Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

28.2.19

Sechs Gegenthesen zur EU-Urheberrechtsreform

Die aktuelle Debatte um die Urheberrechtsreform der EU wird von dem Versuch dominiert, die Diskurshoheit durch bestimmte Thesen und Behauptungen zu erringen. Der Beitrag unterzieht vier Grundthesen der Befürworter von Art. 13 der geplanten Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt einer kritischen Prüfung.

These 1: Google und andere US-Anbieter versuchen, die EU-Urheberrechtsreform mit unglaublichem lobbyistischem Aufwand zu verhindern

Dass große amerikanische Anbieter insbesondere gegen Art. 11 und Art. 13 der geplanten Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt lobbyieren, ist kaum zu bestreiten. Die Frage ist nur, in welchem Verhältnis das zum Lobbyismus deutscher und europäischer Verbände und Unternehmen steht, die die Regelungen befürworten. Vor einigen Jahren habe ich mich intensiv mit dem deutschen Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse beschäftigt – das jetzt seine europäischen Fortsetzung in Art. 11 der geplanten Richtlinie findet – und bin dabei auch mit den lobbyistischen Anstrengungen der deutschen Zeitungsverleger in Berührung gekommen. Der Einfluss der Zeitungsverlage war derart groß, dass einer der Hauptlobbyisten von Springer als Sachverständiger (sic!) in die Ausschussanhörung des Bundestages geladen war, während die Vertreter von Google nur als Zaungäste anwesend waren. Es ist gerade der über Jahrzehnte hinweg gewachsene Einfluss europäischer Verbände, der Art. 11 und Art. 13 möglich gemacht hat. Google und andere US-Player verfügen, egal wieviel Geld sie in die Waagschale werfen, in Europa nicht ansatzweise über einen vergleichbaren politischen Einfluss. Wenn in diesem Gesetzgebungsverfahren der Eindruck eines übermächtigen Lobbyismus von Google & Co. erweckt wird, ist dies nichts weiter als ein Zerrbild. Richtig ist vielmehr, dass der politische Einfluss der Befürworter von Art. 11 und Art. 13 ungleich größer ist.

These 2: Die Richtlinie fordert doch gar keine Uploadfilter

Der zwischen Parlament und Rat abgestimmte endgültige Text, regelt in Art. 13 Nr. 3 zunächst, dass derjenige Anbieter, den die Richtlinie als Online Content Sharing Service Provider bezeichnet, nicht mehr in den Genuss der Haftungsprivilegierung aus Art. 14 der E-Commerce-Richtlinie für Host-Provider kommen soll. Das ist der eigentliche juristische Kern von Art. 13. Plattformen, die von Nutzern eingestellte Inhalte zum Abruf bereithalten, sollen nicht mehr als Hoster betrachtet werden. Obwohl sie natürlich zunächst auch weiterhin nichts anderes tun, als fremde, von Nutzern hochgeladene Inhalte zum Abruf bereit zu halten, werden sie nunmehr so behandelt wie die Anbieter von eigenen Inhalten. Die Veränderung des Haftungsregimes ist der eigentliche Knackpunkt der Neuregelung. Der europäische Gesetzgeber stellt damit Plattformen wie YouTube in haftungsrechtlicher Sicht gleich mit Anbietern wie Spotify oder Netflix.

Der gesamte Rest ist nur eine Folge dieser Regelungslogik. Online Content Sharing Service Provider werden angehalten, mit Rechteinhabern bzw. Verwertungsgesellschaften wie der GEMA Lizenzvereinbarungen zu schließen. Gelingt ihnen dies nicht, sind sie für die unerlaubte Veröffentlichung urheberrechtlich geschützter Werke voll verantwortlich, wie Art. 13 Nr. 4 unmissverständlich klarstellt. Der Plattformbetreiber kann sich exkulpieren, indem er darlegt, dass er hohe Industriestandards beachtet und eingesetzt hat, um die Nichtverfügbarkeit urheberrechtlich geschützter Werke zu gewährleisten. Aus dieser Vorschrift wird die Notwendigkeit des Einsatzes technischer Maßnahmen zur Verhinderung des Uploads (Uploadfilter) hergeleitet. Denn die Nichtverfügbarkeit können solche Plattformen nur durch Uploadfilter, die automatisiert den Upload solcher Inhalte verhindern, die die Software als urheberrechtlich geschützt erkennt, gewährleisten.

These 3: Das Gerede von Zensur ist Quatsch, die geplante Neuregelung stellt keine Gefahr für die Meinungs- und Informationsfreiheit dar

An dieser Stelle stellt sich zunächst die Frage, wem man mehr glauben will. Unabhängigen Experten, die erhebliche Bedenken äußern oder Verbänden die die Interessen ihrer Mitglieder vertreten. Die Gesellschaft für Informatik (GI) warnt eindringlich vor der geplanten Neuregelung. Ihr Präsident Hannes Federrath, einer der führenden Köpfe auf dem Gebiet der IT-Sicherheit in Deutschland hat es so formuliert:

Es ist richtig und wichtig, das Urheberrecht an das digitale Zeitalter anzupassen. Die hier vorgeschlagene automatisierte Prüfung auf Urheberrechtsverletzungen legt jedoch den technischen Grundstein für eine Zensur- und Kontrollinfrastruktur im Internet. Zugleich wird sie Urheberrechtsverletzungen und kriminelle Inhalte nicht wirkungsvoll verhindern können.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte warnt ebenfalls und rückt einen anderen Aspekt in den Vordergrund:

Auch wenn Uploadfilter nicht explizit im Gesetzentwurf gefordert werden, wird es in der praktischen Anwendung auf sie hinauslaufen. Gerade kleinere Plattform- und Diensteanbieter werden nicht die Möglichkeit haben, mit allen erdenklichen Rechteinhabern Lizenzverträge zu schließen. Ebensowenig werden sie den immensen Programmieraufwand betreiben können, eigene Uploadfilter zu erstellen. Stattdessen werden sie auf Angebote großer IT-Unternehmen zurückgreifen, so wie das heute schon unter anderem bei Analysetools passiert, bei denen die entsprechenden Bausteine von Facebook, Amazon und Google von vielen Apps, Websites und Services verwendet werden.

Letztendlich entstünde so ein Oligopol weniger Anbieter von Filtertechniken, über die dann mehr oder weniger der gesamte Internetverkehr relevanter Plattformen und Dienste läuft.

Dass man die Plattformbetreiber letztlich dazu zwingt, eine Kontrollinfrastruktur zu schaffen, deren Aufbau man dann vermutlich wieder wenigen großen Anbietern überlässt, mutet nahezu grotesk an.

Aber auch die häufig anzutreffende These, die Meinungsfreiheit werde nicht beeinträchtigt, es ginge nur um eine faire Vergütung der Urheber, hält einer kritischen Prüfung nicht stand. Dieser Aussage liegt vielmehr der die nur als naiv zu bezeichnende Annahme zugrunde, Filtertechnologien könnten urheberrechtsverletzende Inhalte zuverlässig ausfiltern und würden andere, nicht zu beanstandende Inhalte passieren lassen. Jeder, der sich auch nur ein bisschen mit diesem Thema befasst hat, weiß, dass diese These eine Schimäre darstellt. Der Einsatz von Uploadfiltern wird in relevantem Ausmaß dazu führen, dass auch Inhalte ausgefiltert werden, die nicht zu beanstanden sind.

Der Journalist Peter Welchring hat anschaulich erläutert, dass die Uploadfilter, die Google derzeit ohnehin schon einsetzt, im Bereich von Musik und Film dann gut funktionieren, wenn zuvor bereits eine Prüfsumme der maßgeblichen Datei hinterlegt worden ist. Schwieriger wird es bei unbekannten Werken und erst recht bei Fotos, Bildern und Texten. Über die Neuregelung freuen werden sich sicherlich die bereits jetzt sehr abmahnfreudigen Bildagenturen, denn sie können in Zukunft unmittelbar beim Plattformbetreiber Schadensersatz geltend machen, was andererseits für viele Plattformen zu einem schwer kalkulierbaren Risiko werden dürfte.

Ob man in diesem Kontext bereits von Zensur im juristischen Sinne sprechen kann, ist zumindest diskutabel. Auch wenn hier nicht der Staat selbst Äußerungen und Geistesinhalte vor ihrer Veröffentlichung einer inhaltlichen Prüfung unterzieht, so zwingt der Gesetzgeber die Anbieter solcher Plattformen – sofern sie ihr Geschäftsmodell nicht aufgeben wollen – faktisch dennoch dazu, eine Infrastruktur für eine inhaltliche Vorkontrolle aller Inhalte zu etablieren. Damit verpflichtet der Staat den Provider zu einer zensurähnlichen Maßnahme. Es galt daher bisher als Konsens, dass Dienstanbietern keine proaktiven Prüf- und Überwachungspflichten auferlegt werden dürfen. Diesen in der fast 20 Jahre alten E-Commerce-Richtlinie normierten Konsens will die neue Richtlinie aufkündigen. Ein enormer lobbyistischer Erfolg, der unausgewogen und für die Allgemeinheit nachteilig ist.

These 4: Das betrifft doch ohnehin nur YouTube bzw. Google, die sollen ruhig mehr zahlen

Der Richtlinienentwurf hat einen neuen Providertypus erfunden, der Online Content Sharing Provider genannt wird. Der ist legaldefiniert als

provider of an information society service whose main or one of the main purposes is to store and give the public access to a large amount of copyright protected works or other protected subject-matter uploaded by its users which it organises and promotes for profit-making purposes.

Das umfasst zunächst alle kommerziellen Dienste, die es Nutzern gestatten, Inhalte hochzuladen. Das Korrektiv besteht nun darin, dass einer der Hauptzwecke darin bestehen muss, urheberrechtlich oder anderweitig geschützte Inhalte öffentlich zugänglich zu machen. Wie weit oder einschränkend dieses Merkmal auszulegen ist, bleibt zunächst unklar.

Umfasst sind neben Plattformen wie YouTube auch soziale Medien, deren Schwerpunkt auf Bildveröffentlichungen liegen. Also Plattformen wie Instagram, Pinterest, aber auch Dating-Services wie Tinder. Denn Fotos genießen immer urheberrechtlichen Schutz. Auch alle anderen sozialen Netzwerke wie Facebook oder Twitter dürften darunter fallen. Letztlich wird man auch ernsthaft darüber diskutieren müssen, ob Meinungs- und Diskussionsforen ebenfalls erfasst sind. Denn von Usern verfasste Texte werden zumindest in nennenswertem Umfang als urheberrechtlich schutzfähig anzusehen sein.

Letztlich sollte sich keine Plattform, die den Upload von Inhalten durch ihre Nutzer ermöglicht, zu sicher sein, dass sie der Regelung nicht unterfällt.

These 5: Die Neuregelung verlagert die Haftung von den Nutzern auf die Plattformbetreiber

Nein, diese Aussage ist falsch. Im Grundsatz bleibt es dabei, dass derjenige Nutzer, der urheberrechtswidrige Inhalte auf einer Plattform einstellt, in vollem Umfang selbst haftet. Neben ihm haftet nunmehr auch der Plattformbetreiber. Wenn der Anbieter allerdings eine Lizenz erworben hat, dann soll diese Lizenz auch Uploads durch nicht kommerziell handelnde Nutzer abdecken. Das ergibt sich aus Art. 13 Nr. 2. Wobei man die Frage diskutieren muss, ob das nicht bereits nach aktueller Rechtslage so ist. Denn die Handlung, die dem Plattformbetreiber derzeit vorgeworfen wird, ist ja auch nur die des Nutzers und nicht seine eigene. Im Ergebnis ist es also so, dass neben die Haftung des Nutzers noch die des Plattformbetreibers tritt. Für die Rechteinhaber ist das günstig, weil sie künftig beide in Anspruch nehmen können.

These 6: Art. 13 Nr. 7 schließt Uploadfilter aus

Die Vorschrift des Art. 13 Nr. 7 betont, dass aus der Regelung des Art. 13 keine allgemeine Überwachungspflicht im Sinne von Art. 15 der E-Commerce-Richtline folgt. Diese Vorschrift steht allerdings in einem erkennbaren Spannungsverhältnis zu Art. 13 Nr. 4, der den Ausschluss der Haftungsprivilegierung für den Content Sharing Provider postuliert und ihm gleichzeitig die Pflicht auferlegt, hohe Anstrengungen zu unternehmen, um zu gewährleisten, dass urheberrechtswidriger Content über seine Plattform nicht verfügbar ist. Das ist widersprüchlich und klingt ein bisschen nach wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Denn die Nichtverfügbarkeit von urheberrechtswidrigen Inhalten kann man, selbst man sich bemüht, Lizenzverträge zu schließen, nur gewährleisten, wenn man jeden Upload einer Vorprüfung unterzieht. Offenbar hat der Gesetzgeber bemerkt, dass die Schaffung einer proaktiven Überwachungspflicht bedenklich nah an die Vorzensur heranrückt, weshalb er sich beeilt hat zu betonen, dass eine solche Pflicht natürlich nicht besteht. Das ändert allerdings nichts daran, dass sich Art. 13 Nr. 4 und Nr. 7 widersprechen und nicht sinnvoll in Übereinstimmung zu bringen sind. Das wiederum führt zu erheblicher Rechtsunsicherheit und wird viele kleinere Anbieter vermutlich zur Aufgabe zwingen. Denn klar ist, dass der Anbieter erhebliche Anstrengungen unternehmen muss, um den Upload von urheberrechtswidrigen Inhalten zu verhindern. Wie hoch insoweit die Anforderungen sind, kann derzeit niemand zuverlässig sagen. Das werden am Ende die Gerichte festlegen, in einem Rechtsprechungsprozess, der Jahre dauern wird.

posted by Thomas Stadler at 22:27  

15 Comments

  1. > Letztlich sollte sich keine Plattform, die den Upload von Inhalten durch ihre Nutzer ermöglicht, zu sicher sein, dass sie der Regelung nicht unterfällt.

    Das betrifft wahrscheinlich sogar den Grillsportverein. Hier ist der Thread zum Thema:
    https://www.grillsportverein.de/forum/threads/artikel-13-das-ende-der-internetforen-naht.306801/

    Vermutlich muessen alle Bilder von Grillgut und alle Rezepte auf Copyrightverletzungen untersucht werden. Ich sage nur „Marion’s Kochbuch“.

    Comment by Anteater — 28.02, 2019 @ 23:01

  2. Anstatt Gesetze im Auftrag von Springer und Verleger-Lobbyisten neu zu erfinden, sollten sich die unfähgigen Eu Herrschaften mal ansehen wie Frankreich bei Google kassiert hat. Wie wäre es mit jährlichen Milliardenzahlungen von Google u.Co an die EU Staaten, die damit Kulturförderung betreiben?
    Die Steuergesetze dazu scheint es in Frankreich bereits zu geben.

    Comment by Grinch — 1.03, 2019 @ 00:16

  3. Zur Zensur: Natürlich führt die Richtlinie nicht dazu, dass mehr zensiert wird. Allerdings führt die Richtlinie dazu, dass die Einstiegshürde für kommerzielle Anbieter von Foren, Wikis, etc. derart hoch angesetzt ist, dass es nur noch sehr wenige Anbieter geben wird. Das schränkt wiederum die Meinungsvielfalt ein. Aber ich denke, dass das auch beabsichtigt ist.

    Comment by Benedikt — 1.03, 2019 @ 00:25

  4. Betroffen sind alle Diskussionsforen – weil es ihr zentraler Zweck, Texte und Bilder hochzuladen, zu organisieren und darzustellen.
    Die geschilderten Probleme werden zu ungerechtfertigten Lizenzpflichten, massiver Rechtsunsicherheit und großem Abmahnrisiko für alle Foren werden – und viele werden schließen.

    https://foren-gegen-uploadfilter.eu/unterstuetzer/

    Comment by Andreas Jürgensen — 1.03, 2019 @ 07:32

  5. Was passiert bei aktuellen Ereignissen, bei denen eine Vielzahl von neuen Bildern zB auf Twitter und Facebook hochgeladen werden, die natürlich in keiner Form zuvor bei den Plattformen hinterlegt sein können. Es kommen Bilder von Nachrichtenagenturen, Medien (selbst fotografiert oder von Nachrichtenagentur übernommen oder auf unbekannter ständiger oder aktuell ausgehandelter Vertragsbasis von freien Journalisten eingekauft) und von Privatleuten. Je nach Bedingungen vor Ort wird ein Großteil der Bilder sich extrem ähneln, weil von identischen Punkten aus gemacht auf ein identisches Motiv. Rechtlich trivial oder Chaosbiotop?

    Comment by leser — 1.03, 2019 @ 08:42

  6. Um auf der absolut sicheren seite zu sein werden Plattformen vermutlich alles filtern müssen, was nicht als eindeutig Lizensiert erkannt wird.

    Comment by Exarion — 1.03, 2019 @ 09:43

  7. Wurde ja von beführwortern in Diskussionen mehrmals gesagt, dass Plattformen, die nicht die wahrung der Urheberrechte garabtieren können, schlicht kein Existenzrecht haben.
    Also alles beabsichtigt.

    Comment by Exarion — 1.03, 2019 @ 09:45

  8. Mir fällt dazu einiges ein:
    Ich war selbst 10 Jahre Rechtsanwalt im Urheberrecht (bis 2006). Damals vertraten die Urheberrechts-Spezialisten Künstler oder als Gegenseite deren Geschäftspartner. Man überlegte es sich gut, ob man auch mal einen Mandanten annahm, der Bootlegs verkauft hatte, oder die GEMA-Rechnung für seine Veranstaltung nicht zahlen wollte. Einen Fachanwalt gab es anfangs noch nicht.
    Heute sind die Anwälte, die damit werben, dass sie sich zu dem Thema auskennen, leider allzu oft diejenigen, die nicht wirklich in den Tiefen des Urheberrechts und der daraus resultierenden Verwertungsketten unterwegs sind, sondern die, die im tatsächlichen und prozessualen Bereich die Haftung von Mandanten zu negieren versuchen, die mit den Urhebern nichts zu tun haben, die aber deren Werke nicht lizenziert vertreiben oder nutzen. Aus diesem Nutzer wird dann auch gerne ein Verbraucher stilisiert, der Schutz bedürfte, obwohl man sogar in einzelnen Fällen nur zwei Buchstaben ändern müsste, damit es dann auch stimmt.

    Ohne Ihnen damit jetzt zu nahe treten zu wollen (ich weiß nicht, welche Mandanten Ihre Kanzlei vertritt): Ich empfinde das nicht als Bereicherung der Diskussion, wenn die Gegner der Urheber sich nun als Spezialisten für deren Belange in die Diskussion einbringen.

    Als Künstler bin ich aber von der Branche nun seit 13 Jahren nicht mehr betroffen. Von der Rechtslage aber sehr wohl. Ich habe schöne Musikproduktionen in der Schublade, deren Veröffentlichung mir derzeit einfach zu schade wäre. Wettbewerbsrechtlich und -politisch betrachtet: Der Markt ist gestört.
    Das Fehlen dieser Musik vermisst natürlich niemand (ausser er hätte sie bereits gehört – da bin ich selbstbewusst). Aber Hand auf’s Herz: Das Fehlen eines Grillsportverein-Forums oder anderer angeblicher Bereicherungen der Kultur vermisst dann doch auch keiner, oder?

    Aber zum Thema:
    ad 1. Wenn eine Lobby für Urheber existiert (es sind eigentlich die Urheber selbst, die auf eigene Kosten versuchen, sich einzubringen) dann ist es wohl immer noch bemerkenswert, dass diese aus Europa stammen und als Betroffene der Politik ihre Wünsche formulieren, wohingegen die großen Internet-Player Unternehmen aus den USA sind, die für ihren Willen, sich am Europäischen Gemeinwesen zu beteiligen (insbesondere über Steuern wirtschaftlich) als gering anzusehen ist. Dass also hier ein Einfluss dieser Lobby als „nur gering“ abgetan wird, verschleiert, dass diese Unternehmen eigentlich gar keinen Einfluss auf Europäische Politik haben sollten. Schon gar nicht von den USA aus.

    ad 2. Ich habe mich hier schon zum Thema ausgelassen: https://mofloghard.files.wordpress.com/2019/02/die-kritik-am-entwurf-einer-neuen-eu-urheberrechtsrichtlinie-in-der-kritik-27.02.2019-14.33-uhr.pdf
    Es ist jedenfalls bemerkenswert, dass die etwaige Sperrung von Uploads bestimmter Inhalte nicht aufgrund bloßer Unkenntnis über die Lizenzierung erfolgen soll, sondern bei positiver Kenntnis, dass der Rechte Inhaber den Upload konkret nicht wünscht – ihn also mit Fug und Recht später (und sei es nur ein halber Tag) sowieso wieder entfernen lassen würde. (Die geltende Rechtslage wird durch die Rechtsprechung des EuGH ja ständig erweitert – die jüngsten Vorlagen des BGH zu Auskunftspflichten und zur Haftung YouTubes werden noch entschieden).
    Das ist alles, was Art. 13 des Richtlinien-Entwurfs im Endeffekt verlangt.
    Das kann man nun „Uploadfilter“ nennen – aber sein wir ehrlich: Das ist ein Framing, das einen griffigen Begriff sucht, der leicht negativ konnotiert werden kann. In Wahrheit stellt man sich mit der Ablehnung dieser Umkehr des üblichen Katz-und-Maus-Spiels nur gegen das Recht der Urheber, dass das, was hinterher ohnehin gelöscht werden muss, auch gleich fernbleiben dürfte.

    ad. 3 Der Begriff der Zensur ist natürlich auch Framing. Meinen sie Zensur im Sinne des Art. 5 Abs. 1 GG? Oder erfinden sie einen Zensurbegriff der gerade eben mal passt? Richten wir uns am GG aus, dann stellen wir schnell fest, mit der Meinungsfreiheit hat das ja auch so seine Tücken – Art. 5 Abs. 2 stellt sie unter Schranken. Un die einzige Schranken-Schranke ist as Verbot oder Vorzensur.
    Ergo: Beim BVerfG würden sie schon jeden Prozess mit der Argumentation verlieren. Nun führen Sie mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten einen prominenten Fürsprecher dieser Stammtisch-Meinung der Piraten ein, der sich da wohl allzu eingehende Gedanken noch nicht gemacht haben dürfte.

    ad. 4 Wie die Merkmale des Art. 2 Abs. 5 auszulegen sind, ist wohl nicht allzu schwierig zu ermitteln. Juristische Methodenlehre kann sich an der Rechtsprechung des EuGH orientieren und so feststellen, dass auch wenn der Zusatz „other subject matter“ im Test steht, immerhin auf „works“ Bezug genommen wird – und dass das Teilen im Sinne von Verteilen sich auch vom Zugänglichmachen im Rahmen eines Diskurses unterscheiden dürfte. Dass also Foren, in denen Beiträge als Werk der Literatur auch mal die nötige Schöpfungshöhe für Urheberschutz reissen könnten, gemeint sind, ist eher ausgeschlossen.

    Was Foto-Communities oder Social-Media angeht: Fotos sind mit Wasserzeichen in der Regel am leichtesten zu identifizieren. Wo hier der Eingriff in die Meinungsfreiheit zu sehen wäre, wenn Memes mal manuell geprüft werden müssten, weil der getaggte Bildbestandteil identifiziert würde, ist nicht zu erkennen. Auch hier ließe sich aber mit pauschaler Lizenzierung einiger Aufwand vermeiden.

    Man kann sich natürlich auch der Panikmache anschließen – sollte man als Jurist aber eigentlich nicht. Der Eindruck man empfinde seinen Beruf als Kafkaesk, könnte allzu schnell entstehen. Wenn man denkt man muss potentielle Mandanten warnen, sollte man die konkrete Umsetzung in den Vertragsstaaten als Anlass nehmen.

    Oder aber: Man könnte das Visier runternehmen und sagen: Wir vertreten die Gegner der Autoren und Künstler. Es passt uns nicht, dass deren Rechte nun gestärkt werden sollen.

    Comment by Markus Hassold — 1.03, 2019 @ 10:00

  9. Danke für die sehr erhellende Analyse. Denkt man bei These ein wenig weiter, so erkennt man, dass die vorgeschlagene Regelung sehr effektiv jegliche Konkurrenz an den großen Content Providern einbremst bzw. de facto es verumöglicht, dass eine nennenswerte Konkurrenz zu den ganz Großen entstehen kann. Warum? Nun, Upload-Filter zu entwickeln kostet Geld, richtig viel Geld. Das können sich nur die Großen leisten. Für Startups gibt es jetzt zwar eine Ausnahmeregelung für 3 Jahre, aber… nur drei Jahre ab Markteintritt. Schafft es so ein Startup nicht, innerhalb von drei Jahren umsatzmäßig zu den ganz großen aufzuschließen, so kann es zusperren, weil es sich die Implementierung der Upload-Filter selbst nicht leisten kann oder muss die Upload-Filter von den Großen lizensieren. Das ist extrem wettbewerbs- und damit marktverzerrend.

    Comment by Roland Giersig — 1.03, 2019 @ 10:54

  10. Zu der ersten These schreiben Sie: „Google und andere US-Player verfügen, egal wieviel Geld sie in die Waagschale werfen, in Europa nicht ansatzweise über einen vergleichbaren politischen Einfluss“. Gut so! Auf welchen Gründen sollen ausländische monopolistische Unternehmen auf dem selben Ebene wie lokale Industrie bei einem Abgeordenete, der die Interesse EU-Bürgern vertretet, anhören werden ? Solche Unternehmen sollen nicht die selbe Einfluss wie lokale Industrie haben. Sie zahlen wenig steurn, sie müssen und wollen nur US-Regeln achten, sie wollen deren Monopol behalten, egal ob es lokale Ökonomie tötet.Sie betrachten EU-Bürgern als reine Verbraucher/Produkt. Localen Industrie nicht, da deren Eingestellten, dere Existenz auf EU-Einbewohner beruht. Das macht eine grosse Unterschied!

    Comment by Laura — 1.03, 2019 @ 11:02

  11. Zu These 2: Wieso unterschlagen Sie in ihrer Argumentation die Verhältnismäßigkeitsklausel in Art 13.4a), aus der sich ja eben keine absolute/allgemeingültige Verpflichtung für die „best efforts“ aus Art 13.4 ergibt?

    Comment by Alex — 1.03, 2019 @ 13:31

  12. Neben Youtube und Foren sind auch alle Platformen betroffen die jegliche Art von Kooperation betreiben. Also öffentliche/freie Softwareentwicklung (zB gitlab/github/open build service), Konstruktionsplatformen(Thingiverse), usw.

    Gerade bei der Softwareentwicklung dürfte es gravierend werden, da filter dort zu unakzeptablen Verzögerungen führen werden. Man stelle sich mal eine Bundestagsdebatte vor, wo jeder Vortrag, Nachfrage und Antwort erst im geheimen Nachbarzimmer untersucht werden muß …

    Comment by adrian — 1.03, 2019 @ 14:14

  13. Es könnte so einfach sein. Wer einen Urheberrechtsverstoß begeht, zu Straftaten aufruft, jemanden beleidigt oder was immer, der ist ausschließlich selbst für sein Tun verantwortlich und keiner sonst — vor dem Tatbestand der Beihilfe steht eine hohe Hürde. Das gilt für jeden, der selbst und im eigenen Namen schreibt. Wenn aber ein Dritter es aktiv und vorsätzlich auf seinen, von ihm verantworteten Seiten ermöglicht, anonym zu handeln und seine Identität zu verschleiern, dann gerät naturgemäß er selbst in die Verantwortung. Artikel sind entweder namentlich gezeichnet oder im Namen der Redaktion veröffentlicht — das ist anderswo und war seit Jahrhunderten ganz genau so. Das ist keine neue Frage und kein neues Recht — nur etas andere Technik. Das ist nicht im geringsten schwer zu verstehen — wer sich dumm stellt vertritt offenbar eigene und andere Interessen.

    Comment by Axel Berger — 1.03, 2019 @ 16:50

  14. Ich stimme dem Kommentar von Axel Berger zu einem sehr grossen Teil zu. In der Offlinewelt haben wir diverse Praktiken, die eine vernünftige Austarierung von Anonymität und Verantwortung schaffen, z.B. das Presserexht (VISDP), die Verbreiterhaftung, die Haftung des Letzten In-Verkehr-Bringers beim Jugendmedienschutz, etc.

    Online fallen jedoch durch TMG §10 & §13.6 Anonymitätsgarantie der Provider und eine Haftungsfreistellung zusammen. Und zwar „all ober the board“, undanhängig von Risiko und Schaden für Dritte. Das Problem tritt nicht nur beim Urheberrecht suf, sondern bei einem ganzen „Blumenstrauss“ von Hostproviderhaftungsproblemen, wie Hate Speech, Fake News, Extremistischer Propaganda, etc.
    Fazit:
    Haftung und Verantwortung wird in unserer Offlinewelt deutlich sinnvoller austariert, als im TMG/ der E-commerce directive. Dazu kommt noch, dass die Haftung der Provider „Ab Kenntnis“ einer sinnvollen Selbstregulation der Provider komplett entgegenläuft. Man macht sich bewusst „blind“ für Rechtsverletzungen auf der eigenen Plattform, weil man so erst ab Inkenntnissetzung in die Haftung geraten kann. Denn“Fallout“ dürfen dann gerne die Geschädigten auslöffeln. Ein irrsinnig schlecht gemachtes Gesetz, dass 1999 vielleicht noch gepasst hat, aber seit mindestens 10 Jahren nicht mehr…

    Oder: Das Haftungsregime der E-Commerce Directive induziert aktiv

    Comment by Stefan Herwig — 2.03, 2019 @ 08:51

  15. Wie verhält es sich eigentlich mit Quelltext-Plattformen wie github oder gitlab? Das unterfällt doch auch dem Urheberrecht?

    Comment by V. — 3.03, 2019 @ 17:39

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