Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

25.10.11

Haftung eines Hosters für Blogbeiträge

Der BGH hat heute (Urteil vom 25. Oktober 2011, Az.: VI ZR 93/10) darüber entschieden, ob und inwieweit ein Host-Provider für Blogbeträge in einem bei ihm gehosteten Blogs verantwortlich gemacht werden kann.

Der BGH hat die Sache an das Berufungsgericht (OLH Hamburg) zurückverwiesen und dargelegt, dass der Hostprovider nur dann haftet, wenn er folgende Pflichten verletzt hat:

Ein Tätigwerden des Hostproviders ist nur veranlasst, wenn der Hinweis so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer – das heißt ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung – bejaht werden kann.

Regelmäßig ist zunächst die Beanstandung des Betroffenen an den für den Blog Verantwortlichen zur Stellungnahme weiterzuleiten. Bleibt eine Stellungnahme innerhalb einer nach den Umständen angemessenen Frist aus, ist von der Berechtigung der Beanstandung auszugehen und der beanstandete Eintrag zu löschen. Stellt der für den Blog Verantwortliche die Berechtigung der Beanstandung substantiiert in Abrede und ergeben sich deshalb berechtigte Zweifel, ist der Provider grundsätzlich gehalten, dem Betroffenen dies mitzuteilen und gegebenenfalls Nachweise zu verlangen, aus denen sich die behauptete Rechtsverletzung ergibt. Bleibt eine Stellungnahme des Betroffenen aus oder legt er gegebenenfalls erforderliche Nachweise nicht vor, ist eine weitere Prüfung nicht veranlasst. Ergibt sich aus der Stellungnahme des Betroffenen oder den vorgelegten Belegen auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Äußerung des für den Blog Verantwortlichen eine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts, ist der beanstandete Eintrag zu löschen.

Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 25.10.2011

posted by Stadler at 11:52  

7 Comments

  1. Es ist erfreulich, dass der BGH die Informationswirtschaft in Richtung Rechtsstaat mahnt. Mir ist es heute passiert, dass Heise meinen Account gesperrt hat und ich nicht posten kann. Rechtliches Gehör findet dort nicht statt, die sind noch auf dem Denunziantentum der 30er Jahre.

    Ich hatte ja auch schon mal bei der aktuelle, zweiten Internet-Enquete angeregt, das Urheberrecht für Kommentatoren zu stärken:
    https://urheberrecht.enquetebeteiligung.de/proposal/840-Urheberrechte_f%C3%BCr_Kommentare_st%C3%A4rken

    Es kann nicht angehen, dass Meinznegn von A durch C gelöscht werden, weil er technischen Zugang hat, wenn Denunziant B sich bei C beschwert und A weder gehört wird, noch sich rechtliches Gehör verschaffen kann.

    Das ganze Abheben auf vermutete Beleidigung durch Vorzensoren (neudeutsch anders als bei der Inquisition „Community-Manager“ genannt), bricht mit dem Urteil zusammen. Wenn Beleidigung vermutet wird, hat der Beleidigte Strafanzeige zu stellen (Antragsdelikt) und dem mutmaßlichen Beleidiger ist rechtliches Gehör ob des Straftatsvorwurfes einzuräumen. Wie unsere Gesetze das vorsehen.

    Da geht das BGH-Urteil in die richtige Richtung, dem Rechtsstaat auf die Beine zu helfen, wo er erheblich gestrauchelt ist.

    Comment by Jan Dark — 25.10, 2011 @ 14:43

  2. @Jan Dark: Ihre Interpretation des Urteils geht für mich in die falsche Richtung. Dort ist davon die Rede, dass der Hoster nicht haftet. Für den Betreiber einer Website, wie z.B. Heise, oder hier RA Stadler, sieht die Sache schon anders aus. Selbst in HH wird z.T. anerkannt, dass der Betreiber Kenntnis haben muss, nur sind da die Prüfpflichten weitergehend als beim Hoster. Was ja auch sachgerecht ist.
    Wenn Sie hier oder bei Heise oder sonstwo Unwahrheiten oder Schmähungen schreiben, müssen Sie damit rechnen, dass der Kommentar entfernt wird. Das hat mehr was mit Hausrecht als mit dem ubiquitären 30er-Jahre-Vergleich zu tun.

    Schrankenlose Meinungsfreiheit hat der BGH in dem Urteil nicht postuliert.

    Comment by Oliver — 25.10, 2011 @ 15:05

  3. @Oliver
    Lesen Sie mal die Pressemitteilung des BGH. Es geht darum, dass der Hoster nur dann löschen muss, wenn er vorher den Verursacher über die Beschwerde kontaktiert hat und der nicht dahingehend reagiert hat nach angemessener Frist, was selbst zu löschen, wenn etwas „offensichtlich“ rechtswidrig ist:
    „Regelmäßig ist zunächst die Beanstandung des Betroffenen an den für den Blog Verantwortlichen zur Stellungnahme weiterzuleiten. Bleibt eine Stellungnahme innerhalb einer nach den Umständen angemessenen Frist aus, ist von der Berechtigung der Beanstandung auszugehen und der beanstandete Eintrag zu löschen. Stellt der für den Blog Verantwortliche die Berechtigung der Beanstandung substantiiert in Abrede und ergeben sich deshalb berechtigte Zweifel, ist der Provider grundsätzlich gehalten, dem Betroffenen dies mitzuteilen und gegebenenfalls Nachweise zu verlangen, aus denen sich die behauptete Rechtsverletzung ergibt.“

    Dieser Leitsatz wird regelmäßig von Vorzensoren missachtet, also den rechtlichen Pflichten der Hoster nicht genüge getan.

    Der Hinweis auf Hausrecht ist verfehlt. Es geht nicht um den häuslichen, privaten Bereich sondern um öffentliche Tätigkeiten. Der Hoster hat das Recht, Benutzer in Blogs sich öffentlichen entäussern zu zu lassen, und hat dafür Pflichten, die der BGH nun konkretisiert hat. Taxifahrer können auch nicht verwillkürt Fahrgäste selektieren weil sie in eigenem Fahrzeug „Hausrecht“ hätten, sondern haben Beförderungspflicht. Wäre ja auch unsinnig, wenn die Gesellschaft nur Rechte durchsetzen würde, aber keine Pflichten kennte.

    Comment by Jan Dark — 25.10, 2011 @ 15:54

  4. @Jan Dark

    da haben Sie das Urteil falsch verstanden. Der BGH hat nicht darüber geurteilt, was der Hoster er tun darf. Sondern was er u.U. tun MUSS.

    Sie haben kein Recht, Ihre Meinung auf der Seite eines Fremden kundzutun. Höchstens dessen Erlaubnis. Wenn Sie sich benehmen.

    Ich kenne den Grund, warum man Sie gesperrt hat, allerdings nicht.

    Comment by Avantgarde — 26.10, 2011 @ 00:23

  5. Ich verstehe das Urteil überhaupt nicht. Ein Hoster hat eine technische Dienstleistung zu erbringen und ist kein Justizersatz.

    Im Zweifel hat ein Hoster auch keine technische Kompetenz um „einen Eintrag zu löschen“, beispielsweise wenn der Hoster lediglich einen leeren Server zur Verfügung stellt und der Kunde des Hosters (der Blogbetreiber) selbst eine Blogsoftware auf den Server installiert.

    Wenn der Betroffene ein Problem mit einer Meinungsäusserung (eines Dritten?) im Blog des Kunden des Hosters hat, so steht ihm doch zunächst der Rechtsweg gegen den Dritten offen. Dazu kann er den Blogbetreiber um Mithilfe bitten, oder wenn der Blogbetreiber selbst die Meinungsäusserung zu verantworten hat, an den Blogbetreiber selbst. Ein Gericht hat dann festzustellen, ob eine Rechtsverletzung vorliegt, bzw. der Betroffene kann ggf. auf dem Wege der einstweiligen Verfügung den Blogbetreiber dazu bringen auch vorher aktiv zu werden.

    Der Hoster hat damit erst dann zu tun, wenn die Verfolgung der Rechtsverletzung rechtsstaatlich aussichtslos zu werden beginnt, z.B. weil der Blogbetreiber keine ladungsfähige Anschrift bereitstellt. In diesem Fall kann der Hoster, dem die Kundendaten ja bekannt sind, verpflichtet werden (z.B. als Zeuge) die Daten herausgeben.

    Oder sehe ich das als juristischer Laie wieder völlig falsch?

    Comment by Ein Mensch — 26.10, 2011 @ 00:51

  6. @Ein Mensch

    Es geht um Blogdiensten wie WordPress oder Blogger, bei denen sich jeder kostenfrei anmelden kann, nicht unbedingt mit korrekten Daten.

    Comment by Avantgarde — 26.10, 2011 @ 01:26

  7. @Avantgarde

    Das sagt sich so leicht hin mit dem vertuellen Hausrecht. Ein Landgericht in Bayern hat das 2007 auch so gesehen. Aber Sie kennen ja die Auffassung der byaerishen Behörden bzw. Politiker über die Rechtsauffassungen bayerischer Gericht. In andern Bundesländern in jüngerer Zeit sieht das anders aus:

    „Hingegen verneinte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ein „virtuelles Hausrecht“. Die Befugnis zur Ausübung des Hausrechts in Räumen oder auf Grundstücken lasse sich mangels vergleichbarer Interessenlage auf eine Internetseite nicht übertragen. Das Wesen einer Internetseite liege gerade darin, von Dritten „besucht” zu werden. Solange zwischen Betreiber und Benutzer kein gegenseitiger Vertrag bestehe, seien sogar die Nutzung reglementierende Nutzungsbedingungen wirkungslos (OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 5. März 2009, Az. 6 U 221/08).“
    http://de.wikipedia.org/wiki/Virtuelles_Hausverbot

    Und genau diese Linie sehe ich durch den BGH bestätigt. Hausrecht sollte auch weiterhin nur in Gebäuden oder räumlich begrenzten Entitäten bestehen. Wer global einen Dienst anbietet sollte sich an den Maßstäben des BGHs orienterien und nicht an erratischen bayerischen Landgerichten. Um es milde zu formulieren. Diese willkürliche Vorzensur durch Zensoren ist a) verfassungswidrig und b) ein dummdreister Versuch die Leserbriefmacht aus der Papierzeit ins Internet zu retten. Es wird nicht funktionieren. Es gibt auch keine Dampflokomotiven mehr. Wer weiter Zensoren beschäftigt, ruiniert seine Firma. Die User werden den Laden meiden oder mit neuem Pseudonym sich wieder anmelden und ihn Twitter, Blogs und woanders schlecht über das Haus reden.

    Comment by Jan Dark — 26.10, 2011 @ 21:04

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