Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

31.1.20

OLG Frankfurt: Identifizierende Berichterstattung über Plagiatsvorwürfe

Das OLG Frankfurt hat ein Urteil des LG Frankfurt aufgehoben, das eine Berichterstattung über Plagiatsvorwüfe unter Namensnennung untersagt hatte (Urteil vom 19.1.22019; Az.: 16 U 210/18). Ein FAZ-Journalist darf danach weiterhin identifizierend über Plagiatsvorwürfe gegen eine ehemalige Uni-Vizepräsidentin berichten.

Zur Begründung führt das OLG u.a. folgendes aus:

Hierbei spielt zunächst eine Rolle, dass die Berichterstattung die Sozialsphäre der Klägerin betrifft, also den Bereich des beruflichen und wissenschaftlichen Wirkens. Zwar hat sich die Klägerin aus dem beruflichen Leben vollständig zurückgezogen und auf die Führung der akademischen Bezeichnung „Privatdozentin“ verzichtet. Auch wurde sie auf ihr Verlangen mit Ablauf des XX. August 20XX aus dem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit des Bundeslandes1 entlassen. Gleichwohl ist mit den Plagiatsvorwürfen und einem darüber gefertigten Bericht – auch unter Nennung ihres Namens – kein Eingriff in ihre Privatsphäre verbunden, da die Ursache für diesen Bericht aus ihrer Sozialsphäre und früheren beruflichen Tätigkeit stammt. Das gilt selbst vor dem Hintergrund, dass die Klägerin als akademische Amtsbezeichnung1, Amtsbezeichnung2 und zeitweise Amtsbezeichung3 der Universität1 vor allem mit Verwaltungstätigkeiten befasst war und keine Lehrstuhlinhaberin gewesen ist. Auch wenn sie auf die akademische Bezeichnung „Privatdozentin“ verzichtet hat, bleiben ihre beiden wissenschaftlichen Arbeiten, die Doktorarbeit und die Habilitationsschrift in der Welt. Sie sind an den Hochschulen und weiteren Bibliotheken vorhanden und dienen der wissenschaftlichen Auseinandersetzung. Dafür – und nicht nur im Interesse eines persönlichen beruflichen Fortkommens – wurden sie geschrieben.

Nach Auffassung des Senats hat die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung des Namens der Autorin dieser wissenschaftlichen Schriften, weil gerade hierin ein besonderer zusätzlicher Informationswert liegt, der ohne die namentliche Nennung nicht berücksichtigt würde. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann dem auch nach dem vollständigen Rückzug der Klägerin aus dem Wissenschaftsbetrieb und aus öffentlichen Funktionen verbleibenden Interesse an dem Thema „Plagiatsvorwürfe gegen Hochschulangehörige“ durch eine die Klägerin nicht namentlich bezeichnende Berichterstattung nicht Rechnung getragen werden. Denn ohne die namentliche Nennung würden die Fortwirkungen auf den Wissenschaftsbetrieb nicht angemessen berücksichtigt.

Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Übernahmen aus fremden Texten, die als solche nicht gekennzeichnet sind, führt zu einer Perpetuierung dieser Plagiate, was gegen wissenschaftliche Interessen verstößt. Ferner ist ein wissenschaftliches Buch ohne den Namen des Verfassers wenig aussagekräftig, auch wenn Titel, Verlag und Erscheinungsjahr zusätzlich veröffentlicht sind. Werk und Autor gehören zusammen. Es besteht auch eine Verwechslungsgefahr, da allein der Titel eines Werkes nicht immer aussagekräftig ist. Das gilt gerade für ein Werk, das – wie die Habilitationsschrift der Klägerin – mit einem aktuellen und eher allgemein gehaltenen Titel versehen ist. Das Thema ihres Buches „…“ ist (…) hochaktuell, vor allem auch durch den zweiten Teil des Titels „…“. (…). Das gilt für den wissenschaftlichen Diskurs, aber auch für journalistische Tätigkeiten. Selbst das Bundesverfassungsgericht hat (…) die Habilitationsschrift der Klägerin zitiert (…).

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat die Revision zugelassen, weil die Rechtsfrage, ob das öffentliche Interesse an einem plagiatsfreien Wissenschaftsbetrieb eine namentliche Nennung eines mit einem Plagiatsvorwurf belasteten Wissenschaftlers rechtfertigt, von grundsätzlicher Bedeutung ist.

Ich gehe davon aus, dass der BGH die Entscheidung des OLG Frankfurt bestätigen wird. Der Eingriff betrifft richtigerweise lediglich die Sozialsphäre der Klägerin, die deshalb eine wahrheitsgemäße Berichterstattung im Regelfall hinnehmen muss, es sei denn es sprechen besondere Umstände für ein Überwiegen des Persönlichkeitsschutzes. Es handelt sich zudem um einen Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse. Dass demgegenüber der Umstand, die Klägerin habe sich – nicht ganz freiwillig – infolge der Plagiatsvorwürfe aus allen Ämtern zurückgezogen, durchgreifend sein soll, erscheint nicht nachvollziehbar.

posted by Thomas Stadler at 17:25  

26.11.19

BGH: Auskunftsansprüche gegen Portalbetreiber

Der BGH bejaht in einer aktuellen Entscheidung (Beschluss vom 24.09.2019, Az.: VI ZB 39/18) Auskunftsansprüche gegen Anbieter von Telemedien nach § 14 Abs. 3 – 5 TMG wegen Verletzung absolut geschützter Rechte, insbesondere wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen.

Das Interessante daran ist, dass der BGH das nicht auf soziale Netze im Sinne des NetzDG beschränken will – was der Wortlaut nahe legt – sondern der Anspruch sich gegen jeden Anbieter im Sinne des TMG richten kann. Der BGH spricht die Jameda-Entscheidung aus 2014 (VI ZR 345/13) in den Gründen ausdrücklich an und erklärt sie aufgrund der neuen Gesetzeslage letztlich für hinfällig. Portal- und Forenbetreiber sowie soziale Netzwerke werden also künftig grundsätzlich damit rechnen müssen, von einem Gericht zur Erteilung von Auskunft verpflichtet zu werden, wenn Dritte persönlichkeitsrechtsverletzende Bewertungen oder Kommentare einstellen.

Die Entscheidung ist auch für Datenschützer interessant, wegen der Ausführungen des BGH zu Art. 6 Abs. 4 DSGVO. § 14 Abs. 3 – 5 TMG ist nach Ansicht des BGH eine Rechtsvorschrift im Sinne von Art. 6 Abs. 4 DSGVO. Die Vorschrift dient der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche (Art. 23 Abs. 1 Buchst j DSGVO) und verfolgt damit ein in Art. 23 Abs. 1 DSGVO genanntes Ziel. Sie ist, so der BGH, in einer demokratischen Gesellschaft eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme zum Schutz dieses Ziels.

posted by Thomas Stadler at 21:55  

23.7.19

BVerfG zieht Grenzen der Meinungsfreiheit erneut weit

Das Bundesverfassungsgericht hat eine Entscheidung des OLG Bremen aufgehoben ( Beschluss vom 14. Juni 2019, Az.: 1 BvR 2433/17) und die Äußerungen

Die Art und Weise der Beeinflussung der Zeugen und der Verhandlungsführung durch die Richterin sowie der Versuch, den Kläger von der Verhandlung auszuschließen, erinnert stark an einschlägige Gerichtsverfahren vor ehemaligen nationalsozialistischen deutschen Sondergerichten. (…)

„Die gesamte Verhandlungsführung der Richterin erinnerte eher an einen mittelalterlichen Hexenprozess als an ein nach rechts-staatlichen Grundsätzen geführtes Verfahren.“

gegenüber einer Richterin nicht als beleidigende Schmähkritik eingestuft.

Zur Begründung führt das BVerfG u.a. folgendes aus:

Mit seinen Vergleichen richtete sich der Beschwerdeführer gegen die Verhandlungsführung der Richterin in dem von ihm betriebenen Zivilverfahren. Dieses bildete den Anlass der Äußerungen, die im Kontext der umfangreichen Begründung eines Befangenheitsgesuchs getätigt wurden. Die Äußerungen entbehren daher insofern nicht eines sachlichen Bezugs. Sie lassen sich wegen der auf die Verhandlungsführung und nicht auf die Richterin als Person gerichteten Formulierungen nicht sinnerhaltend aus diesem Kontext lösen und erscheinen auch nicht als bloße Herabsetzung der Betroffenen. Die Äußerungen lassen nicht ohne weiteres den Schluss zu, der Beschwerdeführer habe der Richterin eine nationalsozialistische oder „mittelalterliche“ Gesinnung unterstellen wollen. Historische Vergleiche mit nationalsozialistischer Praxis begründen für sich besehen nicht die Annahme des Vorliegens von Schmähkritik (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 8. Februar 2017 – 1 BvR 2973/14 -, juris).

Auch wenn die Entscheidung heute in sozialen Medien kontrovers diskutiert wurde, ist sie letztlich wenig überraschend und entspricht der gefestigten Rechtsprechung des BVerfG und auch des EGMR zu äußerungsrechtlichen Sachverhalten. Das BVerfG geht davon aus, dass die Schmähkritik regelmäßig auf Privatfehden beschränkt ist und ansonsten regelmäßig nicht angenommen werden kann. Solange nicht ausschließlich die Herabwürdigung einer Person im Vordergrund steht, sondern noch ein Sachbezug erkennbar ist, scheidet die Annahme einer Schmähung aus. Das ist hier ganz offensichtlich der Fall, denn der Beschwerdeführer setzt sich kritisch und polemisch mit der Verhandlungsführung des Gerichts auseinander und zielt nicht ausschließlich auf die Diffamierung der Richterin ab.

Das Bedauerliche ist letztlich, dass drei Instanzgerichte anders entschieden haben. Man erlebt es leider sehr häufig, dass die Fachgerichte nicht ausreichend mit der äußerungsrechtlichen Rechtsprechung von BVerfG und EGMR vertraut sind und allzu oft eine Schmähkritik annehmen, in Fallkonstellationen, die davon noch weit entfernt sind.

posted by Thomas Stadler at 22:15  

18.6.19

BGH zur Haftung für Uploads durch Dritte

In welchem Umfang haftet ein Fernsehsender (hier der MDR), wenn ein Dritter einen persönlichkeitsrechtsverletzenden Filmbericht bei YouTube und Facebook einstellt? Mit dieser Frage hatte sich der BGH (Urteil vom 09.04.2019, Az.: VI ZR 89/18) unlängst zu beschäftigen. Anders als das Oberlandesgericht hält der BGH eine Haftung des MDR (für Abmahnkosten) für denkbar.

Der BGH geht zunächst davon aus, dass der MDR die Erstveröffentlichung durch die Ausstrahlung und das Einstellen des Films in die ARD-Mediathek verursacht hat und insoweit auf Unterlassung und Schadensersatz haftet. Für die Folgefrage der Einstellung bei YouTube geht der BGH von der tatbestandlichen Feststellung des Berufungsgerichts aus, dass der Uploader den Filmbericht aus der Mediathek hochgeladen hat. Diese tatbestandliche Feststellung ist möglicherweise falsch, aber wegen § 314 Abs. 1 ZPO für den BGH bindend.

Sodann nimmt der BGH an, dass die von den Uploadern bewirkten Rechtsverletzungen dem MDR zuzurechnen sind. Der BGH bekräftigt damit seine bisherige Rechtsprechung, nach der sich durch die Weiterverbreitung im Internet, sei es durch Verlinkung oder erneutem Upload, eine internetetypische Gefahr verwirklicht, welche gerade durch die Erstveröffentlichung geschaffen wurde. Die hiergegen in der juristischen Literatur erhobene Kritik, dass dies jedenfalls dann nicht gelten könne, wenn der Dritte einen Beitrag urheberrechtswidrig weiterverbreitet, weil dies nicht dem Willen des Erstveröffentlichenden entspreche und dieser gleichsam selbst Opfer einer Rechtsverletzung sei, überzeugt den BGH nicht. Für die Zurechnung einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die durch die Weiterverbreitung eines Beitrags durch Dritte im Internet entstanden ist, sei vielmehr allein die Frage maßgebend, ob in ihr die vom Erstveröffentlicher geschaffene Gefahr fortwirkt.

Der BGH erkennt, dass diese recht starre Betrachtung in Konflikt mit Art. 5 GG stehen könnte, weil von ihr eine veröffentlichungshemmende Wirkung ausgeht. Hier meint der BGH aber, dass abträgliche Effekte auf den Gebrauch von Presse- und Meinungsfreiheit oder gar ein „existenzbedrohender Einschüchterungseffekt“ weder zu befürchten noch eingetreten seien. Das mag man im Fall eines öffentlich-rechtlichen Senders so bewerten. Ob das aber ausnahmslos so gesehen werden kann, darf bezweifelt werden.

Wer im Internet Texte oder Filme veröffentlicht, muss also laut BGH immer damit rechnen, dass diese (auch rechtswidrig) weiterverbreitet werden und haftet deshalb nach deliktischen Grundsätzen regelmäßig auch für solche Rechtsverletzungen, die erst durch das Handeln Dritter entstehen.

posted by Thomas Stadler at 10:43  

20.5.19

Warum die Berichterstattung in der Causa Strache rechtlich zulässig ist

Der Fall Strache um die heimlichen Filmaufnahmen auf Ibiza haben auch zu einer Diskussion darüber geführt, ob die Berichterstattung und die Veröffentlichung von Ausschnitten aus dem heimlich angefertigten Video, rechtlich zulässig war.

Zugunsten von Strache kann man dabei sogar unterstellen, dass die Filmaufnahmen rechtswidrig erstellt worden sind, wobei selbst das, zumindest nach den Kriterien des deutschen Rechts nicht zwingend ist, wie ein Blick auf § 201 Abs. 2 S. 2 und 3 sowie § 201a Abs. 4 StGB und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Springer/Wallraff) zeigt.

Nach ständiger Rechtsprechung von EGMR, BVerfG und BGH wird auch die Veröffentlichung rechtswidrig beschaffter oder erlangter Informationen vom Schutz der Meinungsfreiheit umfasst (vgl. z.B. Urteil des EGMR v. 24.02.2015, Az.: 21830/09 und Urteil des BVerfG v. 25.01.1984, Az.: 1 BvR 272/81).

Der BGH führt hierzu in einer recht aktuellen Entscheidung aus:

Allerdings wird auch die Veröffentlichung rechtswidrig beschaffter oder erlangter Informationen vom Schutz der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) umfasst. Andernfalls wäre die Funktion der Presse als „Wachhund der Öffentlichkeit“ beeinträchtigt, zu der es gehört, auf Missstände von öffentlicher Bedeutung hinzuweisen. (…) Darüber hinaus könnte die Freiheit des Informationsflusses, die gerade durch die Pressefreiheit erhalten und gesichert werden soll, leiden. Unter diesem Gesichtspunkt würde ein gänzlicher Ausschluss der Verbreitung rechtswidrig beschaffter Informationen aus dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG dazu führen, dass der Grundrechtsschutz von vornherein auch in Fällen entfiele, in denen es seiner bedarf.

Wir dürfen im vorliegenden Fall allerdings davon ausgehen, dass Spiegel und Süddeutsche Zeitung sich die Informationen nicht rechtswidrig beschafft haben. Wenn dem Publizierenden die rechtswidrige Informationsbeschaffung nicht selbst anzulasten ist, bedarf es nach der Rechtsprechung in jedem Fall einer umfassenden Güterabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls.

Damit ist die grundsätzliche Richtung, nach der auch die Ibiza-Videos zu beurteilen sind, vorgegeben. Es liegt zunächst zweifellos ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der gefilmten FPÖ-Politiker Strache und Gudenus vor. Denn sie wurden in einer eher privaten Atmosphäre heimlich aufgenommen. Allerdings sind die Gesprächsinhalte über die berichtet wurde und die auch Gegenstand der veröffentlichten Filmausschnitte sind, inhaltlich nicht privater, sondern vielmehr bekanntlich hochpolitischer Natur. Das lässt den Eingriff von vornherein nicht derart schwerwiegend erscheinen, wie in anderen Fällen, in denen tatsächlich ausschließlich oder vorwiegend über Vorgänge aus dem Privatleben der betroffenen Personen berichtet wird.

Dem steht ein geradezu überragendes Berichterstattungs- und Informationsinteresse gegenüber, wobei hier ergänzend zu berücksichtigen ist, dass dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit ein umso größeres Gewicht zukommt, je mehr es sich um einen Beitrag zu einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage handelt. Im Fall Strache geht es darum, dass der Vizekanzler eines EU-Staats mit einer vermeintlichen russischen Oligarchin darüber spricht, ihn finanziell dabei zu unterstützen, wesentliche Grundwerte einer freiheitlichen Gesellschaft und eines freiheitlichen Rechtsstaats auszuhebeln. Das Informationsinteresse ist in diesem Fall ungleich höher, als in den allermeisten Fällen, die EGMR, BVerfG und BGH bislang zu entscheiden hatten.

Zu berücksichtigen ist außerdem, dass keine unwahren Tatsachenbehauptungen transportiert werden, sondern vielmehr eine unstreitig wahrheitsgemäße Berichterstattung erfolgt. Eine wahrheitsgemäße Berichterstattung über die Öffentlichkeit wesentlich berührende Umstände ist allerdings im Interesse der Meinungs- und Pressefreiheit regelmäßig hinzunehmen.

Die gebotene Interessenabwägung fällt deshalb hier sehr deutlich zugunsten der Meinungsfreiheit aus. Es handelt sich vorliegend also keinesfalls um einen Grenzfall, zumal man berücksichtigen muss, dass die Süddeutsche Zeitung und der Spiegel auf die Veröffentlichung des ganzen Videos verzichtet und sich auf die Ausschnitte beschränkt haben, die für die öffentliche Debatte von überragender Bedeutung sind. Damit wurden die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen in sehr verantwortungsvoller Weise geschont, obwohl dies rechtlich nicht unbedingt geboten war.

posted by Thomas Stadler at 21:42  

13.12.18

SPD will Datenschutz und Meinungsfreiheit in Einklang bringen

Das Spannungsverhältnis von Datenschutz und Meinungsfreiheit war bereits mehrfach Thema hier im Blog, zuletzt auch mit Blick auf die seit Mai geltende Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Der europäische Gesetzgeber hat nicht versucht, dieses Spannungsverhältnis aufzulösen, oder den äußerungsrechtlichen Bereich von der DSGVO auszunehmen, sondern es vielmehr dabei belassen, mit Art. 85 DSGVO eine Öffnungsklausel zu schaffen, die es den nationalen Gesetzgebern ermöglicht, sie letztlich aber auch dazu verpflichtet, spezifische Regelungen zu treffen, die das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, in Einklang bringen. Dieser Ansatz ist regelungstechnisch zunächst insofern unbefriedigend, als die DSGVO damit den gesamten meinungsrelevanten Bereich mitregelt, ohne selbst unmittelbar sicherzustellen, dass der Datenschutz die Meinung- und Informationsfreiheit nicht beeinträchtigt.

Der deutsche Gesetzgeber ist dem Regelungsauftrag des Art. 85 DSGVO bislang nur teilweise nachgekommen. Die Länder haben für den journalistisch-redaktionellen Bereich Regelungen in den Landespressegesetzen und im Rundfunkstaatsvertrag (RStV) geschaffen. Exemplarisch sei insoweit auf § 57 Abs. 1 S. 4 – S. 8 RStV verwiesen, der ein Medienprivileg für die Onlineangebote der Rundfunkanbieter schafft und weite Teile der DSGVO für nicht anwendbar erklärt.

Eine Regelung für private bzw. nichtjournalistische Äußerungen fehlt bislang. Das ist schon deshalb unbefriedigend, weil veröffentlichte Meinungen und Informationen in sozialen Medien und Blogs damit nicht explizit privilegiert sind, sondern nur solche im journalistisch-redaktionellen Kontext. In einer Anhörung im Innenausschuss des Bundestages hat Malte Engeler unlängst deshalb eine solche gesetzliche Regelung angemahnt und als ausgesprochen relevant bezeichnet.

Mittlerweile liegt ein erster Vorschlag aus der Bundestagsfraktion der SPD vor, der die Schaffung eines neuen § 27a BDSG mit folgendem Wortlaut vorsieht:

27a BDSG-neu – Datenverarbeitung zu Zwecken der Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit

(1) Eine Verarbeitung personenbezogener Daten ist zulässig, sofern sie zu Zwecken des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, einschließlich der Verarbeitung zu journalistischen Zwecken und zu wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken stattfindet und die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen am Schutz ihrer personenbezogenen Daten nicht überwiegen.

(2) Spezielle Regelungen des Bundes- und Landesrechts zur Zulässigkeit der Verarbeitung zu den in Art. 85 der Verordnung (EU) 2016/679 genannten Zwecken der Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit sowie der Verarbeitung zu wissenschaftlichen, künstlerischen, journalistischen oder literarischen Zwecken, einschließlich der Veröffentlichung, bleiben unberührt.

(3) Die Rechte der Betroffenen des Abschnitt II bis IX der Verordnung (EU) 2016/679 gelten nur, sofern sie unter Abwägung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, einschließlich der Verarbeitung zu wissenschaftlichen, künstlerischen, journalistischen oder literarischen Zwecken angemessen sind. Satz 1 gilt nicht für Artikel xx, xx, xx.

(4) Führt die Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß Absatz 1 zur Verbreitung von Gegendarstellungen der betroffenen Person oder zu Verpflichtungserklärungen, Gerichtsentscheidungen über die Unterlassung der Verbreitung oder über den Widerruf des Inhalts der Daten, so sind diese Gegendarstellungen, Verpflichtungserklärungen, Gerichtsentscheidungen und Widerrufe zu den gespeicherten Daten zu nehmen und dort für dieselbe Zeitdauer aufzubewahren, wie die Daten selbst sowie bei einer Offenlegung der Daten gemeinsam offenzulegen.

Der Vorschlag ist im Grundsatz zu begrüßen, wirkt aber insgesamt noch nicht ausgereift.

In Abs. 1 wird durch die Formulierung „sofern sie zu Zwecken…stattfindet“ zunächst dem Äußernden die Darlegung- und Beweislast dafür auferlegt, dass seine Datenverarbeitung meinungsrelevanten Zwecken dient und außerdem die notwendige Grundrechtsabwägung zu seinen Gunsten ausfällt. Diese Regelungstechnik ist kritikwürdig, weil in einem freiheitlichen Rechtsstaat eine Vermutung zugunsten der freien Rede zu gelten hat, was vom BVerfG auch immer wieder betont worden ist. Aus grundrechtlicher Sicht erscheint daher eine Regelung geboten, die die Datenverarbeitung zu Zwecken der Meinung- und Informationsfreiheit zunächst grundsätzlich für zulässig erklärt und es dem von einer Äußerung Betroffenen überlässt, das Überwiegen seiner persönlichkeits- und datenschutzrechtlichen Interessen darzulegen.

Abs. 3 des Gesetzesvorschlags will die Regelungen der Abschnitte II bis IX der DSGVO – es handelt sich weitgehend um datenschutzrechtliche Folge- und Nebenpflichten – weiterhin anwenden, allerdings einer Abwägung im Einzelfall unterziehen, während diese Regelungen im journalistischen Bereich weitgehend nicht gelten sollen. Hier stellt sich auch die Frage, ob es nicht eher sachgerecht ist, einen Gleichlauf mit der Vorschrift des § 57 RStV herzustellen.

Der in Abs. 4 des Vorschlags enthaltene Verweis auf Gegendarstellungen des Betroffenen, erscheint ebenfalls nicht zu Ende gedacht. Die Gegendarstellung ist ein typisches presserechtliches Instrumentarium. Ein Blick auf die für den Onlinebereich relevante Vorschrift des § 56 RStV zeigt, dass der Gegendarstellungsanspruch journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote verlangt. In diesem Bereich würde aber dann ohnehin § 57 RStV gelten und nicht § 27a BDSG. Es stellt sich also die Frage, ob es überhaupt Gegendarstellungen gibt, die § 27a BDSG unterfallen können oder ob man sich in diesen Fällen nicht ohnehin vollständig im Bereich des Landesrechts bewegt. Ganz generell erscheint es vorzugswürdig, in der bundesgesetzlichen Regelung des § 27a BDSG jedweden Hinweis auf journalistische Zwecke, wie er auch in Abs. 1 enthalten ist, zu streichen, weil damit nur unnötige Abgrenzungsfragen zu den landesrechtlichen Regelungen aufgeworfen werden. Sofern es dieser Formulierung darum geht, den Veröffentlichungszweck zu betonen, wäre es vorzugswürdig einen anderen Begriff zu wählen.

Obwohl die DSGVO schon mehr als ein halbes Jahr gilt, ist der Bundesgesetzgeber seinem Regelungsauftrag aus Art. 85 DSGVO bislang nicht nachgekommen. Eine entsprechende Regelung ist überfällig.

posted by Stadler at 17:54  

14.11.18

Recht auf Vergessenwerden gegenüber Suchmaschinen?

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass sich das in der Datenschutzgrund-Verordnung (DSGVO) normierte Recht auf Vergessenwerden auch gegen den Betreiber einer Suchmaschine richten kann und die Entfernung von Links aus der Trefferliste einer Suchmaschine grundsätzlich nach Art. 17 DSGVO geltend gemacht werden kann (Urteil vom 06.09.2018, Az.: 16 U 193/17).

Das Gericht hält aber im Suchmaschinenkontext dann stets eine Abwägung zwischen dem Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit einerseits und dem Recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung andererseits für notwendig, die der Senat an Art. 17 Abs. 3 Nr. 1 DSGVO festmacht. Das OLG Frankfurt bezweifelt sodann, dass die Grundsätze des Google-Spain-Urteils des EuGH auf Presseartikel übertragbar sind. Außerdem hält es das Gericht für denkbar, dass der „Regel-Ausnahme-Mechanismus“, wie ihn der EuGH in seinem google-spain-Urteil statuiert hat, im Rahmen der Abwägung nach Art. 17 Abs. 3, Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO keine Anwendung mehr findet. Das lässt das OLG letztlich aber offen und nimmt aufgrund einer Einzelfallabwägung ein überwiegendes öffentliches Interesse an.

Die Leitsätze des OLG Frankfurt lauten:

1.  Das Begehren auf Unterlassung, beanstandete Inhalte auf bestimmte Internetseiten durch Anzeige in den Suchergebnissen einer Suchmaschine mit entsprechender Verlinkung auffindbar zu machen, wird von der Rechtsfolge des Art. 17 DS-GVO erfasst.

2. Über die Rechtmäßigkeit der Verlinkung von Inhalten mit Gesundheitsdaten im Sinne des Art. 9 Abs. 1 DS-GVO ist nach Art. 17 Abs. 1 lit. d) DS-GVO in Verbindung mit Art. 17 Abs. 3 lit. a) DS-GVO im Wege einer Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden, wobei sich die Abwägung an Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DS-GVO orientieren kann.

3.  Die von dem EuGH in seinem Urteil vom 13.05.2014, C-131/12, zu einem „Recht auf Vergessen“ festgelegten Abwägungskriterien sind im Rahmen des Art. 17 Abs. 1 lit. a) lit. d) in Verbindung mit Art. 17 Abs. 3 lit. a), Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DS-GVO nicht schematisch anzuwenden, sondern es ist den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen.

posted by Stadler at 17:33  

6.11.18

Auch E-Mails mit doppeltem Zweck können Spam sein

Die erneute Bestätigung durch den BGH, dass Werbung per E-Mail ohne Einwilligung des Empfängers grundsätzlich einen Eingriff in die geschützte Privatsphäre und damit in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Empfängers darstellt, ist auf den ersten Blick wenig überraschend (BGH, Urteil vom 10.07.2018, Az.: VI ZR 225/17). Das entspricht vielmehr seit langer Zeit der ständigen Rechtsprechung des BGH.

Neu ist allerdings die Aussage, dass auch eine Feedback-Anfrage bzw. Kundenzufriedenheitsbefragung Werbung darstellt und zwar auch dann, wenn mit der E-Mail gleichzeitig eine Rechnung übersandt wird. Der BGH betont ausdrücklich, dass Werbung auch dann vorliegt, wenn die beanstandete E-Mail einem doppelten Zweck dient, nämlich der nicht zu beanstandenden Übersendung einer Rechnung und zusätzlich einem Werbezweck. Für die Annahme, die nicht zu beanstandende Rechnungsübersendung nehme der E-Mail insgesamt den Charakter der Werbung, ist laut BGH kein Raum.

Das bedeutet im Ergebnis allerdings auch, dass eine E-Mail, mit der ein legitimes vertragliches Anliegen verfolgt wird, zur Werbemail wird, sobald zusätzlich Werbebotschaften in diese E-Mail aufgenommen worden sind. Damit dürften jedwede werblichen Elemente auch in vertragsbezogenen E-Mails kritisch zu bewerten sein.

Dogmatisch interessant an der Entscheidung ist auch, dass der BGH im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts die Wertung von § 7 Abs. 2 UWG berücksichtigt. Hierzu führt er aus:

Dabei ist auch – zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen – die Wertung des § 7 Abs. 2 UWG zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 14. März 2017 – VI ZR 721/15, GRUR 2017, 748 Rn. 28), mit der der deutsche Gesetzgeber Art. 13 der Datenschutzrichtlinie EK umgesetzt hat. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG stellt – abgesehen von dem Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 3 UWG – jede Werbung unter Verwendung elektronischer Post ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten stets eine unzumutbare Belästigung dar (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Mai 2009 – I ZR 218/07, GRUR 2009, 980 Rn. 14-E-Mail-Werbung II).

posted by Stadler at 19:13  

16.10.18

Lehrer am Pranger der AfD

Die AfD-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft hat unter dem Titel „Neutrale Schule Hamburg“ vor ein paar Wochen ein Online-Portal gestartet, auf dem Schüler oder Eltern „mutmaßliche Neutralitätsverstöße“ von Lehrern melden sollen. Eine Veröffentlichung sei hier nicht angedacht. In Baden-Württemberg gibt es eine vergleichbare Website, betrieben von einem AfD-Abgeordneten, die aber derzeit nicht mehr erreichbar ist. Anders als in Hamburg sollen hier auch die Namen der Lehrer veröffentlicht werden. Noch deutlich weiter geht die sächsische Variante, bei der sogar Meldungen mit vordefinierten Kriterien wie „Werbung für kulturfremde Weltanschauungen“ vorgesehen sind und auch Fotos des denunzierten Lehrers hochgeladen werden können, wie die Leipziger Volkszeitung berichtet.

Wenn die Daten nur erfasst, aber nicht veröffentlicht werden, stehen vor allem datenschutzrechtliche Fragen im Vordergrund, während in den Fällen der Veröffentlichung persönlichkeitsrechtliche Fragen hinzutreten, im Falle von Bildveröffentlichungen ist zudem das Recht am eigenen Bild betroffen.

1. Datenschutz

Datenschutzrechtlich ist davon auszugehen, dass die AfD personenbezogene Daten von Lehrern erhebt und verarbeitet, die die politische und weltanschauliche Haltung des Lehrers betreffen. Solche Informationen sind nach Art. 9 der DSGVO als besondere Kategorien personenbezogener Daten geschützt, ihre Verarbeitung ist grundsätzlich untersagt. Die engen Ausnahmen, die Art. 9 Abs. 2 DSGVO vorsieht, sind nicht einschlägig. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Verarbeitung nach Art. 9 Abs. 2 g) DSGVO aus Gründen eines erheblichen öffentlichen Interesses erforderlich ist. Bereits die Bejahung eines allgemeinen öffentlichen Interesses – außerhalb der Schulöffentlichkeit – erscheint mir fragwürdig. Ein erhebliches öffentliches Interesse der AfD daran, solche Daten zu erheben und zu sammeln, besteht nicht. Es ist vielmehr so, und hierauf hat der Kollege Simon Assion auf Twitter zu Recht hingewiesen, dass man annehmen muss, dass die AfD damit eine systematische Sammlung über politische Gegner in der Lehrerschaft anlegen will. Der primäre Zweck dürfte die Einschüchterung sein. Und letztlich ist diese Sammlung auch geeignet, den Schulbetrieb zu stören. Insoweit besteht wohl eher ein öffentliches Interesse daran, diesen Praktiken entgegenzuwirken.

Diese Portale zur Meldung von Lehrern erfüllen die Voraussetzungen von Art. 9 DSGVO nicht und sind daher datenschutzwidrig. Die Aufsichtsbehörden tun sich allerdings offenbar schwer mit einer Verfolgung. Der Hamburgische Datenschutzbeauftragte verwies zum Beispiel darauf, dass er für die Kontrolle von Fraktionen nicht zuständig sei. Das erscheint allerdings fraglich, denn der Betrieb einer Onlinemeldeplattform ist schwerlich der parlamentarischen Arbeit einer Fraktion zuzuordnen. Demzufolge versucht der baden-württembergische Landesdatenschutzbeauftragte zu klären, ob es sich um eine mandatsbezogene oder parteipolitische Tätigkeit handelt. In letzterem Fall sind die Aufsichtsbehörden zuständig.

2. Persönlichkeitsrecht

Wenn die Informationen veröffentlicht werden, steht zudem eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeistrechts im Raum. Im Fall des Lehrerbewertungsportal „spickmich“ war zumindest eine Registrierung der Nutzer erforderlich. Die Daten waren damit nicht allgemein zugänglich, der Abruf war auf registrierte Personen beschränkt, die ein typisiertes berechtigtes Informationsinteresse an den zur Verfügung gestellten Daten geltend gemacht hatten. Diesen Aspekt betont der BGH auch ausdrücklich in seiner Spickmich-Entscheidung (Rn. 37). Die Zulässigkeit einer Veröffentlichung lässt sich also nicht auf diese Entscheidung stützten.

Ungeachtet dessen, können einzelne Einträge natürlich auch immer unrichtig und deshalb zu löschen sein. Nach neuerer Rechtsprechung des BGH unterliegt der Betreiber einer Bewertungsplattform zudem, sobald ein Betroffener den Eintrag beanstandet, einer Pflicht zur gewissenhaften Prüfung der Beanstandung. Dies gilt in vertärktem Maße, wenn Einträge anonym vorgenommen werden können.

Sollte außerdem die Möglichkeit bestehen, wie dies in Sachsen der Fall zu sein scheint, ein Foto des betroffenen Lehrers zu posten, wäre dies zusätzlich ein Verstoß gegen das Recht des Lehrers am eigenen Bild.

3. Fazit

Die verschiedenen Meldeportale der AfD, mittels derer „Neutralitätsverstöße“ von Lehrern gemeldet werden sollen, verstoßen gegen das Datenschutzrecht und wegen der erzeugten Prangerwirkung auch gegen die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Lehrer.

Die Frage ist auch, ob nicht zudem ordnungsrechtlich gegen diese Portale vorgegangen werden kann, was Josef Franz Lindner im Verfassungsblog diskutiert.

posted by Stadler at 18:28  

1.8.18

Fordert der Datenschutz ein Fotografierverbot auf Schulfesten?

In letzter Zeit liest man immer wieder, dass Schulen und Kindergärten das Fotografieren auf Festen und anderen Veranstaltungen der Einrichtung, an denen Eltern und Angehörige teilnehmen, verbieten. Zumeist mit dem Argument, die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) würde dies verlangen. Über einen solchen Fall berichtet aktuell beispielsweise die Lausitzer Rundschau.

Man wird vermutlich schon darüber diskutieren können, ob die Schulleitung das Fotografieren und Filmen auf Veranstaltungen der Schule kraft ihres Hausrechts untersagen kann. Das Datenschutzrecht verlangt ein solches Verbot allerdings nicht.

Die DSGVO ist in den Fällen, in denen Eltern oder andere Angehörige Fotos anfertigen, auf denen neben ihren eigenen Kindern auch fremde Kinder zu sehen sind, nämlich schon gar nicht anwendbar. Art. 2 Abs. 2 c) DSGVO besagt, dass der Anwendungsbereich der Verordnung nicht eröffnet ist, wenn natürliche Personen personenbezogene Daten zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten erheben. Das trifft auf das Fotografieren auf Schulveranstaltungen zu rein privaten Zwecken unzweifelhaft zu.

Davon strikt zu trennen ist allerdings die Frage, ob solche Fotos anschließend z.B. in sozialen Netzen veröffentlicht werden können. Diese Frage wurde im deutschen Recht, jedenfalls bis zum Wirksamwerden der DSGVO, im sog. Kunsturheberrechtsgesetz (KUG) geregelt. Ob das KUG weiterhin anwendbar ist oder durch die DSGVO verdrängt wird, ist juristisch umstritten. Ungeachtet der Frage, ob das KUG oder die DSGVO diese Frage regelt, bedarf es im Falle der Veröffentlichung von Bildmaterial, auf dem Personen erkennbar sind, grundsätzlich einer Einwilligung des Abgebildeten. We also auf Instagram oder Facebook Fotos veröffentlicht, auf denen Personen zu erkennen sind, muss diese Menschen fragen, bevor er die Fotos postet.

Schulen und Kindergärten schießen, wenn sie das Fotografieren verbieten, also über das Ziel hinaus. Was die Anfertigung von Fotos betrifft, hat sich die Rechtslage seitdem die DSGVO gilt, nicht verändert. Was wir hier erleben, ist lediglich eine gefühlte Verschärfung des Datenschutzrechts.

posted by Stadler at 21:13  
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