Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

17.9.12

Das BKA, die Cyberkriminalität und die Propaganda

Überall beglückt man uns heute mit der Überschrift

„BKA: Bedrohung durch Internetkriminalität nimmt zu“

Auch Heise und das Deutschlandradio lassen sich zur Übernahme dieser irreführenden Überschrift, die wohl von der dpa stammt, hinreißen. Wirft man einen Blick auf die Zahlen, die der ohnehin fragwürdigen Polizeilichen Kriminalstatisitik entnommen wurden, dann stellt man zunächst einen Rückgang der Delikte um einige hundert Fälle fest. Von Zunahme keine Spur. Wie kommt das BKA also zu dieser eher fragwürdigen These? Angeblich sei der – natürlich geschätzte – Schaden im Vergleich zum Vorjahr um 16 Prozent gestiegen. Gibt es für eine solche Schätzung zumindest in tatsächlicher Hinsicht ausreichend Anhaltspunkte? Das Papier des BKA erläutert hierzu:

Die Tatsache, dass zu lediglich zwei Deliktsbereichen eine statistische Schadenserfassung erfolgt, lässt zwar keine belastbaren Aussagen zum tatsächlichen monetären Schaden im Bereich Cybercrime zu, reicht aber nach hiesiger Einschätzung aus, um mittel- und langfristig zumindest Entwicklungstendenzen darzustellen.

Das spricht finde ich für sich und muss nicht weiter kommentiert werden.

Wir haben in diesem Bereich in Wirklichkeit vielmehr ein massives Problem mit einer Berichterstattung, die vom BKA eingefärbte Aussagen unkritisch übernimmt.

Um es ganz deutlich zu sagen: Im Bereich des Cybercrime ist weder ein Anstieg der Deliktszahlen noch der Schäden festzustellen. Jedenfalls aus dem vom BKA vorgelegten „Cybercrime Bundeslagebericht 2011“ ergibt sich beides bei näherer Betrachtung nämlich nicht. Das BKA macht alle Jahre wieder Stimmung und die Qualitätsmedien machen wie gewohnt mit.

posted by Stadler at 22:04  

4.11.11

Von wegen rechtsfreier Raum Internet

Der AK Vorratsdatenspeicherung weist auf die unlängst veröffentlichte ausführliche Fassung der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) 2010 hin.

Die PKS ist ohnehin nur in sehr beschränktem Maße aussagekräftig und stellt letztlich eher ein Instrument politischer Stimmungsmache dar als einen zuverlässigen Gradmesser der Kriminalitätsentwicklung. Gerade das wird leider in der Berichterstattung so gut wie nie thematisiert.

Aber selbst für innenpolitische Stimmungsmache taugt die PKS gerade nicht wirklich, jedenfalls dann nicht, wenn es um die Schimäre vom rechtsfreien Raum Internet geht. Die Behauptung des BKA und zahlreicher Innenpolitiker, man könne schwere Straftaten im Internet mit klassischen polizeilichen Ermittlungsmethoden nicht mehr aufklären, weshalb u.a. eine Vorratsdatenspeicherung zwingend nötig sei, ist auch durch die aktuelle PKS einmal mehr falsifiziert worden. Die Aufklärungsquote beträgt bei Internetdelikten nach der PKS immer noch beachtliche 72 %, gegenüber mageren 56 % durchschnittlicher allgemeiner Aufklärungsquote. Wer da von einem rechtsfreien Raum spricht, ist ein Demagoge.

Der AK Vorrat weist zudem zu Recht darauf hin, dass laut der PKS die Fälle der Verbreitung pornographischer Schriften, zu denen nach der Statistik auch kinderpornographische Schriften zählen, deutlich rückläufig sind und zwar ganz ohne Netzsperren und Vorratsdatenspeicherung.

Die Statistik belegt einmal mehr, dass mehr als 80% der Internetstraftaten Betrugsdelikte sind. Und das wäre dann in diesem Bereich auch der Hauptanwendungsfall einer Vorratsdatenspeicherung und keineswegs die in der öffentlichen Diskussion immer wieder ins Feld geführte Schwerstkriminalität.

 

posted by Stadler at 11:30  

26.8.11

Das BKA und die Hysterie

Daran, dass der Präsident des Bundeskriminalamts Jörg Ziercke selten sachlich argumentiert, aber dennoch von Teilen der Politik Ernst genommen wird, habe ich mich gewöhnt, ebenso wie an den Umstand, dass Ziercke Bürgerrechtlern Hysterie vorwirft, während er gleichzeitig Ängste schürt.

Dass er flankierend eine gezielte Irreführung betreibt, muss aber immer und immer wieder deutlich angesprochen werden.  Ziercke behauptet nach einem Bericht von Heise-Online zum wiederholten Male, dass man schwerste Straftaten im Internet mit klassischen polizeilichen Ermittlungsmethoden nicht mehr aufklären könne, weshalb es bei schweren Straftaten wie Kinderpornografie oder im Kampf gegen den internationalen Terrorismus möglich sein müsse, auf Verbindungsdaten mindestens sechs Monate zurückzugreifen.

Diese Aussagen sind gleich in mehrfacher hinsicht falsch und stehen z.T. auch in Widerspruch zu eigenen Veröffentlichungen des BKA. Wenn man auf die Polizeiliche Kriminalstatistik – auf deren begrenzte Tauglichkeit ich mehrfach hingewiesen habe – zurückgreift, dann zeigt sich, dass die Aufklärungsquote bei Internetstraftaten nach wie vor über dem Durchschnitt liegt. Davon, dass Internetstraftaten nicht mehr aufklärbar seien, kann also gar keine Rede sein. Außerdem ist selbst das BKA der Ansicht, dass ein Zusammenhang zwischen Aufklärungsquoten und Vorratsdatenspeicherung nicht nachweisbar ist. Auf der Website des BKA kann man hierzu folgendes lesen:

Aufklärungsquoten der PKS können also weder als Argument für noch gegen Mindestspeicherfristen herangezogen werden

Vielleicht sollte Herr Ziercke einfach die Veröffentlichungen seines eigenen Hauses aufmerksamer verfolgen.

Wenn man mit Beamten des BKA spricht – ich hatte im letzten Jahr Gelegenheit dazu – ist im Zusammenhang mit Internkriminalität primär von der Bekämpfung von Betrugsstraftaten die Rede. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn nach der PKS sind mehr als 80 % der Internetdelikte Betrugsfälle. Davon spricht Ziercke allerdings nicht.

Wenn der BKA-Präsident redlich argumentieren würde, so müsste er sagen, dass man mit der Vorratsdatenspeicherung die Hoffnung verbindet, zusätzlich eine gewisse – allerdings eher geringe – Anzahl von Betrugsdelikten aufzuklären. Stattdessen polemisiert er und redet ständig von schwersten Straftaten und von Terrorismus. Denn nur wenn es drastisch genug ist, kann man die Bevölkerung von der Notwendigkeit einer Vorratsdatenspeicherung überzeugen. Denn wer wird es schon für sinnvoll und angemessen halten, die Telekommunikationsverbindungsdaten sämtlicher Bürger für 6 Monate auf Vorrat zu speichern, wenn damit allenfalls – und selbst dies ist ungewiss – eine Handvoll Betrugsdelikte zusätzlich aufgeklärt werden können. Genau diese Diskussion wäre aber zu führen.

posted by Stadler at 10:42  

18.5.10

Anstieg der Computerkriminalität?

Bundesinnenminister de Maiziere hat heute die polizeiliche Kriminalitätsstatistik 2009 vorgestellt und weist u.a. darauf hin, dass die Computerkriminalität deutlich zugenommen habe und hierbei der größte Anstieg beim Ausspähen und Abfangen von Daten zu verzeichnen gewesen sei. Das berichtet die FTD Deutschland.

Wenn der Staat neue Straftatbestände schafft, wie das beim sog. Abfangen von Daten (§ 202b StGB) geschehen ist, dann ist ein Anstieg der statistischen Kriminalitätsrate allerdings kaum zu vermeiden, denn schließlich wird ein Verhalten unter Strafe gestellt, das bislang straffrei war. Es wäre ein Gebot der Seriosität, solche Umstände auch bei der Präsentation der Statistik nicht unerwähnt zu lassen.

Die deutsche Kriminalitätsstatistik ist ohnehin ein Problemfall, der leider in der Presse als solcher nie thematisiert wird. Denn die Statistik erfasst keineswegs nur die Fälle erwiesener bzw. verurteilter Straftaten, sondern vielmehr alle polizeilichen Verdachtsfälle. Hier fließen deshalb auch „Taten“ ein, die keine sind. Selbst dann, wenn kein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wird oder ein solches bereits nach kurzer Zeit wegen des Fehlens eines Tatverdachts eingestellt wird,  erscheinen diese „Taten“ in der Statistik.

Es wäre sicherlich auch möglich, aussagekräftige Kriminalitätsstatistiken zu führen. Aber gerade das ist nicht erwünscht, denn die Kriminalitätsstatistik ist seit jeher ein Instrument der Innenpolitik. Liebe Qualitätsjournalisten da draußen, wäre das nicht vielleicht mal ein Thema für eine kritische Berichterstattung?

Update: Gerade so als wollte die Süddeutsche die Richtigkeit meines Blogbeitrags bestätigen, titelt das Blatt heute immerhin auf Seite 1: „Internet-Kriminalität wächst um 18 Prozent“. Erwartungsgemäß liest man allerdings kein Wort darüber, dass durch die Umsetzung der Cybercrime-Convention eine Reihe neuer Straftatbestände im Bereich der Computerkriminalität geschaffen wurden – u.a. der genannte § 202b StGB – wodurch die Strafbarkeit in diesem Bereich erheblich ausgeweitet wurde. Und das schlägt sich nunmehr eben auch in der Statistik nieder. Auch Prof. Henning Ernst Müller spricht im Beck-Blog von einem wenig überraschenden Anstieg bei  Computerdelikten.

posted by Stadler at 22:28  

21.9.09

Fehlerhafte Kriminalstatistik und ihr Einfluss auf die öffentliche Diskussion

Im Beck Blog berichtet Prof. Henning Ernst Müller in einem sehr interessanten Beitrag über Fehler der Kriminalitätsstatistik 2008 und ihren Einfluss auf die politische Diskussion.

Unabhängig von den Aspekten die Müller beleuchtet, sollte man sich immer den grundlegenden Schwächen und Unzulänglichkeiten der deutschen Kriminalitätsstatistik bewusst sein.

Die Erhebung heißt aus gutem Grund „Polizeiliche Kriminalstatisitk“. Erfasst werden nämlich nur Verdachtsfälle, die bei der Polizei eingehen, unabhängig davon, ob sich hieraus ein förmliches Ermittlungsverfahren entwickelt, ob es zur Anklage oder gar zu einer Verurteilung kommt. Auch Verfahren die eingestellt werden und sogar solche die später vor Gericht mit einem Freispruch enden, verbleiben in der Statistik.

Das war zum Beispiel auch der Grund dafür, dass diejenigen, die das Zugangserschwerungsgesetz durchsetzen wollten, in der Diskussion immer einen sprunghaften Anstieg der Fälle von Kinderpornografie behaupten konnten. Denn Ende 2007 fand die sog. Operation Himmel statt, die angeblich 12.000 Verdachtsfälle zu Tage gefördert hatte, die auch Eingang in die Statisitk gefunden haben. Nur wenige Wochen nach Bekanntwerden der Operation Himmel, war freilich kar, dass die Staatsanwaltschaften die Mehrzahl der Verfahren mangels Tatverdacht einstellen mussten und allenfalls eine Hand voll Fälle übrig geblieben ist, die weiter verfolgt worden sind. Man hatte es nicht mit 12.000, sondern wohl nur mit einer zweistelligen Zahl von Straftaten zu tun. Das wussten natürlich auch BKA und Bundesregierung. Gleichwohl hat man sich – wider besseren Wissen – auf das überholte Zahlenmaterial berufen, um die Netzsperren durchzusetzen.

Man muss sich darüber im Klaren sein, dass die deutsche Kriminalitätsstatisitk nur über einen sehr begrenzten Erkenntniswert verfügt und stets kritisch und mit Vorsicht zu betrachten ist. Das scheinen auch viele Journalisten nicht erkannt zu haben oder immer wieder aus den Augen zu verlieren.

posted by Stadler at 10:50