Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

25.3.19

Die Grenzen zwischen Lobbyismus und Journalismus verschwimmen

Mit der morgigen Abstimmung im Europäischen Parlament zur Urheberrechtsrichtlinie geht (vielleicht) eine bislang in dieser Form noch nicht dagewesene Lobbykampagne zu Ende, die leider auch vor den etablierten Medien nicht Halt macht.

Den publizistischen Tiefschlag liefern mit Heribert Prantl und Andrian Kreye ausgerechnet zwei der bekanntesten Journalisten der Süddeutschen Zeitung. Während Kreye meint: „Ihr unterstützt datengierige US-Konzerne“, um anschließend, die These aufzustellen, es ginge um Datensouveränität, spitzt Prantl noch stärker zu:

Aber die Vorwürfe stimmen nicht, es handelt sich um Lügen und Finten der Internet-Großkonzerne. Sie haben die Netzgemeinde mit diesen Lügen eingewickelt. Diese Konzerne tarnen ihre Geschäftsinteressen mit heuchlerisch idealistischem Gerede.

Hätte sich Prantl nur ein kleinwenig mit dem Thema befasst, dann wäre ihm nicht entgangen, dass sich eine Vielzahl führender Fachleute unterschiedlicher Disziplinen kritisch bis ablehnend mit dem Gesetzesvorhaben auseinandergesetzt haben. Reto Hilty und Valentina Moscon, Rechtswissenschaftler am Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht in München, gehen davon aus, dass die Richtlinie ihre zentrale Zielsetzung über weite Strecken verfehlt. Hannes Federrath, Präsident der Gesellschaft für Informatik und einer der führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der Informationssicherheit appellierte an die EU-Abgeordneten, die Richtlinie abzulehnen.

Kreye hätte sich beispielsweise mit der Veröffentlichung des Datenschutzrechtlers Malte Engerer befassen können, der in einem aktuellen Beitrag Art. 17 (vormals Art. 13) der geplanten Richtlinie für unvereinbar mit Art. 7 und 8 der Grundrechtecharta und der Datenschutz-Grundverordnung hält. Wenn man auf die Website der Süddeutschen geht, wird der aufmerksame Nutzer bemerken, dass er von einer zweistelligen Anzahl an Tracking-Tools erfasst wird, was bei mir natürlich die Frage aufwirft, ob ich mich lieber datengierigen deutschen Verlagen aussetzen will – gegen die deutsche Aufsichtsbehörden interessanterweise nach wie vor nicht vorgehen – oder amerikanischen Großkonzernen. Noch bin ich unentschieden, aber in puncto Heuchelei sehe ich derzeit einen leichten Vorsprung deutscher Zeitungsverlage gegenüber Google & Co.

In einem eigenen Blogbeitrag hatte ich sechs gängigen Thesen der Befürworter der Richtlinie widersprochen. Womit ich mich nicht auseinandergesetzt habe, war die zentrale These der Befürworter, man müsse diese Richtlinie unterstützen, um für eine bessere Vergütung der Kreativen zu sorgen. Wem das ein ernsthaftes Anliegen ist, der darf sich, anders als Prantl und Kreye, auch dem Reality-Check nicht verweigern. Nichts in dieser Richtlinie wird die Vergütungssituation der Urheber verbessern, denn dafür fehlt es schlicht an den notwendigen Regelungen. Die geplante Vorschrift des Art. 16 (vormals Art. 12) normiert vielmehr folgendes:

Die Mitgliedstaaten können festlegen, dass für den Fall, dass ein Urheber einem Verleger ein Recht übertragen oder ihm eine Lizenz erteilt hat, diese Übertragung oder Lizenzierung eine hinreichende Rechtsgrundlage für den Anspruch des Verlegers auf einen Anteil am Ausgleich für die jeweilige Nutzung des Werkes im Rahmen einer Ausnahme oder Beschränkung für das übertragene oder lizenzierte Recht darstellt.

Was harmlos klingt, ist ein Bruch mit der jüngeren Rechtsprechung des BGH, der entschieden hat, dass die Verwertungsgesellschaft VG Wort keinen pauschalierten Verlegeranteil an Verlage abführen darf, sondern vielmehr alles an den Autor/Urheber auszuschütten hat. Die Neuregelung schafft die Voraussetzung dafür, dass künftig wieder an Verlage ausgekehrt werden und damit der Anteil des Autors reduziert werden kann. Ein Ergebnis des Lobbyismus der Verlage, das sich unmittelbar zum Nachteil von Autoren/Journalisten auswirken wird. Es ist deshalb auch kein Zufall, dass sich die Freischreiber, ein Berufsverband freier Journalisten und Autoren, gegen die Richtlinie aussprechen.

Und man sollte an dieser Stelle auch nicht verschweigen, dass es die deutsche Verlagslobby war, die, zusammen mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine angemessene Vergütung ihrer Journalisten und Autoren verhindert hat. Es ist also keineswegs so, dass die Interessen der Autoren zwangsläufig mit denen der Verlage deckungsgleich sind, auch wenn dies gerne behauptet wird.

Jedenfalls dann, wenn man ein Mindestmaß an journalistischer Sorgfalt beachten will, ist es geboten, sich mit diesen Positionen auseinanderzusetzen, anstatt so zu tun, als wären die Gegner der Richtlinie samt und sonders von amerikanischen Großkonzernen fehlgeleitete Naivlinge. Aber es geht bei Prantl und Kreye offenbar nicht mehr darum, Argumente zu widerlegen und den konstruktiven Widerspruch zumindest zu versuchen. Ihre Texte enthalten keine Zwischentöne mehr, kein Pro und Contra, keine Abwägung. Die Technik dieser beiden Journalisten ist vielmehr die Diffamierung derjenigen, die man als Gegner ausgemacht hat, unter Ausblendung sämtlicher Sachargumente.

Dieses mediale Phänomen, für das Kreye und Prantl nur exemplarisch stehen, wird flankiert und befeuert von einer politischen Desinformationskampagne, die zumindest hierzulande alles in den Schatten stellt, was es bisher gab. Abgeordnete, vornehmlich der Union hatten u.a. behauptet, Beschwerde-E-Mails kämen von Bots und amerikanische Unternehmen würden Demonstranten kaufen und bezahlen.

Das was wir hier beobachten können, ist nichts anderes als eine Form des Dirty Campaignings, bei dem die Grenzen zwischen politischem Lobbyismus und Journalismus verschwimmen. Diese Form der politischen und medialen Auseinandersetzung scheint endgültig auch hierzulande angekommen zu sein und sie benutzt dieselben Techniken, die einen Trump an die Macht gebracht und den Brexit ermöglicht hat. Diejenigen, die sich wie ein Prantl auf die Aufklärung berufen, sollten einen Moment innehalten. Denn die einzig vernünftige Schlussfolgerung besteht in der Ablehnung dieses Richtlinienvorschlags. Nur das bietet die Chance, dass es doch noch zu einer sinnvollen und zukunftsorientierten Regelung kommen kann. Das würde allerdings voraussetzen, dass auf die Fachleute gehört wird und nicht nur auf die Lobbyisten der Verlage und Rechteverwerter. Auch die Zivilgesellschaft wäre in diese Debatte einzubeziehen. Denn es geht um weit mehr als um urheberrechtliche Fragen. Und am Ende würde man vielleicht sogar an den Punkt kommen, dass Google mehr zahlen muss als bisher. Aber in überwiegendem Maß an die Urheber und nicht an die Rechteinhaber und auf Basis eines auch für die Allgemeinheit akzeptablen Regelwerks.

posted by Stadler at 22:52  

28.2.19

Sechs Gegenthesen zur EU-Urheberrechtsreform

Die aktuelle Debatte um die Urheberrechtsreform der EU wird von dem Versuch dominiert, die Diskurshoheit durch bestimmte Thesen und Behauptungen zu erringen. Der Beitrag unterzieht vier Grundthesen der Befürworter von Art. 13 der geplanten Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt einer kritischen Prüfung.

These 1: Google und andere US-Anbieter versuchen, die EU-Urheberrechtsreform mit unglaublichem lobbyistischem Aufwand zu verhindern

Dass große amerikanische Anbieter insbesondere gegen Art. 11 und Art. 13 der geplanten Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt lobbyieren, ist kaum zu bestreiten. Die Frage ist nur, in welchem Verhältnis das zum Lobbyismus deutscher und europäischer Verbände und Unternehmen steht, die die Regelungen befürworten. Vor einigen Jahren habe ich mich intensiv mit dem deutschen Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse beschäftigt – das jetzt seine europäischen Fortsetzung in Art. 11 der geplanten Richtlinie findet – und bin dabei auch mit den lobbyistischen Anstrengungen der deutschen Zeitungsverleger in Berührung gekommen. Der Einfluss der Zeitungsverlage war derart groß, dass einer der Hauptlobbyisten von Springer als Sachverständiger (sic!) in die Ausschussanhörung des Bundestages geladen war, während die Vertreter von Google nur als Zaungäste anwesend waren. Es ist gerade der über Jahrzehnte hinweg gewachsene Einfluss europäischer Verbände, der Art. 11 und Art. 13 möglich gemacht hat. Google und andere US-Player verfügen, egal wieviel Geld sie in die Waagschale werfen, in Europa nicht ansatzweise über einen vergleichbaren politischen Einfluss. Wenn in diesem Gesetzgebungsverfahren der Eindruck eines übermächtigen Lobbyismus von Google & Co. erweckt wird, ist dies nichts weiter als ein Zerrbild. Richtig ist vielmehr, dass der politische Einfluss der Befürworter von Art. 11 und Art. 13 ungleich größer ist.

These 2: Die Richtlinie fordert doch gar keine Uploadfilter

Der zwischen Parlament und Rat abgestimmte endgültige Text, regelt in Art. 13 Nr. 3 zunächst, dass derjenige Anbieter, den die Richtlinie als Online Content Sharing Service Provider bezeichnet, nicht mehr in den Genuss der Haftungsprivilegierung aus Art. 14 der E-Commerce-Richtlinie für Host-Provider kommen soll. Das ist der eigentliche juristische Kern von Art. 13. Plattformen, die von Nutzern eingestellte Inhalte zum Abruf bereithalten, sollen nicht mehr als Hoster betrachtet werden. Obwohl sie natürlich zunächst auch weiterhin nichts anderes tun, als fremde, von Nutzern hochgeladene Inhalte zum Abruf bereit zu halten, werden sie nunmehr so behandelt wie die Anbieter von eigenen Inhalten. Die Veränderung des Haftungsregimes ist der eigentliche Knackpunkt der Neuregelung. Der europäische Gesetzgeber stellt damit Plattformen wie YouTube in haftungsrechtlicher Sicht gleich mit Anbietern wie Spotify oder Netflix.

Der gesamte Rest ist nur eine Folge dieser Regelungslogik. Online Content Sharing Service Provider werden angehalten, mit Rechteinhabern bzw. Verwertungsgesellschaften wie der GEMA Lizenzvereinbarungen zu schließen. Gelingt ihnen dies nicht, sind sie für die unerlaubte Veröffentlichung urheberrechtlich geschützter Werke voll verantwortlich, wie Art. 13 Nr. 4 unmissverständlich klarstellt. Der Plattformbetreiber kann sich exkulpieren, indem er darlegt, dass er hohe Industriestandards beachtet und eingesetzt hat, um die Nichtverfügbarkeit urheberrechtlich geschützter Werke zu gewährleisten. Aus dieser Vorschrift wird die Notwendigkeit des Einsatzes technischer Maßnahmen zur Verhinderung des Uploads (Uploadfilter) hergeleitet. Denn die Nichtverfügbarkeit können solche Plattformen nur durch Uploadfilter, die automatisiert den Upload solcher Inhalte verhindern, die die Software als urheberrechtlich geschützt erkennt, gewährleisten.

These 3: Das Gerede von Zensur ist Quatsch, die geplante Neuregelung stellt keine Gefahr für die Meinungs- und Informationsfreiheit dar

An dieser Stelle stellt sich zunächst die Frage, wem man mehr glauben will. Unabhängigen Experten, die erhebliche Bedenken äußern oder Verbänden die die Interessen ihrer Mitglieder vertreten. Die Gesellschaft für Informatik (GI) warnt eindringlich vor der geplanten Neuregelung. Ihr Präsident Hannes Federrath, einer der führenden Köpfe auf dem Gebiet der IT-Sicherheit in Deutschland hat es so formuliert:

Es ist richtig und wichtig, das Urheberrecht an das digitale Zeitalter anzupassen. Die hier vorgeschlagene automatisierte Prüfung auf Urheberrechtsverletzungen legt jedoch den technischen Grundstein für eine Zensur- und Kontrollinfrastruktur im Internet. Zugleich wird sie Urheberrechtsverletzungen und kriminelle Inhalte nicht wirkungsvoll verhindern können.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte warnt ebenfalls und rückt einen anderen Aspekt in den Vordergrund:

Auch wenn Uploadfilter nicht explizit im Gesetzentwurf gefordert werden, wird es in der praktischen Anwendung auf sie hinauslaufen. Gerade kleinere Plattform- und Diensteanbieter werden nicht die Möglichkeit haben, mit allen erdenklichen Rechteinhabern Lizenzverträge zu schließen. Ebensowenig werden sie den immensen Programmieraufwand betreiben können, eigene Uploadfilter zu erstellen. Stattdessen werden sie auf Angebote großer IT-Unternehmen zurückgreifen, so wie das heute schon unter anderem bei Analysetools passiert, bei denen die entsprechenden Bausteine von Facebook, Amazon und Google von vielen Apps, Websites und Services verwendet werden.

Letztendlich entstünde so ein Oligopol weniger Anbieter von Filtertechniken, über die dann mehr oder weniger der gesamte Internetverkehr relevanter Plattformen und Dienste läuft.

Dass man die Plattformbetreiber letztlich dazu zwingt, eine Kontrollinfrastruktur zu schaffen, deren Aufbau man dann vermutlich wieder wenigen großen Anbietern überlässt, mutet nahezu grotesk an.

Aber auch die häufig anzutreffende These, die Meinungsfreiheit werde nicht beeinträchtigt, es ginge nur um eine faire Vergütung der Urheber, hält einer kritischen Prüfung nicht stand. Dieser Aussage liegt vielmehr der die nur als naiv zu bezeichnende Annahme zugrunde, Filtertechnologien könnten urheberrechtsverletzende Inhalte zuverlässig ausfiltern und würden andere, nicht zu beanstandende Inhalte passieren lassen. Jeder, der sich auch nur ein bisschen mit diesem Thema befasst hat, weiß, dass diese These eine Schimäre darstellt. Der Einsatz von Uploadfiltern wird in relevantem Ausmaß dazu führen, dass auch Inhalte ausgefiltert werden, die nicht zu beanstanden sind.

Der Journalist Peter Welchring hat anschaulich erläutert, dass die Uploadfilter, die Google derzeit ohnehin schon einsetzt, im Bereich von Musik und Film dann gut funktionieren, wenn zuvor bereits eine Prüfsumme der maßgeblichen Datei hinterlegt worden ist. Schwieriger wird es bei unbekannten Werken und erst recht bei Fotos, Bildern und Texten. Über die Neuregelung freuen werden sich sicherlich die bereits jetzt sehr abmahnfreudigen Bildagenturen, denn sie können in Zukunft unmittelbar beim Plattformbetreiber Schadensersatz geltend machen, was andererseits für viele Plattformen zu einem schwer kalkulierbaren Risiko werden dürfte.

Ob man in diesem Kontext bereits von Zensur im juristischen Sinne sprechen kann, ist zumindest diskutabel. Auch wenn hier nicht der Staat selbst Äußerungen und Geistesinhalte vor ihrer Veröffentlichung einer inhaltlichen Prüfung unterzieht, so zwingt der Gesetzgeber die Anbieter solcher Plattformen – sofern sie ihr Geschäftsmodell nicht aufgeben wollen – faktisch dennoch dazu, eine Infrastruktur für eine inhaltliche Vorkontrolle aller Inhalte zu etablieren. Damit verpflichtet der Staat den Provider zu einer zensurähnlichen Maßnahme. Es galt daher bisher als Konsens, dass Dienstanbietern keine proaktiven Prüf- und Überwachungspflichten auferlegt werden dürfen. Diesen in der fast 20 Jahre alten E-Commerce-Richtlinie normierten Konsens will die neue Richtlinie aufkündigen. Ein enormer lobbyistischer Erfolg, der unausgewogen und für die Allgemeinheit nachteilig ist.

These 4: Das betrifft doch ohnehin nur YouTube bzw. Google, die sollen ruhig mehr zahlen

Der Richtlinienentwurf hat einen neuen Providertypus erfunden, der Online Content Sharing Provider genannt wird. Der ist legaldefiniert als

provider of an information society service whose main or one of the main purposes is to store and give the public access to a large amount of copyright protected works or other protected subject-matter uploaded by its users which it organises and promotes for profit-making purposes.

Das umfasst zunächst alle kommerziellen Dienste, die es Nutzern gestatten, Inhalte hochzuladen. Das Korrektiv besteht nun darin, dass einer der Hauptzwecke darin bestehen muss, urheberrechtlich oder anderweitig geschützte Inhalte öffentlich zugänglich zu machen. Wie weit oder einschränkend dieses Merkmal auszulegen ist, bleibt zunächst unklar.

Umfasst sind neben Plattformen wie YouTube auch soziale Medien, deren Schwerpunkt auf Bildveröffentlichungen liegen. Also Plattformen wie Instagram, Pinterest, aber auch Dating-Services wie Tinder. Denn Fotos genießen immer urheberrechtlichen Schutz. Auch alle anderen sozialen Netzwerke wie Facebook oder Twitter dürften darunter fallen. Letztlich wird man auch ernsthaft darüber diskutieren müssen, ob Meinungs- und Diskussionsforen ebenfalls erfasst sind. Denn von Usern verfasste Texte werden zumindest in nennenswertem Umfang als urheberrechtlich schutzfähig anzusehen sein.

Letztlich sollte sich keine Plattform, die den Upload von Inhalten durch ihre Nutzer ermöglicht, zu sicher sein, dass sie der Regelung nicht unterfällt.

These 5: Die Neuregelung verlagert die Haftung von den Nutzern auf die Plattformbetreiber

Nein, diese Aussage ist falsch. Im Grundsatz bleibt es dabei, dass derjenige Nutzer, der urheberrechtswidrige Inhalte auf einer Plattform einstellt, in vollem Umfang selbst haftet. Neben ihm haftet nunmehr auch der Plattformbetreiber. Wenn der Anbieter allerdings eine Lizenz erworben hat, dann soll diese Lizenz auch Uploads durch nicht kommerziell handelnde Nutzer abdecken. Das ergibt sich aus Art. 13 Nr. 2. Wobei man die Frage diskutieren muss, ob das nicht bereits nach aktueller Rechtslage so ist. Denn die Handlung, die dem Plattformbetreiber derzeit vorgeworfen wird, ist ja auch nur die des Nutzers und nicht seine eigene. Im Ergebnis ist es also so, dass neben die Haftung des Nutzers noch die des Plattformbetreibers tritt. Für die Rechteinhaber ist das günstig, weil sie künftig beide in Anspruch nehmen können.

These 6: Art. 13 Nr. 7 schließt Uploadfilter aus

Die Vorschrift des Art. 13 Nr. 7 betont, dass aus der Regelung des Art. 13 keine allgemeine Überwachungspflicht im Sinne von Art. 15 der E-Commerce-Richtline folgt. Diese Vorschrift steht allerdings in einem erkennbaren Spannungsverhältnis zu Art. 13 Nr. 4, der den Ausschluss der Haftungsprivilegierung für den Content Sharing Provider postuliert und ihm gleichzeitig die Pflicht auferlegt, hohe Anstrengungen zu unternehmen, um zu gewährleisten, dass urheberrechtswidriger Content über seine Plattform nicht verfügbar ist. Das ist widersprüchlich und klingt ein bisschen nach wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Denn die Nichtverfügbarkeit von urheberrechtswidrigen Inhalten kann man, selbst man sich bemüht, Lizenzverträge zu schließen, nur gewährleisten, wenn man jeden Upload einer Vorprüfung unterzieht. Offenbar hat der Gesetzgeber bemerkt, dass die Schaffung einer proaktiven Überwachungspflicht bedenklich nah an die Vorzensur heranrückt, weshalb er sich beeilt hat zu betonen, dass eine solche Pflicht natürlich nicht besteht. Das ändert allerdings nichts daran, dass sich Art. 13 Nr. 4 und Nr. 7 widersprechen und nicht sinnvoll in Übereinstimmung zu bringen sind. Das wiederum führt zu erheblicher Rechtsunsicherheit und wird viele kleinere Anbieter vermutlich zur Aufgabe zwingen. Denn klar ist, dass der Anbieter erhebliche Anstrengungen unternehmen muss, um den Upload von urheberrechtswidrigen Inhalten zu verhindern. Wie hoch insoweit die Anforderungen sind, kann derzeit niemand zuverlässig sagen. Das werden am Ende die Gerichte festlegen, in einem Rechtsprechungsprozess, der Jahre dauern wird.

posted by Thomas Stadler at 22:27  

24.11.16

Bundesverfassungsgericht zum Leistungsschutzrecht der Presseverleger

Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde gegen das umstrittene Leistungsschutzrecht für Presseverleger nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 10.10.2016, Az.: 1 BvR 2136/14). Das Gericht war der Meinung, Beschwerdeführer Yahoo sei es zuzumuten, zunächst fachgerichtlichen Rechtsschutz vor den Zivilgerichten in Anspruch zu nehmen.

Gleichwohl erscheinen mir insbesondere die nachfolgenden Ausführungen des BVerfG bemerkenswert:

Die Fachgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung der angegriffenen Normen die Möglichkeit und die Verpflichtung, die Grundrechtspositionen der Beschwerdeführerinnen hinreichend zu berücksichtigen. Sie haben die im Gesetz zum Ausdruck kommende Interessenabwägung zwischen den geschützten Rechtspositionen der Presseverleger und den damit konkurrierenden Grundrechtspositionen insbesondere von Suchmaschinenbetreibern und Anbietern, die die Inhalte entsprechend aufbereiten, nachzuvollziehen und dabei unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkungen zu vermeiden (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 31. Mai 2016 – 1 BvR 1585/13 -, NJW 2016, S. 2247 <2250 Rn. 82>). Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung von Suchmaschinen für die Verwirklichung der Informationsfreiheit (vgl. BVerfGK 20, 37 <40>; EuGH, Urteil vom 8. September 2016, GS Media, C-160/15, EU:C:2016:644, Rn. 45; zur Bedeutung von Suchdiensten auch BGHZ 156, 1 <18 f.> – Paperboy).

Auslegungsspielräume bestehen insbesondere bei den Fragen, was unter einem „Presseerzeugnis“ zu verstehen ist und wann „kleinste Textausschnitte“ vorliegen, die nicht vom Leistungsschutzrecht umfasst sind. Die Fachgerichte müssen dabei beachten, dass Suchmaschinen einem automatisierten Betrieb unterliegen, bei dem nicht ohne Weiteres erkennbar ist, wann ein Presseerzeugnis vorliegt. Eine händische Kontrolle im Einzelfall ist insofern nicht möglich. Bei der Auslegung und Anwendung der angegriffenen Rechtsnormen ist deshalb das Interesse von Suchmaschinenbetreibern zu berücksichtigen, Textausschnitte in einem Umfang nutzen zu dürfen, der dem Zweck von Suchmaschinen gerecht wird, Informationen im Internet einschließlich Online-Presseerzeugnisse auffindbar zu machen.

(…)

Angesichts der Auslegungsfähigkeit und -bedürftigkeit der angegriffenen Rechtsnormen – insbesondere im Hinblick auf die Begriffe des Presseerzeugnisses und der kleinsten Textausschnitte – ist eine fachgerichtliche Klärung des Inhalts der einfachgesetzlichen Regelungen vor einer verfassungsgerichtlichen Beurteilung angezeigt. Gerade im Hinblick auf die Ausnahme zugunsten kleinster Textausschnitte steht hier auch die konkrete Betroffenheit der Beschwerdeführerinnen in Frage. In der fachgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur werden im Hinblick auf die Grenzen der Ausnahme ganz unterschiedliche Auffassungen vertreten (vgl. LG München I, Beschluss vom 5. Februar 2016 – 37 O 23580/15 -, juris, Rn. 97; Jani, in: Wandtke/Bullinger, UrhG, 4. Aufl. 2014, § 87f Rn. 17; Apel, ZUM 2015, S. 522 ; Hossenfelder, ZUM 2013, S. 374 ; Schippan, ZUM 2013, S. 358 ; Spindler, wrp 2013, S. 967 ).

Das Bundesverfassungsgericht macht also deutlich, dass Suchmaschinen die Möglichkeit haben müssen, Textausschnitte in einem Umfang zu nutzen, der dem Zweck von Suchmaschinen, den Nutzern die Auffindbarkeit von Informationen zu ermöglichen, gerecht wird.

Vor diesem Hintergrund könnte eine aktuelle Entscheidung des OLG München, in der ohne nähere Begründung davon ausgegangen wird, dass ein Textausschnitt der aus 25 Worten besteht, nicht mehr als kleinster Textausschnitt betrachtet werden kann, kritisch zu sehen sein.

posted by Stadler at 16:35  

13.11.15

Verwertungsgesellschaften dürfen nicht an Verlage ausschütten

Der Europäische Gerichtshof hat gestern entschieden, dass Verwertungsgesellschaften ihre Einnahmen nicht zu Lasten der Urheber an Verleger ausschütten dürfen (Urteil vom 12.11.2015, Az.: C-572/13).

Der EuGH stellt zunächst in einem Satz fest, dass die Verleger nach Art. 2 der Infosoc-Richtlinie nicht zu den Inhabern des Vervielfältigungsrechts gehören. Sie können deshalb, so der Gerichtshof, auch keinen Anteil an den Erlösen von Verwertungsgesellschaften beanspruchen, wenn dadurch den Urhebern der gerechte Ausgleich ganz oder teilweise entzogen wird.

Diese Entscheidung wird nunmehr allerdings erst recht dazu führen, dass die Verlage auf europäischer Ebene noch vehementer nach einem Leistungsschutzrecht rufen werden, damit sie neben den Urhebern in Art. 2 der Infosoc-Richtlinie als Inhaber des Vervielfältigungsrechts aufgenommen werden.

Bezeichend ist die Pressemitteilung des Börsenvereins des deutschen Buchhandels zur Entscheidung des EuGH, in der es u.a. heißt, das Urteil gefährde das Miteinander von Autoren und Verlagen in der VG Wort.

Es wird vermutlich nicht lange dauern, bis diese Entscheidung des EuGH durch den europäischen Gesetzgeber korrigiert wird.

posted by Stadler at 17:46  

25.9.15

Leistungsschutzrecht: DPMA schlägt Einigung vor

Im Streit um eine Vergütung für das Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse hat die Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt drei Einigungsvorschläge unterbreitet, deren genauer Inhalt nicht bekannt ist.

Aus der Pressemitteilung des Amts wird lediglich deutlich, dass der von der VG Media festlegte „Tarif Pressverleger“ in seiner gegenwärtigen Form vom Amt nicht als angemessen betrachtet wird.

Andererseits geht das DPMA davon aus, dass der Tarif der VG Media unter einschränkender Auslegung anwendbar ist. Nach Ansicht des Amtes sei es unumgänglich, für den gesetzlichen Ausnahmetatbestand der „einzelnen Wörter“ und „kleinsten Textausschnitte“ eine konkrete Wortzahlgrenze anzugeben. Die Schiedsstelle schlägt hierzu eine feste Obergrenze von sieben Wörtern unter Ausschluss der Suchbegriffe vor.

Es könnte also durchaus sein, dass Google Inhalte von Mitgliedern der VG Media künftig nur noch mit sieben Wörtern zuzüglich der verwendeten Suchbegriffe anzeigt.

Der Vorschlag der Schiedsstelle entspricht nach meiner Einschätzung nicht der tatsächlichen Rechtslage. Es ist bislang allerdings gänzlich unklar, wie der unbestimmte Rechtsbegriff der kleinsten Textauschnitte auszulegen ist.

Nach einer sehr weitgehenden Auffassung in der Kommentarliteratur können rechtlich zulässige Snippets zwischen 5 bis 10 % des Originalwerks umfassen (Gräfe, in: Möhring/Nicolini, Urheberrecht, Kommentar, § 87 f, Rn. 20). Danach wäre die Grenzlinie diejenige Menge an Text, die es für den Nutzer unattraktiv macht, die Originalseite anzusteuern, da er die Befriedigung seines Informationsbedürfnisses bereits aus dem Snippet gezogen hat. In der juristischen Literatur wird teilweise auch angenommen, dass das Leistungsschutzrecht nur dann eingreift, wenn längere Textpassagen übernommen werden (Kahl, MMR 2013, 348). Vertreten wird beispielsweise auch die Auffassung, dass kleinste Textausschnitte einen Umfang von bis zu 250 Zeichen haben dürfen (Kühne, CR 2013, 169). Ob sich diese eher großzügige Betrachtung durchsetzen oder die Rechtsprechung engere Grenzen ziehen wird, ist bislang offen.

Nachdem der eindeutige Wille des Gesetzgebers aber dahin ging, die normale Suchmaschinenfunktionalität nicht zu beeinträchtigen, dürften als kleinste Textausschnitte jedenfalls das anzusehen sein, was Google und andere Suchmaschinen üblicherweise im Rahmen eines einzelnen Suchtreffers anzeigen. Das sind eine Überschrift, eine URL und ein Textausschnitt von ca. 20 Wörtern.

In seiner Vorschaubilder-Rechtsprechung hat der BGH immer wieder betont, dass bei Nutzungshandlungen von Suchmaschinen, die nach den Umständen üblich sind, eine schlichte Einwilligung des Rechteinhabers anzunehmen ist. Ob der BGH diese Kriterien auch auf das Leistungsschutzrecht anwenden wird, ist zwar nicht entschieden. Es ist andererseits aber auch nicht ersichtlich, weshalb die Rechtsprechung hier andere Maßstäbe anlegen sollte. Der im Gesetzgebungsverfahren gefundene Kompromiss sollte nämlich gerade sicherstellen, dass die übliche und verbreitete Suchmaschinenfunktionalität im Interesse der Allgemeinheit und der Auffindbarkeit von Informationen nicht beeinträchtigt wird. Die Übernahme von Snippets in einer Länge, wie sie in Suchmaschinen wie Google, Bing oder Yahoo üblich sind, dürfte daher kaum gegen das Leistungsschutzrecht verstoßen (so z.B. auch Kreutzer, MMR 2014, 512, 514).

Ebenefalls zum Thema:
Presseverleger haben zu hoch gepokert (ZEIT-Online)
Leistungsschutzrecht: Snippet-Tarif der VG Media „nicht angemessen (Heise)

posted by Stadler at 16:30  

24.9.15

Leistungsschutzrecht: Verlage blitzen beim Kartellamt ab

Das Bundeskartellamt hat in einem aktuellen Beschluss sehr ausführlich begründet, warum es keine Veranlassung hat, gegen Google wegen des Verhaltens der Suchmaschine im Zusammenhang mit dem Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse ein Kartellverfahren einzuleiten.

Die Verlage wollten Google dazu zwingen, einen Lizenzvertrag mit der von ihnen beauftragten Verwertungsgesellschaft VG Media abzuschließen, während Google damit begonnen hatte, die Inhalte der beteiligten Verlage nur noch eingeschränkt anzuzeigen. Daraufhin hat die VG Media Google vorerst eine Gratislizenz erteilt, während die Verwertungsgesellschaft und die Verlage bei kleineren Anbietern weiterhin versuchen, Kasse zu machen.

Die Kartellbeschwerde der Verlage hat das Bundeskartellamt vor allem auch deshalb abgelehnt, weil ein Kontrahierungszwang nicht besteht. Google ist also rechtlich nicht dazu verpflichtet, einen Lizenzvertrag mit den Verlagen bzw. der VG Media abzuschließen. Außerdem bestehe ein legitimes Interesse Googles daran, ein legales Geschäftsmodell forzuführen. Schließlich betont das Amt auch noch die Bedeutung von Suchmaschinen für die Allgemeinheit. Hierzu heißt es in dem Beschluss des Kartellamts:

Unabhängig von der Frage, inwieweit urheberrechtliche Wertungen im Rahmen der kartellrechtlichen Interessenabwägung zu berücksichtigen sind, statuieren die genannten Regelungen nach Auffassung der Beschlussabteilung keinen Kontrahierungszwang im Sinne eines Nutzungszwangs eines entgeltlichen Leistungsschutzrechts. Vielmehr spricht bereits der Wortlaut des § 87 f Abs. 1 S. 1 UrhG – „hat das ausschließliche Recht“ – dafür, dass es sich um ein klassisches Verwertungsrecht handelt. Dies entspricht der Formulierung in § 15 UrhG, der den Kernkatalog solcher Rechte enthält. Verwertungsrechte geben dem Urheber die alleinige Befugnis, den Schutzgegenstand zu nutzen (positives Benutzungsrecht) und Dritte von der Benutzung auszuschließen (negatives Verbietungsrecht).

Bestätigt wird diese Bewertung durch Systematik und Entstehungsgeschichte. So hat bereits der ursprüngliche Regierungsentwurf das Leistungsschutzrecht ausdrücklich als Verbotsrecht charakterisiert.

Weiter nimmt das Gesetz in § 87f Abs. 1 S. 1 „einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte“ aus seinem Anwendungsbereich aus. Die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages führt zu dieser erst von eben diesem Ausschuss eingefügten Passage aus, damit „Suchmaschinen und Aggregatoren ihre Suchergebnisse kurz bezeichnen können, ohne gegen Rechte der Rechteinhaber zu verstoßen, sollen einzelne Wörter und kleinste Textausschnitte nicht vom Leistungsschutzrecht erfasst sein“.

Mit einem Zwang zum entgeltlichen Erwerb wäre dies unvereinbar. Ein Erwerbs- und Nutzungszwang von Urheberrechten ist dem UrhG auch grundsätzlich fremd. Auch der von den Beigeladenen in Bezug genommene § 87 Abs. 5 UrhG spricht keinen solchen absoluten Erwerbszwang von Urheberrechten durch Kabelnetzbetreiber aus, sondern sieht die Möglichkeit der Ablehnung des Vertragsabschlusses grundsätzlich vor. Darüber hinaus erhalten die großen Kabelnetzbetreiber in Deutschland erhebliche Einspeiseengelte, welche die Entgelte aus § 87 UrhG bei weitem übersteigen, so dass hier im Ergebnis regelmäßig von einem Interesse des Kabelnetzbetreibers an dem Vertragsabschluss ausgegangen werden kann.

Mit dem Verbotsrecht nach § 87f Abs. 1 UrhG haben die Verlage – konzeptionell in Übereinstimmung mit jedem anderen urheberrechtlichen Verbotsrecht auch – vom Gesetzgeber lediglich ein Instrument erhalten, dass sie versuchen können, am Markt zu monetarisieren. Das Recht gibt ihnen jedoch keine Gewähr, dass dieser Versuch auch erfolgreich ist. Insofern kann es aus kartellrechtlicher Sicht auch kein berechtigtes Interesse der Verlage daran geben, dass Google Ihnen nicht die Möglichkeit des unentgeltlichen Opt-Ins zweiter Stufe anbietet, zumal die Handlungsmöglichkeiten des einzelnen Verlages damit erst einmal nur erweitert werden.

Umgekehrt streitet für Google an dieser Stelle das Interesse, ein legales Geschäftsmodell fortführen zu können. Suchmaschinen haben Webseitenbetreiber bisher generell nicht dafür bezahlt, in den Suchergebnissen fallweise unter Angabe einiger kurzer Informationen auf ihre Seiten zu verlinken.

(…)

An dem Geschäftsmodell Suchmaschine besteht auch ein Interesse der Allgemeinheit.

Angesichts der Milliarden an vorhandenen Webseiten ist eine Möglichkeit zum Auffinden einzelner Seiten von hoher Bedeutung dafür, dass jeder Nutzer sich die vorhandenen Informationen erschließen und das in der Geschichte bisher einmalige Wissenspotential des Internet für sich nutzen kann. Eine bessere Methodik als eine Suchmaschine zur breiten Erschließung dieses Wissenspotentials hat die Entwicklung nach Kenntnis der Beschlussabteilung bisher nicht hervorgebracht. Würde das Konzept der universalen Verlinkbarkeit – zu dem notwendig auch die Möglichkeit zur Beschreibung des Links gehört, auch automatisiert – beeinträchtigt, weil Suchmaschinenanbieter zwingend in Geschäftsverhandlungen mit bestimmten Webseitenbetreibern oder deren Repräsentanten eintreten müssten, so wären auch die Nutzer die Leidtragenden. Ein solcher Nachteil wäre auch nicht etwa deshalb geringer zu bewerten, weil Suchmaschinen zur Last zu legen wäre, dass sie den Aufruf der eigentlichen Webseiten durch den Nutzer substituierten. Für einen solchen Effekte gibt es aus der Sicht der Beschlussabteilung bisher keinen Anhaltspunkt. Im Gegenteil spricht etwa die Behauptung von Axel Springer SE, dass nach der vorübergehenden Kürzung von Treffern auf einigen Webseiten aus ihrem Angebot wegen des fehlenden Opt-In zweiter Stufe der Besucherverkehr auf diesen Webseiten massiv zurückgegangen sei, gegen einen solchen substitutiven Effekt. Der Nachteil wäre auch nicht deshalb hinzunehmen, weil er, wie die Beigeladenen geltend machen, eine notwendige Folge des gesetzgeberischen Willens wäre.

Der Gesetzgeber hat gerade keinen Kontrahierungszwang bezüglich des Erwerbs von Leistungsschutzrechten nach §§ 87f ff UrhG vorgesehen (siehe näher oben), so dass eine solche Notwendigkeit nicht angenommen werden kann. Aus diesem Grund kann für eine Bewertung des Nachteils als gering schließlich auch nicht angeführt werden, dass aufgrund der Möglichkeit zur kollektiven Wahrnehmung des Leistungsschutzrechtes der Transaktionsaufwand überschaubar sei.

Das Kartellamt führt noch ein weitere Argument für die Angemessenheit des Verhaltens von Google ins Feld. Google müsse die Möglichkeit haben, Schadensersatzansprüche abzuwehren. Denn schließlich hat die VG Media schon mal 6 % des Umsatzes von Google Deutschland gefordert.

Das Leistungsschutzrecht wird weiter für Rechtsunsicherheit sorgen. Das Ziel, den Verlagen Einnahmen in spürbarem Ausmaß zu verschaffen, wird es allerdings weiterhin verfehlen.

posted by Stadler at 21:25  

28.4.15

Leistungsschutzrecht: VG Media will 6 % des Deutschlandumsatzes von Google

Nach einem Bericht der LVZ Online fordert die VG Media, die das Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse für verschiedene Verlage geltend macht, 6 % des Umsatzes, den Google in Deutschland erzielt.

Nach den Berechnungen der VG Media beträgt der Umsatz von Google allein in Deutschland zwischen 3 und 5,8 Milliarden Euro.

Nachdem der pauschale Regelvergütungssatz für Verwertungsgesellschaften 10 Prozent des Umsatzes betrage und es bei digitalen Verwertungen einen Zuschlag von einem weiteren Prozent gebe, müsste Google nach Ansicht der VG Media 11 % seines Umsatzes an die Verlage abführen. Da die VG Media bei der Geltendmachung des Leistungsschutzrechts derzeit nach eigenen Angaben aber nur etwa die Hälfte der deutschen Verlage vertritt, fordert die Verwertungsgesellschaft vorerst (nur) 6 Prozent des Umsatzes von Google.

Der Beitrag aus der Leipziger Volkszeitung, deren Verleger die Madsack Mediengruppe sich ebenfalls an der VG Media beteiligt hat, ist inhaltlich verlegerfreundlich verzerrt.

In dem Beitrag wird behauptet, das Leistungsschutzrecht ermögliche den Verlagen, von Suchmaschinen wie Google eine Vergütung zu erhalten. Genau das ist allerdings der große Streitpunkt.

Die VG Media hat am 13.06.2014 einen “Tarif Presseverleger für die öffentliche Zugänglichmachung von Ausschnitten aus Online-Presseerzeugnissen zu gewerblichen Zwecken gem. § 87 Abs. 1 S. 1 UrhG“ im Bundesanzeiger veröffentlicht. Den für die Vergütungspflicht maßgeblichen Ausschnitt aus Presseerzeugnissen definiert das Tarifwerk der VG Media folgendermaßen:

Als Ausschnitt im Sinne dieses Tarifs gelten solche Teile von Online-Presseerzeugnissen i. S. des § 87f Abs. 2 S. 1 UrhG, wie sie im Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Tarifs verkehrsüblich in Ergebnislisten von Suchmaschinen und von News-Aggregatoren angezeigt werden.

Dem liegt eine Gesetzesauslegung zugrunde, die mit dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar ist. Denn das Gesetz nimmt in § 87f Abs. 1 UrhG kleinste Textausschnitte ausdrücklich vom Schutzbereich des Leistungsschutzrechts aus. Die verkehrsübliche Suchmaschinenfunktionalität soll nach dem Willen des Gesetzgebers nämlich gerade frei vom Leistungsschutzrecht bleiben. Diese wesentliche Einschränkung, die gerade zum Schutz der normalen Suchmaschinenfunktionalität in das Gesetz aufgenommen wurde, findet sich im Tarifwerk der VG Media nicht. Die VG Media versucht ganz im Gegenteil gerade die üblichen Ergebnislisten von Suchmaschinen, die der Gesetzgeber ausdrücklich ausnehmen wollte, als vergütungspflichtig darzustellen. Die Verlage versuchen ihr Leistungsschutzrecht also mit einer mehr als fragwürdigen Gesetzesauslegung durchzusetzen.

In der juristischen Literatur wird bislang angenommen, dass das Leistungsschutzrecht nur dann eingreift, wenn längere Textpassagen oder ganze Artikel übernommen werden. Die Verwendung von Snippets in einer Länge, wie sie in Suchmaschinen wie Google, Bing oder Yahoo üblich ist, unterfällt dem Leistungsschutzrecht gerade nicht.

Von einer ausgewogenen und kritischen Berichterstattung hätte man sich eine Darstellung dieser Hintergünde wohl erwarten dürfen. Einmal mehr findet man zum Leistungsschutzrecht aber nur eine verlagsfreundliche und einseitige Presseberichterstattung vor. Dazu passt auch die Aussage in dem Artikel, Google würde Links zu Angeboten von Verlagen, die darauf pochen, von Google Geld zu bekommen, einfach auslisten. Das ist unzutreffend. Google hat zwar kurzzeitig von einigen Verlagen keine Snippets mehr angezeigt, die Links auf die Verlagsinhalte wurden in den Ergebnislisten aber weiterhin präsentiert.

posted by Stadler at 12:11  

27.3.15

Erstes Urteil zum Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse

Das Landgericht Berlin hat mit Urteil vom 06.01.2015 (Az.: 15 O 412/14) einen Anspruch nach den neuen Regelungen des Leistungsschutzrechts für Presseerzeugnisse bejaht.

Das Urteil ist allerdings aus mehreren Gründen problematisch und sollte in dieser Form keinen Bestand haben. Das Gericht bejaht für einen Screenshot einer Website die Voraussetzungen eines Presseerzeugnisses im Sinne von § 87 f Abs. 2 UrhG, ohne dies näher zu prüfen. Das Urteil lässt nicht erkennen, dass das Gericht geprüft hätte, ob eine redaktionell-technische Festlegung journalistischer Beiträge vorliegt, die verlagstypisch ist.

Entscheidend für eine Verletzung des Leistungsschutzrechts ist es nach § 87 g Abs. 4 UrhG, dass die öffentliche Zugänglichmachung durch einen gewerblichen Anbieter von Suchmaschinen oder gewerblichen Anbieter von Diensten erfolgt, der Inhalte wie eine Suchmaschine aufbereitet. Das wird vom Gericht weder ausgeführt, noch erscheint dies aufgrund des Tatbestands des Urteils naheliegend. Vielmehr legt das Gericht dar, dass der Screenshot, der als rechtsverletzend betrachtet wurde, mittels Direkteingabe der URL erreichbar war. Der Beklagte als Anbieter des Screenshots war also offensichtlich keine Suchmaschine bzw. ein wie eine Suchmaschine arbeitender Dienst.

Das Urteil des Landgerichts Berlin ist daher falsch. Der vom Gericht zu beurteilende Sachverhalt kann nicht über das Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse gelöst werden.

Gleichwohl zeigt die Entscheidung, welche Blüten das verunglückte Leistungsschutzrecht treiben kann, wenn es von Gerichten ausgelegt wird, die den Regelungsgehalt nicht durchdrungen haben.

posted by Stadler at 13:59  

27.2.15

Erneute Anhörung im Rechtsausschuss zum Leistungsschutzrecht

Die Bundestagsfraktionen der Grünen und der Linken haben einen gemeinsamen Gesetzesentwurf zur Aufhebung des Leistungsschutzrechts für Presseerzeugnisse in den Bundestag eingebracht (Leistungsschutzrechtsaufhebungsgesetz).

Hierzu führt der Rechtsausschuss des Bundestages am 04.03.2015 eine öffentliche Anhörung durch, zu der ich, wie schon vor zwei Jahren, als Sachverständiger eingeladen wurde. Meine alte Stellungnahme, in der ich ausführlich zu den rechtlichen Problemstellungen des Leistungsschutzrechts Stellung genommen habe, ist weiterhin verfügbar.

Im Hinblick auf die aktuelle Anhörung sind beim Bundestag bislang drei schriftliche Stellungnahmen online abrufbar:

Stellungnahme Prof. Dr. Gerald Spindler

Stellungnahme Prof. Dr. Malte Stieper

Stellungnahme Thomas Stadler

posted by Stadler at 16:15  

25.11.14

Grüne und Linke fordern Abschaffung des Leistungsschutzrechts für Presseerzeugnisse

Das Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse in § 87 f – h UrhG – das ganz nebenbei dazu geführt hat, dass der Begriff des Leistungsschutzrechts insgesamt mittlerweile keinen guten Klang mehr hat – führt wenig überraschend nicht zum gewünschten Ergebnis und verzerrt statttdessen den Wettbewerb auf eine Art und Weise, die kartellrechtlich relevant sein dürfte.

Die Bundestagsfraktionen der Grünen und der Linken fordern daher ganz zu Recht in einem gemeinsamen Gesetzesentwurf die Abschaffung dieses Leistungsschutzrechts. Die Abgeordneten Halina Wawzyniak und Tabea Rösner haben die Gründe für diesen Gesetzesantrag in ihren Blogs – hier und hier – näher erläutert. Im Gesetzgebungsverfahren war ich als Sachverständiger zur Anhörung im Rechtsausschuss geladen und habe meine Haltung zum Leistungsschutzrecht sowie das Ergebnis der Anhörung damals ausführlich zusammengefasst. Das Leistungsschutzrecht kam freilich dennoch, wenngleich in deutlich eingeschränkter Form. Aber auch diese Gestaltung hat sich als nicht sinnvoll und nicht praxistauglich erwiesen, weshalb eine ersatzlose Streichung die einzige sachgerechte Lösung darstellt.

posted by Stadler at 10:59  
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