Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

16.9.11

BGH zur automatisierten Auswertung von Online-Datenbanken

Der BGH hatte über die Frage der Zulässigkeit der automatisierten Auswertung von Online-Datenbanken zu entscheiden. Ähnliche Fallkonstellationen waren schon mehrfach Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen und werden gerne unter dem Schlagwort „Screen-Scraping“ diskutiert.

Nach dem Urteil des BGH vom 22.06.2011 (Az.: I ZR 159/10) ist es zulässig, dass mehrere Onlinebörsen (für Automobile) softwaregestützt gleichzeitig nach Verkaufsangeboten durchsucht und ausgewertet werden, ohne dass der Nutzer des Programms die Websites der Onlinebörsen dafür aufsuchen muss.

Der Betreiber einer Automobil-Onlinebörse hatte gegen den Softwarehersteller geklagt, weil er durch diese Art der Auswertung seine Rechte als Datenbankhersteller verletzt sah und außerdem meinte, die Auswertung sei wettbewerbswidrig.

Der BGH stellt zunächst fest, dass eine Atomobil-Onlinebörse als Datenbank im Sinne von §§ 87a ff. UrhG anzusehen ist.

Der BGH verneint dann eine Auswertung wesentlicher Teile der Datenbank, weil der Nutzer immer eine bestimmte Fahrzeugmarke und ein bestimmtes Fahrzeugmodell angeben muss. Es ist deshalb nach Ansicht des BGH ausgeschlossen, dass aufgrund der Suchanfrage eines Nutzers sämtliche Fahrzeugdaten der Datenbank im Arbeitsspeicher des Nutzers gespeichert werden.

Der BGH führt außerdem aus, dass die Nutzer der Software, die mittels der automatisierten Abfrage permanent Daten der Datenbank im Arbeitsspeicher ihres Computers speichern, damit zwar wiederholt und systematisch Teile der Datenbank der Klägerin vervielfältigen. Diese Vervielfältigungen stehen jedoch der Verwertung eines nach Art oder Umfang wesentlichen Teils der Datenbank nicht gleich. Sie sind nämlich nach Ansicht des BGH nicht darauf gerichtet, die Gesamtheit oder einen wesentlichen Teil des Inhalts der geschützten Datenbank wieder zu erstellen.

Der BGH macht deutlich, dass sich das Schutzrecht des Datenbankherstellers nicht auf solche Handlungen erstreckt, mit denen eine Datenbank nur abgefragt wird. Wenn der Datenbankhersteller die Abfrage einschränken will, dann muss er eine Zugangsbeschränkung installieren.

Erst dann, wenn für die Darstellung des Inhalts der Datenbank auf dem Bildschirm die ständige oder vorübergehende Übertragung der Gesamtheit oder eines wesentlichen Teils des Inhalts auf einen anderen Datenträger erforderlich ist, kann die betreffende Abfrage von der Genehmigung des Inhabers des Schutzrechts abhängig gemacht werden.

Das Inverkehrbringen einer Software, mit der Inhalte von Internetseiten abgerufen werden können, die deren Betreiber ohne Einschränkungen öffentlich zugänglich gemacht hat, stellt außerdem auch dann keine gezielte Behinderung eines Mitbewerbers im Sinne des § 4 Nr. 10 UWG dar, wenn die Software es den Nutzern erspart, die Internetseite des Betreibers aufzusuchen und die zur Finanzierung der Internetseite eingestellte Werbung zur Kenntnis zu nehmen. Die Werbeumgehung hat der BGH bereits in seiner grundlegenden Paperboy-Entscheidung als wettbewerbsrechtlich nicht relevant angesehen.

 

 

 

posted by Stadler at 11:51  

26.5.11

BGH: Bewertungsportal als Datenbank im Sinne des UrhG

Der BGH hat mit Urteil vom 01.12.2010 (Az.: I ZR 196/08), das jetzt im Volltext veröffentlicht wurde, entschieden, dass ein Bewertungsportal im Netz regelmäßig eine Datenbank im Sinne von § 87a UrhG beinhaltet.

Nach Ansicht des BGH stellt die Beschaffung, Überprüfung und Darstellung der  Nutzerbewertungen eine wesentliche Investition im Sinne von § 87a Abs. 1 Satz 1 UrhG dar. Diese Investition besteht in den Kosten, die für die Programmierung, Weiterentwicklung und Betreuung der Datenbanksoftware sowie für die Überprüfung der eingehenden Bewertungstexte durch Mitarbeiter aufgewandt wird.

Neu an der Entscheidung ist auch, dass es der BGH für eine Verletzung der Rechte des Datenbankherstellers nach § 87b Abs. 1 Satz 2 UrhG ausreichen lässt, dass die Entnahmehandlungen darauf gerichtet sind und im Fall ihrer Fortsetzung dazu führen würden, die Datenbank insgesamt oder einen nach Art oder Umfang wesentlichen Teil zu vervielfältigen, zu verbreiten oder öffentlich wiederzugeben.

Es muss also aktuell noch keine Entnahme wesentlicher Teile oder eine systematische Entnahme unwesentlicher Teile vorliegen. Es genügt vielmehr, dass das Verhalten des Verletzers auf eine solche Entnahme gerichtet ist.

Das ist eine, wie ich meine, äußerst wohlwollende Entscheidung zugunsten der Datenbankhersteller.

posted by Stadler at 16:58  

26.7.09

Verfassungsbeschwerde gegen Spickmich.de

Die beim Bundesgerichtshof im Streit um das Lehrerbewertungsportal „Spickmich.de“unterlegene Pädagogin aus NRW will gegen das Urteil des BGH Verfassungsbeschwerde erheben, wie Heise berichtet.

Dass das Bundesverfassungsgericht die vom BGH vorgenommenen Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht der Lehrerin und der Meinungsfreiheit als unzutreffend einstufen wird, ist m.E. aber nicht zu erwarten.

Die Uneinsichtigkeit dürfte auch eher beim nordrhein-westfälischen Philologenverband liegen, der die Prozesse finanziert.

posted by Stadler at 13:55  

29.6.09

BGH zum Datenbankschutz: Elektronischer Zolltarif

Ein heute im Volltext veröffentlichtes Urteil des BGH zum Datenbankschutz (§§ 87a ff. UrhG) trägt folgende Leitsätze:

a) Aufwendungen für den Erwerb einer fertigen Datenbank oder einer Lizenz an einer solchen Datenbank können keine Rechte als Datenbankhersteller begründen.

b) Es kann das Vervielfältigungsrecht des Datenbankherstellers verletzen, wenn eine auf CD-ROM gespeicherte Datenbank vollständig auf die Festplatte eines Computers kopiert wird, um die aufgrund eines elektronischen Datenabgleichs ermittelten Daten dazu zu verwenden, ein Wettbewerbsprodukt zu aktualisieren.

c) Schon die einmalige Entnahme aller geänderten Daten aus einer CD-ROM – durch Erstellung einer Änderungsliste oder unmittelbare Übernahme – kann das Tatbestandsmerkmal der qualitativen Wesentlichkeit der Entnahme erfüllen.

Interessant ist vor allem, dass der BGH den bloßen Erwerb einer fertigen Datenbank oder einer Lizenz an einer solchen Datenbank nicht zu den schutzbegründenden wesentlichen Investitionen zählt, da § 87a Abs. 1 UrhG nur die dem Aufbau einer Datenbank gewidmeten Investitionen erfasst.

BGH, Urteil vom 30. April 2009 – I ZR 191/05

posted by Stadler at 09:26  

30.4.09

BGH. Schutz des Datenbankherstellers gegen Datenentnahme

Der u. a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein Datenbankhersteller verbieten kann, Änderungen seiner Datenbank in einem Datenabgleich zu erfassen und für ein Wettbewerbsprodukt zu nutzen.

Die Klägerin vertreibt den elektronischen Zolltarif (EZT), der auf der Grundlage der Datenbank TARIC der Europäischen Kommission die für die elektronische Zollanmeldung in der EU erforderlichen Tarife und Daten enthält. Die Klägerin bietet den EZT online und – in abgewandelter Darstellung – auf der CD-ROM „Tarife“ an. Die Beklagten vertreiben ebenfalls eine Zusammenstellung der für die elektronische Zollanmeldung erforderlichen Tarife und Daten. In den Jahren 2001 und 2002 nahm die Klägerin bewusst unrichtige Daten in ihre CD-ROM „Tarife“ auf, die sich – ebenso wie einige Pflegefehler – danach auch im Produkt der Beklagten fanden. Die Klägerin sieht in der Übernahme der Daten eine Verletzung ihrer Datenbankherstellerrechte an den Datenbanken EZT und „Tarife“. Sie will den Beklagten verbieten lassen, ohne ihre Zustimmung die jeweils aktuelle Fassung ihrer Datenbanken auszulesen, um mittels eines Datenabgleichs ein Konkurrenzprodukt zu aktualisieren. Während das Landgericht die Klage abgewiesen hat, hat ihr das Oberlandesgericht hinsichtlich der Datenbank „Tarife“ stattgegeben.

Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Oberlandesgerichts bestätigt. Der Klägerin stünden Datenbankherstellerrechte an der Datenbank „Tarife“ zu, da sie nicht als amtliches Werk gemeinfrei sei und mit erheblichen Investitionen ständig von der Klägerin aktualisiert werde. Das Datenbankherstellerrecht hätten die Beklagten zwar nicht schon verletzt, indem sie die CD-ROM „Tarife“ auf der Festplatte eines Computers speicherten. Denn dies sei von einer Einwilligung der Klägerin gedeckt, weil es zur bestimmungsgemäßen Nutzung der CD-ROM erforderlich sei. Eine Schutzrechtsverletzung der Klägerin liege aber vor, weil die Beklagten per Datenabgleich der CD-ROM „Tarife“ Änderungsdaten entnommen und zur Aktualisierung ihres Wettbewerbsprodukts verwendet hätten. Die vom Berufungsgericht festgestellte Übernahme einzelner Daten aus der CD-ROM der Klägerin in das Produkt der Beklagten setze notwendig einen umfassenden Datenabgleich voraus. Schon die einmalige Entnahme aller geänderten Daten aus einer bestimmten Version der CD-ROM – durch Erstellung einer (ggfls. nur zwischengespeicherten) Änderungsliste oder unmittelbare Übernahme – beziehe sich auf einen qualitativ wesentlichen Teil der Datenbank. Deshalb stehe dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen, dass der rechtmäßige Benutzer qualitativ oder quantitativ unwesentliche Teile einer öffentlich zugänglichen Datenbank zu beliebigen Zwecken entnehmen könne.

Hinsichtlich der Datenbank EZT hat der Bundesgerichtshof die Abweisung der Klage bestätigt, weil nicht festgestellt war, dass die Beklagten diese Datenbank für einen Datenabgleich verwendet hatten.

Urteil vom 30. April 2009 – I ZR 191/05 – Elektronischer Zolltarif
Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 30.04.09 (91/2009)

posted by Stadler at 12:32