Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

11.4.12

BGH zur Zulässigkeit von Google-Thumbnails

Der Bundesgerichtshof hat bereits vor einiger Zeit entschieden, dass die Vorschaubilder (Thumbnails) bei der Google-Bildersuche die Rechte des Fotografen bzw. des Urhebers des abgebildeten Werks nicht verletzen. Der BGH geht davon aus, dass ein Urheber, der eine Abbildung eines urheberrechtlich geschützten Werkes ins Netz stellt, ohne technisch mögliche Vorkehrungen gegen ein Auffinden und Anzeigen dieser Abbildung durch Suchmaschinen zu treffen, damit durch schlüssiges Verhalten seine Einwilligung in eine Wiedergabe der Abbildung als Vorschaubild durch eine Suchmaschine erklärt.

An diese Entscheidung knüpft jetzt ein neues Urteil des BGH (Az.: I ZR 140/10)  an, in dem diese Rechtsprechung nochmals bestätigt und zudem erweitert wird.

In dieser neuen Entscheidung besteht der Sonderfall darin, dass das besagte Foto an der konkreten Quelle ohne Zustimmung des Fotografen und damit urheberrechtswidrig online war. In dieser Konstellation kann man eigentlich auch zugunsten von Google nicht mit einer schlüssigen Einwilligung des Fotografen argumentieren.  Der BGH bedient sich deshalb eines durchaus überraschenden Kunstgriffs und erklärt, dass es ausreichend ist, wenn der Fotograf/Urheber überhaupt irgendjemand das Recht eingeräumt hat, das Werk über das Internet öffentlich zugänglich zu machen. Denn damit sei auch allgemein in eine Indizierung und Darstellung durch eine Suchmaschine als Vorschaubild eingewilligt worden. Dass die Suchmaschine das Bild dann von einer Website indiziert, deren Betreiber keine urheberrechtlichen Nutzungsrechte hatte, hält der BGH für unerheblich.

Hierzu führt der BGH wörtlich aus:

Die mit Zustimmung des Klägers erklärte Einwilligung in die Anzeige von Abbildungen der Fotografie als Vorschaubild ist nicht auf die Anzeige von Abbildungen der Fotografie beschränkt, die mit Zustimmung des Klägers ins Internet eingestellt worden sind. Für die Auslegung der Einwilligung kommt es auf den objektiven Erklärungsinhalt aus der Sicht des Erklärungsempfängers an (vgl. BGHZ 185, 291 Rn. 36 – Vorschaubilder I). Es ist allgemein bekannt, dass Suchmaschinen, die das Internet in einem automatisierten Verfahren unter Einsatz von Computerprogrammen nach Bildern durchsuchen, nicht danach unterscheiden können, ob ein aufgefundenes Bild von einem Berechtigten oder einem Nichtberechtigten ins Internet eingestellt worden ist. Deshalb kann der Betreiber einer Suchmaschine die Einwilligung in die Wiedergabe von Abbildungen eines Werkes oder Lichtbildes als Vorschaubild nach ihrem objektiven Erklärungsinhalt nur dahin verstehen, dass sie sich auch auf die Wiedergabe von Abbildungen des Werkes oder der Fotografie erstreckt, die nicht vom Berechtigten oder mit seiner Zustimmung von einem Dritten ins Internet eingestellt worden sind. Hat der Berechtigte oder mit seiner Zustimmung ein Dritter die Einwilligung zum Aufsuchen und Anzeigen von Abbildungen eines vom Berechtigten geschaffenen Werkes oder Lichtbildes durch Bildersuchmaschinen erteilt, verhält der Berechtigte sich daher widersprüchlich, wenn er von dem Betreiber einer Suchmaschine verlangt, nur Vorschaubilder solcher Abbildungen des Werkes oder Lichtbildes anzuzeigen, die vom Berechtigten oder mit seiner Zustimmung von Dritten ins Internet eingestellt worden sind. Ein solches Verhalten ist daher auch unter dem Gesichtspunkt einer protestatio facto contraria unbeachtlich (vgl. BGHZ 185, 291 Rn. 37 – Vorschaubilder I).

Der BGH setzt damit seine ausgesprochen suchmaschinenfreundliche Rechtsprechung fort. Vielleicht zum ersten Mal ist auch ein erotisches Farbfoto als unmittelbarer Bestandteil einer BGH-Entscheidung zu bestaunen.

posted by Stadler at 12:31  

10.4.12

Haftungsrisiko Facebook?

Ein Blogbeitrag der Kollegen LHR sorgt gerade für Aufregung, denn dort wird über den Fall einer Abmahnung eines Facebook-Nutzers berichtet, der dafür haften soll, dass ein Dritter auf seiner Facebook-Pinwand eine Bilddatei eingestellt hat, die angeblich die Urheberrechte des Fotografen verletzt.

Ob und in welchem Umfang der betroffene Facebook-Nutzer überhaupt haftet, möchte ich hier kurz erläutern und zugleich vorausschicken, dass diese Frage gerichtlich völlig ungeklärt ist, weshalb es durchaus sein kann, dass man derzeit die unterschiedlichsten Rechtsansichten zu dieser Frage antrifft.

Juristisch betrachtet gibt es aus meiner Sicht zwei denkbare Lösngsansätze. Entwede betrachtet man den Facebook-Nutzer im Hinblick auf Einträge und eingestellte Dateien auf seiner Pinwand bzw. in seiner Chronik ähnlich wie einen Blogger der Nutzerkommentare zulässt bzw. wie den Betreiber einer Foto-Community oder man betrachtet allein Facebook als den haftenden Anbieter.

Wenn es einem Foto nicht anzusehen ist, ob es unberechtigt aufgenommen worden ist oder nicht, scheidet nach einer neuen Entscheidung des BGH eine Störerhaftung des Plattformbetreibers aus. Zur Haftung eines Hosters für Blogbeiträge hat der BGH entschieden, dass ein Tätigwerden des Hostproviders überhaupt nur dann veranlasst sein kann, wenn der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer – das heißt ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung – bejaht werden kann.

Man wird also davon ausgehen dürfen, dass eine Haftung überhaupt nur dann in Betracht kommt, wenn man dem eingestellten Foto auch als Laie ohne weiteres ansehen kann, dass es Rechte Dritter verletzt.

Die weitergehende Frage muss allerdings lauten, ob man einen normalen Facebook-Nutzer haftungsrechtlich überhaupt wie einen Blogger oder gar wie einen Hoster behandeln kann. Hier stellt sich auch die Frage, ob der Facebook-Nutzer wirklich der Anbieter der Pinwand ist oder ob nicht allein Facebook insoweit als Anbieter zu betrachten ist. Zu der allgemeinen Frage, ob der Nutzer von Twitter oder Facebook auch als Anbieter zu qualifizieren ist, hatte ich bereits vor einigen Jahren gebloggt.

Man muss zunächst berücksichtigen, dass die Pinwand, Chronik oder Timeline bei sozialen Netzen nicht etwas ist, was der Nutzer selbst erzeugt hat oder selbst zur Verfügung stellt. Diese Elemente sind vielmehr integraler und wesentlicher Bestandteil des sozialen Netzwerks, was gegen eine Qualifizierung als Dienst des Nutzers spricht. Wesentlich erscheint mir aber auch die Frage der Kontrolle und Kontrollmöglichkeit. Postings Dritter kann man als Nutzer von Twitter oder Facebook nicht verhindern. Eine solche Verhinderung würde auch dem Sinn und Zweck des sozialen Netzwerks widersprechen. Bei Facebook kann man lediglich nachträglich die Standardeinstellungen dahingehend verändern, dass man Postings Dritter nicht oder nur eingeschränkt zulässt.

Vor diesem Hintergrund ist die Annahme auch nur einer eingeschränkten Störerhaftung des Nutzers kommunikationsfeindlich. Im Falle von Facebook könnte der Nutzer diese Störerhaftung nämlich nur dadurch verhindern, dass er Postings Dritter generell sperrt, mit der Konsequenz dass auf seine Pinwand bzw. in seine Chronik niemand etwas schreiben kann. Die Auferlegung von Prüf- oder Handlungspflichten die den Kommunikationsprozess einschnüren, sehen das BVerfG und der BGH allerdings generell sehr kritisch.

Wenn man den juristischen Ansatz zutreffend wählt, dürfte also relativ klar sein, dass selbst die Annahme einer eingeschränkten Haftung des Facebook-Nutzers in Fällen der eingangs geschilderten Art ausscheiden muss. Nachdem einige Instanzgerichte allerdings in der Tendenz meinungsfeindlich agieren, sind abweichende Entscheidungen natürlich nicht auszuschließen.

posted by Stadler at 16:28  

6.4.12

Bundesratsinitiative gegen W-LAN-Störerhaftung

Die Stadt Berlin plant ein offenes und kostenloses W-LAN für alle. Weil die Frage der Haftung des Betreibers von (offenen) W-LANs für Urheberrechtsverletzungen durch Nutzer unklar und juristisch umstritten ist, möchte Berlin auf  eine gesetzliche Regelung hinwirken, damit Betreiber wie Nachbarschaftsinitiativen, lokale Funkdatennetze oder Kommunen einen freien WLAN-Zugang anbieten können, ohne haftungsrechtliche Risiken einzugehen.

Das ist grundsätzlich sehr zu begrüßen, allerdings stört mich an dem Antragstext, der diesbezüglich im Berliner Abgeordnetenhaus eingebracht wurde, die Einschränkung, dass erforderliche technische Schutzmaßnahmen ihrem Zweck entsprechend wirksam gegen eine unbefugte Drittnutzung des Zugangs eingesetzt werden müssen. Was darunter im Kontext offener und kostenloser W-LANs zu verstehen ist, ist mir jedenfalls unklar. Vermutlich sind Portsperren und Proxyserver-Lösungen gemeint.

Der Text spricht außerdem von einer Haftung nach dem Telemediengesetz (TMG). Diese Formulierung ist juristisch unzutreffend, denn das TMG enthält keine haftungsbegründenden Vorschriften, sondern nur haftungsbeschränkende Normen. Die Haftung richtet sich allein nach dem Urheberrechtsgesetz in Kombination mit den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen der sog. Störerhaftung.

Ähnliche Initiativen gibt es derzeit auch in der Hamburger und der Bremer Bürgerschaft. In Bremen hat die SPD-Fraktion einen Antrag „Rechtssicherheit für Anbieter von freiem Internet“ eingebracht, der noch etwas progressiver klingt als der aus Berlin. In dem Antrag wird gefordert, WLAN-Betreiber gesetzlich einem Access-Provider gleichzustellen und im Urheberrecht auf Änderungen hinzuwirken, die klare Voraussetzungen für das Vorliegen von Störerhaftung schaffen, wobei nach Möglichkeit insbesondere nichtgewerbliche WLAN- Betreiber von einer entsprechenden Haftung freigestellt werden sollen.

Sollte es tatsächlich zu einer entsprechenden Gesetzesinitiative über den Bundesrat kommen, ist allerdings mit heftigem lobbyistischen Gegenwind der Rechteinhaber zu rechnen, deren politischer Einfluss bekanntlich enorm ist.

posted by Stadler at 13:05  

5.4.12

Wir müssen wieder über das Urhebervertragsrecht reden

Einer der Tatort-Autoren, die den offenen Brief an die Grünen, Piraten, Linken und die Netzgemeinde verfasst haben, legt im Interview mit der Zeit nochmals nach. Schon bei der Lektüre des offenen Briefs habe ich mir gedacht, dass der Angriff der Drehbuchautoren speziell auf das Max Planck Institut außerordentlich töricht ist und augenscheinlich von großer Ahnungslosigkeit zeugt. Denn gerade das MPI hatte sich Ende der 90’er Jahre für eine Regelung des Urhebervertragsrechts stark gemacht, die die Situation gerade der Autoren nachhaltig verbessert hätte. Kernpunkt war der gesetzliche Anspruch auf eine  angemessene Vergütung. Es gab dann hierzu auch 2001 einen ersten durchaus vielversprechenden Referentenentwurf des BMJ. Aber dann traten die Lobbyisten der Verlagsbranche, aber auch von ARD und ZDF auf den Plan und die geplante Regelung konnte letztlich nur noch in stark abgeschwächter Form in Kraft treten.

Nach dem ursprünglichen Entwurf hatten die Urheber – letztlich unabhängig von der vertraglichen Vereinbarung – Anspruch auf eine nach Art und Umfang der Werknutzung angemessene Vergütung und auf die zu ihrer Geltendmachung erforderlichen Auskünfte. Bei einer Dauernutzungen sollte auch dauerhaft und wiederholt Vergütung bezahlt werden. Diese Idee hat in der endgültigen gesetzlichen Regelung keinen Niederschlag mehr gefunden, auch wenn das Gesetz in § 32 UrhG dennoch einen Anspruch auf angemessene Vergütung postuliert. Dass die geltende gesetzliche Regelung nicht funktioniert, zeigt schon der Umstand, dass die unangemessenen Total-Buy-Out-Verträge immer noch branchenüblich sind, auch wenn die Rechtsprechung diese immer häufiger beanstandet.

In dem oben angesprochenen Interview mit der Zeit spricht der Drehbuchautor Jochen Greve zunächst davon, dass die Kreativen dringend eine Reform des Urheberrechts bräuchten, mit der sie etwas anfangen könnten. Und vielleicht müssen wir genau an diesem Punkt ansetzen. Was die wirtschaftliche Situation der Urheber, zumindest der Autoren, nachhaltig verbessern würde, ist nicht das ACTA-Abkommen, sondern eine verbesserte gesetzliche Regelung des Urhebervertragsrechts.

Vielleicht sollten also gerade diejenigen Kräfte und Parteien die von den Tatort-Autoren so heftig kritisiert wurden, den Spieß einfach umdrehen und die Initiative ergreifen. Man könnte vielen Kreativen helfen, indem man an die Vorschläge zum Urhebervertragsrecht aus den Jahren 2000/2001 anknüpft, deren Umsetzung damals am Lobbyismus von Verlagen und Sendern gescheitert ist. Denn speziell den Autoren geht es nicht deshalb schlecht, weil es im Internet eine Gratiskultur gibt, sondern weil sie von ihren Auftraggebern nicht angemessen bezahlt werden. Da die Regelungen, die im Jahre 2002 im Urheberrvertragsrecht letztendlich geschaffen wurden, in der Praxis nicht bzw. unzureichend funktionieren, erscheint es mir sinnvoll, diese Diskussion wieder zu eröffenen und (erneut) eine Stärkung der Position der Urheber durch Schaffung weiterreichender Regelungen zum Urhebervertragsrecht zu fordern. Dies auch als Anregung an die Parteien, die derzeit ja alle über das Urheberrecht diskutieren.

posted by Stadler at 09:48  

4.4.12

Keine kostenpflichtige Abmahnung ohne vorherige Kontaktaufnahme?

Auf manchen Websites liest man den Hinweis, dass einer kostenpflichtigen Abmahnung ohne vorherige Kontaktaufnahme widersprochen wird oder eine solche Abmahnung als rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen wird.

Dieser Hinweis wirkt tatsächlich, allerdings anders als sich die betreffenden Seitenbetreiber das wohl vorgestellt haben. Das OLG Hamm hat entschieden (Urteil vom 31.01.2012, Az.: I-4 U 169/11), dass derjenige, der einen solchen Hinweis auf seiner Website angebracht hat, sich treuwidrig verhält, wenn er seinerseits einen Wettbewerber sofort kostenpflichtig abmahnt, ohne den Abgemahnten vorher formlos kontaktiert zu haben. Das OLG Hamm führt in seiner Entscheidung aus:

Darauf kommt aber nicht entscheidend an, weil die Abmahnung hier nicht berechtigt war, weil sie –jedenfalls so- auch im Hinblick auf die Erstattung von Anwaltskosten nicht erforderlich gewesen wäre, um ein gerichtliches Verfahren zu vermeiden. Bereits ein Vorabkontakt durch die Klägerin selbst hätte hier ausgereicht, um eine förmliche Abmahnung durch einen Anwalt und den damit verbundenen Anfall von erheblichen Kosten ebenso zu vermeiden wie ein gerichtliches Verfahren. Zwar stellt § 12 Abs. 1 UWG nicht nur klar, dass der zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs berechtigte Mitbewerber grundsätzlich nicht nur sofort abmahnen kann, sondern auch abmahnen soll, um ein gerichtliches Verfahren möglichst zu vermeiden. Ein kleines Unternehmen, das über keine eigene Rechtsabteilung verfügt, kann die Abmahnung auch grundsätzlich durch einen Rechtsanwalt aussprechen lassen. Das ändert aber nichts daran, dass Mitbewerber im Einzelfall vereinbaren können, vor einer formellen Abmahnung durch einen Rechtsanwalt miteinander Kontakt aufzunehmen und auf ein aus Sicht eines Mitbewerbers als wettbewerbswidrig angesehenes und zu unterlassenes Verhalten hinzuweisen, um ihm Gelegenheit zu geben, das Verhalten ohne den Anfall weiterer Folgekosten sofort einzustellen. Solche Absprachen sind dem Senat schon wiederholt in anderen Fällen bekannt geworden. Zwar haben die Parteien hier eine Vereinbarung solcher Art unstreitig nicht getroffen. Einem Erstattungsanspruch der Klägerin steht hier aber der Grundsatz von Treu und Glauben im Hinblick auf ein widersprüchliches Verhalten (§ 242 BGB) entgegen. Der Grundsatz ist hier anwendbar, weil jedenfalls nach dem Klägervortrag eine durch einen Wettbewerbsverstoß des Beklagten entstandene Rechtsbeziehung als rechtliche Sonderverbindung zwischen den Parteien anzusehen ist. Nach der Rechtsprechung gilt in diesem Bereich des Wettbewerbsrechts, dass sich aus § 242 BGB sogar Handlungspflichten, nämlich eine Verpflichtung zur Antwort und zu einem Hinweis auf eine eventuelle Drittunterwerfung ergeben können (vgl. BGH GRUR 1987,54, 55 -Aufklärungspflicht des Abgemahnten, BGH GRUR 1990,381 -Antwortpflicht des Abgemahnten, Senat 4 U 64 / 10 – Aufklärungspflicht des Hingewiesenen). Die Klägerin muss sich deshalb nach dem Grundsatz von Treu und Glauben so behandeln lassen, als ob im Rahmen dieser Sonderverbindung eine solche Absprache getroffen worden wäre, weil ihr Verhalten ansonsten einen unauflösbaren Selbstwiderspruch darstellen würde.

Der von einem solchen Hinweis eigentlich beabsichtige Effekt, nämlich die Vermeidung kostenpflichtiger Abmahnungen, tritt freilich nicht ein. Denn an diesen Appell ist niemand gebunden, weil sowohl die Rechtsprechung als auch das Gesetz eine kostenpflichtige Abmahnung grundsätzlich als angemessene Reaktion auf einen Rechtsverstoß ansehen.

posted by Stadler at 16:51  

4.4.12

Doch keine Erpresserfreiheit

Das OLG München hat den Freispruch eines Journalisten aufgehoben, der den Schauspieler Ottfried Fischer genötigt und so zu einer Exklusiv-Story für die BILD bewegt haben soll.

Unter dem Titel „Die Grenzen der Pressefreiheit“ habe ich nach Verkündung des landgerichtlichen Urteils erläutert, warum ich den Freispruch nach Lage der Dinge für falsch halte. Das OLG München hat das freisprechende Urteil gestern aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. In der mündlichen Verhandlung hatte das Oberlandesgericht seine Entscheidung damit begründet, dass es die Urteilsbegründung des Landgerichts für lückenhaft und widersprüchlich halte. Ob es nun zu einer Verurteilung kommt, steht damit aber noch nicht fest. Das OLG hatte eine Verurteilung in der mündlichen Urteilsbegründung als zumindest möglich bezeichnet.

posted by Stadler at 08:32  

3.4.12

Haftungsrisiko offenes W-LAN

Die dpa hat heute darüber berichtet, dass Filesharing-Abmahnungen das Geschäftsmodell von Gaststätten bedroht, die offenes W-LAN anbieten. In dem Text wird u.a. auch Rechtsanwalt Kornmeier mit der Aussage zitiert, dass er den Wirten die W-LANs betreiben, empfiehlt, eine Anmeldung mit persönlichen Daten wie etwa einer Kreditkarte vorzusehen. Abgesehen davon, dass ein solches Angebot viele Gäste vermutlich eher abschrecken würde, ist dieser Vorschlag auch rechtlich fragwürdig, denn dies würde letztlich zu einer Art privaten Vorratsdatenspeicherung führen, was sicherlich ganz im Interesse der Rechteinhaber und ihrer Anwälte wäre, allerdings wohl nicht in Einklang mit dem Gesetz steht. Denn eine solche Datenerhebung ist nur dann zulässig, wenn sie für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung, Änderung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses über Telekommunikationsdienste erforderlich ist (§ 95 TKG), was bei kostenlosen Angeboten schwer zu begründen sein dürfte.

Die Betreiber kostenloser W-LANs – wie sie in Hotels und Gaststätten durchaus üblich sind – dürfen nach dem Gesetz  eigentlich gar keine Daten ihrer Nutzer erfassen, sollen aber, wenn es nach den Abmahnkanzleien geht, dennoch haften. Weshalb die Annahme einer solchen Haftung von Gatsronomen und Hoteliers rechtlich verfehlt ist, habe ich in einem älteren Beitrag erläutert.

posted by Stadler at 20:44  

3.4.12

EGMR zur „negativen Meinungsfreiheit“

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat sich heute (Urteil vom 03.04.2012, Az.: 41723/06) mit der Frage der negativen Meinungsfreiheit („negative right to freedom of expression“) befasst.

Ein Hoschulprofessor der Universität Göteborg wollte feststellen lassen, dass die Herausgabe von von ihm stammenden Forschungsergebnissen an andere Wissenschaftler u.a. sein Recht auf negative Meinungsfreiheit verletzt. Hintergrund war eine Geheimhaltungsverpflichtung, die der Professor gegenüber den Eltern der an seiner Studie beteiligten Kinder abgegeben hatte. Durch die Herausgabe musste der Wissenschaftler sein Geheimhaltungsversprechen brechen. Der EGMR hat entschieden, dass die Herausgabe der Forschungsergebnisse durch die Universität weder die Rechte des Wissenschaftlers aus Art. 8 MRK auf Achtung der Vertraulichkeit von Informationen noch das Recht auf Meinungsfreiheit (Art. 10 MRK) verletzt.

Der Gerichtshof hat es ausdrücklich offen gelassen, ob ein Recht auf negative Meinungsfreiheit überhaupt anzuerkennen ist und hat darauf hingewiesen, dass man diese Frage in einem geeigneten Fall klären müsse. Im vorliegenden Fall hält er aber das Recht auf Meinungsfreiheit gar nicht für betroffen. Auch den vom Kläger angestellten Vergleich zum Informantenschutz von Journalisten hielt der Gerichtshof nicht für zutreffend.

 

 

posted by Stadler at 17:55  

3.4.12

Zucker im Tank

Gegen den als Vertreter von Abofallenbetreibern bekannt gewordenen Rechtsanwalt Olaf Tank hatte die Staatsanwaltschaft Darmstadt bereits im letzten Jahr Anklage wegen gewerbsmäßigen Betrugs erhoben. Dieses Verfahren wurde zwischenzeitlich vom Gericht auch eröffnet.

Tank hat aber auch noch andernorts gewaltigen Ärger mit der Justiz, wie sich einer Veröffentlichung im Bundesanzeiger entnehmen lässt.

Die Staatsanwaltschaft Landshut hat in einem Ermittlungsverfahren gegen Tank wegen Betrugs Vermögensgegenstände gesichert, um Vermögensverschiebungen zu verhindern. Grundlage ist ein sog. dinglicher Arrests, den das Landgericht Landshut zuvor gegen Tank verhängt hatte.

Durch die staatsanwaltschaftlichen Sicherungsmaßnahme und ihre Bekanntmachung im Bundesanzeiger nach § 111e Abs. 4 StPO soll den Tatverletzten die Möglichkeit gegeben werden, ihre Ansprüche in das gesicherte Vermögen durch eigene zivilrechtliche Vollstreckungsmaßnahmen zu sichern. Auch Udo Vetter berichtet in seinem lawblog über den Fall.

posted by Stadler at 14:46  

2.4.12

Liebe Blogger, wer publizieren will, der muss auch den Druck aushalten

Blogger sollen sich nicht so anstellen, sagt der Kollege David Ziegelmayer in einem Beitrag für die LTO sinngemäß und meint, dass Blogger keine Narrenfreiheit hätten und, dass derjenige der publizieren will, den Abmahndruck der auf ihm lastet, schlicht ertragen muss. Blogger müssen laut Ziegelmayer, wie Presseunternehmen auch, mit dem Druck berechtigter und unberechtigter äußerungsrechtlicher Ansprüche leben lernen.

Ziegelmayer erläutert seine Thesen am Beispiel des Forenbetreibers Mike Frison, der für sich das sog. Laienprivileg in Anspuch nimmt und diesbezüglich auch Verfassungsbeschwerde erhoben hat. Die Verfassungsbeschwerde von Frison mag unzulässig sein, die generelle Frage, ob ein Blogger wie ein Presseunternehmen haftet oder nicht, bleibt dennoch relevant.

Es geht m.E. aber hier nicht nur um die Frage nach dem Laienprivileg, sondern gerade auch darum, wie man die sog. Verbreiterhaftung fasst und definiert. BGH und Bundesverfassungsgericht differenzieren in ihrer Rechtsprechung zwischen der Verbreiterhaftung einerseits und dem Zueigenmachen fremder Meinungen und Tatsachen andererseits. Wenn die Presse fremden Äußerung – selbst z.B. im Rahmen eines Interviews – nur verbreitet, dann führt das nicht per se zu einer Haftung. Nach der Rechtsprechung des BVerfG und des BGH muss das Presseorgan vielmehr zusätzlich Sorgfaltspflichten verletzt haben, wobei die Anforderungen insoweit nicht überspannt werden dürfen, um den vom Grundgesetz geschützten freien Kommunikationsprozess nicht einzuschnüren. Die Auferlegung uneingeschränkter Sorgfaltspflichten lehnt das BVerfG expressis verbis ab. In einer neueren Entscheidung des BVerfG heißt es wörtlich:

Dabei ist die Presse in weiterem Umfang als Private gehalten, Nachrichten und Behauptungen vor ihrer Weitergabe auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen (vgl.BVerfGE 12, 113 <130>; 85, 1 <22>; BVerfG, Beschluss vom 26. August 2003 – 1 BvR 2243/02NJW 2004, S. 589 <590>). Daraus folgt indes nicht, dass der Presse solche Sorgfaltspflichten uneingeschränkt abverlangt werden dürfen. Vielmehr sind die Fachgerichte gehalten, auch bei der Bemessung der Sorgfaltspflichten, die der Presse bei Verbreitung einer fremden Äußerung abzuverlangen sind, die Wahrheitspflicht nicht zu überspannen, um den von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten freien Kommunikationsprozess nicht einzuschnüren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. August 2003 – 1 BvR 2243/02NJW 2004, S. 589).

Sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der BGH haben damit in sehr eindeutiger Art und Weise zum Ausdruck gebracht, dass auch in den Fällen einer (intellektuellen) Verbreitung fremder Meinungen und Tatsachen gerade keine uneingeschränkte Haftung des Verbreitenden besteht. Zudem hat das Verfassungsgericht deutlich gemacht, dass die Haftung Privater weniger weit reicht als die der Presse.

Die spannende Frage ist also zunächst die, ob ein Blogger als Privater betrachtet werden muss oder doch als Presseorgan. Dann müsste er konsequenterweise aber auch sämtliche Presseprivilegien genießen, die das Recht vorsieht. Ich tendiere dazu, zumindest den nicht kommerziellen Bloggern und Forenbetreibern nicht dieselben Sorgfaltspflichten aufzuerlegen wie der Presse.

Selbst für die Presse gilt aber nach der Rechtsprechung des BVerfG und des BGH, dass die Fachgerichte gehalten sind, bei der Bemessung der Sorgfaltspflichten, die bei der Verbreitung einer fremden Äußerung auferlegt werden, die Anforderungen an die Wahrheitspflicht nicht zu überspannen.

Die Instanzgerichte – speziell die in Hamburg und Köln – sind allerdings nicht annähernd so meinungsfreundlich wie es die Rechtsprechung aus Karlsruhe vorgibt. Das führt immer wieder dazu, dass Gerichte zur Unterlassung von Verhaltensweisen verurteilen, die manchmal mehr, manchmal weniger eindeutig zulässig sind.

In zwei Punkten möchte ich dem Beitrag Ziegelmayers außerdem widersprechen. Die Abgabe einer einfachen – also nicht strafbewehrten – Unterlassungserklärung beseitigt auch bei Forenbetreibern zumindest nach Ansicht einiger Gerichte die sog. Wiederholungsgefahr gerade nicht. Solange man keine strafbewehrte Unterlassungserkläung abgegeben hat, besteht also weiterhin die Gefahr einer einstweiligen Verfügung oder Unterlassungsklage.

Und auch die Ansicht, das Löschen bestimmter Einträge würde nur den Stolz kosten, vermag ich nicht zu teilen. Sobald unter den Bloggern eine allgemeine Stimmung dergestalt herrscht, dass man aus Angst vor erheblichen Kosten im Zweifel löscht, verschwinden auf diesem Weg eine ganze Menge an zulässigen Inhalten aus dem Netz. Und dieses Ergebnis führt dazu, dass der von Art. 5 GG geschützte Kommunikationsprozess eingeschnürt wird und damit genau zu den „Chilling Effects“ die nach der Rechtsprechung des BVerfG und des BGH zu vermeiden sind.

posted by Stadler at 16:37  
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