Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

30.4.11

Naive Datenkühe

Unter dem Titel „Die naive Datenkuh“ – die Autorin meint damit den naiven Verbraucher und keinesfalls sich selbst – wird im Tagesspiegel wieder einmal über datenhungrige Unternehmen berichtet und über Nutzer, die diesen Hunger allzu leichtfertig bedienen.

Natürlich darf in diesem Kontext in diesen Tagen auch ein Hinweis auf das Buch „Die Datenfresser“ von Constanze Kurz und Frank Rieger nicht fehlen. Der Artikel selbst ist inhaltlich kaum der Rede Wert, überrascht aber schließlich mit einem interessanten Vorschlag in Richtung des Gesetzgebers. Die Autorin fordert nämlich ein Auskunftsrecht per Gesetz, mit dem jeder bei einem Unternehmen abfragen kann, welche persönlichen Daten zu seiner Person gespeichert sind.

Vielleicht wird es den einen oder anderen überraschen, aber dieses Auskunftsrecht gibt es längst. Geregelt ist es in § 34 BDSG. Ein Mindestmaß an journalistischer Recherche wäre gelegentlich wirklich von Vorteil.

posted by Stadler at 21:09  

29.4.11

Der Datenschutz und das Netz

Im Netzpolitik-Blog der Grünen ist gerade ein Beitrag von Konstantin v. Notz und Nils Leopold zur Debatte um Datenschutz, Privatsphäre und Post-Privacy erschienen.

Auch wenn der Beitrag zutreffend erkennt, dass das geltende Datenschutzrecht den Anforderungen des Internets nicht gewachsen ist, verfängt er sich, was die Lösungsmöglichkeiten angeht, allzu sehr in dem Datenschutzgeblubber, das man von professionellen Datenschützern zu oft hört und vermeidet es,  die wirklichen Knackpunkte überhaupt anzusprechen.

Die These, wonach es keinen Anlass zu einer pauschalen Absenkung der Datenschutzstandards mit Blick auf das Internet gibt, wird leider nicht untermauert. Eine realistische Betrachtung müsste nämlich die Frage stellen, wie beispielsweise Phänomene wie Cloud Computing und streng genommen das gesamte Massenhosting , ohne Absenkung des gesetzlichen Datenschutzniveaus, mit dem geltenden Recht in Einklang zu bringen sind. Ähnliche Fragen stellen sich bei den Themen Tracking oder Geolocation. Auch gängige Werbeformen wie Partnerprogramme oder Affiliate-Marketing sind streng genommen nicht datenschutzkonform.

Meine These lautet daher, dass die Nutzung von Internet und Mobilfunk in der Art und Weise wie sie die meisten von uns praktizieren, mit dem geltenden Datenschutzrecht nicht in Einklang steht und ohne Absenkung bzw. Modifikation des Datenschutzniveaus auch nicht in Einklang zu bringen ist.

Die aktuelle Krise des Datenschutzes, die auch von Notz und Leopold ansprechen, hat seine Ursache gerade darin, dass das Netz nur deshalb funktioniert, weil deutsche und europäische Vorgaben des Datenschutzes nicht eingehalten werden. Das geltende Datenschutzrecht funktioniert im Netz nicht und das Netz funktioniert nur deshalb, weil es das europäische Datenschutzrecht vielfach ignoriert. The Net routes around it. Dieses Datenschutzdilemma gilt es endlich aufzuzeigen und offen zu diskutieren.

Der richtige Ansatz kann deshalb nur darin bestehen, alles auf den Prüfstand zu stellen. Das bedeutet, dass man auch eine Absenkung des Datenschutzniveaus und eine punktuelle Preisgabe bisheriger Positionen in Betracht ziehen muss. Nur mit einem solchen Ansatz kann es uns gelingen, auch in Zukunft einen gewissen Datenschutz zu gewährleisten, der dann auch tatsächlich umgesetzt wird. Das würde nämlich – zwar nicht in normativer, allerdings in faktischer Hinsicht – sogar zu einer Verbesserung Datenschutzniveaus führen.

Es wird außerdem auf Dauer auch im Datenschutz keinen europäischen Sonderweg geben, sofern wir auch in Zukunft das Internet so nutzen wollen, wie wir es bisher tun und wie es die Amerikaner sicherlich auch weiterhin tun werden.

posted by Stadler at 18:34  

29.4.11

Filmverleiher verklagt Rechtsanwalt wegen Twitter-Meldung

Rechtsanwalt Marcus Dury berichtet darüber, dass ihn eine Filmverleihfirma wegen eines Tweets verklagt hat und die Erstattung von Anwaltskosten verlangt.

Dury hatte nach eigenen Angaben folgendes getwittert:

Uns liegt eine Abmahnung der Kanzlei Lampmann Behm Rosenbaum vor. Abgemahnt wird ein [ZENSIERT]-Film der C. Filmverleih GmbH“

Gegenstand des Streits ist der Film „Die Beschissenheit der Dinge„, den Dury offenbar dem Erotik- bzw. Pornobereich zugeordnet hatte. Nachdem der Film aber offensichtlich nicht pornografisch ist und auch von der FSK mit einer Alterskennzeichnung „ab 12“ versehen ist, ist der Vorwurf einer falschen Tatsachenbehauptung nicht ganz von der Hand zu weisen. Ob deshalb aber schon das Unternehmenspersönlichkeitsrecht – dessen Reichweite nach wie vor streitig ist – der Verleihfirma verletzt ist, erscheint mir durchaus diskutabel.  Der Kollege Dury hat sich jedenfalls entschlossen eine Unterlassungserklärung abzugeben, sich aber geweigert, Anwaltskosten zu übernehmen.

Der Fall zeigt, dass auch unüberlegte Tweets zu Abmahungen und Klagen führen können.

posted by Stadler at 10:50  

29.4.11

Bayerische Datenschutzaufsicht soll unabhängig werden

Der Europäische Gerichtshof hat im letzten Jahr entschieden, dass die deutschen Aufsichtsbehörden für die Überwachung des Datenschutzes im nichtöffentlichen Bereich nicht mehr staatlicher Aufsicht unterstellt sein dürfen.

Das betrifft u.a. die bayerische Datenschutzaufsicht, die für den öffentlichen Bereich (Behörden, staatliche Stellen) dem Landesbeauftragten für den Datenschutz unterliegt und im nichtöffentlichen Bereich (Unternehmen, Vereine, Verbände) bislang beim Landesamt für Datenschutzaufsicht angesiedelt war. Das Landesamt war bis dato Teil der Regierung von Mittelfranken und unterstand damit der Aufsicht und der Weisung der Staatsregierung.

Mit Wirkung zum 01.05.2011 wird das Landesamt in eine selbständige Landeszentralbehörde umorganisiert, die keinerlei staatlicher Aufsicht unterliegen und künftig auch haushaltsrechtlich selbständig geführt werden soll. So heißt es zumindest in einer Pressemitteilung des bayerischen Innenministeriums.

Der Forderung der Opposition, die Datenschutzaufsicht für den öffentlichen und nichtöffentlichen Bereich – wie in anderen Bundesländern – zusammenzufassen und insgesamt beim Landesdatenschutzbeauftragten anzusiedeln, will die Landesregierung nicht nachkommen. Obwohl dies sicherlich in sachlicher Hinsicht die richtige Maßnahme wäre.

posted by Stadler at 09:51  

28.4.11

Vorschlag für ein neues urheberrechtliches Vergütungsmodell

Der Chaos Computer Club (CCC) ist vor einigen Tagen mit einem neuen Vorschlag eines zeitgemäßen urheberrechtlichen Vergütungsmodells an die Öffentlichkeit gegangen.

Das „Kulturwertmark“ genannte Konzept greift die Idee der Kulturflatrate auf und kombiniert diese mit einem Micropaymentelement.

Jeder Nutzer – gemeint ist damit letztlich jeder (steuerzahlende) Bürger – soll einen monatlich festgelegten Betrag einzahlen. Diese Beiträge sollen von einer staatsfernen Stiftung verwaltet werden. Für diesen Beitrag erhält der Nutzer Einheiten einer Micropayment-Währung, der Kulturwertmark, die er selbst an beliebige Künstler/Kreative verteilen kann.

Im Gegenzug sollen Korrekturen am bestehenden Urheberrecht vorgenommen werden, u.a. die deutliche Verkürzung der Schutzfristen und die Beschränkung der straf- und zivilrechtlichen Verfolgung von Filesharing und privaten Kopien auf solche Verstöße, die zum Zwecke der profitorientierten Gewinnerzielung erfolgen.

Auch wenn dieser Vorschlag auf den ersten Blick nicht nach dem großen Wurf aussieht, sondern eher nach einer Erweiterung der Idee der Kulturflatrate um eine Flattr-Komponente, sollte man darin einen Diskussionsbeitrag sehen, den man aufgreifen und weiterentwickeln kann.

Wer diese Diskussion ernsthaft führen möchte, muss allerdings zu einem Paradigmenwechsel im geltenden Urheberrecht bereit sein. Die aktuelle Politik marschiert bislang allerdings eher in die entgegengesetzte Richtung, wie die diversen Körbe des Urheberrechts belegen. Die fortwährende Verschärfung des Urheberrechts zu Gunsten der Rechteinhaber und damit letztlich zu Lasten der Allgemeinheit, hat allerdings bislang nicht den von der Industrie erhofften wirtschaftlichen Effekt gezeigt. Speziell die Musikindustrie wird es deshalb früher oder später bereuen, dass man sich nicht offen auf eine Diskussion eingelassen hat, die auf ein Modell einer Kulturflatrate – mit welchen Modifikationen auch immer – setzt. Denn dieses Modell garantiert den Rechteinhabern zumindest ein gewisses Maß an Einnahmen und dürfte daher langfristig wirtschaftlich vielversprechender sein als der Versuch, ein sterbendes Modell mit Hilfe juristischer Mittel am Leben zu erhalten.

posted by Stadler at 18:19  

28.4.11

Eckpunktepapier zur Umsetzung des Grundsatzes „Löschen statt Sperren“

Das Eckpunktepapier der Bundesregierung vom 11.04.2011 für ein Gesetz zur Umsetzung des Grundsatzes „Löschen statt Sperren“ sieht vor, das Zugangserschwerungsgesetz (Artikel 1 des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen) vollständig aufzuheben.

Wörtlich heißt es in dem mir vorliegenden Eckpunktepapier:

In das Gesetz werden ausschließlich folgende Regelungen aufgenommen:

1. Aufhebung des Artikel 1 des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen. Stattdessen werden kinderpornographische Inhalte auf der Grundlage des geltenden Rechts gelöscht.

2. Artikel 2 des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen regelt eine Erhebungsbefugnis von Daten zugunsten des Telekommunikationsanbieters nach § 96 TKG, soweit dies für die in § 2 oder § 4 ZugErschwG genannten Zwecke erforderlich ist. Diese auf das Sperren nach dem ZugErschwG bezogene Erhebungsbefugnis ist als Folgeänderung aus dem TKG zu streichen.

3. Artikel 3 des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen regelt eine Evaluierungspflicht der Bundesregierung und die Pflicht, über die Ergebnisse der Evaluierung gegenüber dem Bundestag Bericht zu erstatten. Mit dem Verzicht auf das Sperren entfällt auch der Evaluierungsgegenstand. Die Evaluierungs- und Berichterstattungspflicht wird deshalb ebenfalls aufgehoben.

posted by Stadler at 16:09  

27.4.11

Sarrazin erwirkt einstweilige Verfügung gegen die NPD

Thilo Sarrazin, Rechtspopulist und weiterhin Mitglied der SPD, will nicht von der NPD zitiert werden und hat beim Landgericht Berlin (Beschluss vom 26.04.2011, Az.: 27 O 274/11) eine einstweilige Verfügung gegen die rechtsextreme Partei erwirkt. Die NPD hatte Sarrazins Aussage „Ich möchte nicht, dass wir zu Fremden im eigenen Land werden“ für eine Wahlwerbung benutzt. Das Gericht untersagte das Zitat mit der Begründung, es würde der unzutreffende Eindruck erweckt, Sarrazin stelle sich und seine Aussage bewusst der NPD zur Verfügung.

Unabhängig davon, ob man die juristische Einschätzung des Gerichts teilt, ist es wenig erstaunlich, dass Sarrazin von der NPD vereinnahmt wird. Denn diese Geister hat er selbst gerufen.

posted by Stadler at 22:18  

27.4.11

Virtuelle Schengen-Grenze

Die  Law Enforcement Working Party (LEWP) des Rats der EU schlägt die Schaffung einer virtuellen Schengen-Grenze für das Internet vor, an der Internet Service Provider unerlaubte Inhalte auf Basis einer „EU-Blacklist“ blockieren sollen. Klingt nach einer weiteren Eselei aus Brüssel und genau das ist es wohl auch.

Die mittlerweile mehreren Abkommen, die unter dem Schlagwort Schengen zusammengefasst sind, bewirken eine Abschaffung von Grenzkontrollen innerhalb der Gemeinschaft zugunsten einer vereinheitlichten Kontrolle an den EU-Außengrenzen. Gerade im Zusammenhang mit der Flüchtlingsthematik sprechen manche insoweit nicht ganz un Unrecht von der „Festung Europa“.

Dieses Konzept der teritorialen Abschottung des EU-Raums will die LEWP offenbar um eine virtuelle Komponente erweitern. Der Ansatz macht deutlich, wozu das ständige Gerde vom virtuellen Raum und vom Cyberspace führt. Manche politischen Akteure scheinen in der Tat zu glauben, es würde eine Art physikalischer Raum existieren, den man ähnlich wie ein Staatsgebiet kontrollieren kann. Am Besten also gleich eine Visumspflicht für Daten schaffen, denn dem unkontrollierte Datenverkehr muss Einhalt geboten werden.

An diesem Punkt müsste zunächst das ständige Gerede vom Cyberspace bzw. dem Netz als Raum beendet werden. Das Netz ist kein Raum, auch kein virtueller. Man kann keine Visumspflicht für Daten einführen und auch keine Datenströme zurück in ihr Herkunftsland schicken, so wie man es mit den sog. Wirtschaftsflüchtlingen macht. Sobald das wirklich alle begriffen haben, wird sich auch die Erkenntnis durchsetzen, dass eine Regulierung des Netzes, wie sie der LEWP vorschwebt, nur dann möglich ist, wenn man sämtliche Anforderungen eines demokratischen Rechtsstaats über Bord wirft. Neben der bereits bestehenden (virtuellen) Great Wall Of China gäbe es dann zusätzlich die Great Wall Of Europe.

Ebenfalls zum Thema:
Europa auf dem Weg nach China? (AK Zensur)
Datenschmuggel ist ein Verbrechen (lawblog)

posted by Stadler at 14:50  

26.4.11

Abmahnkanzlei verlangt Unterlassung des Uploads von Debian 5

Update: Die Abmahnung scheint tatsächlich eine Fälschung zu sein, wie die Abgemahnte selbst berichtet.

Meine ursprünglicher Beitrag, der sich als sachlich unzutreffend herausgestellt hat lautete:

Die für die massenhafte Abmahnung von Urheberrechtsverletzungen bekannte Anwaltskanzlei Negele, Zimmel, Greuter, Beller mahnt offenbar im Auftrag eines holländischen Unternehmens das öffentliche Zugänglichmachen der Linux-Distribution Debian5 über P2P-Netzwerke ab. Eine hiervon betroffene Nutzerin zitiert das Schreiben der Rechtsanwälte dahingehend, dass deren Auftraggeberin Media Art Holland die Nutzungs- und Verwertungsrechte an der Software Debian5 habe.

Nachdem es sich bei Debian Linux bekanntlich um Open Source Software handelt und im konkreten Fall noch dazu eine vom Debian-Server stammende Distribution verwendet worden ist, ist die Behauptung, die holländische Firma Media Art würde über Nutzungs- und Verwertungsrechte an Debian5 verfügen – sog. Verwertungsrechte stehen allein dem Urheber zu – mit Sicherheit falsch.

Sollte die Abmahnung nicht gefälscht sein, wie z.B. der Kollege Ferner vermutet, dann liegt ein Fall einer rechtsmissbräuchlichen Abmahnung vor.

posted by Stadler at 12:34  

20.4.11

Bei Waldorf Frommer geht es mittlerweile sehr fix

In Sachen Filesharing-Abmahnungen drücken manche Abmahnkanzleien und Gerichte mittlerweile gehörig auf die Tube.

Habe gerade einen Fall bearbeitet, bei dem der Rechtsverstoß am 03.04.20011 stattgefunden haben soll. Bereits am 04.04.2011 (!) hat das Landgericht München I den Beschluss nach § 101 Abs. 9 UrhG erlassen, die Abmahnung der Kanzlei Waldorf Frommer datiert auf den 13.04.2011.

Speziell die Kanzlei Waldorf hat in letzter Zeit scheinbar kräftig Personal eingestellt und man munkelt, dass das auch dem Zweck dient, verstärkt Prozesse zu führen.

posted by Stadler at 18:48  
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