Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

12.4.12

EGMR zur Durchsuchung von Redaktionsräumen

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrecht (EGMR) hat mit Urteil vom 12.04.2012 (Az.: 30002/08) eine Durchsuchung von Redaktionsräumen einer französischen Lokalzeitung als Verstoß gegen Art. 10 MRK bewertet.

In dem zugrundeliegenden Fall wurden, auf einen richterlichen Beschluss hin, die Redaktionsräume der Zeitung von den französischen Strafverfolgungsbehörden  durchsucht, mit dem Ziel, Informationen darüber zu erlangen, wie die Zeitung in den Besitz eines vertraulichen Berichts des regionalen Rechungshofs gelangt ist.

Die Entscheidung macht allerdings auch deutlich, dass der EGMR eine Durchsuchung von Redaktionsräumen nicht generell ausschließt, sondern nur als ultima ratio betrachtet. Die Gerichte müssen in diesen Fällen eine sorgfältige Abwägung zwischen dem Interesse am Schutz journalistischer Quellen und dem Strafverfolgungsinteresse vornehmen, bei der sich insbesondere die Frage stellt, ob es noch andere denkbare Maßnahmen und Erkenntnismöglichkeiten gibt. Das Urteil wird vom Kollegen Lehofer in seinem Blog e-comm ausführlich besprochen.

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts reicht in diesem Punkt weiter als die des EGMR und ist deutlich pressefreundlicher. In der Cicero-Entscheidung hat das BVerfG nämlich klargestellt, dass Durchsuchungen und Beschlagnahmen in einem Ermittlungsverfahren gegen Presseangehörige verfassungsrechtlich unzulässig sind, wenn sie ausschließlich oder vorwiegend dem Zweck dienen, den Informanten zu ermitteln. Die bloße Veröffentlichung eines Dienstgeheimnisses im Sinne des § 353 b StGB durch einen Journalisten reicht dem BVerfG wegen der Wirkung der Pressefreiheit auch nicht aus, um einen für eine Durchsuchung ausreichenden Tatverdacht der Beihilfe des Journalisten zum Geheimnisverrat zu begründen.

posted by Stadler at 15:03  

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