Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

27.4.12

Der Missbrauch des Urheberrechts (Sixtus vs. Dropbox)

Der Journalist Mario Sixtus hat gestern auf Twitter darüber berichtet, dass Dropbox eine von ihm bei dem Dienst hinterlegte Datei gesperrt hat und zwar auf Antrag von Dr. Wolfgang Stock, dem Gründer von Wikiwatch.

Beim Versuch die fragliche Datei aufzurufen, erteilt Dropbox einen Hinweis auf den amerikanischen Digital Millennium Copyright Act (DMCA). Der DMCA sieht ein sog. Notice And Take Down Verfahren vor, das einen Hoster vollständig aus der Haftung für eine Urheberrechtsverletzung entlässt, sofern er auf den entsprechenden Hinweis hin den beanstandeten Content umgehend vom Netz nimmt. Wie ich aus eigener anwaltlicher Erfahrung weiß, genügt bei amerikanischen Anbietern regelmäßig schon der Hinweis auf den DMCA und die Behauptung einer Urheberrechtsverletzung und die Inhalte sind vom Netz. Ob amerikanisches Urheberrecht überhaupt anwendbar ist, interessiert da wenig. Dieses Prozedere führt natürlich in allen Fällen, in denen die Urheberrechtsverletzung zweifelhaft, oder wie im vorliegenden Fall nur vorgeschoben ist, dazu, dass missliebige Inhalte vorschnell aus dem Netz verschwinden. Der DMCA ist damit auch ein Instrument, das sich bestens dazu eignet, unliebsame Meinungsäußerungen zu bekämpfen.

Die fragliche Datei die Dropbox im Fall Sixtus mitsamt der Sharing-Funktionen gesperrt hat, ist an anderer Stelle online, weshalb sich der Sachverhalt gut nachvollziehen lässt. Bei der gesperrten PDF-Datei handelt sich um eine längeren Text – dessen Autor nicht der besagte Wolfgang Stock ist – der sich mit verschiedenen Veränderungen und Verfälschungen von Wikipediaeinträgen befasst, hinter denen der Autor des Texts ebendiesen Wolfgang Stock vermutet. Der  beanstandete Text enthält zwei oder drei wörtliche Zitate Stocks, die im Kontext einem klaren Zitatzweck folgen. Eine Urheberrechtsverletzung ist für mich nicht ersichtlich.

Über den Vorwurf, Wolfgang Stock hätte Wikipediaeinträge manipuliert, hat beispielsweise auch Heise berichtet, verbunden mit dem Hinweis, Stock würde nunmehr auch juristisch gegen diese Vorwürfe vorgehen. Und damit ist auch klar, woher der Wind weht. Das Urheberrecht wird von Stock nur als Vorwand und Vehikel dafür benutzt, um Dokumente aus dem Netz zu bekommen, in denen besagter Manipulationsvorwurf enthalten ist. Wenn sich Herr Stock gegen angeblich falsche Tatsachenbehauptungen wehren will, dann soll er das tun, aber er sollte nicht das Urheberrecht für diese Zwecke missbrauchen.

In diesem Kontext hat mich übrigens der Blogbeitrag des Kollegen Lampmann, der sich augenscheinlich nicht mit dem zugrundeliegenden Sachverhalt befasst hat, dann doch eher erstaunt.

posted by Stadler at 22:04  

15 Comments

  1. „genügt bei amerikanischen Anbietern regelmäßig schon der Hinweis auf den DMCA und die Behauptung einer Urheberrechtsverletzung und die Inhalte sind vom Netz.“

    So ganz genügt das nicht. Wer einen Takedown wegen DMCA beantragt, muss eine eidesstattliche Versicherung abgeben:

    „I swear, under penalty of perjury, that the information in the notification is accurate and that I am the copyright owner or am authorized to act on behalf of the owner of an exclusive right that is allegedly infringed.“

    Ihr Kollege setzt sich ja nur mit dem Verhalten von Dropbox auseinander, das bei dieser Sachlage recht nachvollziehbar ist.

    Herr Sixtus kann dem leicht etwas entgegensetzen, nämlich eine Gegenversicherung:

    „I swear, under penalty of perjury, that I have a good faith belief that the material identified above was removed or disabled as a result of a mistake or misidentification of the material to be removed or disabled.“

    Dann ist Dropbox rechtlich aus dem Schneider. Die rechtliche Auseinandersetzung läuft dann zwischen den beiden Kontrahenten.

    Sollte der mutmaßliche Urheberrechtinhaber den DMCA bösgläubig missbrauchen, bekommt er in den USA durchaus rechtliche Probleme mit seiner Versicherung „under penalty of perjury“.

    Comment by Avantgarde — 28.04, 2012 @ 00:19

  2. Urheberrecht missbraucht auch Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Schertz. Z.B.308 O 645/08 http://www.kanzlei-prof-schweizer.de/bibliothek/urteile/index.html?id=14437 Die Berufung wurde zurückgezogen. Eine Einsicht zeigt der berüchtigte Professor allerdings immer noch nicht.

    Auch in der Sache 308 O 349/09 http://www.buskeismus.de/urteile/308O34309_Urteil.pdf. hat Schertz den Kürzeren gezogen.

    Die Berufung liegt allerdings noch an.

    Der Missbrauch des Urheberrechts für die Zensur gehört zum Geschäftfeld der Kommerzialisierung von Menschenrechten, der Würde des Menschen.

    Comment by Rolf Schälike — 28.04, 2012 @ 00:57

  3. Ach ja, der Herr Lampmann. Hauptsache pro Urheberrecht. Egal, obs im konkreten Fall Sinn macht, oder nicht. Und als ob sich Dropbox um die Hamburger Rechtsprechung scheren würde. Ach, was kommentier ich das überhaupt.

    Comment by advocatus non calculat — 28.04, 2012 @ 09:15

  4. Die aDMCA-Recht ist Mist. Und das sagt uns – mal wieder – dass wir den amerikanischen Internet-Dienst nicht trauen dürfen. Wir sind so eingeengt vom Social-Network-Hype, dass wir gar nicht auf die Idee kommen, dass es sich, wie auch dieser Beitrag zeigt, um eine gefährlich Entwicklung handelt. Kontrolle ade, 1984 lässt grüßen.

    Es muss andere Möglichkeiten geben, Dateien freizugeben und es gibt sie …

    Comment by Offliner — 28.04, 2012 @ 10:51

  5. Da saß irgendein Support-Mitarbeiter und ist diesem request blind gefolgt. Ob es der Sache dient? Eher nicht: http://twitpic.com/9eh2bl

    Comment by Berti — 28.04, 2012 @ 11:05

  6. Das Rumheulen wegen Urheberrecht ist das gleiche Niveau wie die Diebstahllegalisierungsforderungen der Piraten-Parteien

    Comment by Paul Peplow — 28.04, 2012 @ 19:06

  7. @Stadler: Ich räume ein, dass meine Behauptung, dass der ganze Text von Stock gewesen sei, falsch ist.

    Ansonsten habe ich in einem Kommentar in unserem Blog Stellung genommen: http://www.lhr-law.de/lbr-blog/dropbox-sperrt-sharing-funktion-wegen-urheberrechtlich-geschutzter-datei

    Comment by Arno Lampmann — 29.04, 2012 @ 00:20

  8. @3

    Darüber kann man streiten. Wenn irgendjemand in den USA einen Text oder ein Foto, an dem ich das Urheberrecht habe, veröffentlicht, dann kann ich entweder – in der Regel vergebens – dem Poster hinterherlaufen, oder ich schicke dem Webhoster eine Takedown Notice. Da ich ja immerhin eine rechtsverbindliche Versicherung an Eides Statt abgebe, ist meine Position zunächst einmal glaubwürdiger als die des unbekannten Posters.

    Der Webhoster kann in der Regel meine Behauptung nicht prüfen (woher soll er wissen, wer ein Urheberrecht an einem Foto hat). Er nimmt die beanstandete Datei herunter und informiert den Poster. Reagiert dieser mit eine Gegenversicherung an Eides Statt, geht die Datei wieder online. Dann habe ich aber einen Verursacher, den ich haftbar machen kann.

    Gäbe es dieses Verfahren nicht, wäre ich gegen Urheberrechtsverletzungen im Ausland weitgehend machtlos. Jedenfalls würde es mich erst mal eine Stange Geld und viel Mühe kosten, den Verletzer dingfest zu machen. Durch die Takedown Notice wird die Urheberrechtsverletzung zügig beseitigt, übrigens im Gegensatz zum deutschen Abmahnverfahren ohne Kosten für den Verletzer. Der sich ja wehren kann, wenn ich den DMCA missbrauche.

    Comment by Avantgarde — 29.04, 2012 @ 18:43

  9. Ja, nur liegt anscheinend im vorliegenden Fall keine Urheberrechtsverletzung vor, sondern die falsche eidesstattliche Erklärung eines: „Prof. Dr. CDU-Mitglied und Pharma-Lobbyisten“, zum Zwecke der Meinungs- und Tatsachenunterdrückung.

    Comment by Scotty — 29.04, 2012 @ 21:28

  10. @8

    Durchaus möglich. Es ging mir ja auch nur darum, zu zeigen, dass so etwas hochriskant ist. Ob der DMCA sich somit wirklich dazu eignet, unliebsame Meinungsäußerungen zu bekämpfen, darf man daher bezweifeln. Jedenfalls nicht, wenn es um namentlich bekannte Kontrahenten geht.

    Comment by Avantgarde — 29.04, 2012 @ 23:27

  11. Was interessiert die Amis ein deutsches Gericht. Und seit wann gilt amerikanisches Recht in Deutschland. Wie weltfremd muss man sein.

    Comment by Marty — 3.05, 2012 @ 10:48

  12. Die von Sixtus gehostete Datei ist wieder da: http://dl.dropbox.com/u/9449816/IQWIGundCo.pdf

    Comment by ML — 21.05, 2012 @ 11:16

  13. Kann man denn eine falsche DMCA-Meldung („I swear, under penalty of perjury“) in Deutschland als Meineid anzeigen?

    Comment by Erbloggtes — 21.05, 2012 @ 13:35

  14. @13

    Nein, kann man nicht, denn nach § 5 Nr. 10 StGB ist diese Auslandstat nur im Inland strafbar, wenn es um ein inländisches Verfahren geht. Übrigens ist auch in Deutschland eine falsche Eidesstattliche Versicherung kein Meineid sondern eben eine falsche Eidesstattliche Versicherung. Und die abzugeben ist nur dann strafbar, wenn sie gegenüber einer dafür zuständigen Behörde abgegeben wird (§ 156 StGB) und dass ist dann auch noch billiger (bis drei Jahre oder Geldstrafe) als der Meineid (mindestens ein Jahr).

    Comment by Bürger aus Ohlsdorf — 4.06, 2012 @ 14:35

  15. Wolfgang Stock und Mario Sixtus klären ihre Beziehungen am 10.08.2012 um 11:00 in Hamburg vor Gericht: 11:00, Az. 324 O 344/12, Zensurkammer 24, Sievikingplatz 1, Saal B335. Wolfgang Stock ist der Kläger.

    Danach sind wir dank der klugen und weisen Prozessführung der Hamburger Damen alle schlauer. Wir werden erfahren, wie der Haase wirklich läuft.

    Comment by Rolf Schälike — 6.08, 2012 @ 23:38

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