Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

27.4.12

Der Missbrauch des Urheberrechts (Sixtus vs. Dropbox)

Der Journalist Mario Sixtus hat gestern auf Twitter darüber berichtet, dass Dropbox eine von ihm bei dem Dienst hinterlegte Datei gesperrt hat und zwar auf Antrag von Dr. Wolfgang Stock, dem Gründer von Wikiwatch.

Beim Versuch die fragliche Datei aufzurufen, erteilt Dropbox einen Hinweis auf den amerikanischen Digital Millennium Copyright Act (DMCA). Der DMCA sieht ein sog. Notice And Take Down Verfahren vor, das einen Hoster vollständig aus der Haftung für eine Urheberrechtsverletzung entlässt, sofern er auf den entsprechenden Hinweis hin den beanstandeten Content umgehend vom Netz nimmt. Wie ich aus eigener anwaltlicher Erfahrung weiß, genügt bei amerikanischen Anbietern regelmäßig schon der Hinweis auf den DMCA und die Behauptung einer Urheberrechtsverletzung und die Inhalte sind vom Netz. Ob amerikanisches Urheberrecht überhaupt anwendbar ist, interessiert da wenig. Dieses Prozedere führt natürlich in allen Fällen, in denen die Urheberrechtsverletzung zweifelhaft, oder wie im vorliegenden Fall nur vorgeschoben ist, dazu, dass missliebige Inhalte vorschnell aus dem Netz verschwinden. Der DMCA ist damit auch ein Instrument, das sich bestens dazu eignet, unliebsame Meinungsäußerungen zu bekämpfen.

Die fragliche Datei die Dropbox im Fall Sixtus mitsamt der Sharing-Funktionen gesperrt hat, ist an anderer Stelle online, weshalb sich der Sachverhalt gut nachvollziehen lässt. Bei der gesperrten PDF-Datei handelt sich um eine längeren Text – dessen Autor nicht der besagte Wolfgang Stock ist – der sich mit verschiedenen Veränderungen und Verfälschungen von Wikipediaeinträgen befasst, hinter denen der Autor des Texts ebendiesen Wolfgang Stock vermutet. Der  beanstandete Text enthält zwei oder drei wörtliche Zitate Stocks, die im Kontext einem klaren Zitatzweck folgen. Eine Urheberrechtsverletzung ist für mich nicht ersichtlich.

Über den Vorwurf, Wolfgang Stock hätte Wikipediaeinträge manipuliert, hat beispielsweise auch Heise berichtet, verbunden mit dem Hinweis, Stock würde nunmehr auch juristisch gegen diese Vorwürfe vorgehen. Und damit ist auch klar, woher der Wind weht. Das Urheberrecht wird von Stock nur als Vorwand und Vehikel dafür benutzt, um Dokumente aus dem Netz zu bekommen, in denen besagter Manipulationsvorwurf enthalten ist. Wenn sich Herr Stock gegen angeblich falsche Tatsachenbehauptungen wehren will, dann soll er das tun, aber er sollte nicht das Urheberrecht für diese Zwecke missbrauchen.

In diesem Kontext hat mich übrigens der Blogbeitrag des Kollegen Lampmann, der sich augenscheinlich nicht mit dem zugrundeliegenden Sachverhalt befasst hat, dann doch eher erstaunt.

posted by Stadler at 22:04  

27.4.12

Keine Irreführung durch zutreffende Überschrift über der Widerrufsbelehrung

Manchmal ist man schon erstaunt darüber, über welche Fragen der BGH entscheiden muss. Es ist jedenfalls mutig, aus dem Umstand, dass jemand für eine sachlich korrekte Widerrufsbelehrung  die Überschrift „Verbraucher haben das folgende Widerrufsrecht“ wählt, einen Wettbewerbsverstoß ableiten zu wollen.

Der BGH ist dieser Ansicht nicht gefolgt (Urteil vom 9.11.2011, Az.: I ZR 123/10) und stellt klar, dass eine Widerrufsbelehrung nicht dadurch unklar und unverständlich wird, dass außerhalb der eigentlichen Belehrung in zutreffender Weise auf den persönlichen Geltungsbereich des Widerrufsrechts hingewiesen wird.

Die Leitsätze der Entscheidung lauten:

a) Eine Widerrufsbelehrung mit dem einleitenden Satz „Verbraucher haben das folgende Widerrufsrecht“ verstößt nicht gegen das Deutlichkeitsgebot gemäß § 312c Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB.

b) Der Unternehmer braucht nicht zu prüfen, ob die Adressaten der Widerrufsbelehrung Verbraucher oder Unternehmer sind, da ihm eine solche Prüfung bei einem Fernabsatzgeschäft häufig nicht möglich ist.

posted by Stadler at 16:58  

27.4.12

Bevor wir ihre Daten schützen können, müssen wir sie erst einmal haben

Was den Schutz personenbezogener Daten angeht, haben sich EU-Kommission und EU-Parlament in letzter Zeit nicht mit Ruhm bekleckert. Im Rahmen von bilateralen Verträgen wie dem SWIFT-Abkommen und dem Fluggastdatenabkommen liefert man den USA die Bankdaten europäischer Bürger und die Daten von Fluggästen, die in die USA reisen, praktisch auf dem Silbertablett. Weil man das, was die USA können – nämlich personenbezogene Daten von Passagieren fünf Jahre lang zu speichern – selbst natürlich auch können muss, wollen die europäischen Innenminister jetzt auch bei innereuropäischen Flügen personenbezogene Daten von Passagieren für die Dauer von 5 Jahren (!) speichern. Die Bundesregierung hat sich in dieser Frage wieder einmal vornehm enthalten, denn man weiß in Berlin natürlich, dass das BVerfG bei der Vorratsdatenspeicherung – und nichts anderes ist die anlasslose Speicherung von Fluggastdaten – bereits eine Speicherdauer von 6 Monaten als gerade noch zulässig angesehen hat.

Der Eindruck, dass Europa mehrheitlich von Technokraten und Antidemokraten regiert und gelenkt wird, verdichtet sich zur Wahrheit.

Dass man auf Ebene der EU gerade parallel über ein besseres und effektiveres Datenschutzrecht diskutiert, kann vor diesem Hintergrund allenfalls noch als Groteske durchgehen. Wer von Unternehmen und Bürgern die Achtung der Privatsphäre und den effektiven Schutz personenbezogener Daten verlangt, der muss selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Ein Staat bzw. eine Staatengemeinschaft die demgegenüber für sich reklamiert, personenbezogene Daten praktisch nach Belieben und ohne jeden Anlass auf Vorrat speichern und an Drittstaaten übermitteln zu dürfen, lässt die notwendige Vorbildfunktion vermissen und darf auf keine Akzeptanz im Bereich des Datenschutzes hoffen.

Den dazu passenden Treppenwitz liefert einmal mehr EU-Kommissarin Cecilia Malmström. Auf die Frage, ob man die Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung nicht dahingehend ändern könnte, dass den Mitgliedsstaaten eine Umsetzung freigestellt wird, hat Frau Malmström folgendes geantwortet:

Optionale Maßnahmen mit offenkundigen Konsequenzen für das Recht auf Datenschutz und Privatsphäre würden im Gegenteil dem Bürger gemeinsame Mindeststandards für diese Grundrechte in der EU vorenthalten.

Die zwingende Umsetzung einer Vorratsdatenspeicherung ist mit anderen Worten deshalb notwendig, um das Recht der EU-Bürger auf Datenschutz und Privatsphäre zu gewährleisten. Das erinnert mich an den alten Witz, dass man nur die Daten schützen kann, die man zuvor erhoben hat.

In der Zeit, als man noch ernsthaft versucht hat, Datenschutz zu betreiben, galt das Prinzip der Datenvermeidung als die oberste Maxime des Datenschutzrechts. Dieses Grundprinzip des Datenschutzrechts möchte die EU-Kommission offenbar in sein Gegenteil verkehren und die massenhafte und anlasslose Datenspeicherung zum neuen Leitbild erheben. Dann liebe EU-Kommission, sollte man konsequenterweise aber auch das Schattenboxen, das parallel um eine EU-Verordnung zum Datenschutz stattfindet, beenden und das Post-Privacy-Zeitalter ganz offiziell einläuten. Die EU-Kommission pfeift ganz ersichtlich auf den Datenschutz und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und sollte diese Haltung dann wenigstens auch konsequent und offen an den Tag legen.

Das EU-Parlament, das der Entwicklung bisher fast nichts entgegengesetzt hat, wird sich in Zukunft verstärkt die Frage stellen müssen, ob man sich weiterhin von bürgerrechtsfeindlichen Technokraten dominieren lassen will, oder gelegentlich vielleicht doch im Interesse der europäischen Bürger stimmen sollte, von denen man gewählt wurde.

Zum selben Thema siehe auch die Beiträge von Patrick Breyer beim AK Vorrat und Andre Meister bei netzpolitik.org.

posted by Stadler at 10:34  

26.4.12

Über E-Zigaretten und andere behördliche Warnungen

Das OVG Münster hat entschieden (Beschluss vom 23.04.2012, Az.: 13 B 127/12), dass ein öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch gegen behördliche Warnungen bestehen kann.  Das gilt zumindest dann, wenn Äußerungen einer Behörde gegenüber Medien wie ein Verbot wirken sollen und die Behörde eine solche Wirkung auch angestrebt hat. Hierbei ist primär auf die tatsächlich entstandene Wirkung der Mitteilung abzuheben. Konkret ging es um eine Warnung des Gesundheitsministeriums in NRW vor dem Verkauf sog. E-Zigaretten.

Das Gericht führt zum öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch allgemein folgendes aus:

Der öffentlich-rechtliche Anspruch auf zukünftige Unterlassung einer getätigten Äußerung setzt voraus, dass ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen oder sonstige subjektive Rechte des Betroffenen erfolgt ist und die konkrete Gefahr der Wiederholung droht. Amtliche Äußerungen haben sich an den allgemeinen Grundsätzen für rechtsstaatliches Verhalten in der Ausprägung des Willkürverbots und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu orientieren. Aus dem Willkürverbot ist abzuleiten, dass Werturteile nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen dürfen, d. h. bei verständiger Beurteilung auf einem im Wesentlichen zutreffenden oder zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruhen müssen, und zudem den sachlich gebotenen Rahmen nicht überschreiten dürfen (Sachlichkeitsgebot). Rechtliche Wertungen sind auf ihre Vertretbarkeit zu überprüfen. Wenn die Richtigkeit der Information noch nicht abschließend geklärt ist, hängt die Rechtmäßigkeit der staatlichen Informationstätigkeit davon ab, ob der Sachverhalt vor seiner Verbreitung im Rahmen des Möglichen sorgsam und unter Nutzung verfügbarer Informationsquellen sowie in dem Bemühen um die nach den Umständen erreichbare Verlässlichkeit aufgeklärt worden ist. Verbleiben dennoch Unsicherheiten, ist der Staat an der Verbreitung der Informationen gleichwohl jedenfalls dann nicht gehindert, wenn es im öffentlichen Interesse liegt, dass die Marktteilnehmer über einen für ihr Verhalten wichtigen Umstand, etwa ein Verbraucherrisiko, aufgeklärt werden. Es ist dann angezeigt, die Marktteilnehmer auf verbleibende Unsicherheiten über die Richtigkeit der Information hinzuweisen, um sie in die Lage zu versetzen, selbst zu entscheiden, wie sie mit der Ungewissheit umgehen wollen.

Härting zieht eine Parallele zu dem Vorgehen des ULD gegen den Facebook-Like-Button und Fanpages bei Facebook. Die Aufforderung gegenüber allen Webseitenbetreibern in Schleswig-Holstein ihre Facebook-Like-Buttons zu entfernen, verbunden mit der Androhung von Untersagungsverfügungen und Bußgeldern, stellt eine amtliche Äußerung mit Eingriffscharakter dar, so dass hiergegen grundsätzlich der Weg zu den Verwaltungsgerichten offen stehen dürfte.

posted by Stadler at 14:13  

25.4.12

Urheberrechtliche Haftung für „Embedded Content“

Das OLG Köln lehnt mit Urteil vom 16.03.2012 (Az.: 6 U 206/11) eine Urheberrechtsverletzung in Fällen des Framing ab. Es geht hierbei um die Frage, ob derjenige, der Fremdinhalte in einem Frame anzeigt, für Urheberrechtverletzungen auf der verlinkten Fremdseite haften soll.

Das Oberlandesgericht Köln beschäftigt sich zunächst mit der Frage, ob in Fällen des Framings überhaupt ein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne von § 19a UrhG in Betracht kommt. Das OLG bezeifelt dies, weil kein kontrolliertes Bereithalten eines in der Zugriffssphäre des Verletzers befindlichen Werks zum Abruf stattfindet, lässt die Frage aber letztlich offen.

Nachdem das OLG kein mittelbares oder mittäterschaftliches Handeln desjenigen erkennen kann, der fremde Inhalte in einem Frame darstellt, fehlt es nach Ansicht des OLG Köln bereits an einer ausreichenden eigenen Vereltzungshandlung. Die Entscheidung stellt allerdings maßgeblich darauf ab, dass die Internetnutzer aufgrund der konkreten Gestaltung klar erkennen können, dass es sich um Fremdinhalte handelt und nicht um von der Beklagten verantwortete eigene Inhalte.

Eine Störerhaftung hat das OLG schließlich deshalb abgelehnt, weil das fragliche Framing bereits zwei Tage nach der Abmahnung beendet war. Dies ist offenbar von der Überlegung getragen, dass zumutbare Prüfpflichten im Sinne der Störerdogmatik frühestens dann entstehen, wenn der Störer von der Rechtsverletzung in Kenntnis gesetzt wurde.

Eine im Ergebnis sicherlich zutreffende Entscheidung.

Im urheberrechtlichen Sinne dürfte diese Rechtsprechung auch auf die Fälle der Einbindung von YouTube-Videos in Blogs übertragbar sein, denn auch dort ist deutlich erkennbar, dass es sich nicht um eigenen Content des Bloggers handelt.

posted by Stadler at 09:26  

24.4.12

Haftung des Bankkunden in Fällen des Phishings

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom heutigen Tag (Urteil vom 24. April 2012 – XI ZR 96/11) eine Haftung eines Bankkunden bejaht, der Opfer einer Phishing- bzw. Pharming-Attacke wurde.

Der Kunde hatte die Bank erfolglos auf Rückzahlung von EUR 5000,- in Anspruch genommen. In Höhe dieses Betrags war sein Konto zuvor durch Betrüger erleichtert worden. Der Kunde hatte auf einer Phishing-Site auf Aufforderung hin 10 sog. TANs eingegeben, die die Betrüger anschließend benutzt haben, um den Betrag von EUR 5000,- vom Konto des Klägers wegzuüberweisen. In der Pressemitteilung des BGH heißt es dazu:

Auch wenn der Kläger die Überweisung der 5.000 € nicht veranlasst hat, ist sein Anspruch auf Auszahlung dieses Betrages erloschen, weil die Beklagte mit einem Schadensersatzanspruch in gleicher Höhe gemäß § 280 Abs. 1 BGB aufgerechnet hat.

Der Kläger ist nach dem in seiner Strafanzeige vorgetragenen Sachverhalt Opfer eines Pharming-Angriffs geworden, bei dem der korrekte Aufruf der Website der Bank technisch in den Aufruf einer betrügerischen Seite umgeleitet worden ist. Der betrügerische Dritte hat die so erlangte TAN genutzt, um der Bank unbefugt den Überweisungsauftrag zu erteilen. Der Kläger hat sich gegenüber der Bank durch seine Reaktion auf diesen Pharming-Angriff schadensersatzpflichtig gemacht. Er hat die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen, indem er beim Log-In-Vorgang, also nicht in Bezug auf einen konkreten Überweisungsvorgang, trotz des ausdrücklichen Warnhinweises der Bank gleichzeitig zehn TAN eingegeben hat. Für die Haftung des Kunden reicht im vorliegenden Fall einfache Fahrlässigkeit aus, weil § 675v Abs. 2 BGB, der eine unbegrenzte Haftung des Kunden bei missbräuchlicher Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit vorsieht, erst am 31. Oktober 2009 in Kraft getreten ist.

Ein anspruchsminderndes Mitverschulden der Bank hat das Berufungsgericht zu Recht verneint. Nach seinen Feststellungen ist die Bank mit dem Einsatz des im Jahr 2008 dem Stand der Technik entsprechenden iTAN-Verfahrens ihrer Pflicht zur Bereitstellung eines möglichst wenig missbrauchsanfälligen Systems des Online-Banking nachgekommen. Sie hat auch keine Aufklärungs- oder Warnpflichten verletzt. Ob mit der Ausführung der Überweisung der Kreditrahmen des Kunden überschritten wurde, ist unerheblich, weil Kreditinstitute grundsätzlich keine Schutzpflicht haben, Kontoüberziehungen ihrer Kunden zu vermeiden. Einen die einzelne Transaktion unabhängig vom Kontostand beschränkenden Verfügungsrahmen hatten die Parteien nicht vereinbart.

Die Entscheidung ist allerdings für aktuelle Fälle aus zwei Gründen nicht mehr von großer Bedeutung. Das sog. iTan-Verfahren entspricht heute nicht mehr dem Stand der Technik und wird m.W. von den meisten Banken nicht mehr praktiziert.

Außerdem ist im Jahre 2009 eine wesentliche gesetzliche Änderung in Kraft getreten. § 675v Abs. 2 BGB verlangt für eine (unbeschrännkte) Haftung des Bankkunden mittlerweile Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit, während der BGH in seiner Entscheidung noch einfache Fahrlässigkeit genügen lassen musste. Ob die 10-malige Eingabe einer TAN danach als grob fahrlässig zu bewerten wäre, ist fraglich. Das Landgericht Landshut hatte in einem vergleichbaren Fall unter Anwendung des neuen Rechts sogar die Eingabe von 100 TANs auf einer Phishing-Site nicht als grob fahrlässig eingestuft.

posted by Stadler at 16:43  

24.4.12

Haftung von Sedo für Markenrechtsverletzung durch Tippfehler-Domains

Das OLG Stuttgart hat mit Urteil vom 19.04.2012 (Az.: 2 U 91/11) ein Urteil des Landgerichts Stuttgart bestätigt, durch das eine Haftung des Domainparking-Anbieters Sedo für eine Markenrechtsverletzung durch eine Tippfehler-Domain bejaht wurde.

Das OLG Stuttgart geht davon aus, dass Sedo, nachdem es von dem Rechtsverstoß in Kenntnis gesetzt worden ist, nicht untätig bleiben durfte und insbesondere ein Tätigwerden nicht davon abhängig machen durfte, dass die Klägerin zum Beleg ihrer Ansprüche eine Markenurkunde übersendet. Das Oberlandesgericht ist vielmehr der Ansicht, dass es Sedo zumutbar war, eine einfache Markenrecherche nach der Marke der Beklagten sowohl beim DPMA als auch beim HABM durchzuführen. Das Gericht meint zudem, dass eine weitergehende Prüfung der Verwechslungsgefahr nicht erforderlich war, weil es bei einer Tippfehlerdomain, unter der Konkurrenzwerbung eingeblendet wird, auf der Hand liege würde, dass Markenrechte verletzt werden.

Die Annahme des OLG, dass eine Markenrecherche in den Markenregistern des DPMA und des HABM zumutbar sei, obwohl nach der Rechtsprechung des BGH eine Störerhaftung nur dann in Frage kommt, wenn der Verstoß unschwer und ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung feststellbar ist, halte ich zumindest für kritisch.

Das Urteil des OLG ist speziell für Anwälte aber auch noch deshalb interessant, weil der Senat die geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten von einer 1,5- auf eine 1,3-Geschäftsgebühr gekürzt hat, mit der Begründung, dass es sich hierbei um eine Rechtsfrage handeln würde, die vom Gericht uneingeschränkt nachgeprüft werden kann.

posted by Stadler at 15:26  

23.4.12

Darf man Stalker öffentlich anprangern?

Die Hochspringerin Ariane Friedrich hat auf Facebook den Wortlaut einer an sie gerichteten, anzüglichen E-Mail veröffentlicht, einschließlich des Namens und Wohnorts des Schreibers.

Die Rechtsanwälte Niko Härting und Udo Vetter bewerten das Verhalten der Sportlerin unterschiedlich. Härting meint, die öffentliche Bloßstellung sei von der Meinungsfreiheit gedeckt, Vetter hält sie für unzulässig.

Richtig ist zunächst, dass die Behauptung wahrer Tatsachen in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit fällt. Die These Härtings, wonach die Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem ebenfalls betroffenen Persönlichkeitsrecht gegenüber dem “Wahrheitsbeweis” nachrangig sei, ist in dieser Absolutheit aber unzutreffend. Die Äußerung einer wahren Tatsache ist zwar regelmäßig zulässig, kann aber nach der Rechtsprechung des BVerfG und des BGH im Einzelfall mit Rücksicht auf die überwiegenden Persönlichkeitsbelange des Betroffenen unzulässig sein. Wenn ein beanstandungswürdiges Verhalten einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht wird und sich dies schwerwiegend auf das Ansehen und die Persönlichkeitsentfaltung des Betroffenen auswirkt, überwiegt ausnahmsweise das Persönlichkeitsrecht.

Im vorliegenden Fall muss man zunächst berücksichtigen, dass Ariane Friedrich diese Mail ohne jede Prüfung, ob der Absendername korrekt ist oder ob nicht vielleicht unbeteiligte Träger desselben Namens in Mitleidenschaft gezogen werden, veröffentlicht hat. Weil die realistische Gefahr der Verletzung von Rechten Dritten besteht, ist die Vorgehensweise der Sportlerin nicht von der Rechtsordnung gedeckt.

Aber auch wenn dies nicht der Fall wäre, darf man bezweifeln, dass das Verhalten der Hochspringerin rechtmäßig ist. Die Entscheidungen des BVerfG und des BGH auf die sich Härting beruft, sind schon deshalb nicht einschlägig, weil es dort um Fälle geht, in denen über die berufliche Tätigkeit bzw. Umstände aus der Sozialsphäre öffentlich berichtet wird. Der „Stalker“ ist im hiesigen Fall aber in seiner Privatsphäre betroffen, da ein individueller Kommunikationsvorgang inmitten steht. Dass durch diese Äußerung außerdem eine Prangerwirkung erzeugt und eine Stigmatisierung bewirkt wird, dürfte schwerlich zu bestreiten sein. Genau in solchen Fällen ist nach der Rechtsprechung des BVerfG eine Veröffentlichung aber unzulässig. In diesen Fällen überwiegt dann ausnahmsweise das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen.

 

posted by Stadler at 22:37  

21.4.12

Warum nicht frei und gerecht? (Eine Replik auf mspr0)

Michael Seemann (aka mspr0) liefert bei Spiegel-Online unter dem Titel „Lieber frei als gerecht“ einen Beitrag zur Urheberrechtsdebatte. Mit dem Hinweis, dass die eher sinnfreie Überschrift nicht vom Autor stammt, sondern von SPON erdacht wurde, hat mir Seemann einen wunderbaren Einstieg in diese Replik vermasselt. Noch geistreicher – liebe SPON-Redaktion – wäre allenfalls der Titel „Was gesagt werden muss“ gewesen.

Dem Text Seemanns kann man jedenfalls nicht mangelnde Klarheit vorwerfen, ebenso wenig wie eine Polarisierung, denn genau die ist offenbar beabsichtigt. Seemanns wenig originelle Forderung lautet: „Schafft das Urheberrecht ab!“. Und weil es sich die Piraten nicht trauen, diese Forderung aufzustellen, muss es Seemann eben tun. Ob dieser Beitrag geeignet ist, die Debatte, die sich derzeit ohnehin überwiegend in den Außenbereichen bewegt, zu bereichern, darf man bezweifeln.

Unabhängig davon, überzeugt Seemanns Debattenbeitrag aber auch inhaltlich nicht. Die Forderung Seemanns ist online auf eine gewisse Resonanz (230 Tweets laut Rivva) gestoßen und hat auch viel Zustimmung (315 Likes) erfahren. Wie wir aber alle nur zu gut wissen, ist der Like-Button sehr schnell angeklickt und zwar allzu häufig unreflektiert.

Dass Seemanns Forderung utopisch ist, weil völkerrechtliche Verträge aufgekündigt, EU-Richtlinien revidiert und auch grundrechtliche Bedenken überwunden werden müssten, spricht noch nicht zwingend gegen ihre Legitimität. Deshalb möchte ich mit einem juristischen Argument – ich kann manchmal einfach nicht anders – beginnen, das ich für zwingend halte. Wer die vollständige Abschaffung des Urheberrechts fordert, muss sich nämlich darüber im Klaren sein, dass er damit zwangsläufig auch die vollständige Abschaffung jedweder Open-Source-Konzepte verlangt. Denn Open-Source-Lizenzmodelle wie die GPL setzen das Bestehen eines Urheberrechts zwingend voraus. Speziell Copyleft-Klauseln können überhaupt nur dann wirksam sein, wenn der bzw. die Urheber die Möglichkeit haben, entsprechende Bestimmungen zu treffen. Und diese Möglichkeit verschafft ihnen das Urheberrecht. Ähnliches gilt für andere Lizenzmodelle wie Creative Commons.

Ganz abgesehen davon, erschließt sich mir die Logik der Argumentation Seemanns aber auch nicht. Dass das Internet fast ausschließlich aus Kopieroperationen besteht, mag sein. Aber daraus resultiert nicht zwingend ein Widerspruch zum Konzept des Urheberrechts an sich. Wäre die Argumentation Seemanns logisch, dann hätte bereits die Erfindung des Buchdrucks, der den über Jahrhunderte hinweg maßgeblichen Kopiervorgang darstellte, längst zur Abschaffung des Urheberrechts führen müssen. Die Erfindung des Buchdrucks war aber der primäre Grund dafür, ein sog. Kopierrecht (Copyright) überhaupt erst einzuführen.

Zwischen der Möglichkeit Kopien anzufertigen einerseits und andererseits dem wirtschaftlichen Wunsch des Urhebers eines Geisteswerks diesen Kopiervorgang zu kontrollieren, besteht seit Jahrhunderten ein Spannungsverhältnis. Und in diesem Zusammenhang sollte man sich auch vor Augen führen, dass die Etablierung des Urheberrechts im 18. und 19. Jahrhundert als eine Errungenschaft der Aufklärung galt. Die Vorstellung, dass der Urheber eines Geisteswerks selbst darüber bestimmen kann, was mit seinem Werk geschieht, stützt sich auf naturrechtliche Ansätze und die Idee vom Menschen als selbstbestimmtes Individuum. Wer verstehen will, warum manche das Urheberrecht als Grund- und Menschenrecht begreifen und seine Abschaffung als einen Akt der Barbarei, muss sich mit dieser Historie auseinandersetzen. Auch wenn wir dieses Konzept des geistigen Eigentums überdenken und uns möglicherweise von ihm verabschieden müssen, bleibt das Spannungsverhältnis zwischen Individual- und Allgemeininteressen bestehen. Es handelt sich um einen Konflikt, dem wir häufig begegnen. Denn überall prallen unterschiedliche Interessen aufeinander. Es ist die Aufgabe des Staates und der Politik sich mit den verschiedenen Positionen zu befassen und sich um einen möglichst gerechten Ausgleich zu bemühen.

Wir können diesen Konflikt und das daraus resultierende Spannungsverhältnis nicht negieren, weshalb es auch keine einfachen Lösungen nach der Vorstellung Michael Seemanns geben kann. Die Abschaffung des Urheberrechts ist keine ernsthafte Option. Vielmehr müssen wir das Urheberrecht, anders als bisher, als ein nicht absolutes Recht ausgestalten, das sich im Einzelfall in einem ergebnisoffenen Abwägungsprozess mit anderen Rechtspositionen und Interessen befindet. Man kann diesen Abwägungsprozess notfalls auch im Rahmen der bestehenden deutschen Dogmatik des geistigen Eigentums durchführen. Denn Eigentum verpflichtet, es unterliegt einer Sozialbindung (Art. 14 Abs. 2 GG). Im Rahmen dessen hat der Gesetzgeber, gerade auch was die Ausgestaltung des Urheberrechts betrifft, einen beträchtlichen Gestaltungsspielraum. Dieser Gestaltungsspielraum spiegelt sich im Urheberrechtsgesetz in den sog. Schrankenbestimmungen wider. Diese Schrankenbestimmungen sind in den letzten 10 Jahren freilich auf Druck der Urheberrechstlobbyisten immer stärker eingeschränkt worden. Für die Frage einer digitalen Nutzung wurden praktikable Schrankenbestimmungen z.T. erst gar nicht eingeführt. An dieser Stellschraube kann und muss der Gesetzgeber drehen, um ein halbwegs faires und ein halbwegs funktionierendes Urheberrecht zu schaffen. Und wir können ihn dazu zwingen, wenn es uns gelingt eine Gegenposition zu der mächtigen Urheberrechtslobby zu etablieren.

Frei und gerecht kann und wird es dabei nie zugehen. Dennoch sollte genau das unser Anspruch sein. Die Urheberrechtsdiskussion muss sich endlich bewegen und vor diesem Hintergrund halte ich den Debattenbeitrag von Seemann für ebenso kontraproduktiv wie den der 51 Tatortautoren.

posted by Stadler at 23:47  

20.4.12

GEMA vs. YouTube

Das Landgericht Hamburg hat YouTube bzw. Google heute auf Antrag der GEMA dazu verurteilt, es zu unterlassen, sieben Musiktitel öffentlich zugänglich zu machen. Nachdem mittlerweile die offizielle Pressemitteilung des Landgerichts vorliegt, erscheint mir eine erste Einschätzung möglich.

Das Landgericht betrachtet YouTube als sog. mittelbaren Störer – nicht als Täter – der Urheberrechtsverletzung. YouTube ist nach dem Urteil dazu verpflichtet, entsprechende Videos nach einem Hinweis auf eine Urheberrechtsverletzung unverzüglich zu sperren und in zumutbarem Rahmen anschließend Maßnahmen zu ergreifen, um erneute Rechtsverletzungen zu verhindern. Eine Verpflichtung zur Kontrolle sämtlicher bereits hochgeladener Videoclips besteht nach der Entscheidung des Gerichts aber nicht.

Dennoch sei es YouTube zuzumuten, nach Erhalt eines Hinweises auf eine Urheberrechtsverletzung durch den Einsatz einer Software künftige Uploads zu unterbinden, die eine mit dem gemeldeten Musikstück übereinstimmende Aufnahme enthalten. Nach Ansicht des Landgerichts verfügt YouTube bereits über eine entsprechende Software, nämlich ihr eigenes Content-ID-Programm. Dieses Tool muss YouTube nach der Entscheidung des Gerichts allerdings selbst einsetzen und kann die GEMA bzw. die Rechteinhaber nicht darauf verweisen.

Der Logik des Gerichts folgend bedeutet dies folgendes: Wenn die GEMA oder ein Rechteinhaber YouTube auf einen Verstoß aufmerksam macht, dann müsste YouTube im Rahmen des Einsatzes des Programms Content-ID von sich aus den betreffenden Musiktitel in einen geschützten Bereich uploaden, damit anschließend der für die Unterbindung künftiger Uploads notwendige Abgleich durchgeführt werden kann.

Darüber hinaus ist das Landgericht der Meinung, dass YouTube verpflichtet sei, einen Wortfilter zu installieren. Der Wortfilter soll neu eingestellte Videos herausfiltern, die den Titel als auch den Interpreten der beanstandeten Musikaufnahme enthalten.

Das Landgericht Hamburg versucht sich mit dieser Entscheidung auf der Linie der Internet-Versteigerungs-Entscheidungen des BGH zu bewegen. Ob man YouTube allerdings tatsächlich mit eBay vergleichen und gleichgelagerte Prüfpflichten fordern kann, halte ich zumindest für diskussionswürdig. Es stellt sich außerdem die Frage, ob diese Betrachtung noch mit der neuesten Rechtsprechung des EuGH zur Frage von Filterpflichten sozialer Netzwerke in Einklang zu bringen ist.

Sofern es nicht zu einer wirtschaftlichen Lösung kommt, dürfte damit zu rechnen sein, dass Google/YouTube Berufung gegen das Urteil einlegen wird.

Update vom 25.04.2012:
Das Urteil liegt mittlerweile im Volltext vor. Bezüglich der vom Gericht angenommenen Verpflichtung wird das ausgeführt, was ich bereits aufgrund der Pressemitteilung vermutet hatte. Das Landgericht führt aus:

Es ist der Beklagten insoweit zuzumuten, das jeweils als Rechtsverletzung gemeldete konkrete Video selbst als Referenzdatei in das Content-ID Programm einzustellen und sämtliche künftig hochgeladenen Videos mit übereinstimmenden Musikaufnahmen mittels dieser Software für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu sperren. Im Zusammenhang damit ist ein System zu installieren, das im Falle des Widerspruchs eines Nutzers, dessen Video von der Sperrung betroffen ist, eine unmittelbare Klärung zwischen dem Rechteinhaber und dem Nutzer zulässt.

YouTube wird letztlich hier auch zum Verhängnis, dass es mit dem Content-ID-Programm bereits ein eigenes Verfahren zur Unterbindung solcher Rechtsverletzungen in Betrieb hat und sich deshalb schlecht darauf berufen kann, dies sei technisch nicht möglich. Es verbleibt allerdings die interessante Frage, ob man es im Rahmen der Prüfpflichten der Störerhaftung für rechtlich zumutbar hält, dass YouTube das beanstandete Musikvideo selbst als Referenzdatei in das Content-ID-System hochlädt, um anschließend ein Matching durchzuführen, das den weiteren Upload derselben Datei verhindert.

posted by Stadler at 16:18  
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