Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

30.9.14

Berichterstattung über den Inhalt rechtswidrig beschaffter E-Mails kann zulässig sein

Der Fall einer Berichterstattung über E-Mails die der frühere Brandenburger Ministers Rainer Speer mit seiner Ex-Geliebten gewechselt hatte, hat vor einigen Jahren für viel Aufsehen gesorgt. In den E-Mails beklagte sich die Frau und Mutter eines Kindes von Speer über fehlende Unterhaltszahlungen. Das Landgericht Berlin hatte die Beklagte, den Springer-Verlag, u.a. dazu verurteilt, es zu unterlassen, den Inhalt einzelner E-Mails in direkter oder indirekter Rede zu verbreiten. Das Kammergericht hatte die Entscheidung bestätigt.

Der BGH hat diese Entscheidungen jetzt aufgehoben und die Auffassung vertreten, dass das Informationsinteresse der Öffentlichkeit das Interesse Speers am Schutz seiner Persönlichkeit überwiegt und zwar auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die veröffentlichten Informationen von einem Dritten in rechtswidriger Weise beschafft worden sind (Urteil vom 30.09.2014, Az.:VI ZR 490/12).

In der Pressemitteilung des BGH heißt es hierzu:

Auf die Revisionen der Beklagten hat der u.a. für den Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Zwar greift eine Berichterstattung, die sich auf den Inhalt der zwischen dem Kläger und seiner Geliebten gewechselten E-Mails stützt, in die Vertraulichkeitssphäre des Klägers und sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Beide genannten Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts schützen das Interesse des Kommunikationsteilnehmers daran, dass der Inhalt privater E-Mails nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Der Eingriff ist aber nicht rechtswidrig. Das von den Beklagten verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungsfreiheit überwiegen das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die veröffentlichten Informationen von einem Dritten in rechtswidriger Weise beschafft worden sind. Nach den getroffenen Feststellungen haben sich die Beklagten die E-Mails nicht durch vorsätzlichen Rechtsbruch verschafft, um sie zu publizieren. Sie haben sich an dem Einbruch in die Vertraulichkeitssphäre des Klägers auch nicht beteiligt, sondern aus dem Bruch der Vertraulichkeit lediglich Nutzen gezogen. Die Informationen, deren Wahrheit der Kläger nicht in Frage stellt, haben einen hohen „Öffentlichkeitswert“. Sie offenbaren einen Missstand von erheblichem Gewicht, an dessen Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse besteht. Als Minister und als Landtagsabgeordneter gehörte der Kläger zu den Personen des politischen Lebens, an deren Verhalten unter dem Gesichtspunkt demokratischer Transparenz und Kontrolle ein gesteigertes Informationsinteresse besteht. Die der Beklagten zu 1 zugespielten E-Mails belegen, dass sich der Kläger über viele Jahre der wirtschaftlichen Verantwortung für seine Tochter E. entzogen und diese auf den Steuerzahler abgewälzt hat. Er hat es im eigenen persönlichen, wirtschaftlichen und politischen Interesse hingenommen, dass seine ehemalige Geliebte für die gemeinsame Tochter Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bezog, obwohl die Voraussetzungen für einen Leistungsbezug nicht gegeben waren. Denn die Kindesmutter hatte der zuständigen Behörde den Kläger pflichtwidrig nicht als Vater von E. benannt.

Der Bundesgerichtshof hat auch die Veröffentlichung verschiedener E-Mails in direkter oder indirekter Rede als zulässig angesehen. Die im Wortlaut veröffentlichten E-Mails dokumentieren mit besonderer Klarheit, wie der Kläger mit der Verantwortung gegenüber seiner nichtehelichen Tochter und der Mutter seines Kindes – und damit mittelbar gegenüber der Allgemeinheit, die jedenfalls bis zur Veröffentlichung der streitgegenständlichen Informationen die daraus resultierenden wirtschaftlichen Folgen tragen musste – umgegangen ist.

posted by Stadler at 21:19  

25.9.14

Darf ein Verteidiger eine ihm elektronisch zur Verfügung gestellte Aktre vollständig kostenpflichtig ausdrucken?

Ein Pflichtverteidiger hatte für den Ausdruck einer ihm elektronisch zur Verfügung gestellte Strafakte eine Dokumentenpauschale von mehr als 67.000 EUR für den Ausdruck von ca. 380.000 Seiten gegenüber der Staatskasse geltend gemacht. Das OLG Düsseldorf hat dem Verteidiger hiervon aber nur ca. 14.000 EUR zugebilligt und die Auffassung vertreten, dass ein Verteidiger nicht zum wahllosen Ausdruck aller überreichten Datenträger berechtigt sei. Er müsse sich vielmehr auf diejenigen digitalisierten Aktenteile beschränken, die das Verfahren betreffen und auch der Kammer in Papierform vorliegen, wobei ein Ausdruck erkennbar doppelt eingestellter Inhalte im Interesse einer kostensparenden Mandatsausübung zu vermeiden ist. Angesichts der außergewöhnlichen Höhe angemeldeter Auslagen seien, so das OLG, an die Darlegung und Glaubhaftmachung entsprechend hohe Anforderungen zu stellen.

Nach Ansicht des OLG Düsseldorf besteht kein grundsätzlicher Anspruch eines Verteidigers auf Ausdruck einer kompletten e-Akte zum Zwecke einer sachgerechten Verteidigung, wenn ihm die kompletten Akten dauerhaft in digitalisierter Form als Arbeitsgrundlage zur Verfügung stehen.

Quelle: PM des OLG Düsseldorf vom 23.09.2014

posted by Stadler at 11:13  

24.9.14

Das konkrete Wettbewerbsverhältnis muss gar nicht so konkret sein

Die Rechtsprechung des BGH neigt generell dazu, ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, das Voraussetzung für die Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche ist, eher großzügig zu bejahen. Nach der Rechtsprechung des BGH sind an das Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses im Interesse eines wirksamen wettbewerbsrechtlichen Individualschutzes keine hohen Anforderungen zu stellen.

In einer neuen Entscheidung (Urteil vom 10.04.2014, Az.: I ZR 43/13) wird ein Wettbewerbsverhältnis bereits dann angenommen, wenn das Angebot und der Vertrieb von Waren den Inhaber eines Schutzrechts (Patent, Marke o.ä.) in der Vermarktung seines Patents beeinträchtigen kann.

 Nach der Rechtsprechung des BGH reicht es aus, dass sich der Verletzer durch seine Verletzungshandlung im konkreten Fall in irgendeiner Weise in Wettbewerb zu dem Betroffenen stellt.

Danach besteht regelmäßig schon dann ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, wenn die eine Partei als Inhaber eines Schutzrechts oder als Inhaber von ausschließlichen Nutzungsrechten an einem Schutzrecht die Herstellung oder den Vertrieb eines von diesem Schutzrecht erfassten Produktes lizenziert und die andere Partei dem Schutzrecht entsprechende Produkte anbietet oder vertreibt.

Mir scheint speziell in solchen Fallkonstellationen die Grenze dessen erreicht zu sein, was man im Wortsinne noch als konkretes Wettbewerbsverhältnis qualifizieren kann, weil es sich an sich ja nach wie vor vom lediglich abstrakten Rechtsverhältnis abgrenzen lassen muss.

posted by Stadler at 13:27  

23.9.14

Das Datenschutzrecht schützt nicht vor einer Leistungsbewertung im Internet

Ärzte können nicht verhindern, im Internet bewertet zu werden. Das Datenschutzrecht bietet keine Handhabe dafür, nicht in ein Bewertungsportal aufgenommen zu werden. Das hat der BGH heute entschieden (Urteil vom 23. September 2014, Az.: VI ZR 358/13).

In der Pressemitteilung des BGH ist folgender Satz besonders bemerkenswert:

Das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung überwiegt das Recht der Beklagten auf Kommunikationsfreiheit nicht.

Der BGH sieht – anders als zuletzt der EuGH – keinen Vorrang datenschutzrechtlicher Vorschriften vor dem Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit. Auch andere zentrale Passagen der Pressemitteilung des BGH sind lesenswert:

Die Beklagte ist deshalb nach § 29 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) zur Erhebung, Speicherung und Nutzung sowie nach § 29 Abs. 2 BDSG zur Übermittlung der Daten an die Portalnutzer berechtigt. Zwar wird ein Arzt durch seine Aufnahme in ein Bewertungsportal nicht unerheblich belastet. Abgegebene Bewertungen können – neben den Auswirkungen für den sozialen und beruflichen Geltungsanspruch des Arztes – die Arztwahl behandlungsbedürftiger Personen beeinflussen, so dass er im Falle negativer Bewertungen wirtschaftliche Nachteile zu gewärtigen hat. Auch besteht eine gewisse Gefahr des Missbrauchs des Portals.

Auf der anderen Seite war im Rahmen der Abwägung aber zu berücksichtigen, dass das Interesse der Öffentlichkeit an Informationen über ärztliche Leistungen vor dem Hintergrund der freien Arztwahl ganz erheblich ist und das von der Beklagten betriebene Portal dazu beitragen kann, einem Patienten die aus seiner Sicht erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen. Zudem berühren die für den Betrieb des Portals erhobenen, gespeicherten und übermittelten Daten den Arzt nur in seiner sogenannten „Sozialsphäre“, also in einem Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit anderen Personen vollzieht. Hier muss sich der Einzelne auf die Beobachtung seines Verhaltens durch eine breitere Öffentlichkeit sowie auf Kritik einstellen. Missbrauchsgefahren ist der betroffene Arzt nicht schutzlos ausgeliefert, da er von der Beklagten die Löschung unwahrer Tatsachenbehauptungen sowie beleidigender oder sonst unzulässiger Bewertungen verlangen kann. Dass Bewertungen anonym abgegeben werden können, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Möglichkeit zur anonymen Nutzung ist dem Internet immanent (vgl. § 13 Abs. 6 Satz 1 des Telemediengesetzes [TMG])

Quelle: PM des BGH vom 23.09.2014

posted by Stadler at 20:47  

23.9.14

Zwei bekannte ZEIT-Journalisten und ihr Kampf gegen die Pressefreiheit

Vor einigen Wochen habe ich über ein gerichtliches Vorgehen von ZEIT-Herausgeber Josef Joffe und ZEIT-Redakteur Jochen Bittner gegen die Satiresendung „Neues aus der Anstalt“ des ZDF berichtet. Interessanterweise gab es hierzu äußerst wenig Berichterstattung in klassischen Medien, obwohl das Vorgehen der ZEIT-Journalisten als informationsverfälschend angesehen werden muss, was nachfolgend näher erläutert werden soll.

Der Piratenpolitiker Patrick Breyer hat kürzlich die einstweiligen Verfügungen, die die beiden Journalisten – natürlich in Hamburg – erwirkt haben, ins Netz gestellt, so dass sich jetzt nachvollziehen lässt, welche Aussagen dem ZDF konkret verboten worden sind.

Das Landgericht Hamburg hat dem ZDF untersagt, über Josef Joffe zu behaupten, er sei Mitglied, Beirat oder Vorstand von acht Organisationen, die auf einer Schautafel in der Sendung „Neues aus der Anstalt“ genannt wurden.

Der Inhalt dieser Beschlussverfügung steht in Widerspruch zur Selbstdarstellung Joffes auf der Website der Uni Stanford, wo zu seinen Mitgliedschaften folgendes zu lesen ist:

Boards: American Academy in Berlin, International University Bremen, Ben Gurion University, Israel; Goldman Sachs Foundation, New York, Aspen Institute Berlin, Leo Baeck Institute, New York; German Children And Youth Foundation, Berlin; European Advisory Board, Hypovereinsbank, Munich (2001-2005). Editorial Boards: The American Interest, (Washington); International Security (Harvard), and Prospect (London), The National Interest (Washington, 1995-2000). Trustee: Atlantik-Brücke (Berlin), Deutsches Museum (Munich), Abraham Geiger College (Berlin). Member: American Council on Germany, Intl. Institute for Strategic Studies. Honors: Honorary Degree in Humane Letters, Swarthmore College (2002), Lewis and Clark College, 2005; Theodor Wolff Prize (Journalism) and Ludwig Börne Prize (Essays/Literature), Germany; Federal Order of Merit, Germany.

Damit ist zumindest die eigene Behauptung Joffes, er sei nur Mitglied in zwei einschlägigen Gremien falsifiziert.

Was den Journalisten Jochen Bittner angeht, hatte das Landgericht Hamburg dem ZDF zunächst untersagt, zu behaupten, Bittner sei Mitglied, Beirat oder Vorstand von drei Organisationen, die auf einer Schautafel in der Sendung „Neues Aus der Anstalt“ gezeigt wurden. Das mag formell so sein, erscheint letztlich aber haarspalterisch. Denn, dass Bittner beispielsweise über Monate hinweg aktiv an einem Projekt des German Marshall Fund über die Bausteine einer deutschen Sicherheitsstrategie mitgewirkt hat, aus dem das Strategiepapier „Neue Macht, neue Verantwortung“ hervorging, ist unstreitig.

Das OLG Hamburg hat dann sogar noch nachgelegt und die Verbotsverfügung dahingehend erweitert, dass dem ZDF auch die Aussage untersagt wurde, Bittner habe im Zusammenhang mit der Rede des Bundespräsidenten Gauck vor der Münchener Sicherheitskonferenz für den Bundespräsidenten geschrieben.

Diese Behauptung wird allerdings in der Sendung unmittelbar überhaupt nicht aufgestellt.  In der Sendung wird nur behauptet, die Rede Gaucks sei von einem transatlantischen Think Tank (GMF)  vorbereitet worden und da sei Jochen Bittner mit dabei gewesen. In der Sendung stellt Max Uthoff dann die Frage: „Aber er wird doch genügend Anstand besessen haben, sein Schreiben für Gauck zu trennen von seinem Schreiben für die ZEIT?“ Die Antwort Claus von Wagners: „Ne, er hat nachdem Gauck seine Rede gehalten hat, positiv über Gaucks Rede berichtet, in der ZEIT“. Reaktion Uthoff: „Ein Journalist der ZEIT arbeitet an einem Strategiepapier mit, das die Außenpolitik Deutschlands neu ausrichtet und schreibt dann hinterher wohlwollend über diese Strategie“.

Wenn man den Gesamtkontext betrachtet, besteht der wesentliche Aussagegehalt also erkennbar darin, dass Bittner aktiv an einem Think Tank mitgewirkt und ein Strategiepapier mitentwickelt hat, das die Rede Gaucks auf der Münchener Sicherheitskonferenz vorbereitet hatte. Über den Inhalt dieses der Neuausrichtung der deutschen Außenpolitik dienenden Papiers und die Rede Gaucks habe Bittner dann anschließend auch noch journalistisch positiv berichtet. Das ist nicht falsch und wird von Bittner letztlich ja selbst in der ZEIT bestätigt.

Das OLG Hamburg hat also eine Aussage verboten, die in dieser Form in der Sendung gar nicht getroffen wurde und blendet zudem den Gesamtzusammenhang der Äußerung komplett aus. Dieser Klassiker des Hamburger Landrechts hat beim BGH und/oder BVerfG allerdings noch nie gehalten, weil er in Widerspruch zur äußerungsrechtlichen Rechtsprechung der höchsten deutschen Gerichte steht, wonach eine Aussage nie isoliert betrachtet werden darf, sondern stets in ihrem Gesamtkontext zu würdigen ist.

Joffe und Bittner haben mithilfe der Gerichte also eine unliebsame, zugespitzte und wertende Berichterstatttung unterdrückt, die Zusammenhänge aufzeigt und die nach allem was bisher an Fakten bekannt ist, zumindest überwiegend von Art. 5 GG gedeckt sein dürfte. Dass man für diese Informationsunterdrückung die meinungsfeindlichen Hamburger Gerichte bemüht, passt ins Bild.

Update:
Als Reaktion auf meinen Beitrag hat mir Herr Dr. Bittner eine Stellungnahme zugeschickt, die ich mit seiner Zustimmung nachfolgend vollständig wiedergebe.

Wo der Spaß aufhört – meine Sicht auf die ZDF-Sendung „Die Anstalt“ vom 29. April 2014

Ich habe eine einstweilige Unterlassungserklärung gegen das ZDF erwirkt, das ZDF hat dagegen Widerspruch eingelegt.

Worum geht es?
In der ZDF-Sendung „Die Anstalt“ wurde behauptet, ich sei Mitglied diverser transatlantischer Institutionen, insbesondere des German Marshall Fund (GMF). Außerdem hätte ich an der Rede von Bundespräsident Gauck zur Münchner Sicherheitskonferenz mitgeschrieben.
Beides stimmt nicht. Weder bin ich Mitglied der Atlantikbrücke, des GMF oder einer ähnlichen Institution noch bin ich nebenbei als Redenschreiber für den Bundespräsidenten tätig. Gegen die weitere Verbreitung dieser falschen Tatsachenbehauptungen muss ich vorgehen.
Richtig ist, dass ich im Laufe des Jahres 2013 an einer Diskussionsgruppe teilgenommen habe, die von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und dem GMF organisiert war. Sie setzte sich aus gut 50 Teilnehmern zusammen, Bundestagsabgeordneten, Akademikern, Diplomaten, Think Tanklern, Journalisten.
Ziel der Gruppe war es, ein Thesenpapier darüber zu erarbeiten, welche Elemente eine künftige deutsche Sicherheitsstrategie enthalten solle. Es handelt sich um ein offenes Ideenpapier, das zum Teil divergierende Positionen aufzeigt. Ziel der Gruppe war es nicht, die Rede von Bundespräsident Gauck in München vorzubereiten.
Ich habe zunächst mit den Satirikern der „Anstalt“ gesprochen. „Die Anstalt“ wollte allerdings keine Fehler einräumen. Mein Vorschlag an Max Uthoff und Claus von Wagner war daraufhin, öffentlich – bei uns im Blatt – über die Vorwürfe zu diskutieren. Dies haben sie mit Verweis auf Terminschwierigkeiten abgelehnt. Weil ich Gerichtsfristen einhalten musste, um im Zweifel am Ende nicht wehrlos da zu stehen, musste ich die Klage einreichen.
Ich habe den Rechtsweg nur ungern beschritten, weil mir klar ist, dass mir dieses Vorgehen als „Zensurversuch“ ausgelegt werden wird. Trotzdem halte ich es für richtig, mich zu wehren.
Die Teilnahme an Konferenzen von Organisationen aller Art und Richtung gehört meiner Ansicht nach zum Alltag von Journalisten. Ich habe, teilweise sogar als Referent, auch schon an Konferenzen der Ärzte gegen den Atomkrieg, der Europa-Union, der Körber-Stiftung oder der Evangelischen Akademie Loccum teilgenommen. Mit all diesen Organisationen stehe ich genauso wenig in einer formalen oder gar arbeitsrechtlichen Beziehung wie zum GMF.
Der Programmdirektor des ZDF, Norbert Himmler, teilte der ZEIT mit, Satire müsse sich trauen, Sachverhalte „verzerrt“ darzustellen: „Audiatur et altera pars kann und muss sie nicht leisten.“
Da bin ich mit ihm ganz einer Meinung. Was Satire meiner Ansicht nach allerdings nicht darf, ist, einen Sachverhalt zu behaupten und ihn im selben Zug zu verzerren.

Herr Dr. Bittner betont in seiner E-Mail außerdem, die Arbeitsgruppe habe die Rede Gaucks nicht vorbereitet und er habe auch nicht gewusst, dass Gauck eine solche Rede halten würde. Herr Dr. Bittner hat außerdem noch folgendes mitgeteilt:

Sehr geehrter Herr Stadler,

wir kennen uns nicht, aber bevor Sie weiter verbreiten, ich hätte die Rede des Bundespräsidenten bei der Münchner Sicherheitskonferenz vorbereitet, lesen Sie doch bitte einmal meine Stellungnahme in der Sache. Oder gilt aus Ihrer Sicht für Blogger der Grundsatz „Audiatur et alters pars“ genauso wenig wie für Satiriker? Nachfragen bildet. Vielleicht halten Sie diese und andere grundlegende Regeln des Journalismus ein, bevor Sie mir weiter unterstellen, ich wolle irgend eine Meinung „unterdrücken“.

In meinem Buch „So nicht, Europa!“ habe ich 2010 geschrieben, die EU regele das Große zu klein und das Kleine zu groß. Diese Formel hat später Kommissionspräsident Barroso aufgegriffen und in mehreren Reden verwendet. Habe ich also auch für Herrn Barroso geschrieben?

Nach der konstruktiven Diskussion, die ich mit Jochen Bittner per E-Mail hatte, nehme ich ihm jedenfalls ab, dass es ihm nur darum ging, gegen eine aus seiner Sicht unrichtige bzw. verzerrte Darstellung vorzugehen und er keinen Kampf gegen die Pressefreiheit führen will. Ich halte – unabhängig von der juristischen Bewertung – das gerichtliche Vorgehen gegen die ZDF-Sendung dennoch im Interesse der Meinungs- und Informationsfreiheit aus publizistischen Erwägungen für falsch.

posted by Stadler at 12:29  

22.9.14

Vertraglich vereinbarte Abwerbeverbote sind häufig unwirksam

In Dienst-, Werk- oder Kooperationsverträgen zwischen Unternehmen findet sich häufig die Klausel, dass man sich verpflichtet, wechselseitig keine Mitarbeiter abzuwerben und für den Fall des Verstoßes Vertragsstrafe zu bezahlen ist.

Diese Vereinbarung stellt nach einer neuen Entscheidung des BGH (Urteil vom 30.04.2014, Az.: I ZR 245/12) eine im Regelfall gerichtlich nicht durchsetzbare Sperrabrede nach § 75 f HGB dar. Ohne Bedeutung für die Anwendbarkeit des § 75f HGB ist es nach Ansicht des BGH, ob die betroffenen Mitarbeiter Handlungsgehilfen im Sinne von §59 HGB sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts unterfallen dem Anwendungsbereich des § 75f HGB nämlich alle Arbeitnehmer.

Der BGH schränkt den Anwendungsbereich des § 75 f HGB dann allerdings unter Verweis auf Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG ein und betont, dass es besondere Fallkonstellationen gebe, in denen ein die Belange der betroffenen Arbeitnehmer überwiegendes Interesse der Arbeitgeberseite an einer gerichtlichen Durchsetzbarkeit des Abwerbeverbots besteht. Dies sei, so der BGH, u.a. dann der Fall, wenn das Verhalten des abwerbenden Arbeitgebers eine unlautere geschäftliche Handlung darstellt, deren Verbot nach den Vorschriften des UWG beansprucht werden kann.

Nicht in den Anwendungsbereich des §75f HGB fallen nach der Entscheidung des BGH außerdem solche Vereinbarungen, bei denen das Abwerbeverbot nicht Hauptzweck ist, sondern bei denen es nur eine Nebenbestimmung darstellt, die einem besonderen Vertrauensverhältnis der Parteien oder einer besonderen Schutzbedürftigkeit einer der beiden vertragschließenden Seiten Rechnung trägt. Dient ein Abwerbeverbot dem Schutz vor illoyaler Ausnutzung von Erkenntnissen, die im Rahmen solcher Vertragsverhältnisse und ihrer Abwicklung gewonnen worden sind, besteht kein Grund, die gerichtliche Durchsetzbarkeit zu versagen.

Zu dieser Fallgruppe gehören nach der Entscheidung des BGH u.a. Abwerbeverbote, die bei Risikoprüfungen vor dem Kauf von Unternehmen oder Unternehmensbeteiligungen vereinbart werden (sog. Due-Diligence-Prüfungen) und die vom Anwendungsbereich des § 75f HGB auszunehmen sind. Eine vergleichbare Situation kann be ieiner Abspaltung von Unternehmensteilen oder Konzerngesellschaften oder bei Vertriebsvereinbarungen zwischen selbständigen Unternehmen bestehen. Auch in diesen Fallkonstellationen kann die gerichtliche Durchsetzbarkeit von Abwebeverboten für eine reibungslose Vertragsabwicklung notwendig und eine einschränkende Auslegung des § 75f HGB geboten sein. Darüber hinaus dürfte dies – obwohl das nicht im Urteil steht – auch diejenigen Fälle betreffen, in denen die Abwerbung einem konkreten Know-How-Transfer dient, beispielsweise, wenn ein Mitarbeiter abgeworben wird, der aktuell an einem Projekt der anderen Seite mitarbeitet.

Der BGH hält solche Vereinbarungen in jedem Fall aber nur dann für wirksam, wenn sie zeitlich befristet sind.  Das Abwerbeverbot darf danach grundsätzlich längstens für zwei Jahre nach Beendigung der Zusammenarbeit vereinbart werden. Insoweit zieht der BGH eine Parallele zu Wettbewerbsverboten, die ebenfalls nicht länger als zwei Jahre nach Vertragsende wirksam sein können.

posted by Stadler at 11:01  

19.9.14

Der mittlerweile unbedeutende Streit der Datenschützer über IP-Adressen

Ob IP-Adressen als personenbezogene Daten im Sinne des Datenschutzrechts anzusehen sind, ist ein alter Streit, der seit Jahren geführt wird und der nunmehr auf Betreiben des Piratenpolitikers Patrick Breyer vor dem BGH gelandet ist. Und so wie es aussieht, könnte er von dort aus auch noch zum EuGH wandern. Auch wenn man diese Diskussion als Jurist für spannend halten kann, sollte man doch erkennen, dass sie ihre praktische Bedeutung in den letzten Jahren eingebüßt hat. Warum, das erklärt Alvar Freude in seinem Blog.

Aktuelle Tracking-Konzepte wie das Browser-Fingerprinting kommen ohne IP-Adressen aus. Für die gerne als Datenkraken verschrienen Unternehmen wie Google, Facebook oder Amazon spielen IP-Adressen keine wesentliche Rolle mehr, wenn es um die Ermittlung des Nutzerverhaltens geht.

Ganz anders sieht es allerdings im Bereich der Strafverfolgung oder bei der Ermittlung von Filesharern aus. Dort bildet die IP-Adresse, die im Zusammenhang mit einem bestimmten Nutzerverhalten zu einem bestimmten Zeitpunkt geloggt wurde, den zentrale Anknüpfungspunkt um mithilfe des Providers den dahinterstehenden User zu ermitteln. Insoweit ist es aber unerheblich, ob man die IP-Adresse als Datum mit absolutem oder nur relativem Personenbezug betrachtet. Denn das Gesetz sieht für diese Ermittlungsmaßnahmen ohnehin ausdrückliche Gestattungstatbestände vor.

Das höchste deutsche Zivilgericht wird also einen Streit entscheiden, der kaum mehr praktische Bedeutung hat, auch wenn ihn Juristen weiterhin eifrig führen.

posted by Stadler at 17:18  

19.9.14

E-Mail-Werbung und Auskunft über die zu Werbezwecken gespeicherten Daten

Das Amtsgericht Leipzig hat mit Urteil vom 18.07.2014 (Az.: 107 C 2154/14) entschieden, dass die Zusendung von E-Mails mit werbendem Inhalt an einen Rechtsanwalt, der aus berufsrechtlichen Gründen seine E-Mails sorgfältig lesen muss, als Eingriff in dessen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs zu bewerten und damit unzulässig sind. Das gilt auch dann, wenn für eine Fortbildungsbildungsveranstaltung geworben wird.

Das ist in der Sache wenig überraschend und bereits sehr häufig ähnlich entschieden worden.

Die Entscheidung ist darüber hinaus aber auch deshalb interessant, weil sie sich mit dem Umfang des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs nach § 34 BDSG auseinandersetzt.

Dem Amtsgericht genügt als Auskunft insoweit die Mitteilung, dass die Kontaktdaten (Name, E-Mail-Adresse) dem Internet entnommen wurden und zum Zwecke der Übermittlung von Informationen über Kongressveranstaltungen gespeichert wurden. Ob das in dieser Form wirklich ausreichend ist, kann man bezweifeln. Meines Erachtens muss hierzu jedenfalls die konkrete Quelle aus der die Daten stammen und entnommen wurden genannt werden. Auch die Ansicht des AG Leipzig, es sei dem Antwortschreiben konkludent zu entnehmen, dass die Daten nicht an Dritte übermittelt worden sind, halte ich für problematisch. Das würde nämlich dann bedeuten, dass immer dann, wenn auf das Auskunftsbegehren bzgl. einer Weitergabe personenbezogener Daten geschwiegen wird, dies den Erklärungsinhalt hätte, dass keine Weitergabe erfolgt ist. Man wird nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes insoweit schon eine ausdrückliche Auskunft erwarten dürfen.

posted by Stadler at 11:43  

18.9.14

Sprachlernsoftware darf nicht in gelb verpackt angeboten und beworben werden

Langenscheidt kann es einem Hersteller einer Sprachlernsoftware verbieten, sein Produkt in einer gelbe Verpackungen und einer in Gelb gehaltenen Werbung anzubieten (BGH, Urteil vom 18. September 2014 – I ZR 228/12 – Gelbe Wörterbücher). Der Langenscheidt Verlag verfügt über eine gelbe Farbmarke, die aufgrund langjähriger Verwendung kraft Verkehrsdurchsetzung eingetragen ist.

Der BGH geht davon aus,  dass auf dem inländischen Markt der zweisprachigen Wörterbücher Farben die Kennzeichnungsgewohnheiten prägen. Das gilt insbesondere für die Farbe gelb, die die Fa. Langenscheidt seit Jahrzehnten für ihre zweisprachigen Wörterbücher verwendet. Dies strahle auf den Markt benachbarter Produkte aus, zu denen die Sprachlernsoftware der Beklagten gehört, so dass das Publikum auch in diesem Produktbereich die von der Beklagten großflächig und durchgängig verwendete Farbe „Gelb“ als Produktkennzeichen verstehe.

Grundsätzlich so der BGH, fasse der Verkehr die Verwendung einer Farbe in der Werbung oder auf der Ware oder deren Verpackung allerdings im Regelfall als Gestaltungsmittel auf. Dies sei in diesem konkreten Fall aber anders.

Die von den Parteien vertriebenen Produkte – Wörterbücher und Sprachlernsoftware – und die von ihnen verwendeten Gelbtöne seien hochgradig ähnlich. Aus diesem Grund soll eine Lernsoftware mit gelber Verpackung und die in Gelb gehaltene Werbung eines Unternehmens, das Sprachlernsoftware vertreibt, die Farbmarke des Langenscheidt Verlags verletzen.

Ich halte die Entscheidung für durchaus fragwürdig. Insbesondere die Annahme, der Markt der zweisprachigen Wörterbücher sei durch Farben geprägt und dies würde dann auch auf den Markt benachbarter Produkte ausstrahlen, erscheint mir nicht zwingend. Nachdem bislang aber nur die Pressemitteilung vorliegt, gilt es die Urteilsbegründung abzuwarten.

posted by Stadler at 14:23  

18.9.14

Filesharing: Der Herbstdeal des Inkassobüros Debcon

Das Inkassobüro Debcon, das sich in den letzten Jahren durch Aktivitäten im Bereich des Filesharing-Inkassos hervorgetan hat, bietet aktuell einen äußerst großzügigen Herbst D€al (genau in dieser Schreibweise) an:

Ihre Mandantschaft zahlt nur 500 € anstatt 1.000 €

Nach einem kurzen Blick in die Akte habe ich mir die Frage gestellt, wo die 1.000 € eigentlich herkommen. Denn ursprünglich hatte die abmahnende Anwaltskanzlei eine ohnehin schon üppige Forderung von nur 850 € geltend gemacht.

Das großzügige Angebot der Fa. Debcon habe ich für meinen Mandanten abgelehnt.

posted by Stadler at 11:04  
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