Viele Blogs verweisen im Rahmen ihrer Artikel regelmäßig auf Filmdateien, die auf externen Servern liegen, zum Beispiel bei YouTube.
Genau das ist dem Blogger und Rechtsanwalt Markus Kompa nunmehr vom Landgericht Hamburg untersagt worden. Im Rahmen eines Blogbeitrags über den umstrittenen Krebsarzt Dr. Nikolaus Klehr – der bereits häufig Gegenstand der Berichterstattung insbesondere öffentlich-rechtlicher Sender war – hat Kompa auf einen Filmbeitrag des ZDF (WISO) verwiesen und zwar mittels eines Embedded-Links auf YouTube. Kurz zuvor hatte der Arzt dem ZDF die weitere Verbreitung und Ausstrahlung des Filmbeitrags, der u.a. auch heimlich in den Praxisräumen gefertigte Aufnahmen enthält, per einstweiliger Verfügung des Landgerichts Hamburg untersagen lassen, was dem Blogger aber nicht bekannt war. Kompa hatte lediglich gehört, dass der Arzt rechtlich gegen den Filmbeitrag des ZDF vorgeht.
Das Landgericht Hamburg vertritt in seinem Urteil vom 18.05.2012 (Az.: 324 O 596/11) die Ansicht, dass der Bloger „als Verbreiter des streitgegenständlichen Fernsehbeitrags“ auf Unterlassung haftet.
Für die juristische Bewertung des Falles muss man zwei Ebenen unterscheiden. Zunächst stellt sich die Frage, ob der Filmbeitrag des ZDF überhaupt rechtswidrig ist und die Persönlichkeitsrechte des Klägers verletzt. Wenn bereits das nicht der Fall ist, scheidet eine Haftung des Bloggers ebenfalls aus. Erst wenn man den Beitrag des ZDF als rechtsverletzend qualifizieren kann, stellt sich die Folgefrage, ob und in welchem Umfang der Blogger für eine Rechtsverletzung des ZDF haftet.
Das Landgericht Hamburg hat aufgrund einer – wie so oft in Hamburg – fehlerhaften Abwägung von Meinungs- und Rundfunkfreiheit einerseits und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen andererseits zu Unrecht eine Rechtsverletzung durch das ZDF bejaht.
Das Bundesverfassungsgericht hatte speziell der Pressekammer des Landgerichts Hamburg erst unlängst wieder ins Stammbuch geschrieben, dass in derartigen Fällen zunächst eine Auseinandersetzung mit der Frage geboten ist, in welcher Bedeutung und mit welchem Gewicht der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist. Diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat man in Hamburg allerdings nicht umgesetzt, wie die vorliegende Entscheidung zeigt. Das Landgericht Hamburg argumentiert ausschließlich damit, dass es sich bei einer Arztpraxis um einen besonders geschützten Raum handeln würde, wobei heimliche Filmaufnahmen einen besonders schweren Eingriff in das Vertrauen der Patienten darstellen würden, weshalb zumindest in einem solchen Fall eine Missachtung des Hausrechts zugleich eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bewirke.
Diese Argumentation ist aus zwei Gründen unzutreffend. Das Landgericht erwähnt in seinem Urteil nicht – obwohl dies schriftsätzlich thematisiert wurde und unstreitig ist – dass die Filmaufnahmen des ZDF keineswegs in den Behandlungszimmern stattfanden, sondern in dem für jedermann frei zugänglichen Empfangsbereich der Praxis. Das relativiert die Annahme eines besonders geschützten Raums natürlich erheblich. Darüber hinaus kann sich der Arzt aber auch nicht auf das Persönlichkeitsrecht seiner Patienten berufen, weshalb alleiniger Prüfungsmaßstab sein eigenes Persönlichkeitsrecht sein kann.
Vor diesem Hintergrund wäre vom Gericht also in einem ersten Schritt festzustellen gewesen, dass der Arzt durch diese Filmaufnahmen lediglich in seiner Berufs- und Sozialsphäre betroffene ist und wegen des Umstands, dass nur in den frei zugänglichen Teilen seiner Praxisräume gefilmt worden ist, eine eher geringfügige Beeinträchtigung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliegt. Dies bedeutet dann alllerdings, dass bei der nachfolgende Abwägung gegenüber der sowohl für das ZDF als auch den Blogger streitenden Meinungs- und Rundfunkfreiheit keine übermäßig hohen Anforderungen an ein überwiegendes Berichterstattungsinteresse zu stellen sind.
Nach neuer Rechtsprechung des EGMR (Urteil vom 07.02.2012, Az.: 39954/08 – AXEL SPRINGER AG v. GERMANY) ist bei der notwendigen Abwägung außerdem maßgeblich zu berücksichtigen, ob die Berichterstattung einen Beitrag zu einer Debatte von allgemeinen Interesse (Contribution to a debate of general interest) leistet. Das ist mit Blick auf das Wirken des klagenden Arztes in jedem Fall gegeben, denn die Behandlung krebskranker Patienten mit alternativen und medizinisch unwirksamen Heilmethoden gefährdet das Leben von Menschen. Vor diesem Hintergrund besteht hier sogar ein überragendes Berichterstattungsinteresse. Es ist vielleicht sogar der öffentlich-rechtliche Auftrag des ZDF über derartige ärztliche Praktiken zu berichten. Nach der Rechtsprechung des EGMR kommt es insoweit auch nicht darauf an, ob eine die Berichterstattung begleitende Abbildung unmittelbar einen Rechtsverstoß zeigt, weshalb die Frage, ob der Filmbeitrag des ZDF unmittelbar einen Rechtsverstoß dokumentiert, entgegen der Ansicht des LG Hamburg, nicht ausschlaggegebend sein kann.
Soweit es um die Tatsachenbehauptung ging, dass die Patienten des Arztes in dessen Münchener Praxis Ampullen mit einem Eigenblutpräparat ausgehändigt bekommen haben, hat das ZDF in seinem – ebenfalls erfolglosen Widerspruch – gegen die den Sender treffende einstweilige Verfügung mehrere eidestattliche Versicherungen (von Patienten und Reportern des ZDF) vorgelegt, die dem Gericht aber nicht ausreichten, nachdem der Arzt gegenläufige Versicherungen seiner Mitarbeiter vorgelegt hat. Auch das ist nebenbei bemerkt, mit der Rechtsprechung des EGMR nicht vereinbar.
Obwohl Markus Kompa sogar drei der Personen, die eidestattliche Versicherungen abgegeben hatten, als Zeugen dafür angeboten hat, dass den Patienten des Arztes in dessen Münchener Praxis Eigenblutpräparate ausgehändigt worden sind, wollte das Landgericht Hamburg diesem Beweisangebot nicht nachkommen. Im Urteil heißt es hierzu, es sei im Beweisangebot nicht ausreichend klargestellt worden, dass sich die Frage der Aushändigung von Eigenblutpräparaten auf die Münchener Praxis des Arztes beziehe, weshalb es ja schließlich sein könne, dass der Arzt den Patienten in seiner Salzburger Praxis derartige Präparate mit nach Hause gebe, was aber gar nicht Gegenstand der angegriffenen Berichterstattung und des Antrags des Klägers sei.
Über eine derartige Begründungstechnik kann man eigentlich nur noch verwundert den Kopf schütteln. Gegenstand des ZDF-Berichts und des gesamten Verfahrens waren ausschließlich Vorgänge in der Münchener Praxis des Arztes. Um die Salzburger Praxis ging es hier gar nicht. Der Streitstoff und Streitgegenstand wird bekanntlich durch den Klageantrag und Klagevortrag bestimmt. Wenn man in diesem Kontext dann Zeugenbeweis dafür anbietet, dass „die streitgegenständlichen Ampullen vom Kläger bzw. dessen Mitarbeitern an Patienten ausgehändigt“ worden sind, dann stellt dies natürlich ein ausreichendes Beweisangebot dar.
Die Begründungstechnik der Pressekammer des Landgerichts macht deutlich, dass in Hamburg geradezu tendenziös argumentiert wird.
Die weitere Begründung der Pressekammer, warum der Blogger Kompa als „Verbreiter“ des ZDF-Beitrags haftet, obwol er sich den Beitrag selbst nach Ansicht des LG Hamburg nicht zu eigen gemacht hat, ist nicht minder interessant.
Das Landgericht Hamburg gesteht zwar zu, dass der Blogger nur als sog. mittelbarer Störer anzusehen ist, erlegt ihm dann aber Prüfpflichten auf, die nicht mit der Rechtsprechung des BGH und des BVerfG in Einklang stehen. Das Hauptargument des Landgerichts lautet nämlich, dass der Blogger nicht auf die Rechtmäßigkeit des Beitrags des ZDF vertrauen durfte, sondern die Rechtmäßigkeit hinterfragen und eigene Recherchen anstellen hätte müssen, weil er bereits wusste, dass der Arzt gegen den ZDF-Beitrag gerichtlich vorgeht. Er hätte deshalb insbesondere bei dem Betroffenen nachfragen müssen.
Wenn der Blogger bei dem klagenden Arzt nachgefragt hätte, hätte er natürlich die Einschätzung erhalten, dass der ZDF-Beitrag rechtswidrig ist. Welchen Erkenntnisgewinn hätte das gebracht? Der Umstand, dass der Krebsarzt Klehr gegen den Filmbeitrag gerichtlich vorgeht, besagt im übrigen ebenfalls noch nicht viel, zumal der Arzt als sehr prozessfreudig bekannt ist und u.a. bei der Pressekammer des Landgerichts Hamburg des öfteren zu Gast ist.
Diese Rechtsprechung des Landgerichts Hamburg ist ein gutes Beispiel dafür, wie die meinungsfreundliche Rechtsprechung des BVerfG und des BGH ausgehebelt und gegen den Strich gebürstet wird.
Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass die Fachgerichte im Rahmen der Verbreiterhaftung gehalten sind, bei der Bemessung der Sorgfaltspflichten, die der Presse bei Verbreitung einer fremden Äußerung abzuverlangen sind, die Anforderungen nicht zu überspannen, um den vom Grundgesetz geschützten freien Kommunikationsprozess nicht einzuschnüren.
Insbesondere bei der Übernahme von Fremdinhalten durch das Setzen von Hyperlinks dürfen im Interesse von Art. 5 Abs. 1 GG keine zu strengen Anforderungen gestellt werden. Die auf Art. 5 Abs. 1 GG zurückzuführende Begrenzung der Verantwortlichkeit führt in diesen Fällen vielmehr dazu, dass eine Störerhaftung nur im Fall der Offensichtlichkeit einer Rechtsgutsverletzung im Zusammenhang mit der verlinkten Seite in Betracht kommt (Volkmann, GRUR 2005, 205; Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 7. Teil, Rd-Nr. 75) bzw. nach der Rechtsprechung des BGH dann, wenn sich der in Anspruch Genommene bereits bei der Vornahme der Verlinkung der sich aufdrängenden Erkenntnis entzogen hat, dass er auf rechtswidrige Inhalte verlinkt.
Diese höchstrichterliche Vorgaben stellt das Landgericht Hamburg auf den Kopf wenn es meint, dass bereits der Umstand einer Kennntis eines gerichtlichen Vorgehens durch eine als prozessfreudig bekannte Person ausreichend ist, um eine uneingeschränkte Verbreiterhaftung wie für eigene Inhalte anzunehmen.
Auch der Umstand, dass der Blogger zwangsläufig nicht über dieselben Erkenntnisse verfügt und verfügen kann wie das ZDF und seine Reporter, weil er die dem Beitrag zugrundeliegenden Informationen ja nicht selbst recherchiert hat, spricht dafür, ihn grundsätzlich nicht im selben Umfang haften zu lassen wie das ZDF.
Das Urteil des Landgerichts Hamburg stellt letztlich eine netz- und blogtypische Art des Verweises auf Filmbeiträge in Frage. Denn das Haftungsrisiko des Bloggers ist enorm, wenn man bereits das Wissen ausreichen lässt, dass gegen einen Filmbeitrag juristisch vorgegangen wird.
Das Landgericht Hamburg macht im Ergebnis genau das, was es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des BGH zu verhindern gilt, es schnürt den von Art. 5 GG geschützten Kommunikationsprozess ein.