Die Meldung, dass US-Behörden im Rahmen des Programms Prism das Internet in großem Stil überwachen und angeblich direkt auf Server von Google, Facebook, Apple oder Microsoft zugreifen können, hat weltweit für mediale Aufmerksamkeit gesorgt.
Wer weiß, was bereits deutsche Geheimdienste nach dem Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (G 10) dürfen und was sie tatsächlich praktizieren, dem muss klar sein, dass Geheimdienste weltweit die Telefon- und Internetkommunikation massiv und großflächig überwachen und aufzeichnen. In den USA möglicherweise umfassender und intensiver als in Europa.
Dass dies einer breiten Öffentlichkeit nicht bekannt ist, obwohl wesentliche Rahmenbedingungen nicht wirklich geheim sind, liegt auch an einer unzureichenden Berichterstattung.
Wer nun meint oder behauptet, die EU könne US-Programmen wie Prism etwa durch die geplante Datenschutzgrundverordnung Einhalt gebieten, hat nicht verstanden, auf welcher Grundlage und nach welcher Logik Geheimdienste agieren.
Die Legitimation jedweder Geheimdiensttätigkeit ergibt sich immer aus dem jeweiligen nationalen Recht. Weil es gerade auch darum geht, fremde Staaten und deren Bürger auszuspionieren, ist es zwangsläufig notwendig, sich über die rechtlichen Beschränkungen fremden Staaten hinwegzusetzen. Für die Tätigkeit von US-Diensten ist es also völlig irrelevant, was die EU oder ein europäischer Staat gesetzlich regelt. Das gilt freilich umgekehrt ebenso.
Gegen diese Form der Geheimdienstlogik hilft nur Transparenz, Information und Berichterstattung. Nötig ist vor allen Dingen aber auch ein sicherheitspolitischer Bewusstseinswandel und zwar sowohl in den Köpfen der Bürger als auch in denen der Politiker. Diese Welt wird letztendlich nur dann irgendwann wirklich demokratisch und freiheitlich werden, wenn wir es weltweit schaffen, Phänomene wie (nationale) Geheimdienste zu überwinden. Die Pönalisierung von Whistleblowern wie Bradley Manning ist hier übrigens nur die Kehrseite derselben Medaille. Solange Nationalstaaten Geheimdienste unterhalten, die mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet werden, im Verborgenen agieren dürfen und keiner effektiven Kontrolle unterliegen, solange wird man auch diejenigen hart bestrafen, die sich dieser Logik widersetzen, indem sie solche Informationen und Vorgänge öffentlich machen, die dieser merkwürdigen Geheimhaltungslogik unterliegen.
Es wird sich also nur dann etwas ändern, wenn Öffentlichkeit erzeugt wird und es gelingt, die finsteren Hinterzimmer auszuleuchten. Die Medien könnten damit anfangen, die Menschen einfach erst einmal über das Ausmaß der Überwachung zu informieren, das prinzipiell bereits bekannt ist. Ich lese leider wenig über den „elektronischen Staubsauger“ und das, was der BND auf Grundlage des G10 tatsächlich so treibt und frage mich warum. Ist es für Journalisten gefährlich in diesem Umfeld zu recherchieren und Dinge öffentlich zu machen?
Update vom 10.06.2013:
In einem Blogbeitrag für CR-Online stellt der Kollege Härting – lediglich in Bezug auf die kürzlich verabschiedete Bestandsdatenauskunft – die Frage, welche Beschränkungen für den Bundesnachrichtendienst (BND) gelten. Und der Blick ins Gesetz macht deutlich, dass es im Grunde keine nennenswerten Hürden gibt. Denn der BND kann nach der Neuregelung von Providern Daten anfordern, sobald er der Ansicht ist, dass Bestandsdaten zu Erkenntnissen über das Ausland führen können, die ”von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung” sind. Da das niemand effektiv überprüfen kann, hat der BND hier relativ freie Hand.
Das passt ganz gut zur aktuellen Diskussion um das US-Programm prism, in der man auch mal der Frage nachgehen sollte, was der BND und die Verfassungsschutzbehörden in puncto TK- und Internetüberwachung eigentlich dürfen und was sie tatsächlich praktizieren. Der BND darf nach geltemdem Recht (G10, BND-G) schon bedenklich viel und es steht zu befürchten, dass die Praxis noch darüber hinausgeht, nachdem es an einer effektiven Kontrolle der Geheimdiensttätigkeit fehlt.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich der BND nach § 1 Abs. 2 S. 2 BND-G nur dann an einschränkende Vorgaben des deutschen Rechts halten muss, wenn die Informationen im Inland erhoben werden. Für die Daten- und Informationsbeschaffung im Ausland sieht das deutsche Recht keine gesetzlichen Beschränkungen vor. Und exakt nach derselben Logik arbeiten alle Geheimdienste weltweit.
Man sollte in diesem Zusammenhang außerdem auch berücksichtigen, dass die internationale Zusammenarbeit der Geheimdienste offenbar besser funktioniert als beispielsweise der Informationsaustausch unter den deutschen Verfassungsschutzbehörden. Die Informationen die die USA im Zuge ihrer weitreichenden Überwachungsmaßnahmen erlangen, landen bei Bedarf dann nämlich auch in Pullach.
Vielleicht bietet der aktuelle Fall ja die Gelegenheit dazu, öffentlich und vor einem großen Publikum die Praktiken der Geheimdienste weltweit zu hinterfragen.