Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

6.5.10

Vorratsdatenspeicherung beim EuGH

Wie Heise berichtet, hat der irische High Court dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob die Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung mit den europäischen Grundrechten und der Menschenrechtskonvention vereinbar ist.

Das Bundesverfassungsgericht hatte in seiner Entscheidung vom März, m.E. durchaus aus politisch-taktischen Erwägungen heraus, auf eine Vorlage beim EuGH verzichtet und sich darauf beschränkt, das deutsche Umsetzungsgesetz für nicht verfassungskonform zu erklären.

Der EuGH hat sich zwar bereits mit der Vorratsdatenspeicherung beschäftigt, allerdings nur mit der formellen Frage einer grundsätzlichen Kompetenz der EU für eine derartige Richtlinie. Eine inhaltliche Prüfung auf Grundrechtsverstöße hin, hat der EuGH nicht vorgenommen. Die Hoffnung, der EuGH könnte die Vorratsdatenspeicherung kippen, halte ich für sehr optimistisch. Wichtiger erscheint mir, dass nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts nochmals in den politischen Prozess der Überprüfung und Korrektur der Richtlinie eingetreten wird. Und an dieser Diskussion müssen sich, anders als vor Jahren, die verschiedenen europäischen Bürgerrechtsgruppen nunmehr aktiv und offensiv beteiligen.

posted by Stadler at 07:57  

4.7.09

Ist das Urteil des BVerfG zum Vertrag von Lissabon tatsächlich so bahnbrechend?

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrag von Lissabon wird in der Presse unisono als wegweisend, bahnbrechend oder gar als europäische Sternstunde gefeiert. Dazu muss man nur die Kommentare von Prantl in der SZ oder Wefing in der Zeit lesen.
Die begeisterten Kommentatoren ignorieren allerdings, dass der Tenor nicht hält, was die Urteilsbegründung verspricht.

Die höchsten deutschen Richter heben das Demokratiedefizit der EU hervor und weisen darauf hin, dass Deutschland unter diesen Bedingungen seine Souveränität nicht preisgeben darf. Aber sogleich beschwichtigt das BVerfG, denn eine solche Preisgabe sei im Vertrag von Lissabon noch gar nicht enthalten. Die scheibchenweise Übertragung der Souveränität nach Brüssel kann damit weitergehen, unter Beibehaltung des bestehenden Demokratiedefizits. Es sind allerdings schon dermaßen viele Scheiben abgeschnitten worden, dass von einem annähernd vollständigen Verbleib der Souveränität in Deutschland gar keine Rede mehr sein kann. Praktisch alles, was wirtschaftlichen Bezug aufweist – und der EuGH neigt zu einer extensiven Auslegung – wird nicht mehr in Berlin entschieden.

Der große europäische Verfassungsentwurf, zu dem man in Deutschland das Volk befragen und dem EU-Parlament endlich die Stellung eines Gesetzgebers geben müsste, ist freilich auch in Zukunft nicht zu erwarten. Das Verfassungsgericht weiß dies und hat sich geschickt um die Sachentscheidung gedrückt, die aufgrund der eigenen Urteilsbegründung angezeigt gewesen wäre.

Die Entscheidung zementiert in Wirklichkeit nur den status quo. Aber Wefing hat in seinem Kommentar in der Zeit in einem Punkt Recht. Das Urteil ist auch ein Appell an die Abgeordneten des Bundestages endlich aufzuwachen. Anlass zu der Hoffnung, dass das auch passieren wird, besteht allerdings in den unterschiedlichsten Feldern der Politik nicht.

posted by Stadler at 17:23  

30.6.09

BVerfG bestätigt Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Lissabon

Das Bundesverfaassungsgericht hält das Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Lissabon vor allem deshalb nicht für verfassungswidrig, weil durch die Zustimmung der Charakter Deutschlands als souveräner Staat noch nicht verloren geht. Das muss man m.E. nicht so sehen.

Gleichzeitig betont das Gericht aber, dass für den Beitritt zu einem europäischen Bundesstaat in Deutschland eine Verfassungsneuschöpfung notwendig ist, mit der ein
erklärter Verzicht auf die vom Grundgesetz gesicherte souveräne Staatlichkeit einherginge. Einen solchen Akt sieht das Gericht im Vertrag von Lissabon aber noch nicht.

Interessant sind auch die Ausführungen zum Europäischen Parlament und zum vielfach angesprochenen Demokratiedefizit der EU. Das Gericht betrachtet im Rahmen der bisherigen Strukturen weitere Integrationsschritte als kritisch und geht davon aus, dass solche ohne ein echtes Parlament, das tatsächlich repräsentative Mehrheitsentscheidungen treffen kann, nicht denkbar sind.

Das Urteil klingt also ein bisschen nach einem bis hierher und nicht weiter.

Dass das Begleitgesetz als nicht verfassungskonform eingestuft wurde, wird nur zu einer Verzögerung der deutschen Zustimmung führen.

Quelle: Pressemitteilung des BVerfG vom 30.06.09; Az.: 2 BvE 2/08, 2 BvE 5/08, 2 BvR 1010/08, 2 BvR 1022/08, 2 BvR 1259/08, 2 BvR 182/09

posted by Stadler at 10:25  

9.3.09

Volksabstimmung über Vertrag von Lissabon?

Für eine Volksabstimmung über den Vertrag von Lissabon plädiert der Kollege Carlos A. Gebauer in einem engagierten Aufruf bei ef-online.

Gebauer beklagt das gänzliche Fehlen einer öffentlichen Debatte über den Vertrag von Lissabon, obwohl es hierbei um nicht weniger als den faktischen Abschied vom Grundgesetz und der Zustimmung zu einer Europäischen Verfassung geht, die sich hinter dem Vertrag von Lissabon vebirgt.

Ich bin ebenfalls erstaunt und besorgt darüber, dass die für Deutschland weitreichendste politische Entscheidung der letzten Jahrzehnte kaum diskutiert wird. Zumal die EU nach wie vor ein strukturelles Demokratiedefizit aufweist.

Nachdem das Parlament bereits zugestimmt und der Bundespräsident ratifiziert hat, ruhen die letzten Hoffungen wieder einmal auf dem Bundesverfassungsgericht, das hierüber bereits verhandelt hat.

Während einige Prozessbeobachter der Ansicht waren, dass das Gericht den Vertrag nicht unbeanstandet lassen wird, ist Gebauer sehr skeptisch.

Sollte in Deutschland doch noch eine Diskussion einsetzen, dann käme sie wie so oft bei Rechtsakten aus Brüssel vermutlich zu spät. Es sei denn, das BVerfG ordnet tatsächlich eine Volksabstimmung an.

Es ist jedenfalls notwendig, sich mit diesem Thema zu beschäftigen.

posted by Stadler at 14:12