Vor einigen Tagen habe ich über einen Gesetzvorschlag der Grünen zur Einführung eines neuen Grundrechts auf Informationszugangsfreiheit berichtet. Die Kritik fast aller im Parlament vertretenen Parteien ließ nicht lange auf sich warten. Union, SPD und FDP lehnen das Vorhaben ab.
Wer allerdings wie der CDU-Abgeordnete Sensburg von Informationsfreiheit spricht und davon, dass die Verfassung durch ein solches Grundrecht zu einem „Verwaltungsverfahrensgesetz“ degradiert würde, hat zumindest in rechtsdogmatischer Hinsicht keine stichhaltigen Einwände formuliert.
Denn die Informationsfreiheit garantiert Art. 5 Abs. 1 GG bereits. Sie umfasst das Recht sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Dieses Grundrecht soll nach der Vorstellung der Grünen nunmehr um ein Recht erweitert werden, sich auch aus behördlichen Quellen, die zunächst gerade nicht allgemein zugänglich sind, unterrichten zu dürfen.
Das ist eine in rechtsdogmatischer Hinsicht naheliegende und konsequente Erweiterung des Grundrechtsschutzes. Mit Verwaltungsverfahrensrecht hat das wenig zu tun, denn die verfahrensmäßige Ausgestaltung des Grundrechts würde (weiterhin) einem Bundesgesetz vorbehalten bleiben. In dogmatischer Hinsicht handelt es sich bei dem Vorschlag der Grünen um eine plausible und nachvollziehbare Konstruktion, weshalb auch der von der SPD stammende Einwand, der Gesetzesvorschlag sei nicht gut gemacht, eher dem Bereich der politischen Stimmungsmache zuzuordnen ist. Der einzige konstruktive Einwand der erhoben werden könnte, ist die Stellung dieses neuen Grundrechts nach Art. 5 Abs. 2 als neuer Art. 5 Abs. 2a GG. Es würde m.E. näher liegen, die Informationszugangsfreiheit als Erweiterung der Informationsfreiheit anzusehen und demzufolge in Art. 5 Abs. 1 GG anzusiedeln. Damit würden für die Informationszugangsfreiheit auch dieselben Schranken gelten wie für die Meinungs- und die Informationsfreiheit.
Wenn man sich die Bedenken von Union und SPD betrachtet, hat man nach wie vor den Eindruck, es ginge darum, den Staat vor dem Bürger schützen. Die Wirkungsweise der Grundrechte als Schutzrechte des Bürgers gegenüber dem Staat ist allerdings exakt gegenläufig.
Für eine moderne Verwaltung sollte Transparenz eine Selbstverständlichkeit darstellen. Stattdessen pflegt man in Deutschland weiterhin ein Verwaltungsverständnis, das den Bürger als Bittsteller und nicht als Grundrechtsträger begreift und möchte sich am liebsten auch weiterhin nicht in die Karten schauen lassen. Aber die Exekutive bedarf der Kontrolle und zwar nicht nur durch die Gerichte, sondern auch unmittelbar durch das Volk.
Wer gegen ein Grundrecht auf Informationszugang ins Feld führt, dass der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ebenfalls Verfassungsrang genieße und Vorrang vor einem Auskunftsinteresse eines Bürgers haben könne, offenbart ein merkwürdiges Verfassungsverständnis. Diejenigen Unternehmen, die öffentliche Aufträge erhalten, müssen auch mit einer Kontrolle durch die Öffentlichkeit rechnen. Man sollte ihnen erst gar nicht die Möglichkeit einräumen, sich hinter dem Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen zu verschanzen, sondern vielmehr bereits die Auftragsvergabe davon abhängig machen, dass vordefinierte Transparenzanforderungen erfüllt werden.
Der auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zielende Einwand ist aber ganz prinzipiell untauglich, denn selbst schrankenlos gewährte Grundrechte unterliegen einerseits verfassungsimmanenten Einschränkungen und andererseits wird in der konkreten Ausgestaltung durch das Merkmal des überwiegenden Allgemeininteresses ohnehin eine Interessenabwägung gefordert. Auch ein Grundrecht auf Informationszugang hätte damit keinen absoluten Vorrang vor anderen Rechtspositionen. Wer mit der Grundrechtsdogmatik vertraut ist, weiß dies aber ohnehin.
Der Grundansatz der Grünen, die Informationszugangsfreiheit gleichwertig neben die Grundrechte der Meinungsfreiheit, der Pressefreiheit und der Informationsfreiheit zu stellen, ist richtig und ausdrücklich zu begrüßen. Die hiergegen von Union, SPD und FDP erhobenen Einwände sind nicht überzeugend und offenbaren einmal mehr ein fragwürdiges Grundrechtsverständnis. Es ist die Angst vor der Freiheit und den Grundrechten, die die Politik von Union und SPD prägt. Das wird an diesem Beispiel wieder einmal deutlich.