Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

30.6.16

BGH: Keine Geldentschädigung bei groben Beleidigungen ohne Breitenwirkung

Der BGH hat mit Urteil vom 24.05.2016 (Az.: VI ZR 496/15) entschieden, dass bei groben Beleidigungen im persönlichen Umfeld ohne Breitenwirkung in der Öffentlichkeit kein Anspruch auf Geldentschädigungen besteht. Im konkreten Fall ging es um Äußerungen eines Mieters geegnüber seinem Vermieter per SMS.

Die mit den Beleidigungen verbundenen Beeinträchtigungen können nach Ansicht des BGH befriedigend durch einen zivilgerichtlichen Unterlassungstitel und das dazugehörige Ordnungsmittelverfahren aufgefangen werden, sowie durch die zusätzlich gegebene Möglichkeit, eine Strafverfolgung auf dem Privatklageweg zu betreiben.

posted by Stadler at 11:18  

28.6.16

Der Fall Gina-Lisa Lohfink und die geforderte Verschärfung des Sexualstrafrechts

Der Fall Gina-Lisa Lohfink, die angibt vergewaltigt worden zu sein und jetzt selbst wegen falscher Verdächtigung vor Gericht steht, erhitzt die Gemüter. Während sich Feministinnen mit Lohfink solidarisieren und vor dem Gerichtsgebäude demonstrieren, meinen andere, ebendiese Demontrantinnen seien Demagoginnen und würden den Rechtsstaat frontal angreifen.

Dass die Debatte die üblichen juristischen Zirkel verlassen hat und mittlerweile auch auf der Straße geführt wird, ist zu begrüßen. Denn Gesetze regeln das Zusammenleben der Menschen und es sollte nicht Juristen vorbehalten sein, über die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit von gesetzlichen Änderungen zu diskutieren. Gesellschaftliche Debatten darüber, was strafwürdig sein soll und was nicht, sind notwendig.

Möglicherweise bietet der Fall von Gina-Lisa Lohfink allerdings nicht den besten Anlass diese Debatte zu führen. Auf den ersten Blick habe ich zunächst auch gedacht, hier hat eine Frau „Nein“ und „Hör auf“ gesagt und obwohl sie den Sex nicht wollte, wurden die beiden Männer nicht wegen Vergewaltigung oder sexueller Nötigung verurteilt. Aber so war es möglicherweise nicht. Der Staatsanwaltschaft lag wesentlich umfangreicheres Videomaterial vor, aufgrund dessen sie zu der Einschätzung gelangt ist, die sexuellen Handlungen seien einvernehmlich gewesen und das „Hör auf“ von Lohfink habe sich nur darauf bezogen, dass die Männer fortwährend gefilmt haben. Das bedeutet dann aber auch, dass dieser Fall selbst nach der geforderten Verschärfung des Sexualstrafrechts vom Gericht nicht anders entschieden worden wäre. Die Forderung „nein heißt nein“ würde leerlaufen.

Losgelöst vom Fall Lohfink muss man aber erkennen, dass nach geltendem Recht auch ein deutlich artikuliertes und nachgewiesenes Nein des Opfers nicht in jedem Fall ausreicht, weil das Gesetz in § 177 Abs. 1 StGB eine Nötigung mit Gewalt, durch Drohung für Leib oder Leben oder unter Ausnutzung einer schutzlosen Lage verlangt. Allein, wenn man die Kommentierung von Bundesrichter Thomas Fischer – einem erklärten Gegner der geplanten Verschärfung des Sexualstrafrechts – zu § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB (Ausnutzung einer schutzlosen Lage) liest, wird einem bewusst, dass die Grenzen dessen, was man jenseits von Gewalt oder Drohung mit einer Gefahr für Leib oder Leben tatsächlich als sexuelle Nötigung begreifen kann bzw. muss, reichlich unklar sind. Ob man hier von einer Schutzlücke sprechen will, hängt aber auch davon ab, wie man die Schwelle definiert, die der Täter überschreiten muss. Heißt die Schwelle Gewalt, Drohung (für Leib oder Leben), Nötigung in hilfloser Lage wie es das noch geltende Recht vorsieht oder muss diese Schwelle abgesenkt werden?

Dem Gesetzgeber müsste es gelingen, eine Formulierung zu finden, die erkennbar nicht einvernehmliche sexuelle Handlungen unter Strafe stellt, ohne gleichzeitig nichtstrafwürdiges Verhalten zu pönalisieren. Denn der bloße, nicht zum Ausdruck gebrachte Wille des Opfers kann alleine nicht ausreichend sein für eine Bestrafung. Der Gesetzgeber muss eine Tathandlung definieren, durch die sich der Täter über einen für ihn erkennbar entgegenstehenden Willen des Opfers hinwegsetzt. Das fehlende Einvernehmen des Opfers muss sich also in irgendeiner Form äußerlich sichtbar manifestieren, damit eine Missachtung des Opferwillens festgestellt werden kann. Aber auch dann wird es Fälle geben, die kritisch bleiben. Was ist, wenn es nach einem anfänglichen Nein durch Überredung doch noch zu einvernehmlichem Sex kommt? Wie genau sind die Anforderungen an die notwendige Willensbeugung zu definieren?

Der Gesetzgeber steht immer vor dem Problem, eine generell-abstrakte Formulierung finden zu müssen, die im Idealfall alle strafwürdigen Konstellationen erfasst. Nicht nur als Jurist sollte man wissen, dass das kein ganz triviales Unterfangen ist und immer auch die Gefahr besteht, über das Ziel hinaus zu schießen.

Update:
Ich wurde mehrfach gefragt, ob meine Formulierung „Das fehlende Einvernehmen des Opfers muss sich also in irgendeiner Form äußerlich sichtbar manifestieren“ bedeuten soll, dass sich das Opfer wehren muss. Das bedeutet es natürlich nicht, denn das wäre ja noch mehr als das geltende Recht verlangt. Das Nein des Opfers muss aber deutlich erkennbar zum Ausdruck kommen, weil die Strafbarkeit meines Erachtens nicht allein von einem inneren Willen abhängen kann, der nicht artikuliert wird.

posted by Stadler at 18:27  

24.6.16

Springer erzielt beim OLG Köln Teilerfolg im Streit um Adblock Plus

Im Streit um die Zulässigkeit von Werbeblockern hat der Springer-Verlag heute vor dem OLG Köln einen Teilerfolg erzielt. Nach einer Meldung von Heise beanstandet das Oberlandesgericht zwar Werbeblocker im Allgemeinen nicht, betrachtet aber offenbar anders als das Landgericht das Whitelisting-Konzept von Eyeo als aggressive geschäftliche Handlung im Sinne von § 4a UWG.

Ähnlich hatte ich das in einem schon älteren Blogbeitrag aus dem Jahre 2014 beurteilt. Man darf gespannt sein, wie der BGH die Frage der Wettbewerbswidrigkeit beurteilen wird, nachdem beide Parteien Revision angekündigt haben.

posted by Stadler at 15:03  

14.6.16

BGH zum Spannungsverhältnis von Meinungsfreiheit und Wettbewerbsrecht

Kritische oder auch herabsetzende Äußerungen zwischen Konkurrenten sind im Wirtschaftsleben an der Tagesordnung. Die juristisch interessante Frage ist hierbei, ob bei einem bestehenden Wettbewerbsverhältnis strengere Anforderungen an die Zulässigkeit einer Meinungsäußerung zu stellen sind, als nach allgemeinen äußerungsrechtlichen Grundsätzen.

In einer neuen Entscheidung (Urteil vom 17.12.2015, Az.: I ZR 219/13) geht der BGH davon aus, dass Meinungsäußerungen, die zugleich wettbewerblichen Zwecken dienen, strenger zu bewerten sind als Äußerungen, die lediglich dem allgemeinen Deliktsrecht unterliegen. Auch Meinungsäußerungen, die die Grenze zur unzulässigen Schmähkritik nicht überschreiten, können eine nach § 4 Nr. 7 UWG (aF) unzulässige Herabsetzung darstellen. Der BGH verlangt gleichwohl eine umfassende Güter- und Interessenabwägung. Insbesondere dann, wenn das Interesse des sich Äußernden auf politische, wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Belange der Allgemeinheit gerichtet ist, ist im Interesse der Meinungs- und Informationsfreiheit ein grozügigerer Maßstab anzulegen, als bei nur privat bzw. wirtschaftlich motivierten Auseinandersetzungen.

Der BGH führt in seiner Entscheidung hierzu aus:

Auch wenn die Voraussetzungen einer stets unzulässigen Schmähkritik – wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat – im Streitfall nicht vorliegen, führt die gebotene Abwägung dazu, dass die beanstandete Äußerung des Beklagten als eine nach § 4 Nr. 7 UWG aF unzulässige Herabsetzung des Klägers einzustufen ist.

Ist eine Schmähkritik zu verneinen, kann sich die lauterkeitsrechtliche Unzulässigkeit einer Äußerung über einen Mitbewerber aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung ergeben. Erforderlich ist insofern eine Gesamtwürdigung, bei der alle Umstände des Grundrechts unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegeneinander abzuwägen sind (vgl. BGH, GRUR 2012, 74 Rn. 33 – Coaching-Newsletter; Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 4 Rn. 7.21; Dittmer in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., § 4 Nr. 7 UWG Rn. 19). Ein beeinträchtigendes Werturteil kann daher umso eher zulässig sein, je nützlicher die Information für die Adressaten ist oder je mehr aus anderen Gründen ein berechtigtes Informationsinteresse oder hinreichender Anlass für die Kritik besteht und je sachlicher die Kritik präsentiert wird (Dittmer in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 4 Nr. 7 Rn. 19). Weiterhin von Bedeutung ist das Maß an Herabsetzung, das mit der Äußerung einhergeht (vgl. Ohly in Ohly/Sosnitza aaO Rn. 7/18). Bei der Gewichtung der Meinungsäußerungsfreiheit gegenüber anderen Grundrechtspositionen ist zudem zu berücksichtigen, ob vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit im Rahmen einer privaten Auseinandersetzung zur Verfolgung von Eigeninteressen oder im Zusammenhang mit einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage Gebrauch gemacht wird. Je mehr das Interesse des sich Äußernden auf politische, wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Belange der Allgemeinheit gerichtet ist, desto eher ist seine Äußerung in Abwägung mit anderen Belangen gerechtfertigt (BVerfG, GRUR 2008, 81, 83). Aus diesem Grund sind Meinungsäußerungen, die zugleich wettbewerblichen Zwecken dienen, strenger zu bewerten als Äußerungen, die nicht den lauterkeitsrechtlichen Verhaltensanforderungen, sondern lediglich dem allgemeinen Deliktsrecht unterliegen (vgl. BGH, GRUR 2012, 74 Rn. 33 – Coaching-Newsletter).

posted by Stadler at 10:49  

6.6.16

Notariell beurkundete Unterlassungserklärung beseitigt Wiederholungsgefahr nicht

Vor einigen Jahren ist die Idee entstanden, im Falle der Verletzung von Schutzrechten oder von Wettbewerbsverstößen anstelle einer schriftlichen Unterlassungserklärung mit Vertragsstragsstrafeversprechen eine notariell beurkundete Unterwerfungserklärung abzugeben. Der Schuldner der Unterlassungserklärung unterwirft sich in der Notarurkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung. Aus diesem Titel kann der Gläubiger im Falle eines Verstoßes gegen die Unterlassungsverpflichtung nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO vollstrecken. Die Vor- und Nachteile einer solchen notariellen Unterwerfung sind im ZPOBlog ausführlich erläutert.

Die Rechtsprechung tendiert in jüngster Zeit dazu anzunehmen, dass durch eine solche Unterwerfungserklärung die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt wird. Das bedeutet, dass der Unterlassungsanspruch bestehen bleibt und auch eine einstweilige Verfügung möglich bleibt. In diesem Sinne hat das OLG Düsseldorf mit Beschluss vom 04.05.2016 (Az.: I-15 W 13/16) entschieden und zur Begründung ausgeführt:

Ist es – wie hier – zu einem Wettbewerbsverstoß gekommen, besteht eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr. Ihre Fortdauer kann nur unter sehr engen Voraussetzungen widerlegt werden. Im Allgemeinen bedarf es dazu einer strafbewehrten Unterlassungserklärung des Verletzers (vgl. BGH, GRUR 1997, 379 – Wegfall der Wiederholungsgefahr II m. w. N.; Bornkamm in: Köhler/ Bornkamm, Kommentar zum UWG, 34. Aufl., § 8 UWG Rn. 1.34 und 1.38 m. w. N.). Eine notariell beurkundete Unterlassungserklärung, mit der sich der Schuldner hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft, ist damit nicht gleichzusetzen, weil eine Vollstreckung aus diesem Unterlassungstitel noch die gerichtliche Androhung von Ordnungsmitteln gemäß § 890 Abs. 2 ZPO voraussetzt und der Gläubiger bis zur Zustellung des Androhungsbeschlusses gegen Verletzungshandlungen nicht geschützt ist (OLG Köln, GRUR-RR 2015, 405 m. w. N.; Berneke/Schüttpelz, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 3. Aufl., Rn. 100; Bornkamm in: Köhler/Bornkamm, aaO, § 12 UWG Rn. 1.112d m. w. N.). Es gibt keinen überzeugenden Grund, warum die zeitliche Lücke zwischen dem Zugang der notariellen Urkunde und der Zustellung des Androhungsbeschlusses zu Lasten des Gläubigers gehen soll. Das gilt umso mehr, als der Schuldner alternativ die sogar gesetzlich in § 12 Abs. 1 UWG vorgesehene Möglichkeit zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung besitzt (OLG Köln, GRUR-RR 2015, 405 m. w. N.). Die Fortdauer der Wiederholungsgefahr richtet sich auch nicht danach, ob konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Schuldner den Zeitraum bis zur Zustellung des Androhungsbeschlusses für weitere Wettbewerbsverstöße nutzen wird. Bei Abgabe einer Unterlassungserklärung ohne Vertragsstrafeversprechen wird eine solche zusätzliche Voraussetzung zu Recht deshalb nicht aufgestellt, weil der Gläubiger keine Möglichkeit besitzt, den Unterlassungsanspruch durchzusetzen. Bis zur Zustellung des Androhungsbeschlusses ist die Interessenlage bei einer notariell beurkundeten Unterlassungserklärung vergleichbar, weil der Schuldner solange ebenfalls sanktionslos gegen die Unterlassungsverpflichtung verstoßen kann. Der Gläubiger darf somit in diesem Zeitraum nicht deshalb schlechter gestellt werden, weil der Schuldner diese Form der Unterlassungserklärung gewählt hat.

Es ist vor diesem Hintergrund davon abzutraten, derartige notariell beurkundete Unterlassungserklärungen abzugeben.

posted by Stadler at 17:09