Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

22.1.14

Der Missbrauch des Urheberrechts durch den Staat

Die Open Knowledge Foundation Deutschland e.V, die die das Portal „Frag den Staat“ betreibt, hat vom Innenministerim ein internes Papier zur Frage der Verfassungsgemäßheit einer 2,5-Prozent-Hürde bei der Europawahl angefordert. Das Ministerium hat das Papier übersandt, allerdings verbunden mit dem Hinweis, dass es nicht veröffentlicht werden darf. „Frag den Staat“ hat das Papier dennoch veröffentlicht und postwendend eine Abmahnung der Bundesrepublik Deutschland erhalten. Diese Abmahnung hat die Open Knowledge Foundation mittels eines lesenswerten Anwaltsschreibens des geschätzten Kollegen Ansgar Koreng zurückweisen lassen. Mal sehen, ob die Bundesregierung hier auch noch meint, mit Steuergeldern einen Prozess gegen die Informationsfreiheit führen zu müssen.

Man wird sicherlich darüber diskutieren können, ob die juristische Stellungnahme aus dem Hause des BMI überhaupt ein urheberrechtliches Werk darstellt. Die Frage der Schöpfungshöhe wird von den Gerichten leider nach wie vor sehr uneinheitlich gehandhabt. Teilweise wird längeren Anwaltsschriftsätzen eine Schutzfähigkeit abgesprochen, mit dem Argument, die Ausführungen wären nur handwerklicher Natur, während man andererseits bereits kurzen Anzeigetexten und z.T. auch Meldungen von Presseagenturen eine ausreichende Schöpfungshöhe attestiert. Die Rechtsprechung des BGH differenziert insoweit allerdings auch zwischen (rechts-) wissenschaftlichen und literarischen Werken. Anwaltsschriftsätze ordnet der BGH den rechtswissenschaftlichen Werken zu, wobei er durchaus erhebliche Anforderungen an die Schöpfungshöhe stellt. Nachdem es sich vorliegend ebenfalls um einen juristischen Text handelt, der im Hinblick auf die Hürde der persönlich geistigen Schöpfung wohl kaum höher zu bewerten ist als ein mehrseitiger Anwaltsschriftsatz, kann man die Schutzfähigkeit sicherlich bezweifeln. Andererseits weist die aktuelle Rechtsprechung des BGH deutliche Tendenzen auf, an alle Werkarten die gleichen niedrigen Anforderungen zu stellen, weshalb man die Frage der Schöpfungshöhe von juristischen Texten heute evtl. auch großzügiger beurteilen muss als vor 20 oder 30 Jahren.

Im vorliegenden Fall sollte man aber den Aspekt des behördlichen Missbrauchs des Urheberrechts zum Zwecke der Unterdrückung von Informationen, die für die Allgemeinheit von Interesse sind, in den Vordergrund stellen.

Das Urheberrecht wird von der Bundesregierung erkennbar für den urheberrechtsfremden Zweck der Informationsunterdrückung missbraucht. In Fällen dieser Art ist allein aus verfassungsrechtlichen Gründen eine einschränkende Auslegung des urheberrechtlichen Schutzumfangs geboten. Verfassungsrechtlich geht es insoweit um Art. 5 GG, den man einfachgesetzlich über die zivilrechtliche Generalklausel des § 242 BGB (Treu und Glauben) sowie über den Aspekt der Widerrechtlichkeit in § 97 Abs. 1 UrhG einbringen könnte. Eine gerichtliche Klärung solcher Fälle, insbesondere in letzter Konsequenz vor dem Bundesverfassungsgericht, wäre deshalb durchaus interessant und wünschenswert.

posted by Stadler at 17:04  

17 Comments

  1. Nach deutschem Recht hat doch die Behörde kein Urheberrecht! Sind die denn überhaupt legitimiert, Nutzungsrechte wahrzunehmen?

    Comment by Peter Brunner — 22.01, 2014 @ 19:19

  2. Ich bezweifle ganz entschieden, dass der Vermerk Schöpfungshöhe hat. Substantielleres als bei RA Stadler findet man dazu in mehreren Beiträgen in Archivalia, Suche nach Gebrauchstexten.

    Soweit ein Urheberrecht gegeben wäre, könnte der Dienstherr über die Nutzungsrechte verfügen.

    Die Problematik, inwieweit öffentlichrechtliche Normen bei der Ausübung von Urheberrechten durch den Staat zu beachten sind, wird von der h.M. beharrlich ignoriert:

    http://archiv.twoday.net/stories/3018048/

    Comment by Dr. Klaus Graf — 22.01, 2014 @ 19:41

  3. @Peter Brunner: So einfach ist das nicht. Mal § 5 UrhG lesen.

    Comment by Stadler — 22.01, 2014 @ 20:22

  4. Wie stehen Sie denn zu den Argumenten im Widerspruch und im Widerspruchsbescheid meines Ausgangsantrages in dieser Sache auch bzgl. der Bevollmächtigung von FragdenStaat?

    Comment by Guido Strack — 22.01, 2014 @ 23:00

  5. Ja, da wäre de lege ferenda nützlich, wenn der besagte § 5 UrhG ein wenig weiter gefasst würde.

    Comment by Hannah — 23.01, 2014 @ 00:50

  6. Spendet jedenfalls bitte fleißig, um dem Betroffenen alle juristischen Möglichkeiten zu eröffnen. Vielen Dank.

    Comment by Yps — 23.01, 2014 @ 17:46

  7. Auch hier noch einmal die guten Worte des Bundesinnenministers zum Thema OpenData:

    http://www.bmi.bund.de/DE/Nachrichten/Dossiers/OpenData/opendata_node.html

    Comment by Schmunzelkunst — 23.01, 2014 @ 18:50

  8. @Edgar: es gibt halt auch noch Rechtsanwälte, die das gesetzliche Verbot aus § 43b letzter HS BRAO ernst nehmen – und es gibt auch Rechtsanwälte, die das Verbot aus § 49b BRAO beachten.

    Ich fände das Verfahren von FDS inhaltlich sehr reizvoll (und ich gehe davon aus, dass die meinen Namen kennen [ebenso den von Thomas]), aber so lange die mich nicht anrufen, sehe ich keinerlei Anlass, mich denen ungefragt aufzudrängen (zumal sie mit Ansgar K von JBB gut versorgt sind; viele gleichzeitige Köche verderben den juristischen Brei).

    Comment by le D — 23.01, 2014 @ 20:24

  9. @le D

    Tja, es gibt keinen Edgar mehr, an den Du Dich wenden kannst. Gelöscht, getilgt.

    Du hast diese Zensur heute selbst erlebt. Gebe Info dazu an alle Blogger.

    Comment by Abc — 23.01, 2014 @ 22:19

  10. Wirklich schön zu sehen, wie ein oder zwei trollende Vollhonks mit wechselnden Identitäten hier darum betteln, dass ich die Kommentarfunktion deaktiviere.

    Comment by Stadler — 23.01, 2014 @ 22:30

  11. Das wäre schade, sie hätten dann leider gewonnen

    Comment by Christian — 24.01, 2014 @ 06:39

  12. Ich sehe auch wirklich keinerlei Zensur darin, solchen Quatsch einfach mal zu löschen.

    Comment by Moon — 26.01, 2014 @ 09:08

  13. Zwei Anmerkungen, eine in der Sache selbst, eine zum Grundsätzlichen:

    1. Der Fall ist anders als von Herrn Stadler kommentiert. Es handelt sich nicht um einen eigenen Vermerk, sondern um die Nutzung von Aussagen anderer. Insofern war DEREN Urheberrecht zu schützen. Es war schon fraglich, ob überhaupt herausgegeben werden durfte; mit Sperrklausel war ein Kompromiss im Sinne des IFG!

    2. Leider sitzt Herr Stadler den gängigen Vorurteilen zum IFG auf: Wer verwertet und verwendet denn eigentlich staatliche Informationen? Das sind zumeist nur in geringen Teilen „interessierte Bürger“, ca. 80-90% der Anfragen sind von der Konkurrenz beteiligter Unternehmen (übrigens auch ausländischer!), der Rest im Wesentlichen von der Presse, die aber auch ohne IFG Kenntnisnahmeansprüche hätte.

    Die Verwendung von Informationen des Staates ist ein riesiges Geschäftsfeld geworden, das bisher im Verborgenen blüht – eben auch deshalb, weil die Dienstleistungen des Staates mit Selbstverständlichkeit von Dritten weitergenutzt werden. Das mag im Einzelfall durchaus geboten sein im Sinne des IFG. Zweck des IFG war und ist aber nicht, Wirtschaftsförderung auf Kosten der Allgemeinheit zu betreiben, noch dazu eine Wirtschaftsförderung, deren Vorteile im WEsentlichen außerhalb Deutschlands und Europas realisiert werden.

    Comment by Cornelia Finke — 27.01, 2014 @ 09:13

  14. @Cornelia Finke: 1) es ist ein Vermerk des BMI, der im Rahmen der hoheitlichen Aufgabenzuweisung geschaffen wurde und der im Rahmen einer IFG-Anfrage herausgegeben wurde. Wie man (abseits der Frage der Schutzfähigkeit des Vermerks, die ich hier als offensichtlich nicht gegeben verneine) bei einem Mitarbeiter des BMI darauf kommt, dass dann die relevanten Verwertungsrechte nicht dem BMI zustehen erschließt sich mir nicht ansatzweise.

    2) Das Wehklagen, dass die Informationen nicht mehr vom Staat, sondern von Unternehmen – und dann auch noch ausländischen! – genutzt werden, finde ich ziemlich unsinnig: 1) „Informationen“ als solche unterliegen keinem urheberrechtlichen Schutz. 2) Der Staat kann die Informationen auch weiterhin nutzen – und schlussendlich: 3) wenn weder der Staat, noch deutsche Unternehmen die Infos nutzen wollen, dann ist es (mir) nur recht, wenn die mit Steuergeld geschaffenen Informationen über Ausländische Unternehmen sinnvoll genutzt werden. Wo ist denn der „Schaden“ (Wirtschaftsförderung), wenn von den Inländern zweimal gepasst wird?

    Darauf, ob die Nutzung nach IFG gerechtfertigt werden kann (oder gerechtfertigt ist), kommt es schlicht nicht an.

    Comment by le D — 27.01, 2014 @ 13:00

  15. @Cornelia Fink:
    1. Ihre Aussage kann ich nicht nachvollziehen. Der Vermerk ist von den Sachbearbeitern des BMI unterzeichnet. Von wem sonst sollte der Vermerk sonst stammen?
    2. Es geht mir vordergründig gar nicht um das IFG, sondern darum, dass das Urheberrecht als Vorwand und Vehikel dafür benutzt wird, die Veröffentlichung von Informationen zu verhindern. Das ist mehr als offensichtlich. Dass es vorliegend um eine kommterzielle Verwertung ginge, ist für mich nicht ersichtlich. Ein NGO hat das Papier kostenlos ins Netz gestellt. Ihr Argument von der „Wirtschaftsförderung“ geht zunmindest im konkreten Fall vollständig an der Sache vorbei.

    Comment by Stadler — 28.01, 2014 @ 08:54

  16. Hab mich dasd auch gerade gefragt und bion dann als erstes auf das http://www.uni-muenster.de/Jura.itm/hoeren/materialien/welturheberrechtsabkommen.htm gekommen.

    Comment by Heikor — 20.08, 2015 @ 16:59

  17. „Zweck des IFG war und ist aber nicht, Wirtschaftsförderung auf Kosten der Allgemeinheit zu betreiben, noch dazu eine Wirtschaftsförderung, deren Vorteile im WEsentlichen außerhalb Deutschlands und Europas realisiert werden.“ finde ich uebrigens vollkommen richtig und wohion es fuehrt sehen wir beim BER. Die angebliche Transparenz und Informationsgleichheit des Verfahrens hat naemlich zum genauen Gegenteil gefuehrt. Vielleicht ist nach der mittelalterlichen totalen Veraktung aller Vorgaenge die Transparenz und Informationsgleichheit nur ein neuer „Trick“, verbotene Aktivitaeten zu verschleiern. Thanks, ich fuehle mich in guten Haenden. Es geht also um das Urheberrecht der V-Leute oder bei ihnen stellt sich das gleiche Problem. Zweckuebertragungslehre, das Urheberrecht bleibt beim V-Mann.

    Comment by Heikor — 20.08, 2015 @ 17:05

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