Warum das Europaparlament ACTA die Zustimmung versagen sollte
Das sog. Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) soll verschiedene neue Instrumentarien zur Eindämmung von Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen einführen. Es handelt sich um ein völkerrechtliches Abkommen, das sich am TRIPS-Abkommen orientiert und dessen Hauptziel eine bessere internationale Durchsetzung von Rechten des „geistigen Eigentums“ ist.
Die Verhandlungen,an denen unter anderem die USA und die EU teilnahmen, wurden geheim geführt. Das Ergebnis ist aus formellen und aus inhaltlichen Gründen als problematisch einzustufen.
Die Verhandlungen, in die weder die WTO noch die WIPO einbezogen worden sind, erfolgten ohne Konsultation der nationalen Parlamente und des Europaparlaments und wurde hinter verschlossenen Türen geführt. Ein Prozess, der der Schaffung weitreichender Regelungen im Bereich des Urheberrechts und der gewerblichen Schutzrechte dient, die sich anschließend in den teilnehmenden Staaten massiv gesellschaftlich und wirtschaftlich auswirken, ist transparent und demokratisch zu gestalten. Nachdem diese Voraussetzungen nicht im Ansatz erfüllt sind, muss allein dieser Umstand ausreichen, damit das Europaparlament das Abkommen nicht ratifiziert.
Schwerwiegender sind allerdings die inhaltlichen Einwände. Auch wenn im Laufe der Verhandlungen Instrumentarien wie Netzsperren wieder gestrichen worden sind, verfestigt ACTA eine Fehlentwicklung im Urheberrecht, die dringend einer Korrektur bedürfte. Führende deutsche und europäische Rechtswissenschaftler haben das Ergebnis deshalb kritisiert und das Europarlament aufgefordert, ACTA nicht zu ratifizieren.
ACTA steht nicht für den dringend notwendigen Ausgleich der widerstreitenden legitimen Interessen von Urhebern und Rechteinhabern einerseits und Nutzer andererseits. ACTA stärkt vielmehr erneut in sehr einseitiger Weise die Interessen der Content-Industrie, schadet aber dem Gemeinwohl der teilnehmenden Staaten. Welche Weichenstellung im Urheberrecht aus meiner Sicht geboten wäre, habe ich hier im Blog bereits ausführlich skizziert.
Auch die von Urheberrechtslobbyisten gerne verbreitete These, dass die fortlaufende Verschärfung des Urheberrechts zu Gunsten der Rechteinhaber wirtschaftlich notwendig und sinnvoll sei, erweist sich bei näherer Betrachtung als Trugschluss, sofern man gesamtwirtschaftliche Erwägungen im Blick hat und nicht die Singularinteressen einer einzelnen Branche.
Karl-Nikolaus Peifer, einer der renommiertesten deutschen Urheberrechtler und Mitunterzeichner der „OPINION OF EUROPEAN ACADEMICS ON ANTI-COUNTERFEITING TRADE AGREEMENT“ hat unlängst in einem Interview sehr anschaulich erläutert, warum das (digitale) Urheberrecht am Abgrund steht und welche Maßnahmen erforderlich wären, um die Legitimationskrise des Urheberrechts zu beenden und einen fairen und vor allen Dingen funktionierenden Ausgleich zwischen den Interessen von Urhebern und Nutzern herbeizuführen.
Die Europaparlamentarier sollten deshalb im Interesse der Menschen die sie gewählt haben und auch im Interesse der volkswirtschaftlichen Belange der Mitgliedsstaaten ACTA die Zustimmung versagen.