Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

4.5.15

BAG zur Einwilligung in Bildnisveröffentlichungen und zum Arbeitnehmerdatenschutz

Ein neues Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) wird, vermutlich nicht nur in Juristenkreisen, für Gesprächsstoff sorgen (Urteil vom 11.12.2014, Az.: 8 AZR 1010/13).

Nach Ansicht des BAG muss die Einwilligung in eine Veröffentlichung eines Fotos auf dem der Arbeitnehmer abgebildet ist, nach § 22 KUG schriftlich erfolgen. Das entspricht bislang jedenfalls nicht der Rechtsprechung der Zivilgerichte, die bislang immer eine formlose Einwilligung genügen ließen. Nachdem des BAG aber insoweit die Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses betont, dürften die Auswirkungen auf das Arbeistrecht beschränkt bleiben. Das BAG führt in seinem Urteil dazu folgendes aus:

Wegen der Bedeutung des Rechts der Arbeitnehmer, auch im Arbeitsverhältnis ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ausüben zu dürfen, führt eine solche Abwägung im Ergebnis dazu, dass auch und gerade im Arbeitsverhältnis die Einwilligung der Arbeitnehmer der Schriftform bedarf. Nur dadurch kann verdeutlicht werden, dass die Einwilligung der Arbeitnehmer zur Veröffentlichung ihrer Bildnisse unabhängig von den jeweiligen Verpflichtungen aus dem eingegangenen Arbeitsverhältnis erfolgt und dass die Erteilung oder Verweigerung der Einwilligung für das Arbeitsverhältnis keine Folgen haben dürfen.

Das BAG geht dann weiter davon aus, dass diese Einwilligung nicht ohne weiteres frei widerruflich ist, auch dann nicht, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist. Zur Begründung führt das BAG folgendes aus:

Allerdings deutet ein Umkehrschluss aus § 28 Abs. 3a Satz 1 aE BDSG darauf hin, dass eine einmal erteilte Einwilligung nicht generell „jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden kann“. Es ist wiederum im Rahmen der gegenseitigen Rücksichtnahme auf die Interessen der anderen Seite, § 241 Abs. 2 BGB, eine Abwägung im Einzelfall vorzunehmen. Auf der Seite des Arbeitgebers stehen das Veröffentlichungsinteresse wie das wirtschaftliche Interesse an einer wenigstens kostendeckenden Verwertung der entstandenen Produktionskosten zu Werbezwecken. Auf der Seite des eingewilligenden Arbeitnehmers steht sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das bei oder anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses neue Entscheidungskoordinaten bekommen haben kann, aber nicht muss.

In diesem Zusammenhang kann der Arbeitnehmer grundsätzlich anführen, dass mit seiner Person und mit der Abbildung seiner Erscheinung nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses nicht weiter für das Unternehmen geworben werden soll. Dies gilt jedenfalls in dem Fall, in dem für die Verwendung zu Werbezwecken eine Vergütung nicht erfolgt war. Es muss aber mit der Person des ausgeschiedenen Arbeitnehmers oder mit seiner Funktion im Unternehmen geworben werden. Bei einer allgemeinen Darstellung des Unternehmens, auch wenn diese aus Werbezwecken erfolgt ist und ins Internet gestellt wird, bei der die Person und Persönlichkeit des Arbeitnehmers nicht hervorgehoben, sein Name nicht genannt und die Identität seiner Person auch sonst nicht herausgestellt wird und bei der zudem beim Betrachter nicht zwingend der Eindruck entsteht, es handele sich um die aktuelle Belegschaft, kann von einer wirtschaftlichen und persönlichkeitsrelevanten Weiter-„verwertung“ der Abbildung des Arbeitnehmers nicht ausgegangen werden. So wenig wie Arbeitnehmer, hier also der Kläger, aufgrund einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht gehalten sind, der Verwendung und Herstellung ihrer Abbildung während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses zuzustimmen, so wenig können sie ihre einmal wirksam erteilte Einwilligung allein aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses widerrufen. Im Ergebnis der in solchen Fällen vorzunehmenden Gesamtabwägung ist vielmehr zu verlangen, dass der widerrufende Arbeitnehmer einen Grund im Sinne einer Erklärung angibt, warum er nunmehr, anders als bei der Jahre zurückliegenden Erteilung der Einwilligung, sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung gegenläufig ausüben will.

Wichtig für die arbeistvertragliche Praxis und den Arbeitnehmerdatenschutz ist die Entscheidung aber auch insofern, als das BAG eine datenschutzrechtliche Einwilligung des Arbeitnehmers ausdrücklich für möglich hält. In der datenschutzrechtlichen Literatur wurde bislang z.T. die Auffassung vertreten, dass Arbeitnehmer aufgrund des bestehenden Abhängigkeitsverhältnisses nicht oder nur eingeschränkt in die Verarbeitung ihrer Daten einwilligungen können. Dem ist das BAG nicht gefolgt. Die Begründung des Gerichts lautet wie folgt:

Auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses können Arbeitnehmer sich grundsätzlich „frei entscheiden“, wie sie ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ausüben wollen. Dem steht weder die grundlegende Tatsache, dass Arbeitnehmer abhängig Beschäftigte sind noch das Weisungsrecht des Arbeitgebers, § 106 GewO, entgegen. Mit der Eingehung eines Arbeitsverhältnisses und der Eingliederung in einen Betrieb begeben sich die Arbeitnehmer nicht ihrer Grund- und Persönlichkeitsrechte. Die zu § 4a BDSG formulierte Gegenauffassung (Simitis in Simitis BDSG 8. Aufl. § 4a Rn. 62) verkennt, dass schon nach § 32 BDSG Datenverarbeitung im Arbeitsverhältnis möglich ist, unter den Voraussetzungen des § 32 BDSG sogar einwilligungsfrei. Löste die Verweigerung einer außerhalb von § 32 BDSG erforderlichen schriftlichen Einwilligung Benachteiligungen aus, so stellte dies einen groben Verstoß gegen die arbeitgeberseitigen Pflichten aus § 241 Abs. 2 und § 612a BGB dar, der zum Schadensersatz nach §§ 282, 280 Abs. 1 BGB verpflichtete. Eine Nebenpflicht des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis, der Erhebung, Verarbeitung und Veröffentlichung seiner Daten – soweit erforderlich – zuzustimmen, besteht nicht.

Wer als Arbeitgeber also Fotos seiner Mitarbeiter im Netz veröffentlicht, sollte sich hierfür tunlichst eine schriftliche und unbefristete Einwilligung vom Arbeitnehmer erteilen lassen. Dann können die Bilder – unter den oben genannten Voraussetzungen – auch dann online bleiben, wenn das Arbeitsverhältnis beendet worden ist.

posted by Stadler at 16:12  

4 Comments

  1. Das BAG zeigt durchaus Sinn für pointierte Formulierungen:

    zudem hat der Kläger selbst zehn Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gebraucht, um eine Beeinträchtigung seiner Persönlichkeitsrechte zu empfinden.

    :-)

    Zu einem Parallelfall, der dasselbe Video betrifft, hat das BAG im Februar eine Entscheidung getroffen und zu ihr eine Pressemitteilung herausgegeben, die bereits vielfach besprochen worden ist: http://dejure.org/2015,2099

    Comment by OG — 4.05, 2015 @ 19:41

  2. Was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen.

    Diese alte Weisheit gilt auch heute. Das Recht am eigenen Bild, die informationelle Selbstbestimmung, wird bereits vergewaltigt bezüglich der Zwangsabgabe eines Fotos für Krankenkassen. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht anderer Meinung ist, es bleibt trotzdem verfassungswidrig. Krasses Fehlurteil dieser Richter mit Parteibuch, die auf Befehl der Politik ihr verfassungswidriges Urteil gefällt haben. Es sei „ja nicht so schlimm, der Krankenkasse ein Foto zuzusenden. Das Recht der Krankenkasse, gegen Missbrauch vorzugehen, sei wichtiger, als grundgesetzliche Rechte.“ Das sagen diese rechtswidrig agierenden Verfassungsfeinde im Bundesverfassungsgericht.

    Wer solche Richter hat, braucht für Rechtsbeuger nicht mehr zu sorgen.

    Der Arbeitgeber jedenfalls bekommt keinen Freifahrtschein auf Zuruf! Über die Beweislage bezüglich mündlicher Absprachen möchte ich hier lieber gar nichts mehr schreiben.

    Comment by Justus — 6.05, 2015 @ 19:11

  3. Was die Krankenkassen betrifft: Obwohl externe Privatfirmen die Fotos kassieren, die Bilder speichern über fünfzehn Jahre, die Ausweise herstellen, interessierte das die Verfassungsfeinde des Bundesverfassungsgerichtes ebenfalls nicht.

    Bananenrepublik.

    Mal sehen, wann das nächste Unternehmen Zwangsfotos einfordert. Es scheint ja alles egal zu sein, wenn es der Wirtschaft nutzt.

    Da muss das Grundgesetz schon mal weichen, da wird gerne mal das Recht gebeugt.

    Comment by Justus — 6.05, 2015 @ 19:20

  4. Ps. Da vor dem verfassungswidrigen Urteil der Bundespersonalausweis als Dokument gültig war, bei dem eine „Mitwirkungspflicht“ galt bezüglich des Fotos, habe ich diesen mehrfach durchgeschnitten und der Stadtverwaltung geschickt mit dem Hinweis, dass ich den nicht mehr benötige, da ja neuerdings die Karte der Krankenkasse der neue Personalausweis ist.

    Eine Reaktion wird sicher noch erfolgen.

    Comment by Justus — 6.05, 2015 @ 19:50

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