Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

16.6.12

USA: Haftung von Providern und Informationsmittlern befürchtet

Die Electronic Frontier Foundation (EFF) berichtet über eine Klage des Internet Archives gegen ein neues Gesetz des Staates Washington, durch das die sexuelle Ausbeutung Minderjähriger bekämpft werden soll. Das Internet Archive stört sich vor allen Dingen an folgender Formulierung des Gesetzes:

A person commits the offense of advertising commercial sexual abuse of a minor if he or she knowingly publishes, disseminates, or displays, or causes directly or indirectly, to be published, disseminated, or displayed, any advertisement for a commercial sex act, which is to take place in the state of Washington and that includes the depiction of a minor.

Die Unschärfe der Gesetzesformulierung lässt eine weitreichende Haftung von jedermann möglich erscheinen, der direkt oder indirekt die Veröffentlichung oder die Anzeige von Content verursacht, der sexuellen Kontakt mit Minderjährigen bewirbt. Das Internet Archive befürchtet deshalb, dass gerade Informationsmittler wie Internet-Service-Provider, Internet-Cafes oder Bibliotheken von dem Gesetz betroffen sein werden. Das Internet Archive stützt seine Klage auf amerikanisches Bundesrecht, insbesondere auf die Meinungs- und Informationsfreiheit.

Der Versuch, Informationsmittler und technische Dienstleister für fremde Inhalte verantwortlich zu machen, ist also keineswegs ein deutsches oder europäisches Phänomen.

posted by Stadler at 15:22  

28.12.11

Zugangserschwerungsgesetz nunmehr endgültig aufgehoben

Die Aufhebung des Zugangserschwerungsgesetzes ist heute im Bundesgesetzblatt verkündet worden, womit die letzte formelle Hürde für die endgültige Aufhebung des „Netzsperren-Gesetzes“ genommen ist.

Das Aufhebungsgesetz tritt morgen in Kraft, d.h., dass es das Gesetz, das nie angewandt worden ist, ab dem 29.12.2011 auch offiziell nicht mehr gibt.

posted by Stadler at 15:34  

1.12.11

Zugangserschwerungsgesetz aufgehoben

Was die Bundesregierung bereits vor einiger Zeit beschlossen hatte, wurde heute Abend vom Bundestag endlich umgesetzt. Das unsägliche Zugangserschwerungsgesetz ist aufgehoben worden. Das löst bei mir Zufriedenheit aus, denn zu diesem Thema hatte ich mir fast die Finger wund gebloggt.

Dieses Ergebnis ist zunächst ein beispielloser Erfolg der digitalen Bürgerrechtsbewegung, insbesondere des AK Zensur. Es ist jetzt aber auch der richtige Zeitpunkt, um die FDP-Fraktion einmal zu loben. Oder wie Daniel Schultz es sehr treffend auf Twitter formuliert hat:

Es gibt viel an der FDP zu kritisieren, ihr entschossener Kampf gegen Zensursula gehört nicht dazu!

posted by Stadler at 21:11  

24.6.11

EU normiert keine Pflicht zur (Wieder-)Einführung von Netzsperren

Art. 21 des Entwurfs einer Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie, sieht entgegen bisheriger Entwürfe nunmehr offenbar keine Verpflichtung der Mitgliedsstaaten mehr vor, Access-Sperren, die in Deutschland durch Aufhebung des Zugangserschwerungsgesetzes gerade wieder beseitigt wurden, einzuführen. Das berichten netzpolitik.org und EDRi.

Wie der Brüssel-Insider Ralf Bendrath – der selbst an diesem Ergebnis nicht ganz unbeteiligt sein dürfte – für netzpolitik.org schreibt, hat Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger sehr aktiv und erfolgreich in diese Richtung verhandeln lassen.

Zu wenig beachtet wird bei solchen Erfolgen auch, dass sich die Organisation European Digital Rights (EDRi) mit Joe McNamee in Brüssel sehr engagiert und wirkungsvoll für unsere Bürgerrechte einsetzt und dort auch als offizieller Interessenvertreter akkreditiert ist. Weil die Öffentlichkeitsarbeit von EDRi nicht so spektakulär ist, wie die anderer Gruppen, wird das aber hierzulande wenig wahrgenommen. An dieser Stelle ist auch die passende Gelegenheit auf das EDRi-gram, den zweiwöchentlichen Newsletter über Bürgerrechte in Europa, den es auch in einer deutscher Fassung gibt, hinzuweisen.

Und im konkreten Fall darf man auch Christian Bahls (MOGIS), einen der engagiertesten deutschen Netzsperren-Gegner nicht unerwähnt lassen. Bahls hat sich auf eigene Kosten in Brüssel dafür eingesetzt, dass die verbindliche Sperrverpflichtung nicht über den Umweg der EU nach Deutschland zurückkehrt.

posted by Stadler at 11:18  

6.6.11

Netzsperren und Nebelkerzen

Heise hat vor einigen Tagen über Details zu den Sperrungsanordnungen in NRW auf Basis des Glückspielstaatsvertrags berichtet. Die Bezirksregierung Düsseldorf hat dort Verwaltungsakte gegenüber der Telekom und Vodafone erlassen, mit denen diesen Providern aufgegeben wird, den Zugang zu zwei Glücksspielwebsites über die Einrichtung einer sog. DNS-Sperrung zu erschweren. Diese Sperrungsanordnungen werden derzeit von den Verwaltungsgerichten überprüft und vorerst nicht vollzogen.

Der Bericht von Heise schließt mit der Einschätzung, dass der Streit wegen des kommenden neuen Glücksspielstaastvertrags wahrscheinlich ergebnislos enden wird. Dies würde allerdings voraussetzen, dass der neue Staatsvertrag keine Netzsperren mehr vorsieht. Der bislang vorliegende Entwurf normiert aber ganz im Gegenteil eine sogar noch eindeutigere rechtliche Grundlage für Sperrverfügungen als die geltende Fassung.

Die rot-rote Landesregierung in Brandenburg verteidigt diesen Entwurf der Neufassung – obwohl sich SPD und Linke sonst gerne als Gegner von Netzsperren gerieren – als rechtsstaatlich geordnetes Verwaltungsverfahren.

In einem Schreiben der Staatskanzlei des Landes Brandeburg heißt es hierzu, dass das Internet kein rechtsfreier Raum sei und, dass für den Internetunternehmer, der seine Produkte unerlaubt aus dem Ausland vor Ort anbietet, dasselbe gelten müsse, wie für den Zeitungskiosk an der Ecke. Aha. Wenn der Internetzugangsanbieter Produkte (Zeitungen) verkaufen würde, wäre das ja halbwegs nachvollziehbar. Tut er aber nicht. Wenn man bei der Analogie zur Offline-Welt bleiben will, dann ist der Zugangsprovider vielmehr nur ein Postbote.

Die Staatskanzlei Brandenburg vergleicht aber in ihrem Schreiben nicht nur Äpfel mit Birnen, sondern zündet noch weitere Nebelkerzen. So wird ausgeführt, dass die Untersagung des Zugangs keine Sanktion sei. Das hat aber ohnehin niemand ernsthaft behauptet. Netzsperren waren sowohl nach dem Konzept des Zugangserschwerungsgesetzes als auch nach dem RStV und dem GlüStV schon immer Maßnahmen der Gefahrenabwehr ohne Sanktionscharakter.

Die rot-rote Landesregierung in Brandenburg macht wieder einmal das, was die Politik so gerne macht. Sie versucht, die Menschen für dumm zu verkaufen.

posted by Stadler at 14:52  

4.5.11

Neue Sperrungsanordnungen in NRW

In Nordrhein-Westfalen werden aktuell wieder Sperrungsverfügungen gegen Access-Provider erlassen, wie Heise berichtet. Grundlage ist diesmal der Glücksspielstaatsvertrag. Das Ziel ist die Blockade ausländischer Glücksspielwebsites.

Derzeit ist hierzu beim Verwaltungsgericht Köln ein Hauptsacheverfahren (Az.: 6 K 5404/10) und ein Eilverfahren (Az.: 6 L 1230/10) gegen eine Sperrungsverfügung der Bezirksregierung Düsseldorf vom 12.08.2010 anhängig. Klägerin des Verfahrens ist die Telekom, die von der Bezirksregierung verpflichtet wurde, den Zugang zu den Websites „www.bwin.com“ und „www.tipp24.com“ durch Einrichtung einer DNS-Sperrung zu erschweren.

Beim Verwaltungsgericht Düsseldorf ist ebenfalls ein Hauptsacheverfahren und ein Eilverfahren (Az.: 27 K 5887/10 und 27 L 1548/10) anhängig, das von Vodafone angestrengt wurde.

Für Sperrungsanordnungen gegen Zugangsprovider bietet schon der geltende Glücksspielstaatsvertrag keine ausreichende Rechtsgrundlage. Nach der Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 5 GlüStV kann Diensteanbietern im Sinne von § 3 Teledienstegesetz, soweit sie nach diesem Gesetz verantwortlich sind, die Mitwirkung am Zugang zu unerlaubten Glücksspielangeboten untersagt werden. Access-Provider werden allerdings nach § 8 TMG (dem Nachfolgegesetz des TDG) ausdrücklich als nicht verantwortlich qualifiziert.  Sie erfüllen damit also nicht die Voraussetzung des § 9 Abs. 1 Nr. 5 GlüStV und sind deshalb keine geeigneten Adressaten behördlicher Sperrverfügungen.

Warum Sperrungsanordnungen ganz allgemein als rechtlich fragwürdig zu betrachten sind, habe ich in einem älteren Beitrag für die Zeitschrift MMR am Beispiel der Düsseldorfer Sperrungsverfügungen erläutert.

Hinzu kommt, dass zumindest der geltende Glücksspielstaatsvertrag auch europarechtlich auf wackeligen Beinen steht. Letztlich verdient der Staat mit seinem Glücksspielmonopol prächtig und diese Einnahmen sind in den Landeshaushalten fest eingeplant. Die offizielle Absicht der Bekämpfung der Spielsucht, darf man deshalb getrost als vorgeschoben betrachten.

posted by Stadler at 17:24  

3.5.11

Studie zu Kinderpornografie im Internet

Eine neue Studie des Kriminalwissenschaftlichen Instituts der Uni Hannover zur Verbreitung von Kinderpornografie im Internet belegt, dass das WWW nicht den Hauptverbreitungsweg für kinderporngrafische Inhalte darstellt, sondern vielmehr Tauschbörsen und geschlossene Benutzergruppen die wesentlichen Kanäle bilden. Die Studie liefert zudem keinen Beleg für die von der Politik immer wieder aufgestellte Behauptung eines kommerziellen Massenmarktes.

Dies entspricht dem, was ich in meiner schriftlichen Stellungnahme zum Sachverständigengespräch im Unterausschuss Neue Medien des Deutschen Bundestages vom 25.10.2010 bereits dargestellt hatte. Die jetzige Studie belegt im Nachhinein, dass der Gesetzgeber bei Erlass des Zugangserschwerungsgesetzes von falschen Annahmen ausgegangen ist und, dass Netzsperren in diesem Bereich bereits deshalb kein probates Mittel darstellen, weil sie nicht bei den Hauptverbreitungswegen ansetzen.

posted by Stadler at 12:27  

28.4.11

Eckpunktepapier zur Umsetzung des Grundsatzes „Löschen statt Sperren“

Das Eckpunktepapier der Bundesregierung vom 11.04.2011 für ein Gesetz zur Umsetzung des Grundsatzes „Löschen statt Sperren“ sieht vor, das Zugangserschwerungsgesetz (Artikel 1 des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen) vollständig aufzuheben.

Wörtlich heißt es in dem mir vorliegenden Eckpunktepapier:

In das Gesetz werden ausschließlich folgende Regelungen aufgenommen:

1. Aufhebung des Artikel 1 des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen. Stattdessen werden kinderpornographische Inhalte auf der Grundlage des geltenden Rechts gelöscht.

2. Artikel 2 des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen regelt eine Erhebungsbefugnis von Daten zugunsten des Telekommunikationsanbieters nach § 96 TKG, soweit dies für die in § 2 oder § 4 ZugErschwG genannten Zwecke erforderlich ist. Diese auf das Sperren nach dem ZugErschwG bezogene Erhebungsbefugnis ist als Folgeänderung aus dem TKG zu streichen.

3. Artikel 3 des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen regelt eine Evaluierungspflicht der Bundesregierung und die Pflicht, über die Ergebnisse der Evaluierung gegenüber dem Bundestag Bericht zu erstatten. Mit dem Verzicht auf das Sperren entfällt auch der Evaluierungsgegenstand. Die Evaluierungs- und Berichterstattungspflicht wird deshalb ebenfalls aufgehoben.

posted by Stadler at 16:09  

20.4.11

Verfassungsbeschwerde gegen das Zugangserschwerungsgesetz unzulässig

Nachdem netzpolitik.org heute darüber berichtet, dass das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde gegen das Zugangserschwerungsgesetz nicht zur Entscheidung angenommen hat, häufen sich bei mir gerade die Anfragen zu den Hintergründen. Die Verfassungsbeschwerde wurde von Dominik Boecker und mir für vier Beschwerdeführer aus dem Umfeld des AK Zensur erhoben, weshalb ich hierzu ein paar Dinge erläutern möchte.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde als unzulässig bewertet und damit über die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Zugangserschwerungsgesetz erst gar nicht entschieden. Der knappe Beschluss vom 29.03.2011 deutet zunächst darauf hin, dass das BVerfG der Ansicht ist, es sei nicht ausreichend dargelegt worden, dass die vier Beschwerdeführer in ihren Grundrechten verletzt sind.

Darauf, dass diese Gefahr besteht und gerade die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde kritisch ist, habe ich im Vorfeld auch hier im Blog mehrfach hingewiesen. Die Darstellung, dass ein einfacher Nutzer unmittelbar und gegenwärtig durch ein Gesetz in seinen Grundrechten betroffen ist und gerade eine Entscheidung des BVerfG zum Schutz dieser Rechte notwendig ist, ist ganz allgemein schwierig.  Es kommt erschwerend hinzu, dass hier ein Gesetz angegriffen wurde, das nie angewendet worden ist, weshalb streng genommen auch nie jemand betroffen war. Diese Aspekte haben wir im Vorfeld ausgiebig und auch kontrovers diskutiert. In Kenntnis des Riskos hat man sich dennoch entschlossen, die Jahresfrist des § 93 Abs. 3 BVerfGG zu wahren, weil nach Ablauf dieser Frist nur noch ein Vollzugsakt angegriffen werden kann und nicht mehr unmittelbar das Gesetz selbst.

Das Gericht erwähnt in seinem Beschluss außerdem die Vorschrift des § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG und gibt damit zu erkennen, dass zunächst der Rechtsweg hätte ausgeschöpft werden müssen, sprich zuerst Klagen bei den Verwaltungsgerichten zu erheben sind und dort der Instanzenzug auszuschöpfen ist. Damit hält das Gericht eine unmittelbare Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz – zumindest mit diesen Beschwerdeführern – nicht für möglich.

Ganz generell sollte man wissen, dass Verfassungsbeschwerden grundsätzlich einer Annahme durch das Bundesverfassungsgericht bedürfen und nur in den Fällen die § 93a BVerfGG nennt, eine solche Annahme auch stattfindet. Das führt dazu, dass im Bereich des Ersten Senats ca. 95 % der Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen werden. Die Annahmepraxis des BVerfG ist also äußerst restriktiv, die Nichtannahme stellt den statistischen Normalfall dar.

posted by Stadler at 17:40  

5.4.11

Zugangserschwerungsgesetz endgültig vom Tisch?

Die DPA meldet, die Koalition habe sich darauf verständigt, auf das umstrittene Sperren von kinderpornografischen Webseiten zu verzichten und das Zugangserschwerungsgesetz aufzuheben. Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger twittert, dass der Koalitionsausschuss einer Internet-Sperrinfrastruktur endgültig eine Absage erteilt habe. Die Meldung scheint also zu stimmen.

Nachdem es allerdings gilt, ein in Kraft befindliches Gesetz zu beseitigen, muss abgewartet werden, bis ein entsprechendes Aufhebungsgesetz das parlamentarische Verfahren durchlaufen hat. Sollte das Zugangserschwerungsgesetz tatsächlich vom Parlament aufgehoben werden, wäre damit auch die anhängige Verfassungsbeschwerde hinfällig.

Auf Twitter lässt sich bereits verfolgen, wie die verschiedenen politischen Gruppierungen versuchen, dieses Ergebnis als eigenen politischen Erfolg zu verbuchen, selbst die CSU. Man darf und muss hier in jedem Fall die Bundestagsfraktion der FDP und die Justizministerin lobend hervorheben, denn sie sind standhaft geblieben, was nicht alle erwartet haben. Letztlich handelt es sich vor allen Dingen aber um das Ergebnis der Arbeit einer neuen digitalen Bürgerrechtsbewegung, namentlich der des AK Zensur.

posted by Stadler at 22:07  
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