Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

7.12.16

Anspruch auf Gegendarstellung wegen Äußerungen in einem Blog

Der ehemalige Piratenpolitiker Christopher Lauer (bis 2016 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses), der mittlerweile der SPD beigetreten ist, hat gerichtlich einen Gegendarstellungsanspruch gegen seinen früheren Parteikollegen Simon Lange durchgesetzt, wegen angeblich unrichtiger Tatsachenbehauptungen Langes in dessen Blog. Die Gegendarstellung ist im Blog Langes auch online.

Das Kammergericht hat mit Beschluss vom 28.11.2016 (Az.: 10 W 173/16) eine Beschwerde Langes gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Das Landgericht Berlin hatte Lange auf Antrag Lauers zuvor mit einstweiliger Verfügung vom 4.10.2016 (Az.: 27 O 513/16) zur Veröffentlichung der Gegendarstellung verpflichtet.

Interessant an der Entscheidung des Kammergerichts ist der Umstand, dass es sich um ein privates Blog mit nur unregelmäßigen Beiträgen handelt, wobei teilweise über Zeiträume von sechs Monaten hinweg kein einziger Blogbeitrag eingestellt wurde.

Der Gegendarstellungsanspruch ergibt sich aus § 56 Rundfunkstaatsvertrag (RStV). Diese Vorschrift setzt allerdings einen Anbieter von Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten voraus, in denen insbesondere vollständig oder teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild wiedergegeben werden.

Das Kammergericht hat das Vorliegen eines journalistisch-reaktionellen Angebots lediglich darauf gestützt, dass das Kriterium der Aktualität erfüllt sei, weil Lange immer wieder zu aktuellen Vorkommnissen und politischen Fragestellungen Stellung genommen habe. Mit der entgegenstehenden herrschenden Ansicht in der Literatur setzt sich das Kammergericht in seiner Entscheidung leider nicht auseinander. In der Literatur wird davon ausgegangen, dass nur gelegentliche journalistisch-redaktionell gestaltete Texte auf privaten Homepages nicht erfasst werden (Mann, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 3. Aufl., § 56 RstV, Rn. 11).

Wenn man sich die Beiträge auf Langes Website/Blog anschaut, wird man sich auch die Frage stellen müssen, inwieweit hier tatsächlich eine journalistisch-redaktionelle Gestaltung vorliegt. Ausweislich der Begründung zu § 54 Abs. 2 im 9. RÄStV sind „alle Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, die als elektronische Presse in Erscheinung treten“, erfasst. Hierzu hat der VGH Baden-Württemberg in einer Entscheidung aus dem Jahre 2014 ausgeführt:

Die Bindestrich-Verknüpfung „journalistisch-redaktionell“ bedeutet journalistisch und redaktionell, d.h. es müssen kumulativ beide Voraussetzungen erfüllt sein. Journalistische Angebote sind stets auch redaktionell gestaltet. Umgekehrt gehören aber nicht alle redaktionell gestalteten Angebote zum Online-Journalismus (Lent, ZUM 2013, 914 <915>). Journalistisch-redaktionelle Angebote zeichnen sich dadurch aus, dass bei ihnen Informationen nach ihrer angenommenen gesellschaftlichen Relevanz ausgewählt und zusammengestellt werden. Dahinter steht das Ziel des Anbieters, zur öffentlichen Kommunikation beizutragen (Held, in: Hahn/Vesting, Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 3. Aufl., § 54 RStV Rn. 51). Dabei ist es allerdings nicht erforderlich, dass das Angebot sich an eine breite Öffentlichkeit richtet. Auch auf enge Zielgruppen zugeschnittene Angebote können journalistisch sein, wenn sie eine erkennbare publizistische Zielsetzung haben, d.h. von der Intention her auf Teilhabe am Prozess der öffentlichen Meinungsbildung – jedenfalls innerhalb der Zielgruppe – angelegt sind (vgl. Lent, a.a.O. S. 915, 916; ähnlich BGH, Urt. v. 23.06.2009 – VI ZR 196/08BGHZ 181, 328 zum datenschutzrechtlichen Medienprivileg in § 41 Abs. 1 BDSG: journalistisch redaktionelle Gestaltung liegt vor, wenn die meinungsbildende Wirkung für die Allgemeinheit prägender Bestandteil des Angebots ist).

Man kann also bei sehr großzügiger Anwendung dieser Maßstäbe von einer journalistisch-redaktionellen Gestaltung ausgehen, wenn man allein darauf abstellt, dass es dem Blogger wesentlich darum geht, an der Meinungsbildung mitzuwirken. Wenn man allerdings ein Mindestmaß an journalistischer Arbeitsweise unterstellt und eine gewisse Nähe zur klassischen Presse verlangt, dürfte das Blog Langes die Anforderungen kaum erfüllen.

Die Entscheidung des Kammergerichts führt also dazu, dass selbst Gelegenheitsblogger, die vorwiegend über politische, gesellschaftliche, weltanschauliche Themen bloggen – aber auch Blogs aus dem Bereich der Kultur und des Sports könnten betroffen sein – und damit auf Meinungsbildung abzielen, als journalistisch-redaktionelle Anbieter gelten, mit der Folge, dass sie der erweiterten Impressumspflicht des § 55 Abs. 2 RStV unterliegen und der Gegendarstellungspflicht des § 56 RStV. Ob dies tatsächlich dem Sinn und Zweck des Gesetzes entspricht, darf man bezweifeln. Es ließe sich dann auch nicht mehr nachvollziehbar erklären, warum nicht jeder, der auf Facebook oder Twitter vorwiegend Meinung postet, ebenfalls erfasst wäre.

posted by Stadler at 10:32  

10.5.16

VG Berlin: Piratenpartei darf „Schmähkritik“ nicht öffentlich rezitieren

Das Land Berlin hat der Piratenpartei bzgl. einer angemeldeten Versammlung, die vor der türkischen Botschaft in Berlin stattfinden sollte, im Rahmen einer Auflage untersagt, das Gedicht „Schmähkritik“ von Jan Böhmermann öffentlich zu zeigen oder zu rezitieren. Das Verbot umfasste auch Textausschnitte, ausdrücklich ausgenommen war nur die Nennung des Gedichttitels. Untersagt wurde die Versammlung außerdem vor der türkischen Botschaft und stattdessen genehmigt in der Tiergartenstraße gegenüber der Stauffenbergstraße, also vor der österreichischen Botschaft.

Die Untersagung der Versammlung vor der türkischen Botschaft hat das Verwaltungsgericht Berlin aufgehoben, während das Verbot, das Gedicht „Schmäkritik“ ganz oder in Ausschnitten zu rezitieren, bestätigt wurde (VG Berlin, Beschluss vom 06.05.2016, Az.: VG 1 L 291.16).

Das Gericht stützt sich maßgeblich darauf, dass der Landesvorsitzende der Piraten Bruno Kramm bereits auf einer Versammlung Ende April Ausschnitte aus „Schmähkritik“ vorgetragen hat und insoweit Wiederholungsgefahr bestünde. Das Gericht geht ferner davon aus, dass das Gedicht Böhmermanns den Straftatbestand der Beleidigung erfüllt, weil es aus einer Aneinanderreihung abwertender Verunglimpfungen des türkischen Staatspräsidenten Erdogan bestehe. Das Gericht meint außerdem, es sei nicht möglich, Passagen mit eigenständigem Sinn- und Aussagegehalt zu identifizieren, die keine beleidigenden Inhalte aufweisen. Soweit eine Auseinandersetzung mit dem Gedicht in Betracht kommt, die von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, hätten die Antragsteller gegenüber der Versammlungsbehörde nach Ansicht des Gerichts darlegen müssen, in welcher Weise in der Versammlung eine Bezugnahme auf das Gedicht erfolgen soll.

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts Berlin halte ich zumindest eine Textpassage – auch außerhalb der von Böhmermann gewählten satirischen Einbettung – für zulässig. Wer über Erdogan (nur) sagt, er würde „Minderheiten unterdrücken“ und „Kurden treten, Christen hauen“ kritisiert damit seine Politik und Amtsführung. Die Diffamierung der Person steht nicht im Vordergrund, vielmehr geht es um eine Auseinandersetzung in der Sache, die vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt ist.

Genau wegen dieses öffentlichen Zitats durch Bruno Kramm wurde allerdings die frühere Versammlung durch die Polizei unterbrochen und Kramm mündlich untersagt, das Gedicht in Gänze oder in Auszügen zu zitieren. Kramm hatte seinen Satz mit den Worten begonnen „Wenn Böhmermann sagt, dass Erdogan am liebsten Minderheiten unterdrückt, Kurden tritt und Christen haut, …“ bevor er von der Polizei unterbrochen wurde. (Das Video findet sich hier).

Als die Versammlung fortgesetzt wurde, kritisierte Kramm es als „schmierig“, „rassistisch“ und „sexistisch“, Türken zu unterstellen, dass sie am liebsten mit Ziegen ficken würden. Kramm referierte anschließend über die  Metapher sexueller Potenz als solche für politische Potenz und deren rhetorische Entlarvung durch Satire. Anschließend führte Kramm aus: „Wenn Böhmermann also sagt, sein Kopf so leer wie seine Eier, ein Star auf jeder Gangbang-Feier, dann ist das literarisch nicht großartig, aber entspricht genau dem Niveau dieser Form der Erniedrigung.“

Daraufhin brach die Polizei die Veranstaltung durch Einsatz unmittelbaren Zwangs ab.

Das Verwaltungsgericht hätte an dieser Stelle in Betracht ziehen müssen, dass diese vorangegangene polizeiliche Maßnahme, auf die das Gericht in seinem Beschluss die Wiederholungsgefahr stützt, bereits vollständig oder zumindest teilweise rechtswidrig war und deshalb keine tragfähige Grundlage für das nunmehr ausgesprochene Verbot darstellen konnte.

Da sich das vom Verwaltungsgericht gebilligte Verbot ausnahmeslos auch auf die isolierte Wiedergabe der Textpassage erstreckt, in der es um die Unterdrückung von Minderheiten geht, ist es rechtswidrig.

Darüber hinaus wäre aber eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Gedicht von Böhmermann bzw. des Sendebeitrags denkbar, die von Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt ist. Das verkennt auch das VG Berlin nicht, meint aber insoweit, der Anmelder müsse dann bereits im Vorfeld mitteilen, in welcher Form und in welchem Kontext er gedenkt, das Gedicht zu zitieren. Das würde dann aber bedeuten, dass man der Behörde vorab ein Redemanuskript zur Prüfung vorlegt. Das erscheint in grundrechtlicher Hinsicht äußerst problematisch. Insoweit wäre vielmehr auch denkbar, die behördliche Auflage einfach enger zu fassen. Auch in diesem Punkt sind die Ausführungen des VG Berlin also nicht unproblematisch.

Markus Kompa, der die Piraten in diesem Verfahren anwaltlich vertritt, hat dazu ebenfalls gebloggt.

(Mir liegt sowohl die Entscheidung des VG Berlin, als auch die Antragsschrift der Piratenpartei vor)

posted by Stadler at 11:24  

28.10.12

Lasst sie streiten

In den letzten Tagen wurde viel über den vermeintlichen Niedergang der Piratenpartei geschrieben. In mehr oder minder intelligenten, bis hin zu eher dämlichen Kommentaren, ist von Krise, Machtkampf oder Schulhof 2.0 die Rede. Konsens herrscht bei allen Kommentatoren aber dahingehend, dass die Auseinandersetzungen, speziell innerhalb des Bundesvorstands, der Partei schaden würden.

Nur warum? Weshalb hängen wir einem – freilich von fast allen Medien bei jeder Gelegenheit verstärkten – Bild einer Parteipolitik an, das öffentlich ausgetragenen innerparteilichen Streit tabuisiert? Vermutlich weil wir glauben, Geschlossenheit sei mit Verlässlichkeit gleichzusetzen und wir uns Parteien wünschen, bei denen wir wissen, woran wir sind. Für diese strukturkonservative Haltung zahlen wir Bürger einen hohen Preis. Denn sie bedingt genau die Politik, mit der wir so oft unzufrieden sind. Die Annahme, eine Partei sei im Inneren geschlossen, ist seit jeher Heuchelei und eines mündigen Bürgers eigentlich unwürdig.

Es ist an der Zeit, politische Strukturen einfach neu zu denken und zwar nicht immer nur entlang von Parteien, deren oberste Maxime die Disziplinierung von Amts- und Mandatsträgern ist. Ich wünsche mir Abgeordnete, die sich nicht vorrangig einer Partei oder Fraktion verpflichtet fühlen, sondern wie es das Grundgesetz eigentlich vorsieht, dem Wohl des ganzen Volkes. Ich wünsche mir eine Überwindung des Prinzips der Fraktionsdisziplin und stattdessen wechselnde Mehrheiten, die sich an Sachfragen orientieren. Dazu brauchen wir aber Politiker die den Mut haben, eine konstruktive politische Streitkultur zu leben, die sich nicht nur gegen den vermeintlichen politischen Gegner richtet, sondern sich auch gegen die Parteifreunde richten darf.

Eine solche politische Kultur kann und wird es aber nur dann geben, wenn man damit aufhört, innerparteiliche Auseinandersetzungen als Schwäche oder Manko zu betrachten. Vielmehr müssen sie als eine normale und sinnvolle Form des politischen Meinungskampfs wahrgenommen werden. Man kann von Parteien bzw. politischen Akteuren nicht einerseits Geschlossenheit einfordern und sich andererseits über die Verlogenheit der Politik beschweren. Wir müssen uns entscheiden, ob wir Heuchelei oder Offenheit wollen. Das bisherige System steht für Heuchelei. Die Piraten sind und waren vor allem deshalb interessant, weil sie das Versprechen eines neuen politischen Verfahrens gegeben haben, mit dem die Hoffnung verbunden war, dass verkrustete politische Strukturen zumindest aufgeweicht werden könnten. Das kann ihnen aber nur dann gelingen, wenn wir von ihnen gerade keine Geschlossenheit einfordern. Deshalb: Lasst sie streiten.

posted by Stadler at 16:05  

28.3.12

Rechtspopulistische Tendenzen bei den bayerischen Piraten?

Dass die Piraten – über deren Erfolg sich das Polit-Establishment derzeit wieder einmal wundert – Wirrköpfe anzieht, ist angesichts ihres rasanten Mitgliederwachstums nicht ungewöhnlich.

Dass die Piraten aber auch Wirrköpfe, die bekanntermaßen totalitäre und menschenverachtende Positionen vertreten, mit Funktionen ausstattet, ist allerdings bemerkens- und berichtenswert. Der bayerische Landesvorstand der Piraten hat – übrigens einstimmig – Boris Turovskiy zum Leiter seiner Landesgeschäftsstelle ernannt. Turovskiy war in der Vergangenheit durch eine ganze Reihe von gelinde gesagt fragwürdigen Tweets aufgefallen.

Wer eine „Eine Atombombe und den Gaza-Streifen gibt es nicht mehr“ twittert und sich zudem als Stammleser des Blogs „Politically Incorrect“ und „großer Anhänger“ Henryk M. Broders outet, hat sich eindeutig positioniert. Nicht erst seit Anders Breivik wissen wir, dass es in Europa eine neue Form des Rechtspopulismus gibt, deren Ursprung nicht der Nationalsozialismus ist. Anders als in anderen europäischen Staaten hat sich in Deutschland bislang allerdings noch keine Partei gegründet und etabliert, die diese Strömung vertritt. Eines der deutschen Sprachrohre dieser rechtspopulistischen Strömung ist das Blog „Politcally Incorrect„, das von der Jüdischen Allgemeinen trotz seiner pro-israelischen Ausrichtung als rechtsextrem eingestuft wird. Und diese Einschätzung ist aufgrund der offen islam- und fremdenfeindlichen Haltung des Blogs mehr als gerechtfertigt.

Und hier schließt sich dann auch der Kreis zu Turovskiy, der sich wie gesagt als Stammleser von Politically Incorrect bezeichnet und als großer Anhänger Henryk M. Broders. Der islamfeindliche Journalist Broder muss ebenfalls als Vertreter einer neuen europäischen Rechten gesehen werden. Die Frankfurter Rundschau sieht in Broder neben Thilo Sarrazin gar die lauteste Stimme der Islamophobie in Deutschland.

Wenn man die Tweets Turovskiy in diesem Kontext, in den er sie schließlich selbst gestellt hat, betrachtet, wird seine rechtspopulistische Grundhaltung mehr als offensichtlich. Die im Netz teilweise geäußerten Nazi-Vorwürfe gegen Turovskiy greifen natürlich zu kurz. Diese neuen Rechten sind gerade keine Nazis im klassischen Sinne. Sie sind erklärtermaßen pro-israelisch, was sie von den deutschen Neo-Nazis unterscheidet. Wegen ihrer Islam- und Fremdenfeindlichkeit sind sie andererseits das exakte Gegenteil von freiheitlich-demokratisch. Auch wenn ich nicht glaube, dass die Piraten in größerem Stil von Rechtspopulisten unterwandert sind, hat meine durchaus wohlwollende Haltung gegenüber den (bayerischen) Piraten durch die Entscheidung des Landesvorstandes Turovskiy zum Leiter der Landesgeschäftsstelle zu ernennen, einen Knacks erlitten. Der Versuch des Landesvorsitzenden diese Entscheidung zu rechtfertigen, macht die Sache nicht besser. Offenbar hat man sich beim Landesvorstand auch nicht mit der Frage beschäftigt, in welchen Kontext die Äußerungen Turovskiys einzuordnen sind, weil man ihn offenbar persönlich für sympathisch hält. Gerade aber auch die jüngsten Aussagen Turovskiy auf Twitter – Zitat: „Ja, Antifa sind verpeilte antisemitische Fickerschweine“ – haben mich in meiner Einschätzung bestärkt. In diesem Zusammenhang ist auch der Blogbeitrag von Klaus Peukert lesenswert. Politische Naivität kann man als Entschuldigung ebenfalls nicht durchgehen lassen. Eine Partei, die derartige Tendenzen duldet und verbal auch noch verharmlost, beweist damit nämlich, dass sie nicht dazu in der Lage ist, auf extremistische Haltungen in den eigenen Reihen angemessen zu reagieren.

Der Fairness halber möchte ich noch anmerken, dass ich vor Absendung dieses Blogbeitrags mit dem Landesvorsitzenden der bayerischen Piraten Stefan Körner telefoniert habe, der mich darauf hingewiesen hat, dass die Tätigkeit Turovskyis nicht politischer Natur sei und eher mit der eines Hausmeisters vergleichbar wäre. Möglicherweise wird die Rolle und Bedeutung Turovskyis von mir und anderen in dieser Diskussion also auch überschätzt. Dennoch finde ich, dass gerade eine freiheitlich ausgerichtete Partei sich in anderer Weise mit solchen Mitgliedern auseinandersetzen muss, zumal Turovskiy als Pirat ja auch bloggend und twitternd an der öffentlichen, politischen Diskussion teilnimmt.

posted by Stadler at 16:22  

17.10.11

Strafanzeige wegen Bayerntrojaner

Im Auftrag der Piratenpartei Bayern habe ich heute Strafanzeige gegen Staastminister Joachim Herrmann, den Präsidenten des LKA sowie gegen verantwortliche Beamte des Innenminsteriums und des Landeskrimalamts erstattet.

Die Strafanzeige stützt sich darauf, dass der gezielte Einsatz des Behördentrojaners zum Zwecke einer grundgesetzwidrigen Onlinedurchsuchung gegen die Strafvorschriften der §§ 202a (Ausspähen von Daten), 202b (Abfangen von Daten) und 202c StGB (Vorbereiten des Ausspähens und Abfangens von Daten) verstößt.

Weil die Analyse des CCC zudem ergeben hat, dass der Trojaner auch eine Fernsteuerung des Rechners des Beschuldigten ermöglicht und den Zugriff auf die dort gespeicherten Datenbestände, ist sogar die Annahme einer Datenveränderung und einer Computersabotage nach §§ 303a, 303b StGB naheliegend.

Es besteht ein erheblicher Tatverdacht dahingehend, dass diejenigen Personen, die am Einsatz des Trojaners mitgewirkt haben, diejenigen die ihn angeordnet haben sowie diejenigen, die den Erwerb der Software angeordnet haben, sich strafbar gemacht haben.

Pressemitteilung der Piratenpartei Bayern

 

posted by Stadler at 11:09  

20.9.11

Die Piraten und der Mediensprung

Die Mainstream-Medien überbieten sich plötzlich in mehr oder minder geistlosen Versuchen, Gründe für den überraschenden Wahlerfolg der Piraten in Berlin zu finden. Die meisten Rundfunk- und Print-Journalisten scheinen dabei den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen. Denn nur der Umstand, dass sie – die Vertreter der klassischen Medien – in zunehmendem Maße über die Piraten berichtet haben, hat den Wahlerfolg in Berlin überhaupt möglich gemacht.

Obwohl wir also gerade Zeugen eines medialen Lehrstücks geworden sind, das zeigt, wie sich unsere Mediendemokratie einerseits wandelt, andererseits aber weiterhin altüberkommene Mechanismen greifen, erzählen uns die Kommentatoren die Geschichte des digitalen Wutbürgers, der digitalen Boheme oder ähnlichen Unfug.

Dabei ist der mediale Aspekt, den ich hier Mediensprung nennen möchte, ausschlaggebend dafür gewesen, dass die Piraten von 4 auf 9 Prozent klettern konnten. Den Erfolg, über dessen Gründe sie noch rätseln, haben die alten Medien letztlich durch ihre eigene Berichterstattung erst ermöglicht. Es handelt sich im Grunde also um eine mediale self-fulfilling-prophecy.

Vor ein paar Wochen, als die Piratenpartei in den Umfragen oft noch unter „Sonstige“ geführt wurde, obwohl sie bereits stabil auf einem Niveau von ca. 4 % lag, konnte man beobachten, wie es ihnen mehr und mehr gelang, in den Hauptnachrichten (Tagesschau, Heute-Journal) zu landen und allmählich auch einen eigenen Balken in den Präsentationen der Umfragen zu bekommen. Parallel haben auch die Print-Ausgaben der Zeitungen vor der Berlin-Wahl begonnen, sich verstärkt mit dem Phänomen Piratenpartei zu beschäftigen.

Mit diesem Sprung raus aus den reinen Online-Medien und rein in die alte Medienwelt des Fernsehens und der Tageszeitungen wurde eine neue Zielgruppe erreicht. Die Piraten drangen erstmals in das Bewusstsein von Menschen vor, die ihre politischen Informationen immer noch primär aus den Tagesthemen und den Zeitungen beziehen.

Auch wenn mittlerweile die Mehrheit der Deutschen das Internet nutzt, sollte man sich nicht der Illusion hingeben, dass sie sich deshalb auch alternativer Informationsquellen bedienen. Für die nicht twitternde und nicht bloglesende Mehrheit ist selbst Spiegel-Online schon Avantgarde.

Das von mir als Mediensprung beschrieben Phönomen, könnte man auch unter dem Stichwort „digital divide“ diskutieren. Mich irritiert in jedem Fall aber, dass der mediale Aspekt in den Wahlanalysen kaum eine Rolle spielt, was darauf hindeutet, dass seine zentrale Bedeutung weithin verkannt wird.

Für die Piraten besteht die größte Herauforderung möglicherweise nicht (nur) in einer konstruktiven Parlamentsarbeit, sondern darin, in den Talkshows der ARD eine gute Figur abzugeben. Daran, dass sich die Piraten auf diese klassischen Formate einlassen werden, besteht kein Zweifel. Ob sie sich, wie bislang fast alle anderen, auch formatieren lassen, wird sich zeigen. Morgen soll es bei Anne Will auch bereits losgehen, wie man hört.

 

posted by Stadler at 16:01  

20.5.11

Durchsuchungsbeschluss gegen die Piratenpartei

Ein Tweet der Piratenpartei mit dem Wortlaut

„Unsere Server sind vorübergehend auf polizeiliche Anweisung offline. Keine Panik, wir sind dran. Infos folgen.“

hat die Netzgemeinde heute aufgeschreckt.

Kurze Zeit später meldeten die Piraten ergänzend, dass ein (richterlicher) Durchsuchungsbeschluss vorliegt. Mittlerweile gibt es auch eine Pressemitteilung des Bundesvorstands der Piratenpartei, in der von einem französischen Ermittlungsersuchen die Rede ist, aufgrund dessen eine Vielzahl von Servern der Piratenpartei Deutschland beschlagnahmt worden sein sollen. Der genaue Hintergrund bleibt damit vorerst unklar. Das Ermittlungsverfahren soll sich aber nicht gegen die Partei richten.

Klarheit wird man wohl erst bekommen, wenn weitere Einzelheiten, u.a. auch der Inhalt der richterlichen Anordnung, bekannt sind.

Das Vorgehen der Polizeibehörden könnte allerdings deshalb pikant sein, weil die Piratenpartei den Schutz von Art. 21 GG genießt und durch die polizeiliche Maßnahme ihr Recht an der politischen Willensbildung des Volkes mitzwirken, beeinträchtigt wird, zumal wir uns in einem Wahl(kampf)jahr befinden.

Update:
Bei ZDF-Online steht zu lesen, dass es den Ermittlern um das Piratenpad gehen soll, das (unbekannte) Aktivisten dazu genutzt haben sollen, um DDoS-Attacken gegen französische Energieunternehmen zu planen. Das ZDF zitiert insoweit einen Tweet von „fasel“.

Wenn das so ist, stellt sich mir allerdings die Frage, was die Ermittler hoffen, dort zu finden. Die bürgerlichen Namen von Aktivisten, die nur offene Kommunikationsstrukturen der Piratenpartei genutzt haben? Das wäre eine etwas naive Erwartung.

Update:
Der Kollege Udo Vetter zeigt ebenfalls wenig Verständnis für das Vorgehen der Staatsanwaltschaft.

Man hat mir bisher auch immer erklärt, die Beamten des BKA – die hier offenbar federführend agiert haben – wären technologisch ziemlich weit vorne. Gerade diese These wurde aber heute nicht bestätigt.

Bei der Piratenpartei kann man, so merkwürdig das auch klingt, ein Fläschchen aufmachen. Denn so prominent wie heute, waren sie bisher noch nicht in den Hauptnachrichten vertreten. Vielleicht habe ich auch alles nur falsch verstanden und die technikaffinen BKA-Leute wollen den Piraten damit den Sprung in die Bremer Bürgerschaft ermöglichen. ;-)

posted by Stadler at 14:49  

2.10.09

Ich habe keine Ahnung von den Grundrechten

Eine kleine Twitter-Nachricht von mir zieht gleich einen längeren Blogeintrag nach sich, in dem mir ein trolliger Hobby-Jurist die Pressefreiheit erklärt, weil ich natürlich keine Ahnung von den Grundrechten habe.

Der Tweet lautete:
„Liebe Piratenpartei, habt ihr eigentlich verstanden, was Pressefreiheit bedeutet? Offenbar nicht: http://tinyurl.com/y9gvvhn

Der darin enthaltene Link führt zu einem Editorial der Zeitschrift Jungle World in dem u.a. ausgeführt wird, die Piratenpartei hätte der Zeitschrift mit rechtlichen Schritten gedroht, wegen kritischer (satirischer) Berichterstattung über die Partei.

Mein Tweet verfolgt keinen grundrechtsdogmatischen Ansatz, sondern thematisiert den Umgang der Piraten mit negativer Berichterstattung und das dabei zum Ausdruck kommende Verständnis der Partei vom Grundrecht der Pressefreiheit. Eine legitime Frage an eine Partei, die sich die Verteidigung der Freiheitsrechte ganz oben auf ihre Fahnen geschrieben hat. Ich nehme an, dass die meisten Leser meines Tweets das auch so verstanden haben.

Im Anschluss an den Tweet haben mich dann auch Piraten angeschrieben und mitgeteilt, dass ihnen nichts von einer Drohung gegenüber der Jungle World bekannt sei. Sollte die Zeitschrift sich das ausgedacht haben, dann wären die Piraten gut beraten, das auch offensiv zu kommunizieren.

posted by Stadler at 10:15  

7.7.09

Piraten in Bedrängnis

Die Piratenpartei hat sich selbst in Bedrängnis gebracht. Bodo Thiesen, der für die Partei für den Bundestag kandidiert und beim Bundesparteitag auch mit einer Parteifunktion bedacht worden ist, ist vor einigen Jahren mit Äußerungen aufgefallen, in denen er den Holocaust verharmlost und den deutschen Angriff auf Polen 1939 gerechtfertigt hat.

Ein lesenswerter Beitrag zum Thema findet sich bei texte auf cornflakespackungen.

Es ist nicht sachgerecht, die Piratenpartei jetzt in die rechte Ecke zu stellen und sie als unwählbar zu bezeichnen, wie es in manchen Blogs vorschnell und etwas unreflektiert geschieht. Gerade junge Parteien hatten solche Probleme öfter und auch in den großen Parteien gab es immer wieder vereinzelt extremistisches Gedankengut.

Andererseits scheint die Piratenpartei das Thema offiziell ignorieren zu wollen, was nicht nur an die Aussitzermentalität etablierter Parteien erinnert, sondern reichlich naiv ist. Auf der Parteiwebsite findet sich zu dem Thema jedenfalls weiterhin nichts.

Möglicherweise hat man bei den Piraten die Dynamik des Webs ebenso wenig verstanden, wie bei SPD und CDU. Das wäre freilich fatal für eine Partei, deren Klientel die Generation der „Digital Natives“ ist.

Das Problem ist nicht, dass es einen Bodo Thiesen bei den Piraten gibt, sondern wie die Partei gerade damit umgeht.

posted by Stadler at 09:25