Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

20.4.12

Notwehr gegen Paparazzo

Ein Angeklagter eines Strafverfahrens wurde im Treppenhaus des Amtsgerichts Hamburg-Wandsbek von einem Fotografen einer großen deutschen Boulevard-Zeitung gegen seinen Willen fotografiert.

Der Angeklagte hat den Fotografen zunächst aufgefordert, das Fotografieren einzustellen. Der Fotograf reagierte darauf aber nicht. Auch die erneute lautstarke Aufforderung, das Fotografieren einzustellen, ignorierte der Fotograf und schlug dem Angeklagten vor, er möge sich doch ein Blatt Papier oder die mitgeführte Tasche vor das Gesicht halten. Der Angeklagte hielt sich stattdessen zunächst die Hand vor das Gesicht, ging dann, als der Fotograf weiter fotografierte, wütend auf ihn zu, holte mit dem rechten Arm aus und schlug mit der flachen Hand wuchtig gegen das Objektiv der Kamera, die der Fotograf gerade vor sein Gesicht hielt. Durch den Schlag wurde die Kamera in das Gesicht des Fotografen gedrückt.

Das Landgericht Hamburg hat wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB verurteilt und die Annahme einer Notwehr abgelehnt. Das Fotografieren in einem öffentlichen Gerichtsgebäude anlässlich einer öffentlichen Hauptverhandlung auch gegen den erklärten Willen des Angeklagten stelle keinen rechtswidrigen, notwehrfähigen Angriff dar, der einen Schlag gegen die Kamera rechtfertige, so das Landgericht.

Das hat das OLG Hamburg anders gesehen und das Urteil mit Beschluss vom 5. April 2012 (Az.: 3-14/12) aufgehoben und zurückverwiesen. Das Oberlandesgericht geht zunächst davon aus, dass die Kamera kein gefährliches Werkzeug darstellt, weshalb eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung ausscheidet.

Anschließend erläutert das OLG, dass es das Fotografieren auf dem Gerichtsgang als Eingriff in das Persönlichkeitsrecht (Recht am eigenen Bild) des Angeklagten betrachtet. Eine Berichterstattung über ein Strafverfahren rechtfertigt es nicht in jedem Fall, den Angeklagten zu fotografieren. Das OLG verweist hierzu auf die Rechtsprechung des BVerfG, wonach die dem Täter entstehenden Nachteile im rechten Verhältnis zur Schwere der Tat oder ihrer sonstigen Bedeutung für die Öffentlichkeit stehen muss. Da es sich vorliegend um einen Fall der Kleinkriminalität gehandelt hat an dem kein besonderes öffentliches Interesse bestand, war das Verhalten des Fotografen rechtswidrig.

War das Fotografieren aber ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff, dann durfte der Angeklagte sich dieses Angriffs grundsätzlich auch mit Gewalt erwehren. Hierzu führt das OLG aus:

Der Schlag gegen die Kamera ist grundsätzlich geeignet, ein rechtswidriges Fotografieren zu beenden. Die bisherigen Feststellungen ergeben auch nicht, dass dem Angeklagten ein milderes Mittel zur Verfügung gestanden haben könnte. Der Angeklagte musste sich nicht darauf beschränken, sein Gesicht zu verdecken, denn der Angriff betraf die Abbildung seiner gesamten Person, nicht nur die seines Gesichts. Er durfte vielmehr die Verteidigung wählen, die den Angriff sofort und endgültig beendete. Die Feststellungen ergeben auch nicht, dass der zur Tatzeit 58-jährige Angeklagte in der Lage gewesen wäre, mit weniger Gewaltanwendung, etwa durch einfaches Wegnehmen der Kamera, den Angriff zu beenden.

 

posted by Stadler at 12:16  

19.4.12

EuGH: Auskunftsansprüche gegen Provider bei Urheberrechtsverletzungen mit EU-Recht vereinbar

Der EuGH hat heute (Urteil vom 19.04.2012, Az.: C?461/10) entschieden, dass Auskunftsansprüche gegen Internet-Service-Provider, die in Mitgliedstaaten auf Grundlage der sog. Enforcement-Richtlinie geschaffen wurden – in Deutschland betrifft dies § 101 Abs. 2, Abs. 9 UrhG – sowohl mit der Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung als auch mit der Datenschutzrichtlinie vereinbar sind. Mithilfe dieser Auskunftsansprüche werden in Fällen des Filesharing die von den Rechteinhabern ermittelten IP-Adressen dann von den Providern einem Kunden bzw. Anschlussinhaber zugeordnet.

In der Formulierung des EuGH

Die Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) und die Richtlinie 2004/48 sind dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht entgegenstehen, soweit es diese Rechtsvorschriften dem nationalen Gericht, bei dem eine klagebefugte Person beantragt hat, die Weitergabe personenbezogener Daten anzuordnen, ermöglichen, anhand der Umstände des Einzelfalls und unter gebührender Berücksichtigung der sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Erfordernisse eine Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen vorzunehmen.

erkenne ich freilich die deutsche Rechtswirklichkeit bei richterlichen Auskunftsbeschlüssen nach § 101 Abs. 9 UrhG kaum wieder. Denn eine Prüfung des Einzelfalls, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebührend berücksichtigen würde, findet bei deutschen Gerichten schlicht nicht statt. Es ist vielmehr so, dass die nach § 101 Abs. 9 UrhG angerufenen Gerichte massenhaft, tetxbausteinartig und ohne jegliche Einzelfallprüfung diejnigen Auskunftsbeschlüsse erlassen, die den Provider erst ermächtigen, die Daten seines Kunden herauszugeben. Mir liegen diesbezüglich eine ganze Reihe von Akteneinsichten, insbesondere des Landgerichts Köln, vor, die dieses schematische und textbausteinartige Vorgehen des Gerichts belegen. Der eigentlich als zusätzliche Hürde gedachte Richtervorbehalt verkommt dadurch zur bloßen Makulatur.

Eine gute Erläuterung des Urteils liefert auch der Kollege Dosch.

posted by Stadler at 17:13  

19.4.12

Berliner Piraten wollen mehr Geld für den Verfassungsschutz

Im Verfassungsschutzausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses hat der Vertreter der Piratenpartei Pavel Mayer gegen einen Antrag der Linken gestimmt, der vorsah, die im Haushalt geplanten fünf neuen Stellen beim Berliner Verfassungsschutz nicht einzurichten und das Geld stattdessen für zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rechts einzusetzen. Bei der Abstimmung über den erweiterten Verfassungsschutzhaushalt hat sich Mayer der Stimme enthalten.

In einem längeren Blogbeitrag begründet Mayer seine Entscheidung. Insbesondere seine Aussage:

„dann kann ich mit einem Verfassungsschutz leben, der sich an die Gesetze hält und sich von gewählten Bürgervertretern aller politischen Lager kontrollieren lässt.“

erscheint mir erwähnenswert, denn sie zeugt von einer politischen Naivität die mich beunruhigt.

Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder brechen seit Jahrzehnten regelmäßig und konsequent das geltende Recht. Die meisten Verfassungsschutzberichte sind nachweislich rechtswidrig. Eine gerichtliche Kontrolle findet kaum statt und die parlamentarische Kontrolle funktioniert nicht ansatzweise. Der Verfassungsschutz agiert – z.T. auch mit ausdrücklicher Billigung und Unterstützung der Politik – faktisch im rechtsfreien Raum.

Warum die Institution Verfassungsschutz unsere Demokratie bedroht, habe ich in einem längeren Beitrag ausführlich dargelegt. Allein der Umstand, dass der Verfassungsschutz sich weiterhin durch die rechtswidrige Überwachung kritischer Demokraten hervortut, im Kampf gegen den rechten Terror aber vollständig versagt hat, muss Grund genug sein, das Gesamtkonzept zu überdenken und auf den Prüfstand zu stellen.

Der Verfassungsschutz stellt in seiner jetzigen Ausgestaltung einen Staat im Staat dar und damit in einem demokratischen Rechtsstaat einen Fremdkörper.

Bei den Piraten muss man sich vor diesem Hintergrund ganz ernsthaft fragen, ob ihre Forderung nach größtmöglicher (politischer) Transparenz nur Phrasendrescherei darstellt. Denn die Transparenz ist der natürliche Feind der Verfassungsschutzbehörden. Man kann nicht einerseits Transparenz fordern und zugleich die Beibehaltung bzw. sogar den Ausbau des bestehenden Strukturen des Verfassungsschutzes unterstützen. Damit begibt man sich 9in einen unauflösbaren Widerspruch.

Heribert Prantl hat die relevanten Fragen im Zusammenhang mit den Verfassungsschutzbehörden bereits sehr klar formuliert: „Nur überflüssig oder gar gefährlich?“ und „Wer schützt die Verfassung vor dem Verfassungsschutz?“.

Es müsste also eigentlich darum gehen, eine Diskussion zu beginnen, die die Notwendigkeit der Verfassungsschutzbehörden kritisch hinterfragt. Eine große Koalition die von der Union über die SPD bis hin zu den Grünen reicht, will diese Diskussion aber augenscheinlich nicht führen und hat ersichtlich kein Interesse daran, am status quo zu rütteln. In diese Koalition reiht sich jetzt offenbar auch die Piratenpartei ein.

Um es ganz deutlich zu sagen: Die Haltung von Pavel Mayer ist aus bürgerrechtlicher Sicht gänzlich inakzeptabel. Er wird mir als Wähler, dem die Bürgerrechte am Herzen liegen, auch nicht erklären können, warum ich dann nicht gleich die Union wählen soll. Das hätte zumindest den Vorteil, dass man sich anschließend nicht darüber ärgern muss, wenn Piraten plötzlich konservative und bürgerrechtsfeindliche Positionen einnehmen.

posted by Stadler at 11:20  

18.4.12

Linkhaftung und Jugendschutz

Vom Verwaltungsgericht Düsseldorf kommt eine durchaus denkwürdige Entscheidung  (Urteil vom 20.03.2012, Az.: 27 K 6228/10) , die sich mit der Frage der Haftung von Links auf Domainparking-Seiten befasst, die auf pornografische Inhalte verweisen.

Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) hat gegenüber einer Domainvermarktungsgesellschaft Links auf einer Domainparkingwebsite als Verstoß gegen den Jugendmedienschutzstaatsvertrag (JMStV) beanstandet. Ein Domainvermarkter hatte die fragliche Domain auf sich, aber im Kundenauftrag, registriert. Er hat gegen den Verwaltungsakt der KJM Klage erhoben und sich u.a. darauf berufen, dass er nicht Anbieter der fraglichen Inhalte gewesen sei und die Parkseite und die Werbelinks auch nicht bearbeitet habe. Die Domain sei durch einen Dienst ohne sein Zutun in die Parkseite eingebunden worden. Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass sich auf den beworbenen Websites erotische Inhalte befunden hätten.

Diese Einlassung hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf nicht für beachtlich gehalten und die Klage (weitgehend) abgewiesen.

Das VG Düsseldorf geht zunächst davon aus, dass der Kläger Anbieter der Inhalte (der Website) im Sinne des JMStV war, was wiederum allein aus dem Umstand hergeleitet wird, dass er als Domaininhaber eingetragen war.

Bereits diese Gleichsetzung von Domain und Website ist nicht unproblematisch.

Interessant ist dann auch die weitere Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, nach der sich der Inhaber einer Domain, unter der eine Domainparking-Seite mit Werbelinks abrufbar ist, die verlinkten Inhalte stets zu Eigen macht. Das Verwaltungsgericht führt dazu aus:

Ziel des Domaininhabers, der seine Domain mit der Absicht der Gewinnerzielung auf eine Parkseite weiterleitet, ist es, dass die Besucher seiner Domain die von der Parkseite aus verlinkten Domains aufsuchen. Der Inhaber der Parkseite macht sich so die Inhalte der verlinkten Domains zu Eigen. Dies gilt zumindest dann, wenn sich die Parkseite – wie die des Klägers – nicht auf eine bloße Auflistung von Links beschränkt, sondern die zu erreichenden Inhalte weitergehend „anpreist“ oder beschreibt. So fanden sich auf der Parkseite des Klägers sowohl Beschreibungen der beworbenen Inhalte als auch Screenshots der Angebote. Zu dem Link auf das Angebot der Domain „www.E6.com“ hieß es etwa: „Für nur 2,50 bekommst Du einen #1# – Memberbereich mit Livesex, Commandocams, Direktkontakten, Pornofilme in Bildschirmgröße mit Sound und vielen weiteren Spezialangeboten für Deinen Geschmack. Keine Dialer, keine Popups, einfach nur fair.

Ob es dem Kläger bewusst war, welche Inhalte von seiner Domain aus im Einzelnen erreichbar waren, ist ohne Relevanz. Zum Störer wird jemand dadurch, dass durch sein eignes bzw. ihm zurechenbares fremdes Verhalten eine Gefahr verursacht wird oder eine solche Gefahr aus dem Zustand einer von ihm rechtlich oder tatsächlich beherrschten Sache entsteht. Unerheblich ist, ob den Ordnungspflichtigen ein Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) trifft.

Diese Argumentation ist jedenfalls nicht konsistent. Denn man kann nicht einerseits unterstellen, jemand würde aufgrund des Konstrukts eines Zueigenmachen in gleicher Weise haften wie der Anbieter originär eigener Inhalte und andererseits aber annehmen, es sei unerheblich, ob der Betroffene überhaupt Kenntnis von den Inhalten hat, die er sich angeblich zu Eigen macht. Den ein Zueigenmachen liegt nach der Rechtsprechung des BGH nur dann vor, wenn man einem Inhalt zustimmt bzw. erkennbar die Inhaltsverantwortung übernehmen will. Genau diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall aber nicht gegeben.

Die aus meiner Sicht juristisch relevante Frage wäre an dieser Stelle gewesen, ob die Verlinkung auf pornografische Inhalte (objektiv) ein strafrechtliches Zugänglichmachen solcher Inhalte nach § 184 Abs. 1 StGB darstellt. In diesem Sinne hat beispielsweise das OLG Stuttgart für eine Verlinkung auf volksverhetzende Inhalte entschieden.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat die Berufung zugelassen.

posted by Stadler at 17:20  

16.4.12

Gesetzesentwurf gegen unseriöse Geschäftspraktiken

Bereits vor Monaten war in der Presse zu lesen, dass Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger der Abmahnindustrie den Kampf ansagen will. Der angekündigte Referentenentwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken liegt nunmehr vor. Er sieht eine Reihe von Gesetzesänderungen in den Bereichen Inkassowesen, Telefonwerbung und Abmahnwesen vor.

Besonders erwähnenswert ist die Neuregelung des § 14 Abs. 2 UWG durch die der fliegende Gerichtsstand im Wettbewerbsrecht praktisch abgeschafft werden soll. Einen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung soll es danach nur noch dann geben, wenn der Beklagte im Inland weder einen Geschäfts- noch einen Wohnsitz hat. Danach wird § 14 Abs. 1 UWG zum Regelfall, der auf die Niederlassung des Beklagten abstellt. Es fragt sich allerdings, warum diese Regelung nicht in gleicher Weise für alle Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes gelten soll und ob damit nicht über das Ziel hinaus geschossen wird.

Außerdem unternimmt das BMJ einen neuen Versuch, die Kosten urheberrechtlicher Abmahnungen deutlich einzudämmen, was ersichtlich einen Reaktion auf die massenhaften Filesharing-Abmahnungen darstellt. Für den Fall unberechtigter Abmahnungen sieht die neue Vorschrift des § 97a Abs. 3 UrhG vor, dass der zu Unrecht Abgemahnte (ohne weiteres) einen Anspruch darauf hat, den Ersatz seiner Rechtsverteidigungskosten zu verlangen. Eine vergleichbare Regelung gab es bislang nicht, die Rechtsprechung hat dies vielmehr ausdrücklich abgelehnt.

Die Höhe der Abmahnkosten soll durch den Verweis in der neuen Vorschrift des § 97a Abs. 2 S. 2 UrhG auf § 49 GKG erheblich eingeschränkt werden. Die geplante Vorschrift des § 49 GKG lautet:

(1) In einer Urheberrechtsstreitsache beträgt der Streitwert für den Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch 500 Euro, wenn der Beklagte

1. eine natürliche Person ist, die urheberechtliche Werke oder durch verwandte Schutzrechte geschützte Leistungen nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, und

2. nicht bereits wegen eines Anspruchs des Klägers durch Vertrag, aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung verpflichtet ist.

(2) Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn ein Unterlassungs- und ein Beseitigungsanspruch nebeneinander geltend gemacht werden.

Für urheberrechtliche Abmahnungen gegenüber natürlichen Personen, die die geschützten Werke nicht für ihre gewerbliche oder selbständige Tätigkeit verwenden, soll der Streitwert also nur noch EUR 500,- betragen. Bislang war es in Filesharing-Fällen üblich auf einen Streitwert von EUR 10.000,- oder mehr für den Unterlassungsanspruch abzustellen. Bei einem Streitwert von EUR 500,- beträgt eine 1,3-Geschäftsgebühr EUR 58,50. Hinzu kommt eine Auslagenpauschale von EUR 11,70, was bedeutet, dass der Abmahnanwalt nur noch EUR 70,20 verdient und der Abgemahnte diesen Betrag zu erstatten hat – oder zzgl. MWSt. EUR 83,54 sofern der Rechteinhaber nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist . Das Justizministerium erhofft sich dadurch offenbar, dass das Geschäft der Massenabmahnungen eingedämmt wird.

Meines Erachtens sollte sich der Gesetzgeber hier aber auch Gedanken darüber machen, dass er selbst die Abmahnindustrie im Bereich des Filesharing erst geschaffen hat und zwar durch Einführung des Auskunftsanspruchs gegen Zugangsprovider nach §§ 101 Abs. 2, Abs. 9 UrhG, der in der Gerichtspraxis mittlerweile massenhaft und textbausteinartig durchgewunken wird, ohne, dass die Gerichte eine Einzelfallprüfung anstellen. Gerade auch diesen Umstand gilt es kritisch zu beleuchten.

Wie bei vielen Referentenentwürfen bleibt ohnehin abzuwarten, ob und mit welchen Änderungen das Gesetz letztlich in Kraft treten wird.

posted by Stadler at 21:42  

16.4.12

Urheberrecht und Bildung

Vor eingen Tagen habe ich über ein Urteil des OLG Stuttgart berichtet, das der Fernuniversität Hagen verbietet, ihren Studierenden im Rahmen einer geschlossenen Benutzergruppe Auszüge aus einem Lehrbuch als PDF-Datei zur Verfügung zu stellen. Damit steht das Konzept der „digitalen Semesterapparate“ in Frage, das an zahlreichen Hochschulen praktiziert wird.

Dass das geltende Urheberrecht den Bereich Unterricht, Wissenschaft und Bildung spürbar beeinträchtigt, ist ein Umstand, der in das Zentrum der aktuellen Urheberrechtsdiskussion gerückt werden muss.

Diese Debatte scheint nunmehr zaghaft auch zu beginnen. Das Projekt IUWIS (Infrastruktur Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft) und der Informationswissenschaftler Rainer Kuhlen haben sich vor dem Hintergrund der Entscheidung des OLG Stuttgart mit lesenswerten Beiträgen zu Wort gemeldet. IUWIS meint, das Urteil des OLG Stuttgart würde der Piratenpartei eine Steilvorlage für eine bildungspolitische Profilierung bieten, bei der sie ihrem allgemeinen Themenfeld weitgehend treu bleiben könnte. Kuhlen fordert mit deutlichen Worten ebenfalls ein Handeln und Eingreifen der Politik.

Hieran anknüpfend möchte ich skizzieren, was zu tun wäre. Dreh- und Angelpunkt der Entscheidung des OLG Stuttgart und der hiesigen Debatte ist die Vorschrfit des § 52a UrhG. Diese Vorschrift – die ohnehin bis zum 31.12.2012 befristet ist – wurde durch das Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 10.09.2003 in das Urheberrechtsgesetz eingefügt. Laut der amtlichen Begründung wollte der Gesetzgeber Unterricht und Wissenschaft in begrenztem Umfang die Nutzung moderner Kommunikationsformen ermöglichen. Dieses Ziel wurde angesichts der äußerst engen Fassung des § 52a UrhG allerdings nicht erreicht, wie die Entscheidung des OLG Stuttgart zeigt.

Wie beispielsweise auch beim Urhebervertragsrecht – einer weiteren Baustelle des Urheberrechts – existierte zunächst ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung, der wesentlich ambitionierter war als die letztendlich verabschiedete Gesetzesfassung. Der Regierungsentwurf sah die Möglichkeit der Zugänglichmachung ganzer Werke zu Unterrichtszwecken vor. Nachdem vor allem die Verlegerlobby gegen diese geplante Regelung Sturm lief, wurde der Regierungsentwurf anschließend im Rechtsausschuss des Bundestages auf die stark abgeschwächte Fassung des § 52a UrhG zusammengestutzt.

Im Regierungsentwurf lauete die Formulierung:

Zulässig ist, veröffentlichte Werke

1. zur Veranschaulichung im Unterricht ausschließlich
für den bestimmt abgegrenzten Kreis von Unterrichtsteilnehmern
oder
2. ausschließlich für einen bestimmt abgegrenzten
Kreis von Personen für deren eigene wissenschaftliche
Forschung

öffentlich zugänglich zu machen (…)

Demgegenüber lautet die geltende gesetzliche Regelung des § 52a UrhG folgendermaßen:

Zulässig ist,

1. veröffentlichte kleine Teile eines Werkes, Werke geringen Umfangs sowie einzelne Beiträge aus Zeitungen oder Zeitschriften zur Veranschaulichung im Unterricht an Schulen, Hochschulen, nichtgewerblichen Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung sowie an Einrichtungen der Berufsbildung ausschließlich für den bestimmt abgegrenzten Kreis von Unterrichtsteilnehmern oder

2.veröffentlichte Teile eines Werkes, Werke geringen Umfangs sowie einzelne Beiträge aus Zeitungen oder Zeitschriften ausschließlich für einen bestimmt abgegrenzten Kreis von Personen für deren eigene wissenschaftliche Forschung

öffentlich zugänglich zu machen (…)

Die Gegenüberstellung der beiden Textfassungen zeigt sehr deutlich, dass von dem ursprünglichen Vorhaben, Unterricht und Bildung zu privilegieren kaum mehr etwas übrig geblieben ist, weil die Verleger durch die geplante Regelung ihre wirtschaftlichen Interessen beeinträchtigt sahen.

Entgegen anderslautender Behauptungen haben es die Verleger also zu jeder Zeit verstanden, ihren singulären wirtschaftlichen Interessen vorrangige Geltung vor den Belangen des Gemeinwohls zu verschaffen. Damit sollte nunmehr endgültig Schluss gemacht werden. Wenn wir eine neue Urheberrechtsdebatte führen, dann muss eine stärkere Privilegierung des Bildungs- und Wissenschaftsbereichs an erster Stelle diskutiert werden und anschließend über die Schaffung eines verbesserten Urhebervertragsrechts, das den Urhebern eine faire und angemessene Vergütung gewährleistet, gesprochen werden.

posted by Stadler at 11:45  

13.4.12

Bundesverfassungsgericht hebt Urteil zum Filesharing auf

Bei der Frage der Haftung des Inhabers eines Internetanschlusses für Urheberrechtsverletzungen durch im Haushalt lebende Familienangehörige deutet sich möglicherweise eine Trendwende an. Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 21.03.2012, Az.: 1 BvR 2365/11) hat die Verurteilung eines Anschlussinhabers, der als Störer auf Erstattung der Abmahnkosten in Anspruch genommen wurde, aufgehoben und an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Bundesverfassungsgericht betätigt sich hier ausnahmsweise doch einmal als eine Art Superrevisionsinstanz und rügt vor allen Dingen, dass das Berufungsgericht die Revision zum BGH nicht zugelassen hat, obwohl es sich um eine umstrittene und höchstrichterlich nicht geklärte Rechtsfrage handelt, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellt.

Das angegriffene Urteil des Oberlandesgerichts Köln verletzt nach dem Beschluss des BVerfG deshalb das Recht des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Denn die Nichtzulassung der Revision, so das Gericht, wird nicht nachvollziehbar begründet, obwohl die Zulassung der Revision nahegelegen hätte.

In der Sache hat das Bundesverfassungsgericht freilich nicht entschieden, es zitiert aber ausführlich eine Entscheidung des OLG Frankfurt, nach der eine generelle Prüf- und Überwachungspflicht des Anschlussinhabers nicht besteht. Das BVerfG führt dann weiter aus:

Ob in der Konstellation des Ausgangsverfahrens Prüfpflichten überhaupt bestanden und falls ja, wie weit sie gingen, ist durch den vom Bundesgerichtshof aufgestellten Rechtsgrundsatz offensichtlich noch nicht geklärt. Die „Sommer unseres Lebens“-Entscheidung (…) betraf einen anderen Sachverhalt, nämlich die Frage, ob ein WLAN-Anschluss auf einen hinreichenden Schutz durch Sicherungsmaßnahmen gegen die Benutzung durch außenstehende Dritte geprüft werden muss.

Damit ist in jedem Fall klargestellt, dass die einzige Entscheidung des BGH, die es zu diesem Problemkreis gibt, einen nicht verallgemeinerungsfähigen Spezialfall betroffen hat. Dies wird von den Rechteinhabern und ihren anwaltlichen Vertretern nämlich gerne anders dargestellt und auch von einigen Gerichten anders gesehen, wie die Entscheidung zeigt.

Das Oberlandesgericht Köln wird also nunmehr nochmals entscheiden und in jedem Fall die Revision zum BGH zulassen müssen, so dass zumindest in einiger Zeit mit einer höchstrichterlichen Klärung der Frage der Störerhaftung des Anschlussinhabers für Mitbewohner und Familienangehörige zu rechnen ist.

posted by Stadler at 11:03  

13.4.12

Das Urheberrecht behindert Unterricht und Bildung

In der aktuellen Urheberrechtsdebatte kommt ein ganz wesentlicher Aspekt bislang zu kurz, nämlich der Umstand, dass das geltende Urheberrecht und seine restriktive Auslegung durch die Gerichte Unterricht und Bildung beeinträchtigt und hemmt.

Auf ein insoweit sehr anschauliches Beispiel hatte ich vor einiger Zeit anhand einer Entscheidung des Landgerichts Stuttgart hingewiesen. Dieses Urteil ist nunmehr vom OLG Stuttgart (Urteil vom 4. April 20124 U 171/11) bestätigt worden. Die Gerichte haben der Fernuni Hagen verboten, ihren Studierenden im Rahmen einer geschlossenen Benutzergruppe Auszüge aus einem Lehrbuch als PDF-Datei zur Verfügung zu stellen, soweit es sich um mehr als drei Buchseiten handelt.

Auch wenn man die Auslegung der Stuttgarter Gerichte als zu eng kritisieren kann und nicht auszuschließen ist, dass der BGH die Entscheidung im Rahmen der zugelassenen Revision aufhebt, ist das Grundproblem in der Fassung des § 52a UrhG angelegt, der die öffentliche Zugänglichmachung für Zwecke von Unterricht und Forschung regelt. Das OLG Stuttgart vertritt allerdings auch die keineswegs zwingende Ansicht, dass eine Einstellung zur Vertiefung und Ergänzung keine Veranschaulichung des Unterrichts darstelle und bereits deshalb nicht von § 52a UrhG gedeckt sei.

Generell fragt man sich im Falle einer Fernuniversität allerdings, wie sie unter diesen engen Voraussetzungen überhaupt sinnvoll und zeitgemäß arbeiten soll. Nach dem Urteil des OLG Stuttgart – das sich hierbei auch auf Art. 5 Abs. 5 der Multimedia-Richtlinie beruft – dürfen durch die Einschränkung des Urheberrechts die Primärmarktinteressen des Verlags nicht beeinträchtigt werden. Sobald also ein Stundent durch die Zurverfügungstellung von Auszügen davon abgehalten wird das Buch zu kaufen, greift die Privilegierung nicht mehr ein, weil die Primärmarktinteressen des Verlags beeinträchtigt sind. Das bedeutet freilich, dass § 52a UrhG ein zahnloser Tiger ist, denn nach diesem Maßstab wird man in den wenigsten Fällen noch zu einer zulässigen, privilegierten Nutzung kommen. Denn im Zweifel wird sich immer darstellen lassen, dass der Buchabsatz des Verlages leidet.

Gerade dieser Beispielsfall zeigt, dass der generelle Vorrang des Urheberrechts, von dem das aktuelle Urheberrechtskonzept geprägt ist, auf den Prüfstand gehört. Es wäre wünschenswert, das Urheberrecht als ein Recht auszugestalten, das sich in einem ergebnisoffenen Abwägungsprozess zu anderen Rechtspositionen befindet. Insoweit wäre das europarechtliche Postulat des grundsätzlichen Vorrangs des Urheberrechts durch eine Fair-Use-Klausel zu ersetzen, die im Falle eines ausreichend großen Allgemeininteresses auch weitgehende Einschränkungen zulässt. Das erfordert allerdings europaweit einen Paradigmenwechsel, für den die Zeit möglicherweise noch nicht reif ist.

posted by Stadler at 10:24  

12.4.12

Kommt die Datenhehlerei?

Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom heutigen Tag (Titelseite) will der Hessische Justizminister eine Bundesratsinitiative zur Schaffung eines neuen Straftatbestands der Datenhehlerei starten. Über dieses Vorhaben hatte Heise bereits berichtet. Damit soll der Handel und der Ankauf von Daten, die zuvor in strafbarer Art und Weise beschafft wurden, z.B. nach §§ 202 a oder 202b StGB, unter Strafe gestellt werden. Nach Ansicht des hessischen Innenministers besteht insoweit eine Strafbarkeitslücke. Der Ansatz ist nicht ganz verkehrt, denn nicht alle diese Fälle können strafrechtlich über eine Beteiligung an der Vortat gelöst werden, zumal es insoweit zu Beweisschwierigkeiten kommen kann. Wenn man den Handel mit Daten die aus einer Straftat stammen durchgängig für strafwürdig hält, dann ist die Schaffung eines solchen Straftatbestands durchaus konsequent.

Ob man diesen Tatbestand allerdings tatsächlich als „Datenhehlerei“ bezeichnen und systematisch unbedingt im Anschluss an die Hehlerei als § 259a StGB ansiedeln muss, halte ich für zweifelhaft. Systematisch gehört eine solche Regelung eher zu den §§ 201 ff. StGB.

 

 

posted by Stadler at 17:32  

12.4.12

EGMR zur Durchsuchung von Redaktionsräumen

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrecht (EGMR) hat mit Urteil vom 12.04.2012 (Az.: 30002/08) eine Durchsuchung von Redaktionsräumen einer französischen Lokalzeitung als Verstoß gegen Art. 10 MRK bewertet.

In dem zugrundeliegenden Fall wurden, auf einen richterlichen Beschluss hin, die Redaktionsräume der Zeitung von den französischen Strafverfolgungsbehörden  durchsucht, mit dem Ziel, Informationen darüber zu erlangen, wie die Zeitung in den Besitz eines vertraulichen Berichts des regionalen Rechungshofs gelangt ist.

Die Entscheidung macht allerdings auch deutlich, dass der EGMR eine Durchsuchung von Redaktionsräumen nicht generell ausschließt, sondern nur als ultima ratio betrachtet. Die Gerichte müssen in diesen Fällen eine sorgfältige Abwägung zwischen dem Interesse am Schutz journalistischer Quellen und dem Strafverfolgungsinteresse vornehmen, bei der sich insbesondere die Frage stellt, ob es noch andere denkbare Maßnahmen und Erkenntnismöglichkeiten gibt. Das Urteil wird vom Kollegen Lehofer in seinem Blog e-comm ausführlich besprochen.

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts reicht in diesem Punkt weiter als die des EGMR und ist deutlich pressefreundlicher. In der Cicero-Entscheidung hat das BVerfG nämlich klargestellt, dass Durchsuchungen und Beschlagnahmen in einem Ermittlungsverfahren gegen Presseangehörige verfassungsrechtlich unzulässig sind, wenn sie ausschließlich oder vorwiegend dem Zweck dienen, den Informanten zu ermitteln. Die bloße Veröffentlichung eines Dienstgeheimnisses im Sinne des § 353 b StGB durch einen Journalisten reicht dem BVerfG wegen der Wirkung der Pressefreiheit auch nicht aus, um einen für eine Durchsuchung ausreichenden Tatverdacht der Beihilfe des Journalisten zum Geheimnisverrat zu begründen.

posted by Stadler at 15:03  
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