Die Polizei hat nach Presseberichten, die von der Generalstaatsanwaltschaft Dresden laut Heise zwischenzeitlich bestätigt wurden, vergangene Woche in vier Bundesländern Razzien gegen die Betreiber der Filmplattform kinox.to durchgeführt. Bei den Nutzern geht jetzt die Angst um. Wie schon im Fall von kino.to wird die Frage diskutiert, ob auch die Nutzer des Portals eine Urheberrechtsverletzung begangen oder sich sogar strafbar gemacht haben. Ob der Nutzer urheberrechtswidriger Streaming-Portale das Urheberrecht verletzt, ist juristisch umstritten.
Ist das Streaming durch den Nutzer überhaupt urheberrechtlich relevant?
Zunächst muss die Frage geklärt werden, ob der Nutzer, der ein Werk im Wege des Streaming lediglich betrachtet und anders als beim Download nicht (dauerhaft) auf seiner Festplatte speichert, überhaupt eine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung vornimmt.
Gegen die Annahme einer Urheberrechtsverletzung spricht auf den ersten Blick der Umstand, dass der bloße Werkgenuss grundsätzlich keine Nutzungshandlung darstellt. Das hat seinen Grund auch darin, dass die Wiedergabe des Werkes nach § 15 Abs. 2 UrhG nur dann urheberrechtlich relevant ist, wenn sie öffentlich erfolgt. Wer also ein Werk der Musik oder des Films zum Eigenkonsum nur abspielt, begeht grundsätzlich selbst dann keine Urheberrechtsverletzung, wenn er eine Raubkopie benutzt.
Die zu beantwortende Frage lautet also, ob das Streaming durch einen Nutzer sich in der bloßen Wiedergabe des Werks erschöpft oder eine darüberhinausgehende Nutzungshandlung beinhaltet.
Beim Streaming wird technisch bedingt eine kurzfristige Zwischenspeicherung im Arbeitsspeicher des Nutzers vorgenommen. Der weite Vervielfältigungsbegriff des Art. 2 Infosoc-Richtlinie umfasst allerdings auch solche vorübergehenden Vervielfältigungen, weshalb auch die Zwischenspeicherung (Caching) grundsätzlich als Vervielfältigung anzusehen ist. Diese vorübergehende Speicherung stellt nach § 44a UrhG und Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG (Infosoc-Richtlinie) eine Vervielfältigungshandlung dar, die allerdings unter den dort genannten Voraussetzungen auch ohne Zustimmung des Rechteinhabers zulässig ist. Dies betrifft nach der Rechtsprechung des EuGH insbesondere „die von einem Endnutzer bei der Betrachtung einer Internetseite erstellten Kopien auf dem Bildschirm seines Computers und im „Cache“ der Festplatte dieses Computers“. Diese Rechtsprechung betrifft somit ohne weiteres auch das sog. Streaming. Ob sie allerdings auch auf das Streaming von urheberrechtswidrigen Inhalten angewendet werden kann, ist unklar, nachdem die Entscheidung nur einen Fall betraf, in dem die Inhalte mit Zustimmung des Rechteinhabers ins Netz gestellt worden sind.
Ist das Streaming von § 44a UrhG privilegiert?
Der Wortlaut von § 44a UrhG und von Art. 5 Abs. 1 Infosoc-Richtlinie lässt nicht eindeutig erkennen, ob die Vorschrift auch dann eingreifen kann, wenn die benutzte Datei an der Quelle nicht rechtmäßig ins Netz gestellt worden ist. Nach der Vorschrift ist der Nutzer nur dann privilegiert, wenn die Zwischenspeicherung einer rechtmäßigen Nutzung des Werks dient. In der Literatur wird hieraus z.T. gefolgert, dass derjenige, der geschützte Werke urheberrechtswidrig nutzt, sich nicht auf § 44a UrhG berufen könne. Vielmehr sei maßgeblich, ob die Quelle rechtmäßig ist (Loewenheim in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl. § 44a, Rn. 9; Wandtke/von Gerlach, GRUR 2013, 676, 678 ff.).
Dies hätte freilich erhebliche Auswirkungen nicht nur auf die hier diskutierte Fragestellung des Streamings, sondern vielmehr auf jede Nutzung des World Wide Web. Denn wie der EuGH in seiner Entscheidung klargestellt hat, betrifft die Ausnahmeregelung gerade auch die Fälle des Browsings, also des bloßen Betrachtens von Webseiten durch einen Nutzer. Das würde allerdings dann auch bedeuten, dass Nutzer des WWW eine Urheberrechtsverletzung begehen, sobald sie eine Website aufrufen, auf der sich urheberrechtswidrig eingestellte Texte, Fotos, grafische Elemente o.ä. befinden. Damit würde der Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung, die normale Nutzung des Internets nicht zu beeinträchtigen, unterlaufen. Aus diesem Grund wird in der Literatur mittlerweile wohl überwiegend davon ausgegangen, dass eine rechtmäßige Nutzung nicht zwingend eine rechtmäßige Vorlage erfordert, sondern bereits dann anzunehmen ist, wenn eine gewöhnliche rezeptive Werknutzung vorliegt ( So oder so ähnlich: Galetzka/Stamer, MMR 2014, 292, 296 f.; Hilgert/Hilgert, MMR 2014, 85, 86 f.; Knies, CR 2014, 140, 143; Stadler/Heidrich in: Taeger (Hrsg.),
Big Data & Co – Neue Herausforderungen für das Informationsrecht, Tagungsband Herbstakademie 2014, S. 325, 336 f).
Es erscheint nicht überzeugend, allein auf die Rechtmäßigkeit der Quelle abzustellen, nachdem die Richtlinie von einer rechtmäßigen Nutzung spricht. Damit wird nämlich erkennbar an den Nutzungsvorgang und nicht auf das Einstellen der Inhalte an der Quelle angeknüpft.
In einer anderen Entscheidung betont der EuGH in Auslegung von Art. 5 Abs. 1 Infosoc-Richtlinie auch, dass eine kurzfristige Zwischenspeicherung lediglich dem Betrieb eines Satellitendecoders dient und damit dem Empfang von Sendungen. Ergänzend stellt der EuGH klar, dass der bloße Empfang von Sendungen als solcher, insbesondere auch ihre visuelle Darstellung im privaten Kreis, keine nach Unionsrecht beschränkte Handlung darstellt. Das deutet darauf hin, dass der EuGH den bloßen privaten Werkgenuss auch dann nicht für urheberrechtlich relevant hält, wenn eine Zwischenspeicherung stattfindet.
Man wird diese Erwägungen auf sämtliche Fälle des Cachings übertragen müssen, wenn man nicht erhebliche Teile der Internetnutzung als urheberrechtswidrig qualifizieren möchte.
Eine weitere Ansicht, die vom Amtsgericht Hannover vertreten wird, stellt für die Anwendung des § 44a UrhG ohne nähere Begründung darauf ab, ob kurzfristig eine nicht offensichtlich rechtswidrige Vorlage gestreamt wird. Ob sich ein solches subjektives Element tatsächlich aus der Vorschrift des § 44a UrhG bzw. der Infosoc-Richtlinie ableiten lässt, erscheint fraglich. Das AG Hannover vermengt letztlich die Schrankenbestimmung des § 53 Abs. 1 UrhG – dort ist diese Voraussetzung ausdrücklich normiert – mit den Voraussetzungen von § 44 a UrhG.
Die Schrankenbestimmung des § 53 UrhG (Privatkopie)
Sofern man das Streaming aus Nutzersicht also als urheberrechtlich relevante Vervielfältigung betrachtet, verbleibt lediglich der Rückgriff auf § 53 UrhG, der eine Vervielfältigung zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch ermöglicht. Voraussetzung der Berufung auf diese Schrankenregelung ist allerdings, dass zur Vervielfältigung keine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird.
Und an dieser Stelle wird es bei Angeboten wie kintx.to schwierig. Während man bei Portalen wie redtube.com sicherlich die Auffassung vertreten kann, dass der Nutzer keine offensichtlich rechtswidrige Vorlage streamt, dürfte dies bei aktuellen Kinofilmen anders zu bewerten sein.
Nach Ansicht des AG Hannover liegt eine offensichtlich rechtswidrige Vorlage dann vor, wenn aktuelle Kinofilme oder Fernsehserien bereits vor oder kurz nach dem offiziellen Kinostart bzw. vor der Erstausstrahlung im deutschen Fernsehen kostenlos angeboten werden. Andernfalls dürfe der durchschnittliche Internetznutzer davon ausgehen können, dass die Betreiber eines Streaming-Portals die erforderlichen Rechte an den Filmen erworben haben.
Zusammenfassung
Die urheberrechtliche Zulässigkeit des Streamings urheberrechtswidrig ins Netz gestellter Werke ist aus Sicht des Nutzers an den Schrankenvorschriften der §§ 44a oder 53 Abs. 1 UrhG zu messen. Nach der hier vertretenen Auffassung, ist die rezeptive Nutzung von Streaming-Angeboten als ein Fall des bloßen Werkgenusses regelmäßig als rechtmäßige vorübergehende Vervielfältigung nach § 44a Nr. 2 UrhG zu betrachten. Damit ist auch das Streaming aus urheberrechtswidriger Quelle aus Nutzersicht nicht rechtswidrig.
Wenn man dies anders sieht und mit Teilen der juristischen Literatur die Schrankenbestimmung zur Privatkopie (§ 53 UrhG) für maßgeblich hält, liegt bei der Nutzung von Portalen wie kinx.to in vielen Fällen eine Urheberrechtsverletzung vor. Damit diese Urheberrechtsverletzung gleichzeitig eine Straftat darstellt, muss noch Vorsatz hinzu kommen. Wobei beim Streaming von aktuellen Kinofilmen jedem Nutzer klar sein muss, dass der Anbieter solche Inhalte nicht legal ins Netz gestellt hat, weshalb der Schritt zur Bejahung einer vorsätzlichen Rechtsverletzung nicht mehr weit ist.
Nachdem die Rechtslage derzeit nicht geklärt ist, besteht auch für Nutzer von Portalen wie kinox.to durchaus das Risiko einer Strafverfolgung. Ob die Staatsanwaltschaften Handlungen einzelner Nutzer überhaupt ermitteln und insoweit ebenfalls Strafverfahren einleiten, ist bislang allerdings unklar.