Notwehr gegen Paparazzo
Ein Angeklagter eines Strafverfahrens wurde im Treppenhaus des Amtsgerichts Hamburg-Wandsbek von einem Fotografen einer großen deutschen Boulevard-Zeitung gegen seinen Willen fotografiert.
Der Angeklagte hat den Fotografen zunächst aufgefordert, das Fotografieren einzustellen. Der Fotograf reagierte darauf aber nicht. Auch die erneute lautstarke Aufforderung, das Fotografieren einzustellen, ignorierte der Fotograf und schlug dem Angeklagten vor, er möge sich doch ein Blatt Papier oder die mitgeführte Tasche vor das Gesicht halten. Der Angeklagte hielt sich stattdessen zunächst die Hand vor das Gesicht, ging dann, als der Fotograf weiter fotografierte, wütend auf ihn zu, holte mit dem rechten Arm aus und schlug mit der flachen Hand wuchtig gegen das Objektiv der Kamera, die der Fotograf gerade vor sein Gesicht hielt. Durch den Schlag wurde die Kamera in das Gesicht des Fotografen gedrückt.
Das Landgericht Hamburg hat wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB verurteilt und die Annahme einer Notwehr abgelehnt. Das Fotografieren in einem öffentlichen Gerichtsgebäude anlässlich einer öffentlichen Hauptverhandlung auch gegen den erklärten Willen des Angeklagten stelle keinen rechtswidrigen, notwehrfähigen Angriff dar, der einen Schlag gegen die Kamera rechtfertige, so das Landgericht.
Das hat das OLG Hamburg anders gesehen und das Urteil mit Beschluss vom 5. April 2012 (Az.: 3-14/12) aufgehoben und zurückverwiesen. Das Oberlandesgericht geht zunächst davon aus, dass die Kamera kein gefährliches Werkzeug darstellt, weshalb eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung ausscheidet.
Anschließend erläutert das OLG, dass es das Fotografieren auf dem Gerichtsgang als Eingriff in das Persönlichkeitsrecht (Recht am eigenen Bild) des Angeklagten betrachtet. Eine Berichterstattung über ein Strafverfahren rechtfertigt es nicht in jedem Fall, den Angeklagten zu fotografieren. Das OLG verweist hierzu auf die Rechtsprechung des BVerfG, wonach die dem Täter entstehenden Nachteile im rechten Verhältnis zur Schwere der Tat oder ihrer sonstigen Bedeutung für die Öffentlichkeit stehen muss. Da es sich vorliegend um einen Fall der Kleinkriminalität gehandelt hat an dem kein besonderes öffentliches Interesse bestand, war das Verhalten des Fotografen rechtswidrig.
War das Fotografieren aber ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff, dann durfte der Angeklagte sich dieses Angriffs grundsätzlich auch mit Gewalt erwehren. Hierzu führt das OLG aus:
Der Schlag gegen die Kamera ist grundsätzlich geeignet, ein rechtswidriges Fotografieren zu beenden. Die bisherigen Feststellungen ergeben auch nicht, dass dem Angeklagten ein milderes Mittel zur Verfügung gestanden haben könnte. Der Angeklagte musste sich nicht darauf beschränken, sein Gesicht zu verdecken, denn der Angriff betraf die Abbildung seiner gesamten Person, nicht nur die seines Gesichts. Er durfte vielmehr die Verteidigung wählen, die den Angriff sofort und endgültig beendete. Die Feststellungen ergeben auch nicht, dass der zur Tatzeit 58-jährige Angeklagte in der Lage gewesen wäre, mit weniger Gewaltanwendung, etwa durch einfaches Wegnehmen der Kamera, den Angriff zu beenden.