Debatte um den Vergewaltigungstatbestand (Tatjana Hörnle)

Wer sich nicht wehrt, stimmt noch lange nicht zu – Völkerrechtswidrige deutsche Rechtspraxis zu § 177 I, II StGB (Anna von Gall, Cara Röhner)

Thomas Fischer, von Idioten umgeben (Maximilian Steinbeis)

Warum die „Reform“ des Sexualstrafrechts keine ist (Ulrike Lembke)

posted by Stadler at 18:01  

6.7.16

OLG Düsseldorf: Bestätigungsmail beim Double-Opt-In-Verfahren kein Spam

Nach einer neuen Entscheidung des OLG Düsseldorf (Urteil vom 17.03.2016, Az.: I-15 U 64/15) stellt die Übersendung einer Bestätigungsaufforderung per E-Mail im Rahmen des sog. Double-Opt-In-Verfahrens keine unerlaubte Werbung dar. Das Oberlandesgericht Düsseldorf führt hierzu aus:

Die Übersendung einer solchen Aufforderung zur Bestätigung stellt ihrerseits keine unerbetene Werbung dar, weil es im Interesse des Empfängers nur um die Klärung geht, ob er in Werbung eingewilligt hat und nicht um die Erlangung der Einwilligung (fehlender Verstoß gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 BGB: OLG Celle, WRP 2014, 1218; Köhler in: Köhler/Bornkamm, aaO, § 7 UWG Rn. 189). Soweit demgegenüber die Ansicht vertreten wird, auch eine Email, mit der zur Bestätigung einer Bestellung im Double-opt-in-Verfahren aufgefordert wird, falle als Werbung unter das Verbot des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG (OLG München, GRUR-RR 2013, 226 m. w. N.), ist dem daher nicht zu folgen. Doch selbst wenn man mit der Gegenauffassung einen Verstoß annehmen würde, wäre dieser jedenfalls nicht als schuldhaft anzusehen, da es für die Beklagte zur beschriebenen Kontaktaufnahme mit dem Inhaber der Email-Adresse keine zumutbare Alternative gibt, um die tatsächliche Herkunft der Anfrage zu kontrollieren und zu verifizieren. Sie hat unwidersprochen vorgetragen, dass sie täglich über 50 Anfragen per Email erhält. Daher wäre es insbesondere mit einem unzumutbar hohen Aufwand verbunden, bei jeder Anfrage eine Internetrecherche durchzuführen oder eine telefonische Klärung herbeizuführen. Eine Kontrolle der angegebenen Daten per Telefon könnte zudem § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG entgegenstehen.

Das OLG Düsseldorf geht hierbei davon aus, dass ein Werbetreibender gehalten ist, ein Double-Opt-In-Verfahren zu benutzen, da er verifizieren muss, ob der Adressat von werblichen E-Mails tatsächlich die Zusendung solcher Mails wünscht, was im Zweifel nur durch eine Rückfrage beim Werbeadressaten möglich ist.

posted by Stadler at 17:19  

6.7.16

BGH: Keine kostenpflichtige Rufnummer im Impressum einer Website

Die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG verlangt, dass im Rahmen der Anbieterkennzeichnung bei Telemedien (Impressumspflicht) Angaben zu machen sind, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit dem Anbieter ermöglichen, einschließlich der Adresse der elektronischen Post. Diese Vorschrift wird vom EuGH und BGH dahingehend ausgelegt, dass neben einer E-Mail-Adresse mindestens eine weitere effektive Möglichkeit einer unmittelbaren Kontaktaufnahme genannt werden muss, also insbesondere eine Telefon- oder Faxnummer. Der BGH bewertet diese Vorschrift als sog. Marktverhaltensregel und geht davon aus, dass ein Verstoß europarechtskonform zugleich als Verstoß gegen § 3a UWG zu bewerten ist.

In einer neuen Entscheidung (Urteil vom 25.02.2016, Az.: I ZR 238/14) ist der BGH der Ansicht, dass die Angabe einer kostenpflichtigen Mehrwertdiensterufnummer keine effektive Möglichkeit einer unmittelbaren Kontaktaufnahme darstellt und hat dazu u.a. ausgeführt:

Gegen eine Vereinbarkeit der Einrichtung einer Mehrwertdienstenummer mit § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG und Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/31/EG spricht zunächst der Wortlaut dieser Bestimmungen, die mit der Angabe von Kontaktmöglichkeiten eine schnelle, unmittelbare und effiziente Kommunikation ermöglichen sollen. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, können über den üblichen Verbindungsentgelten liegende und von der vom Anrufer einer Mehrwertdienstenummer nicht immer beeinflussbaren Länge eines Telefonats abhängige Telefonkosten den Nutzer eines Telemediendienstes von einer Kontaktaufnahme abhalten (BGH, GRUR 2007, 723 Rn. 15 – Internet-Versicherung). Sie können deshalb nicht als effizient angesehen werden.

posted by Stadler at 15:10  

1.7.16

BND: Vom Weltraum zurück auf die Erde?

Die Bundesregierung hat am Dienstag einen Gesetzesentwurf zur Novellierung des BND-Gesetzes beschlossen, der die sog. „Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung“ regelt. Hierunter versteht der Gesetzesentwurf die strategische Fernmeldeaufklärung von Ausländerinnen und Ausländern im Ausland vom Inland aus.

Es ist zunächst erkennbar, dass damit der Versuch unternommen wird, die bisherige klar rechtswidrige fragwürdige Praxis des BND zu legalisieren. Die legendäre Weltraumtheorie des vormaligen BND-Präsidenten Schindler bekommt also nun doch einen gesetzlichen Unterbau. Ob dieser verfassungskonform ist, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Zentralvorschrift der Neuregelung ist § 6 Abs. 1 BND-Gesetz (neu), der es dem Geheinmdienst künftig gestattet, vom Inland aus Informationen einschließlich personenbezogener Daten aus Telekommunikationsnetzen über die Telekommunikation von Ausländern im Ausland zu erheben und zu verarbeiten, zu den im Gesetz näher erläuterten Zwecken. Ergänzend stellt § 6 Abs. 4 BND-Gesetz (neu) klar, dass eine Erhebung von Daten aus der Telekommunikation von deutschen Staatsangehörigen, von inländischen juristischen Personen oder von sich im Bundesgebiet aufhaltenden Personen, unzulässig ist.

Hier schließt sich zunächst die praktische Frage an, wie der BND letzteres gewährleisten soll. Denn dem Sender und Empfänger von Daten im Internet sieht man nicht an, ob er deutscher Staatsbürger ist. Zumindest nicht zuverlässig ermittelbar ist zudem der aktuelle Aufenthaltsort des Senders und Empfängers. Ich kann mir also nicht vorstellen, dass die gesetzlichen Vorgaben technisch überhaupt umsetzbar sind. Faktisch wird es hier auch in größerem Umfang zur Erhebung von Daten deutscher Staatsbürger und solcher Personen kommen, die sich in Deutschland aufhalten.

Erstaunlich an der Regelung ist zudem, dass die Bundesregierung wie selbstverständlich davon ausgeht, dass diese Regelung das Fernmeldegeheimnis des Art. 10 GG nicht tangiert. Diese Grundannahme erscheint mir aber aus zwei Gründen nicht haltbar.

Das BVerfG hat 1999 entschieden, dass das Fernmeldegeheimnis des Art. 10 GG jedenfalls dann gelten soll, wenn ausländischer Fernmeldeverkehr mit Überwachungsanlagen aufgezeichnet wird, die sich auf deutschem Boden befinden. In der letzten Entscheidung des BVerfG zum G 10 heißt es ganz ausdrücklich:

Dabei wird bereits durch die Erfassung und Aufzeichnung des Telekommunikationsverkehrs mit Hilfe der auf deutschem Boden stationierten Empfangsanlagen des Bundesnachrichtendienstes eine technisch-informationelle Beziehung zu den jeweiligen Kommunikationsteilnehmern und ein – den Eigenarten von Daten und Informationen entsprechender – Gebietskontakt hergestellt. Auch die Auswertung der so erfaßten Telekommunikationsvorgänge durch den Bundesnachrichtendienst findet auf deutschem Boden statt. Unter diesen Umständen ist aber auch eine Kommunikation im Ausland mit staatlichem Handeln im Inland derart verknüpft, daß die Bindung durch Art. 10 GG selbst dann eingreift, wenn man dafür einen hinreichenden territorialen Bezug voraussetzen wollte.

(…)

Die Überwachung und Aufzeichnung internationaler nicht leitungsgebundener Telekommunikationen durch den Bundesnachrichtendienst greift in das Fernmeldegeheimnis ein.

Das Bundesverfassungsgericht hat also bereits entschieden, dass Art. 10 GG zumindest dann gilt, wenn die Erfassung, Aufzeichnung und Auswertung ausländischer TK-Vorgänge auf deutschem Boden stattfindet. Warum sich die Gesetzesbegründung mit dieser Entscheidung nicht auseinandersetzt, bleibt unklar.

Art. 10 GG ist aber auch deshalb einschlägig, weil sich, wie oben bereits erläutert, technisch nicht sicherstellen lässt, dass keinerlei inländische Telekommunikation oder solche Kommunikation an der ein deutscher Staatsbürger beteiligt ist, erfasst wird. Jede Erfassung und Aufzeichnung von Kommunikationsdaten eines Bundesbürgers stellt einen Eingriff in Art. 10 GG dar. Die gesetzliche Neuregelung wird also zwangsläufig zu Eingriffen in Art. 10 GG führen, obwohl der Gesetzeswortlaut dies an sich ausdrücklich verbietet.

posted by Stadler at 10:55