Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

27.4.11

Virtuelle Schengen-Grenze

Die  Law Enforcement Working Party (LEWP) des Rats der EU schlägt die Schaffung einer virtuellen Schengen-Grenze für das Internet vor, an der Internet Service Provider unerlaubte Inhalte auf Basis einer „EU-Blacklist“ blockieren sollen. Klingt nach einer weiteren Eselei aus Brüssel und genau das ist es wohl auch.

Die mittlerweile mehreren Abkommen, die unter dem Schlagwort Schengen zusammengefasst sind, bewirken eine Abschaffung von Grenzkontrollen innerhalb der Gemeinschaft zugunsten einer vereinheitlichten Kontrolle an den EU-Außengrenzen. Gerade im Zusammenhang mit der Flüchtlingsthematik sprechen manche insoweit nicht ganz un Unrecht von der „Festung Europa“.

Dieses Konzept der teritorialen Abschottung des EU-Raums will die LEWP offenbar um eine virtuelle Komponente erweitern. Der Ansatz macht deutlich, wozu das ständige Gerde vom virtuellen Raum und vom Cyberspace führt. Manche politischen Akteure scheinen in der Tat zu glauben, es würde eine Art physikalischer Raum existieren, den man ähnlich wie ein Staatsgebiet kontrollieren kann. Am Besten also gleich eine Visumspflicht für Daten schaffen, denn dem unkontrollierte Datenverkehr muss Einhalt geboten werden.

An diesem Punkt müsste zunächst das ständige Gerede vom Cyberspace bzw. dem Netz als Raum beendet werden. Das Netz ist kein Raum, auch kein virtueller. Man kann keine Visumspflicht für Daten einführen und auch keine Datenströme zurück in ihr Herkunftsland schicken, so wie man es mit den sog. Wirtschaftsflüchtlingen macht. Sobald das wirklich alle begriffen haben, wird sich auch die Erkenntnis durchsetzen, dass eine Regulierung des Netzes, wie sie der LEWP vorschwebt, nur dann möglich ist, wenn man sämtliche Anforderungen eines demokratischen Rechtsstaats über Bord wirft. Neben der bereits bestehenden (virtuellen) Great Wall Of China gäbe es dann zusätzlich die Great Wall Of Europe.

Ebenfalls zum Thema:
Europa auf dem Weg nach China? (AK Zensur)
Datenschmuggel ist ein Verbrechen (lawblog)

posted by Stadler at 14:50  

2 Comments

  1. Auf der anderen Seite macht die Metapher vom „Raum“, insbesondere dem „öffentlichen Raum“ auch deutlich, dass das Netz mehr ist als ein Kommunikationsmittel zwischen Menschen.

    Das darin Öffentlichkeit passiert und daher auch bestimmte Ansprüche, die wir in der analogen Öffentlichkeit ganz selbstverständlich haben – Anonyme Teilhabe bspw. – ebenfalls Berücksichtigung finden müssen.

    Insofern ist das mit der Raum-Metapher vielleicht nicht ganz so einfach…

    Comment by crackpille — 27.04, 2011 @ 15:36

  2. Mich würde mal interessieren, wie der deutsche Vertreter in diesem Gremium heisst. Dem sollte mal die Frage gestellt werden, ob er sich noch auf dem Boden unserer freiheitlichen Grundordnung heimisch fühlt.

    Comment by GustavMahler — 27.04, 2011 @ 19:05

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