Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

10.4.12

Haftungsrisiko Facebook?

Ein Blogbeitrag der Kollegen LHR sorgt gerade für Aufregung, denn dort wird über den Fall einer Abmahnung eines Facebook-Nutzers berichtet, der dafür haften soll, dass ein Dritter auf seiner Facebook-Pinwand eine Bilddatei eingestellt hat, die angeblich die Urheberrechte des Fotografen verletzt.

Ob und in welchem Umfang der betroffene Facebook-Nutzer überhaupt haftet, möchte ich hier kurz erläutern und zugleich vorausschicken, dass diese Frage gerichtlich völlig ungeklärt ist, weshalb es durchaus sein kann, dass man derzeit die unterschiedlichsten Rechtsansichten zu dieser Frage antrifft.

Juristisch betrachtet gibt es aus meiner Sicht zwei denkbare Lösngsansätze. Entwede betrachtet man den Facebook-Nutzer im Hinblick auf Einträge und eingestellte Dateien auf seiner Pinwand bzw. in seiner Chronik ähnlich wie einen Blogger der Nutzerkommentare zulässt bzw. wie den Betreiber einer Foto-Community oder man betrachtet allein Facebook als den haftenden Anbieter.

Wenn es einem Foto nicht anzusehen ist, ob es unberechtigt aufgenommen worden ist oder nicht, scheidet nach einer neuen Entscheidung des BGH eine Störerhaftung des Plattformbetreibers aus. Zur Haftung eines Hosters für Blogbeiträge hat der BGH entschieden, dass ein Tätigwerden des Hostproviders überhaupt nur dann veranlasst sein kann, wenn der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer – das heißt ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung – bejaht werden kann.

Man wird also davon ausgehen dürfen, dass eine Haftung überhaupt nur dann in Betracht kommt, wenn man dem eingestellten Foto auch als Laie ohne weiteres ansehen kann, dass es Rechte Dritter verletzt.

Die weitergehende Frage muss allerdings lauten, ob man einen normalen Facebook-Nutzer haftungsrechtlich überhaupt wie einen Blogger oder gar wie einen Hoster behandeln kann. Hier stellt sich auch die Frage, ob der Facebook-Nutzer wirklich der Anbieter der Pinwand ist oder ob nicht allein Facebook insoweit als Anbieter zu betrachten ist. Zu der allgemeinen Frage, ob der Nutzer von Twitter oder Facebook auch als Anbieter zu qualifizieren ist, hatte ich bereits vor einigen Jahren gebloggt.

Man muss zunächst berücksichtigen, dass die Pinwand, Chronik oder Timeline bei sozialen Netzen nicht etwas ist, was der Nutzer selbst erzeugt hat oder selbst zur Verfügung stellt. Diese Elemente sind vielmehr integraler und wesentlicher Bestandteil des sozialen Netzwerks, was gegen eine Qualifizierung als Dienst des Nutzers spricht. Wesentlich erscheint mir aber auch die Frage der Kontrolle und Kontrollmöglichkeit. Postings Dritter kann man als Nutzer von Twitter oder Facebook nicht verhindern. Eine solche Verhinderung würde auch dem Sinn und Zweck des sozialen Netzwerks widersprechen. Bei Facebook kann man lediglich nachträglich die Standardeinstellungen dahingehend verändern, dass man Postings Dritter nicht oder nur eingeschränkt zulässt.

Vor diesem Hintergrund ist die Annahme auch nur einer eingeschränkten Störerhaftung des Nutzers kommunikationsfeindlich. Im Falle von Facebook könnte der Nutzer diese Störerhaftung nämlich nur dadurch verhindern, dass er Postings Dritter generell sperrt, mit der Konsequenz dass auf seine Pinwand bzw. in seine Chronik niemand etwas schreiben kann. Die Auferlegung von Prüf- oder Handlungspflichten die den Kommunikationsprozess einschnüren, sehen das BVerfG und der BGH allerdings generell sehr kritisch.

Wenn man den juristischen Ansatz zutreffend wählt, dürfte also relativ klar sein, dass selbst die Annahme einer eingeschränkten Haftung des Facebook-Nutzers in Fällen der eingangs geschilderten Art ausscheiden muss. Nachdem einige Instanzgerichte allerdings in der Tendenz meinungsfeindlich agieren, sind abweichende Entscheidungen natürlich nicht auszuschließen.

posted by Stadler at 16:28  

13 Comments

  1. Bezogen auf „Störerhaftung, wenn sich dem Bild ohne weiteres ansehen, dass es Rechte Dritter verletzt“:
    Ich behaupte, auch das ist nicht mehr zeitgemäß. Zur Zeit gilt es ja als heiliger Grahl des Marketings, wenn man es schafft, dass ein Bild / ein Video „viral wird“. Das bedeutet aber eben, dass dieser jenige „Dritte“ ein deutliches Interesse daran hat, dass das Bild/Video entgegen jeder Urheberschaft fleißig weiterverbreitet wird. Und zwar *selbst wenn* auf dem Bild/Video deutlich erkennbar ist, wer der Urheber ist (z.B. Werbeplakat, Filmtrailer, …).

    In dem Zusammenhang muss man wahrscheinlich wieder dem Piraten zustimmen, die sagen: Urheberrecht ja, aber das aktuelle ist nicht zeitgemäß.

    Gruß, Arne

    Comment by Arne — 10.04, 2012 @ 16:48

  2. Fassen wir mal zusammen: Wer Facebook nutzt,

    – setzt sich ungeklärten Haftungsrisiken aus
    – gibt mit Geburtsdatum, Lichtbild, Name UND Adresse gleich bei der Anmeldung mehr Daten preis als zu Zeiten des Kalten Kriegs für Ostblockvisa erforderlich waren
    – lässt sein Verhalten im Netz protokollieren
    – schafft eine fette Datenbasis, an die man relativ mühelos weitere Daten andocken kann
    – liefert ein Informationsarchiv über sich frei Haus, das nach einigen Jahren weiter gefasst ist als das eigene Erinnerungsvermögen und umfassender ist als ein durchschnittlicher Stasi-Datensatz, wobei man später selbst nicht mehr an alle Daten herankommt
    – läuft Gefahr, auch die Daten seiner Freunde weiterzugeben, wenn er nicht höllisch aufpasst

    und das alles für ein wenig Klickibunti und ein wenig Kommunikationsfunktionalität, für die E-Mail und ICQ genauso reichen würden.

    Wozu tut man sich das an?

    Comment by Grendel — 10.04, 2012 @ 17:48

  3. Macht derjenige Facebook-Nutzer, auf dessen Pinnwand das Bild landet, das Foto überhaupt „öffentlich wahrnehmbar“ im Sinne von Paragraf 19 Urheberrechtsgesetz Absatz 4? Wenn die Pinnwand so eingestellt ist, dass nur „Freunde“ Einträge sehen können, habe ich da so meine Zweifel.

    Man kann die Sichtbarkeit fremder Beiträge sogar so einstellen, dass „Nur ich“ (also nur der Pinnwand-„Besitzer“) solche Beiträge sehen kann. Ob eine solche Einstellung in einem sozialen Netzwerk sinnvoll ist, sei dahingestellt. Aber so könnte ich das das Abmahnrisiko auf Null reduzieren, oder?

    Comment by Michael Sittig — 10.04, 2012 @ 17:56

  4. „Man muss zunächst berücksichtigen, dass die Pinwand, Chronik oder Timeline bei sozialen Netzen nicht etwas ist, was der Nutzer selbst erzeugt hat oder selbst zur Verfügung stellt.“

    Das sehe ich etwas anders. Der primäre Gedanke einer Facebook-Registrierung ist zwar die Vernetzung und nicht die Publikation von Content, allerdings gehören bei einem sozialen Netzwerk beide Komponenten unweigerlich zusammen. Dem aufgeklärten Nutzer ist dies auch bewusst, sodass die Frage der Haftung eigentlich simpel beantwortet werden kann.

    Vergleicht man die Facebook-Timeline mit einem Blog, so fallen die identischen Werkzeuge auf. Beide können öffentlich oder einem geschlossenen Benutzerkreis vorgeführt werden. Ebenso kann der Nutzer auf beiden Plattformen in den Einstellungen bestimmen, ob nur er oder auch Dritte bloggen/schreiben können. Schlussendlich ist es dem Nutzer überdies auch möglich, einzelne Beiträge zu löschen. Lediglich im editieren der Beiträge unterscheidet sich hier der Blogger vom Facebook-Nutzer.

    Sofern ein öffentliches Facebook-Profil also rechtswidrigen Content enthält, kann der Nutzer dafür auch haftbar gemacht werden.

    Comment by Sebastian — 10.04, 2012 @ 18:19

  5. Ich denke, man sollte seine Mandanten dahin beraten, für jede Werbeseite in jedem Sozialen Netzwerk eine eigene Zweckgesellschaft zu gründen, um das Haftungsrisiko auszulagern.

    Comment by Peter Hense — 10.04, 2012 @ 18:37

  6. @Peter Hense: Guter Vorschlag. ;-)

    Comment by Stadler — 10.04, 2012 @ 18:59

  7. Wenn ich es richtig verstanden habe, steht ein Verstoß gegen § 19 UrhG in Frage. Aber macht der Pinnwand-„Besitzer“ ein Foto, das ein Dritter gepostet hat, überhaupt „öffentlich zugänglich“, wenn er – sagen wir mal – 50 Freunde hat?

    Comment by Michael Sittig — 10.04, 2012 @ 19:39

  8. Wenn ich es richtig sehe, geht es um das Recht, Bilder öffentlich zugänglich machen zu dürfen. Aber wird dieses Recht überhaupt verletzt, wenn ein fremdes Foto auf der Pinnwand für – sagen wir 50 Freunde – einsehbar ist. Ist das dann schon öffentlich zugänglich gemacht?

    Comment by Michael Sittig — 10.04, 2012 @ 22:50

  9. Meines Erachtens ist letztlich jegliche „Annahme einer Störerhaftung kommunikationsfeindlich“. Mit dem Institut der Störerhaftung wird nämlich in jedem Falle ein Haftungsrisiko geschaffen. Dieses kann nur sicher vermieden werden, indem die „Gefahrenquelle in Form der Kommunikation“ erst gar nicht eröffnet wird.

    Damit zeigt sich, dass die „Kommunikationsfeindlichkeit“ nicht das entscheidende Kriterium für die Annahme oder Verneinung der Haftung sein kann.

    Vielmehr ist die Einwirkungsmöglichkeit wohl das maßgebliche Kriterium.

    Legt man dies zu Grunde, kann einzig der Facebook-User als Anbieter seiner Pinnwand gesehen werden. Er „erschafft“ die Pinnwand durch seine Anmeldung bei Facebook. Und ausschließlich der User bestimmt – und zwar durch seine Profileinstellungen – ob und wer auf seiner Pinnwand posten darf.

    Comment by Lars Hänig — 10.04, 2012 @ 22:59

  10. Da ich kein Anwalt bin, kann ich nicht beurteilen, wie manches rechtlich ausgelegt wird, aber von der technischen Seite ist ein Blog etwas völlig anderes als ein Account bei einem sozialem Netzwerk. Und nach meinem technischen Verständnis, müßte der Betreiber des Netzwerks hatfbar sein.

    Ein eventueller Verstoß wird ja auf dessen Domain begangen. Das entspricht doch dem was in den „Störerhaftung“ Verfahren gesagt wurde. Ein Forenbetreiber ist verantwortlich dafür, was Forenbenutzer posten, also muss Facebook dafür verantwortlich sein, was Facebookbenutzer posten.

    Zumal man als Nutzer von Facebook ja AGBs akzeptiert, die FB viele Rechte am eigenen Material einräumen.

    Es würde mich schwer wundern, wenn eine Firma einerseits sagen kann, dein Material gehört mir, aber wenn andere etwas illegal auf deiner Seite platzieren, ist es nicht meine Schuld.

    Nach meinem Verständnis könnte dieser Fall das Ende von FB einläuten, wenn User für die Inhalte, die andere User verlinken (es geht ja noch nicht mal um’s hochladen), haftbar gemacht werden können, wird keiner mehr diese Plattform nutzen.

    Comment by struppi — 11.04, 2012 @ 16:41

  11. Also wie sieht es den mit den AGB von Facebook aus. Die darauf verweisen das Facebook alle rechte am hoch geladenen Bild übertragen werden. Dann hat der Nutzer der das Bild hochgeladen hat jegliches Recht verwirkt, oder?? Also wir empfinden dieses Sau durchs Dorf jagen sehr merkwürdig.

    Comment by Gründercoach — 11.04, 2012 @ 16:58

  12. @Struppi

    Es ist völlig irrelevant auf welcher Domain der Blog gehostet wird. Du kannst eine eigene TLD haben, oder auch bei blogger.com, tumblr.com etc. deinen Blog betreiben. Haftbar bist immer nur du als Betreiber des Blogs, nicht der Hoster (siehe Verweis auf BGH-Entscheidung im Artikel).

    Demnach ist der Vergleich von FB-Pinnwand und Blog auch legitim. Wie bereits ausgeführt, hast du auf beiden Systemen die identischen Moderations/Administrationsrechte.

    Da der Fokus mit der Timeline nun auch immer mehr auf der öffentlichen Selbstdarstellung und nicht auf einer Vernetzung liegt, werden Gerichte vermutlich zukünftig auch in dieser Richtung entscheiden.

    Comment by Sebastian — 11.04, 2012 @ 20:34

  13. @Sebastian: Ich finde das nicht so irrelavant und auch das Urteil sagt ja nicht, dass der Hostbetreiber nicht haftbar ist, im gegenteil, er ist haftbar wenn er nicht tätig wird.

    Ausserdem geht es in dem Urteil um eine Äußerung, bei Urheberverletzungen gab es andere Urteile

    Die Inhalte auf deiner Seite bei einem sozialen Netzwerk werden ja zum großteil nicht von dir erstellt, sondern der „stream“ dort wird erzeugt durch Kommentare deiner Freunde oder durch share/like Funktionen, die durch deine Freunde oder durch dich ausgelöst werden. Wenn ein Bild in deinem Profil auftaucht, ist es also nicht zwangsläufig von dir dort eingestellt worden. Also kannst du auch nicht haftbar dafür gemacht werden, wenn es dort erscheint.

    Comment by struppi — 11.04, 2012 @ 20:46

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