Kennzeichnung von Polizeibeamten ist rechtsstaatlich geboten
Eine neue Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Urteil vom 09.11.2017, Az.: 47274/15) hat die Diskussion über eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte erneut befeuert. Während beispielsweise Polizeigewerkschaften vehement gegen eine solche Kennzeichnungspflicht opponieren, wurde sie von Bürgerrechtsorganisationen immer wieder gefordert. Warum eine Kennzeichnungspflicht von Polizeibeamten eine rechtsstaatliche Notwendigkeit ist und die positiven Erfahrungen aus anderen Ländern auch zeigen, dass die Gegenargumente wenig stichhaltig sind, habe ich in einem älteren Beitrag erläutert. Dennoch hat man beispielsweise in Nordrhein-Westfalen unlängst die dort bestehende Kennzeichungspflicht – bezeichnenderweise mit den Stimmen der FDP – wieder abgeschafft.
Der Entscheidung des EGMR lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem ein Fall von Polizeigewalt nicht aufgeklärt werden konnte, weil die beteiligten Polizeibeamten mangels ausreichender Kennzeichnung nicht identifizierbar waren. Der EGMR hat insoweit allerdings weder eine Kennzeichnungspflicht explizit gefordert, noch die in Deutschland fehlende Kennzeichnung unmittelbar kritisiert, wie man mancherorts lesen konnte. Der EGMR geht allerdings davon aus, dass die fehlende Kennzeichnung in dem Sonderfall von behelmten Beamten geeignet ist, die Ermittlungen zu erschweren. Dieser Aspekt ist im Rahmen einer Gesamtabwägung zu berücksichtigen und er kann dazu führen, wenn nicht alle anderen effektiven Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung ausgeschöpft werden, dass wegen des Fehlens eines effektiven Rechtsschutzes gegen staatliche Gewalt, ein Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention anzunehmen ist.
Aus der Entscheidung lässt sich also durchaus die Schlussfolgerung ziehen, dass die Kennzeichnung von Polizeibeamten aus rechtsstaatlicher Sicht erwünscht ist, weil der Staat verpflichtet ist, es dem Bürger zu ermöglichen, den Vorwürfe von rechtswidriger Gewaltanwendung durch den Staat ausreichend aufklären zu lassen. Diese notwendige Aufklärung wird aber dadurch erschwert, dass Polizisten, die Gewalt anwenden, im Nachhinein oft nicht mehr identifiziert werden können.