Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

22.5.15

BND endlich unter Druck

Dass die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste nicht (ansatzweise) funktioniert, habe ich mehrfach geäußert und warum das so ist, habe ich hier erklärt.

Das hat mir Kritik auch von Parlamentariern eingebracht, weil diese Haltung den Parlamentarismus nur noch weiter schwächen würde und man außerdem am NSA-Untersuchungsausschuss doch sehen könne, dass die Kontrolle funktioniert. Denn schließlich habe der Ausschuss in letzter Zeit einige Missstände zu Tage gefördert, die sonst verborgen geblieben wären.

Fürwahr, die Zeugenaussagen im Untersuchungsausschuss haben gerade in den letzten Tagen wieder gezeigt, wie erschreckend die Arbeit des BND in rechtsstaatlicher Hinsicht ist, sobald man nur einige Details der Geheimdienstarbeit erfährt. Allein die aktuelle Meldung, beim BND seien jetzt weitere Selektorenlisten der NSA gefunden worden – die findet man offenbar plötzlich und zufällig beim BND einfach so – offenbart das ganze Ausmaß des Irrsinns. Was es mit diesen vieldiskutierten Selektoren auf sich hat, haben Kai Biermann und Patrick Beuth bei ZEIT-Online erläutert.

Gerade weil es eines Untersuchungsausschusses bedurfte, um zumindest die Spitze des Eisbergs sichtbar zu machen, funktioniert die parlamentarische Kontrolle der Dienste nicht. Hinzu kommt, dass es diesen Untersuchungsausschuss ohne Snowden gar nicht geben würde. Ein Untersuchungsausschuss ist aber auch nicht Bestandteil der regulären parlamentarischen Geheimdienstkontrolle. Wie die Kontrolle der Dienste eigentlich und standardmäßig funktionieren sollte, wird auf der Website des Bundestages sehr schön und prägnant zusammengefasst:

Das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) ist für die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes zuständig und überwacht den Bundesnachrichtendienst (BND), den Militärischen Abschirmdienst (MAD) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Die Bundesregierung ist nach dem Kontrollgremiumgesetz dazu verpflichtet, das PKGr umfassend über die allgemeinen Tätigkeiten der Nachrichtendienste und über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten. Das PKGr kann von ihr außerdem Berichte über weitere Vorgänge verlangen.

Wenn wir an dieser Stelle den Reality-Check machen, müssen wir allerdings feststellen, dass die Bundesregierung das Parlament gerade nicht über wesentliche Vorgänge informiert und das PKGr auch nicht von seinen gesetzlichen Möglichkeiten Gebrauch macht, sich effektiv zu informieren und diese Informationen an- und einzufordern.

Es ist bestimmt nicht fair, wackere Abgeordnete wie Konstantin von Notz oder Hans-Christian Ströbele zu kritisieren – und auf sie zielt meine Kritik auch nicht ab – ohne deren Arbeit wir noch weniger über die eklatanten Missstände bei den Diensten wüssten. Und es ist auch der Hartnäckigkeit einiger Abgeordneter zu verdanken, dass der BND jetzt endlich unter Druck gerät.

Dennoch wird die Kontrolle der Dienste auch künftig nicht funktionieren, wenn man an den Strukturen nichts ändert. Möglicherweise bräuchten die Dienste sogar eine unmittelbare Inhouse-Kontrolle durch einen Abgesandten des Parlaments, der auch das Recht haben müsste, die gesamte Kommunikation zwischen dem Dienst und der vorgesetzten Dienst- und Fachaufsicht, also im konkreten Fall mit dem Kanzleramt, einzusehen. Die Exekutive bedarf immer einer effektiven und lückenlosen Kontrolle. Und dort wo diese Kontrolle wie im Fall des BND nicht gewährleistet ist, entwickeln sich Paralleluniversen, die es in einem Rechtsstaat nicht geben kann und darf. Es muss deshalb ein System einer engmaschigen und möglichst lückenlosen Kontrolle des BND geschaffen werden und zwar unmittelbar durch das Parlament.

posted by Stadler at 18:21  

20.5.15

Should I Stay Or Should I Go?

Zumindest die Juristen unter meinen Lesern kennen vermutlich (fast) alle Jurablogs, einen Aggregator für deutschsprachige juristische Blogs.

Während große deutsche Verlage bekanntlich glauben, Aggregatoren müssten dafür bezahlen, dass sie Verlagsinhalte referenzieren, geht der Betreiber von Jurablogs nunmehr den umgekehrten Weg, um sein Projekt zu finanzieren. Die Blogger/Autoren sollen dafür zahlen, dass sie weiterhin bei Jurablogs gelistet werden.

Derzeit bin ich noch etwas unschlüssig, ob ich das Bezahlmodell in Anspruch nehmen soll oder nicht. Der Traffic der über Jurablogs hierher kommt, ist überschaubar. Deshalb möchte ich Sie/Euch mal fragen, wer (regelmäßig) über Jurablogs auf mein Blog kommt?

posted by Stadler at 14:50  

19.5.15

Weichert begrüßt Gesetzesentwurf zur Vorratsdatenspeicherung

Während er gegenüber Facebook & Co. gerne den Datenschutztaliban gibt, zeigt sich Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter des Landes Schleswig-Holstein, gegenüber den Plänen zur Wiedereinführung einer staatlichen Vorratsdatenspeicherung äußerst milde. Sein Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) begrüßt den Gesetzesentwurf des BMJ grundsätzlich, trotz Kritik in einigen Detailfragen.

Seine Haltung begründet Weichert mit dem folgendem, bemerkenswerten Argument:

Während heute TK-Provider teilweise Verkehrsdaten sofort oder – aus Gründen der IT-Sicherheit – nach einer kurzen Frist von 7 Tagen löschen, gibt es Anbieter, die Verkehrsdaten monatelang oder gar unbefristet aufbewahren, und Sicherheitsbehörden, die hierauf für ihre Zwecke zugreifen. Nur mit einer gesetzlichen Regelung kann Rechtssicherheit für alle Beteiligten – Behörden, Provider und Betroffene – erreicht und so der Weg zu einem effektiven Rechtsschutz eröffnet werden.

Das deutet für mich allerdings daraufhin, dass man beim ULD das Grundkonzept des aktuellen Gesetzesentwurfs noch nicht durchdrungen hat. Denn die nunmehr einzuführende Vorratsdatenspeicherung in §§ 113a ff. TKG (n.F.) ändert an der Möglichkeit der Provider, Verkehrsdaten zu eigenen Zwecken, insbesondere zu Abrechnungszwecken oder aus Gründen der IT-Sicherheit zu speichern, nicht das Geringste. Beide Regelungsmaterien sind im Gesetz strikt getrennt, das Gesetz ordnet im Ergebnis auch die Schaffung zweier vollständig getrennter Datenpools an.

Die uneinheitliche Speicherpraxis der Provider zu eigenen Zwecken wird durch die Neuregelung also nicht angetastet. Die gesetzlichen Regelungen, die dies derzeit ermöglichen, insbesondere §§ 96, 97, 100 TKG bleiben unverändert. Die Provider müssen vielmehr, neben der anlassbezogenen Speicherung von Daten für eigene Geschäftszwecke, jetzt anlasslos und zusätzlich für den Staat Verkehrsdaten auf Vorrat speichern. Aus datenschutzrechtlicher Sicht wird die Neuregelung den Providern also auferlegen, in erheblichem Maße zusätzlich personenbezogene Daten zu speichern und hierfür einen neuen, getrennten Datenpool zu schaffen.

Die anderslautenden Ausführungen des ULD in der Pressemitteilung vom 19.05.2015 sind sachlich unzutreffend.

posted by Stadler at 17:23  

18.5.15

Die geplante Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung

Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur geplanten Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung wurde Ende letzter Woche an Verbände zur Stellungnahme verschickt.

Die Neuregelung wird zunächst von einem sprachlichen Euphemismus flankiert. Der Gesetzesentwurf spricht nicht mehr von einer Vorratsdatenspeicherung sondern von der Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten.

Der Gesetzesentwurf ist von dem Bemühen getragen, die Vorgaben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen. Der Entscheidung des EuGH wird vor allen Dingen durch die recht kurze Speicherfrist von (nur) 10 Wochen Rechnung getragen und dadurch, dass man eine zusätzliche Vorschrift zum Schutz von Berufsgeheimnisträgern schaffen will.

Die Neuregelung wählt bei der Neufassung des § 100g StPO konstruktiv einen Ansatz, der im Gesetzgebungsverfahren sicherlich noch zu Diskussionen führen wird.

§ 100g StPO (n.F.) enthält jetzt in seinem Absatz 1 eine Regelung zum Abruf von Verkehrsdaten, die von den Providern nach der Vorschrift des § 96 TKG gespeichert werden, während der Abruf der eigentlichen Vorratsdaten, also derjenigen Daten, die nach § 113b TKG (n.F.) gespeichert werden, in § 100g Abs. 2 StPO (n.F.) geregelt wird. § 96 TKG ermöglicht den TK-Anbietern eine Erhebung von Verkehrsdaten wie Nummern oder Kennungen (z.B. IP-Adressen), Beginn und Ende einer Verbindung insbesondere zu Abrechungszwecken und zum Erkennen, Eingrenzen oder Beseitigen von Störungen oder Fehlern. Diese Daten sollen nach § 100g Abs. 1 StPO für Strafverfolgungsbehörden weiterhin bei allen Straftaten abrufbar sein, die mittels Telekommunikation begangen worden sind.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil nämlich § 100g Abs. 1 S. 1 StPO (a.F.) nur insoweit für verfassungswidrig erklärt, als nach der Vorschrift Verkehrsdaten nach § 113a TKG (a.F.) erhoben werden durften. Die Erhebung von Verkehrsdaten, die nach § 96 TKG von den Providern gespeichert wurden, hat das BVerfG nicht beanstandet. Die Vorschrift war insoweit aber auch nicht angegriffen worden.

Da die Verkehrsdaten im Sinne von §§ 96 und 113b TKG (n.F.) zumindest teilweise identisch sind, ergibt sich daraus für die Provider zwingend die Schaffung von zwei getrennten Datenpools, zumal für die Vorratsdaten nach der Rechtsprechung des BVerfG besondere Anforderung an die Datensicherheit gelten, die der Entwurf versucht in §§ 113 d – 113g TKG (n.F.) umzusetzen.

TK-Anbieter brauchen also künftig einen Datenpool für Verkehrsdaten, die aufgrund eigener Interessen der Provider gespeichert werden und einen zweiten, strikt zu trennden Datenpool, in dem Vorratsdaten gespeichert werden. Das ergibt sich letztlich unmittelbar auch aus der Vorschrift des § 113d S. 2 Nr. 2 TKG (n.F.), der für Vorratsdaten die Speicherung in gesonderten, von den für die üblichen betrieblichen Aufgaben getrennten Speichereinrichtungen, verlangt.

Die Frage ist auch, was das für die Abrufpraxis bedeutet. Strafverfolgungsbehörden werden künftig Verkehrsdaten nach §§ 100g Abs. 1 StPO i.V.m. § 96 TKG anfordern und zusätzlich bzw. parallel Vorratsdaten nach § 100g Abs. 2 StPO i.V.m. § 113b TKG.

Nach meiner ersten Einschätzung kann man bezweifeln, dass die Vorgaben der Entscheidung des EuGH ausreichend umgesetzt werden. Die Rn. 57 – 59 des EuGH-Urteils lassen sich dahingend interpretieren, dass die anlasslose Speicherung sämtlicher TK-Verbindungsdaten, die ohne jede Ausnahme und ohne jede Differenzierung stattfindet, unzulässig ist. Der EuGH stellt nämlich explizit darauf ab, dass auch Daten von Personen gespeichert werden, bei denen keinerlei Anhaltspunkt dafür besteht, dass ihr Verhalten in einem auch nur mittelbaren oder entfernten Zusammenhang mit schweren Straftaten steht. Außerdem bemängelt der EuGH, dass die Vorratsspeicherung weder auf die Daten eines bestimmten Zeitraums und/oder eines bestimmten geografischen Gebiets und/oder eines bestimmten Personenkreises beschränkt ist.

Demgegenüber sieht § 113b Abs. 1 – 3 TKG (n.F.) nach wie vor die anlasslose und undiffernzierte Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten vor.

Beispielsweise der Schutz von Berufsgeheimnisträgern findet auch nicht auf der Ebene der Speicherung, sondern erst auf der Ebene des Datenabrufs durch Strafverfolgungsbehörden im Rahmen der Vorschrift des § 100g Abs. 4 StPO statt.

Die Diskussion über die Neuregelung ist jetzt also eröffnet.

posted by Stadler at 14:14  

17.5.15

Wie gut und gerecht ist die Strafjustiz?

Thema der Woche in der Wochenendausgabe der Süddeutschen (16./17.5.2015) ist die Frage, wie gerecht die Gerichte sind. Es geht hierbei vor allen Dingen um die nicht ganz neue, aber für die Justiz und vor allem für unsere Gesellschaft essentielle Frage, wie viele Strafurteile in Deutschland tatsächlich falsch sind. Der Beitrag der SZ nimmt die bekannte These des BGH-Richters Ralf Eschelbach auf, wonach jedes vierte Strafurteil in Deutschland ein Fehlurteil sei. Der Artikel schildert bekannte und spektakuläre Fehlurteile der neueren deutschen Rechtsgeschichte und verweist darauf, dass die meisten Fehler bereits im Ermittlungsverfahren passieren. Man zitiert einen Strafverteidiger mit der Aussage, dass Polizisten keine Zweifler sondern Jäger seien und im Ermittlungsverfahren nach Bestätigung und nicht nach Widerlegung gesucht wird, sobald man sich auf eine Tatversion und einen Täter festgelegt hat.

Als Gelegenheitsstrafverteidiger habe ich auch den Eindruck, dass die Zahl der falschen Urteile durchaus nennenswert ist, weil man vernünftige Zweifel allzu oft gar nicht aufkommen lässt. Ob der Verfassungsrang genießende Grundsatz „in dubio pro reo“ in der Strafrechtspraxis tatsächlich gilt, darf man in Frage stellen. Nach meinem Eindruck wird häufig im Zweifel verurteilt. Das liegt nicht (nur) an den Staatsanwaltschaften, sondern zu oft auch an den Gerichten. Auch die Richterschaft ist letztlich nur ein Spiegelbild der Gesellschaft. Unvoreingenommene Menschen gibt es eben kaum. Es kommen strukturelle Defizite hinzu, wie die zu große Nähe zwischen Gerichten und Staatsanwaltschaften in Bayern aufgrund des regen Wechsels zwischen den Laufbahnen. Auch die Glaubwürdigkeit von Zeugen wird von den Gerichten nach meiner Einschätzung zu oft nicht richtig bewertet, weil es insoweit häufig an einer ausreichenden Schulung der Richter fehlt. Auch wenn mittlerweile ausreichend Literatur zu der Frage existiert, welche Kriterien eines Aussageverhaltens für eine Unglaubwürdigkeit von Zeugen sprechen, ist das bei zu vielen Richtern noch nicht angekommen. Bewusst oder unbewusst unrichtige Zeugenaussagen gehören aber zu den Hauptgründen für falsche Urteile, nicht nur im Strafrecht.

Es wäre außerdem sicherlich hilfreich, wenn die Frage der Fehlerhaftigkeit von Strafurteilen stärker wissenschaftlich untersucht würde. Daran haben aber weder Politik noch Justiz ein gesteigertes Interesse. Denn die weit verbreitete These von der hohen Qualität und der niedrigen Fehlerquote gerade der Strafjustiz könnte dadurch ins Wanken kommen.

Ein Rechtsstaat muss allerdings danach streben, dass gerade im Bereich des Strafrechts die Urteile seiner Gerichte richtig sind. Die Diskussion über die Qualität der Justiz ist daher notwendig.

posted by Stadler at 21:12  

14.5.15

Die mediale Diskussion um den Münkler-Watchblog ist skurril

Die Vorlesung des Berliner Hochschulprofessors Herfried Münkler, der „Theorie der Politik“ lehrt, wird in einem anonymen Blog namens Münkler-Watch kritisch besprochen. Die Autoren des Blogs erheben gegen Münkler u.a. den Vorwurf des Rassismus, Sexismus und Eurozentrismus. Es ist von einem „Extremismus der Mitte“ die Rede, gegen den man sich wenden will.

In vielen etablierten Medien wird Münkler zum Teil leidenschaftlich verteidigt. In der FAZ schreibt Regina Mönch, dass Studenten Münkler denunzieren und seine Vorlesungen zensieren. In einem Beitrag des DLF spricht Winfried Stärker von Gesinnungsselbstjustiz und ebenfalls Denunziation. Der sachlichste und beste Beitrag den ich zum Thema gelesen habe, stammt zwar ebenfalls von einem bekannten Journalisten, wurde allerdings bei Facebook und in einem Blog veröffentlicht.

Über derartige journalistische Rhetorik kann ich nur heftig den Kopf schütteln. Vielleicht sollten sich manche Autoren zunächst mit dem Bedeutungsgehalt der von ihnen verwendeten Begriffe vertraut machen. Dann würde die von ihnen betriebene Stimmungsmache zumindest nicht so offensichtlich zu Tage treten.

Als Zensur bezeichnet man die staatliche Informationsunterdrückung. Das ist ziemlich genau das Gegenteil einer öffentlich von Bürgern/Studenten geäußerten Kritik. Deshalb genießt die Meinungsäußerung auch Grundrechtsschutz, während das Grundgesetz Zensur verbietet. Eine Zensur kann folglich per definitionem nicht vorliegen. Wer eine kritische Meinungsäußerungen als Zensur bezeichnet, verlässt bereits damit den Bereich des sachlichen Diskurses vollständig. 

Der Begriff des Denunziantentums wird zumeist im Zusammenhang mit Unrechtsregimen verwendet und meint das Anschwärzen bei der Obrigkeit. Selbst wenn man das anonyme öffentliche Anprangern einer Person als Denunziation begreifen kann, stellt sich im konkreten Fall dennoch die Frage, ob es nach journalistischen Maßstäben sachgerecht ist, Kritik – mit der man sich inhaltlich auch nicht weiter auseinandersetzt – als Denunzierung zu bezeichnen.

Wer die Inhalte des Münkler-Watchblogs näher betrachtet, wird kaum etwas finden, was äußerungsrechtlich zu beanstanden wäre. Das Blog kritisiert die in der Vorlesung geäußerte politische und weltanschauliche Haltung des Hochschullehrers in rechtlich zulässiger Art und Weise. Das dürfte auch Münkler erkannt haben. Das Blog wird schließlich von einem deutschen Anbieter gehostet. Wären die Inhalte nämlich tatsächlich rechtlich zu beanstanden, könnte man ihre Entfernung juristisch auch zügig durchsetzen. Wir haben es hier allerdings mit Meinungsäußerungen zu tun, die von Art. 5 GG gedeckt sind und die rechtlich nicht untersagt werden könnten. Allein vor diesem Hintergrund mutet die mediale Diskussion geradezu skurril an. Wer rechtlich zulässige Kritik übt, der denunziert nicht.

Es geht mir hier auch überhaupt nicht darum, Aussagen und Haltung der Autoren des Blogs inhaltlich zu verteidigen. Wer allerdings ein Freund der Meinungsfreiheit und des kontroversen Diskurses ist, der kann das Blog nicht in der Form kritisieren, wie es die oben zitierten Journalisten getan haben. Warum Studierende, die rechte Tendenzen im Wissenschaftsbetrieb öffentlich kritisieren, durchaus Angst haben müssen, kann man beispielsweise hier nachlesen. Es ist deshalb auch legitim, wenn die Autoren von Münkler-Watch anonym posten. Im Zweifel für die Meinungsfreiheit!

posted by Stadler at 13:53  

13.5.15

Urheberrechtsverletzung durch Veröffentlichung von Fotos eines Werks

Ein Möbelhaus hat in seinen Geschäftsräumen Bilder eines Malers ausgestellt und dabei für einen Produktkatalog Möbel fotografiert. Auf einem Foto, das auch auf der Website des Möbelhauses eingestellt worden ist, war im Hintergrund ein Gemälde des Künstlers zu sehen. Die konkrete Abbildung ist in der Entscheidung des BGH wiedergegeben. Der Künstler hat das Möbelhaus auf Auskunft und Schadensersatz verklagt, weil er der Meinung war, dass die Wiedergabe im Katalog und auf der Website seine Urheberrechte verletzt.

Das Landgericht und das OLG Köln haben die Klage des Künstlers abgewiesen, weil sie der Ansicht waren, dass das auf dem Produktfoto erkennbare Gemälde lediglich ein sog. unwesentliches Beiwerk im Sinne von § 57 UrhG darstelle, weshalb die Vervielfältigung und öffentliche Wiedergabe zulässig sei.

Diese Entscheidungen hat der BGH mit Urteil vom 17.11.2014 (Az.: I ZR 177/13) aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

In einem ersten Schritt geht der BGH davon aus, dass durch die Veröffentlichung des Fotos, auf dem das urheberrechtlich geschützte Werk erkennbar ist, grundsätzlich in das Recht des Künstlers zur Vervielfältigung (§ 15 Abs. 1 Nr. 1, § 16 UrhG) und der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, § 19a UrhG) eingegriffen worden ist. Die Zulässigkeit dieser urheberrechtlichen Nutzungshandlung hängt damit davon ab, ob zugunsten des Möbelhauses die Schrankenbestimmung des § 57 UrhG (unwesentliches Beiwerk) eingreift. Und in diesem Punkt hält der BGH die Urteile der Vorinstanzen für rechtsfehlerhaft.

Um die Frage beantworten zu können, ob etwas ein unwesentliches Beiwerk ist, muss zunächst der Hauptgegenstand bestimmt werden. Das Berufungsgericht ist dabei davon ausgegangen, dass Gegenstand der Prüfung der Schutzschranke des § 57 UrhG nicht die beanstandete Fotografie ist, sondern der vollständige Katalog und der gesamte Inhalt der Internetseite des Möbelhauses. Das hält der BGH für falsch. Nach Ansicht des BGH ist Hauptgegenstand der Veröffentlichung die konkrete Fotografie.

Die Auslegung des Berufungsgerichts würde nach Ansicht des BGH nämlich dazu führen, dass der Schutz eines urheberrechtlich geschützten Werkes umso geringer wird, je umfangreicher der vom potentiellen Verletzer gewählte Veröffentlichungskontext ist. Und das stehe in Widerspruch zu dem Grundsatz der engen Auslegung von urheberrechtlichen Schrankenbestimmungen.

Der BGH beanstandet auch die weitere Auslegung des OLG zur Unwesentlichkeit des Beiwerks:

Für die Bejahung der Schutzschranke des § 57 UrhG reicht es nicht aus, dass das urheberrechtlich geschützte Werk aus Sicht des objektiven Betrachters in Bezug auf den Hauptgegenstand der Verwertung im Hintergrund steht. Nach dem Wortlaut der Schrankenbestimmung ist vielmehr weitergehend erforderlich, dass das Werk im Verhältnis zum Hauptgegenstand der Wiedergabe unwesentlich ist.

Von einer Unwesentlichkeit in diesem Sinn ist auszugehen, wenn das Werk weggelassen oder ausgetauscht werden könnte, ohne dass dies dem durchschnittlichen Betrachter auffiele (vgl. Nordemann-Schiffel in Fromm/Nordemann aaO § 57 UrhG Rn. 2; Dreier in Dreier/Schulze aaO § 57 Rn. 2; Vogel in Schricker/Loewenheim aaO § 57 UrhG Rn. 8; Lüft in Wandtke/Bullinger aaO § 57 UrhG Rn. 2; Loewenheim/Götting, Handbuch des Urheberrechts, 2. Aufl., § 31 Rn. 229) oder ohne dass die Gesamtwirkung des Hauptgegenstandes in irgendeiner Weise beeinflusst wird (OLG München, ZUM-RD 2008, 554; Loewenheim/Götting aaO § 31 Rn. 229; Lüft in Wandtke/Bullinger aaO § 57 UrhG Rn. 2; Obergfell in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 57 UrhG Rn. 2; krit. Dreier in Dreier/Schulze aaO § 57 Rn. 2). Aber auch ein bei der Betrachtung des Hauptgegenstands der Verwertung vom Betrachter als solches tatsächlich wahrgenommenes Werk kann als unwesentliches Beiwerk anzusehen sein, wenn ihm nach den Umständen des Einzelfalls keine noch so geringfügige inhaltliche Beziehung zum Hauptgegenstand der Verwertung zuzubilligen ist, sondern es durch seine Zufälligkeit und Beliebigkeit für diesen ohne jede Bedeutung ist (vgl. Dreier in Dreier/Schulze aaO § 57 Rn. 2; Nordemann-Schiffel in Fromm/Nordemann aaO § 57 UrhG Rn. 2; Vogel in Schricker/Loewenheim aaO § 57 UrhG Rn. 8; Obergfell in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 57 UrhG Rn. 2). Hierzu reicht eine bloß untergeordnete Beziehung nicht aus. Bei der gebotenen engen Auslegung der Schrankenbestimmung ist unwesentlich im Sinne von § 57 UrhG vielmehr nur ein Werk, das neben dem Gegenstand der eigentlichen Verwertung selbst eine geringe oder nebensächliche Bedeutung nicht erreicht (Vogel in Schricker/Loewenheim aaO § 57 UrhG Rn. 7; Grübler in Möhring/Nicolini aaO § 57 UrhG Rn. 6). Eine derart untergeordnete Bedeutung kann dem mitverwerteten Werk regelmäßig nicht mehr zugewiesen werden, sobald es erkennbar stil- oder stimmungsbildend (Obergfell in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 57 UrhG Rn. 2) oder eine bestimmte Wirkung oder Aussage unterstreichend (Dreyer in Dreyer/Kotthoff/Meckel aaO § 57 UrhG Rn. 4) in den eigentlichen Gegenstand der Verwertung einbezogen wird, einen dramaturgischen Zweck erfüllt (Grübler in Möhring/Nicolini aaO § 57 UrhG Rn. 6) oder sonst charakteristisch ist (Vogel in Schricker/Loewenheim aaO § 57 UrhG Rn. 7 f.).

Wenn also ein mitfotografiertes Werk stimmungsbildend wirkt oder eine bestimmte Aussage vermittelt und mithin einen dramturgischen Zweck erfüllt, kann es nicht mehr als untergeordnetes Beiwerk im Sinne von § 57 UrhG betrachtet werden.

Es zeigt sich also, dass die Schrankenbestimmung des § 57 UrhG äußerst eng auszulegen ist. Wer Fotos veröffentlicht, auf denen ein urheberrechtlich geschütztes Werk erkennbar ist und sei es auch nur im Hintergrund, muss sich immer Gedanken darüber machen, ob er damit nicht die Rechte des Urhebers des mitfotografierten Werks verletzt.

posted by Stadler at 09:52  

12.5.15

OLG München bestätigt Urteil zu GEMA-Sperrtafeln

Nach einer Pressemitteilung der GEMA hat das OLG München ein Urteil des Landgerichts München I bestätigt, das es YouTube verbietet, Sperrhinweise einzublenden, die besagen, ein Video sei nicht verfügbar, weil es Musik enthält, zu deren Nutzung die GEMA keine Rechte eingeräumt hat.

Warum ich das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts München I nicht für überzeugend halte, habe ich in einem älteren Blogbeitrag ausführlich erläutert.

posted by Stadler at 18:17  

12.5.15

BGH zu wirksamen technischen Schutzmaßnahmen bei Spiele-Konsolen

Nach § 95 a Abs. 1 UrhG dürfen wirksame technische Maßnahmen zum Schutz eines Werkes ohne Zustimmung des Rechtsinhabers nicht umgangen werden. Die Umgehung von (wirksamen) Kopierschutzmaßnahmen ist also urheberrechtswidrig, Tools und Programme zur Umgehung sind gem. § 95 a Abs. 3 UrhG verboten.

In einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 27.11.2014, Az.: I ZR 124/11) beschäftigt sich der BGH u.a. mit der Frage, wann eine wirksame technische Maßnahme bei Konsolen vorliegt. Im Urteil heißt es dazu:

Dadurch, dass Karten und Konsolen in ihren Abmessungen so aufeinander abgestimmt sind, dass ausschließlich Nintendo-DS-Karten in die Nintendo-DS-Konsolen passen, wird nach den Feststellungen des Berufungsgerichts verhindert, dass Videospiele der Klägerin zu 1, die unbefugt aus dem Internet heruntergeladen worden sind, auf den Konsolen abgespielt und damit unbefugt vervielfältigt werden können.

Eine solche technische Maßnahme, die zum Teil in die physischen Träger der Videospiele und zum Teil in die Konsolen integriert ist und eine Interaktion zwischen beiden Teilen erfordert, fällt unter den Begriff der „wirksamen technischen Maßnahmen“ im Sinne von Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG, wenn sie wie im Streitfall bezweckt, Handlungen zu verhindern oder zu beschränken, die durch die Richtlinie geschützte Rechte des Betroffenen verletzen (EuGH, GRUR 2014, 255 Rn. 26 bis 28 Nintendo/PC Box und 9Net). Sie stellt daher auch eine „wirksame technische Maßnahme“ im Sinne der Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG ins nationale Recht umsetzenden Regelung des § 95a Abs. 2 UrhG dar.

Der BGH beanstandet allerdings, dass das Berufungsgericht keine Feststellungen zu der Frage getroffen hat, ob der Einsatz der technischen Schutzmaßnahme den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt und legale Nutzungsmöglichkeiten nicht in übermäßiger Weise beschränkt werden. Der EuGH hatte zuvor entschieden, dass der Rechtsschutz gegen die Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen im Sinne von Art. 6 der Richtlinie 2001/29/EG den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten müsse. Bezogen auf den konkreten Fall führt der BGH dazu aus:

Das Berufungsgericht hat jedoch nicht festgestellt, dass die hier in Rede stehende technische Maßnahme nicht über das hinausging, was zur Verwirklichung des Ziels erforderlich war, ein unbefugtes Vervielfältigen von Videospielen der Klägerin zu 1 auf Nintendo-DS-Konsolen zu verhindern. Es hat nicht geprüft, ob die Videospiele wie die Beklagten geltend gemacht haben durch eine Verschlüsselung der Spieldaten vor einer unbefugten Vervielfältigung auf den Konsolen hätten geschützt werden können und damit ein Abspielen zulässiger Drittentwicklungen auf den Konsolen möglich geblieben wäre. Es hat weiter nicht festgestellt, dass eine Verschlüsselung der Spieldaten nicht zu einem vergleichbaren Schutz für die Videospiele geführt hätte wie die konkrete Ausgestaltung der von den Klägerinnen hergestellten Karten und Konsolen nach dem „Schlüssel-Schloss-Prinzip“. Davon kann nicht allein deshalb ausgegangen werden, weil es Dritten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts möglich war, von der Klägerin zum Schutz ihrer Videospiele ergriffene elektronische Kopierschutzmaßnahmen zu umgehen und rechtswidrig Kopien dieser Spiele durch Auslesen der Originalkarten herzustellen und im Internet anzubieten, die mit Hilfe der von den Beklagten angebotenen Adapter auf der Konsole verwendet werden konnten.

posted by Stadler at 12:21  

4.5.15

BAG zur Einwilligung in Bildnisveröffentlichungen und zum Arbeitnehmerdatenschutz

Ein neues Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) wird, vermutlich nicht nur in Juristenkreisen, für Gesprächsstoff sorgen (Urteil vom 11.12.2014, Az.: 8 AZR 1010/13).

Nach Ansicht des BAG muss die Einwilligung in eine Veröffentlichung eines Fotos auf dem der Arbeitnehmer abgebildet ist, nach § 22 KUG schriftlich erfolgen. Das entspricht bislang jedenfalls nicht der Rechtsprechung der Zivilgerichte, die bislang immer eine formlose Einwilligung genügen ließen. Nachdem des BAG aber insoweit die Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses betont, dürften die Auswirkungen auf das Arbeistrecht beschränkt bleiben. Das BAG führt in seinem Urteil dazu folgendes aus:

Wegen der Bedeutung des Rechts der Arbeitnehmer, auch im Arbeitsverhältnis ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ausüben zu dürfen, führt eine solche Abwägung im Ergebnis dazu, dass auch und gerade im Arbeitsverhältnis die Einwilligung der Arbeitnehmer der Schriftform bedarf. Nur dadurch kann verdeutlicht werden, dass die Einwilligung der Arbeitnehmer zur Veröffentlichung ihrer Bildnisse unabhängig von den jeweiligen Verpflichtungen aus dem eingegangenen Arbeitsverhältnis erfolgt und dass die Erteilung oder Verweigerung der Einwilligung für das Arbeitsverhältnis keine Folgen haben dürfen.

Das BAG geht dann weiter davon aus, dass diese Einwilligung nicht ohne weiteres frei widerruflich ist, auch dann nicht, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist. Zur Begründung führt das BAG folgendes aus:

Allerdings deutet ein Umkehrschluss aus § 28 Abs. 3a Satz 1 aE BDSG darauf hin, dass eine einmal erteilte Einwilligung nicht generell „jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden kann“. Es ist wiederum im Rahmen der gegenseitigen Rücksichtnahme auf die Interessen der anderen Seite, § 241 Abs. 2 BGB, eine Abwägung im Einzelfall vorzunehmen. Auf der Seite des Arbeitgebers stehen das Veröffentlichungsinteresse wie das wirtschaftliche Interesse an einer wenigstens kostendeckenden Verwertung der entstandenen Produktionskosten zu Werbezwecken. Auf der Seite des eingewilligenden Arbeitnehmers steht sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das bei oder anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses neue Entscheidungskoordinaten bekommen haben kann, aber nicht muss.

In diesem Zusammenhang kann der Arbeitnehmer grundsätzlich anführen, dass mit seiner Person und mit der Abbildung seiner Erscheinung nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses nicht weiter für das Unternehmen geworben werden soll. Dies gilt jedenfalls in dem Fall, in dem für die Verwendung zu Werbezwecken eine Vergütung nicht erfolgt war. Es muss aber mit der Person des ausgeschiedenen Arbeitnehmers oder mit seiner Funktion im Unternehmen geworben werden. Bei einer allgemeinen Darstellung des Unternehmens, auch wenn diese aus Werbezwecken erfolgt ist und ins Internet gestellt wird, bei der die Person und Persönlichkeit des Arbeitnehmers nicht hervorgehoben, sein Name nicht genannt und die Identität seiner Person auch sonst nicht herausgestellt wird und bei der zudem beim Betrachter nicht zwingend der Eindruck entsteht, es handele sich um die aktuelle Belegschaft, kann von einer wirtschaftlichen und persönlichkeitsrelevanten Weiter-„verwertung“ der Abbildung des Arbeitnehmers nicht ausgegangen werden. So wenig wie Arbeitnehmer, hier also der Kläger, aufgrund einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht gehalten sind, der Verwendung und Herstellung ihrer Abbildung während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses zuzustimmen, so wenig können sie ihre einmal wirksam erteilte Einwilligung allein aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses widerrufen. Im Ergebnis der in solchen Fällen vorzunehmenden Gesamtabwägung ist vielmehr zu verlangen, dass der widerrufende Arbeitnehmer einen Grund im Sinne einer Erklärung angibt, warum er nunmehr, anders als bei der Jahre zurückliegenden Erteilung der Einwilligung, sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung gegenläufig ausüben will.

Wichtig für die arbeistvertragliche Praxis und den Arbeitnehmerdatenschutz ist die Entscheidung aber auch insofern, als das BAG eine datenschutzrechtliche Einwilligung des Arbeitnehmers ausdrücklich für möglich hält. In der datenschutzrechtlichen Literatur wurde bislang z.T. die Auffassung vertreten, dass Arbeitnehmer aufgrund des bestehenden Abhängigkeitsverhältnisses nicht oder nur eingeschränkt in die Verarbeitung ihrer Daten einwilligungen können. Dem ist das BAG nicht gefolgt. Die Begründung des Gerichts lautet wie folgt:

Auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses können Arbeitnehmer sich grundsätzlich „frei entscheiden“, wie sie ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ausüben wollen. Dem steht weder die grundlegende Tatsache, dass Arbeitnehmer abhängig Beschäftigte sind noch das Weisungsrecht des Arbeitgebers, § 106 GewO, entgegen. Mit der Eingehung eines Arbeitsverhältnisses und der Eingliederung in einen Betrieb begeben sich die Arbeitnehmer nicht ihrer Grund- und Persönlichkeitsrechte. Die zu § 4a BDSG formulierte Gegenauffassung (Simitis in Simitis BDSG 8. Aufl. § 4a Rn. 62) verkennt, dass schon nach § 32 BDSG Datenverarbeitung im Arbeitsverhältnis möglich ist, unter den Voraussetzungen des § 32 BDSG sogar einwilligungsfrei. Löste die Verweigerung einer außerhalb von § 32 BDSG erforderlichen schriftlichen Einwilligung Benachteiligungen aus, so stellte dies einen groben Verstoß gegen die arbeitgeberseitigen Pflichten aus § 241 Abs. 2 und § 612a BGB dar, der zum Schadensersatz nach §§ 282, 280 Abs. 1 BGB verpflichtete. Eine Nebenpflicht des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis, der Erhebung, Verarbeitung und Veröffentlichung seiner Daten – soweit erforderlich – zuzustimmen, besteht nicht.

Wer als Arbeitgeber also Fotos seiner Mitarbeiter im Netz veröffentlicht, sollte sich hierfür tunlichst eine schriftliche und unbefristete Einwilligung vom Arbeitnehmer erteilen lassen. Dann können die Bilder – unter den oben genannten Voraussetzungen – auch dann online bleiben, wenn das Arbeitsverhältnis beendet worden ist.

posted by Stadler at 16:12  
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