Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

14.6.16

BGH zum Spannungsverhältnis von Meinungsfreiheit und Wettbewerbsrecht

Kritische oder auch herabsetzende Äußerungen zwischen Konkurrenten sind im Wirtschaftsleben an der Tagesordnung. Die juristisch interessante Frage ist hierbei, ob bei einem bestehenden Wettbewerbsverhältnis strengere Anforderungen an die Zulässigkeit einer Meinungsäußerung zu stellen sind, als nach allgemeinen äußerungsrechtlichen Grundsätzen.

In einer neuen Entscheidung (Urteil vom 17.12.2015, Az.: I ZR 219/13) geht der BGH davon aus, dass Meinungsäußerungen, die zugleich wettbewerblichen Zwecken dienen, strenger zu bewerten sind als Äußerungen, die lediglich dem allgemeinen Deliktsrecht unterliegen. Auch Meinungsäußerungen, die die Grenze zur unzulässigen Schmähkritik nicht überschreiten, können eine nach § 4 Nr. 7 UWG (aF) unzulässige Herabsetzung darstellen. Der BGH verlangt gleichwohl eine umfassende Güter- und Interessenabwägung. Insbesondere dann, wenn das Interesse des sich Äußernden auf politische, wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Belange der Allgemeinheit gerichtet ist, ist im Interesse der Meinungs- und Informationsfreiheit ein grozügigerer Maßstab anzulegen, als bei nur privat bzw. wirtschaftlich motivierten Auseinandersetzungen.

Der BGH führt in seiner Entscheidung hierzu aus:

Auch wenn die Voraussetzungen einer stets unzulässigen Schmähkritik – wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat – im Streitfall nicht vorliegen, führt die gebotene Abwägung dazu, dass die beanstandete Äußerung des Beklagten als eine nach § 4 Nr. 7 UWG aF unzulässige Herabsetzung des Klägers einzustufen ist.

Ist eine Schmähkritik zu verneinen, kann sich die lauterkeitsrechtliche Unzulässigkeit einer Äußerung über einen Mitbewerber aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung ergeben. Erforderlich ist insofern eine Gesamtwürdigung, bei der alle Umstände des Grundrechts unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegeneinander abzuwägen sind (vgl. BGH, GRUR 2012, 74 Rn. 33 – Coaching-Newsletter; Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 4 Rn. 7.21; Dittmer in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., § 4 Nr. 7 UWG Rn. 19). Ein beeinträchtigendes Werturteil kann daher umso eher zulässig sein, je nützlicher die Information für die Adressaten ist oder je mehr aus anderen Gründen ein berechtigtes Informationsinteresse oder hinreichender Anlass für die Kritik besteht und je sachlicher die Kritik präsentiert wird (Dittmer in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 4 Nr. 7 Rn. 19). Weiterhin von Bedeutung ist das Maß an Herabsetzung, das mit der Äußerung einhergeht (vgl. Ohly in Ohly/Sosnitza aaO Rn. 7/18). Bei der Gewichtung der Meinungsäußerungsfreiheit gegenüber anderen Grundrechtspositionen ist zudem zu berücksichtigen, ob vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit im Rahmen einer privaten Auseinandersetzung zur Verfolgung von Eigeninteressen oder im Zusammenhang mit einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage Gebrauch gemacht wird. Je mehr das Interesse des sich Äußernden auf politische, wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Belange der Allgemeinheit gerichtet ist, desto eher ist seine Äußerung in Abwägung mit anderen Belangen gerechtfertigt (BVerfG, GRUR 2008, 81, 83). Aus diesem Grund sind Meinungsäußerungen, die zugleich wettbewerblichen Zwecken dienen, strenger zu bewerten als Äußerungen, die nicht den lauterkeitsrechtlichen Verhaltensanforderungen, sondern lediglich dem allgemeinen Deliktsrecht unterliegen (vgl. BGH, GRUR 2012, 74 Rn. 33 – Coaching-Newsletter).

posted by Stadler at 10:49  

12 Comments

  1. Ein weiterer Schritt in Richtung Entmündigung, Abkopplung der Eliute vom Volk.

    Nur die Juristen sind die Klugen, welche entscheiden, was geäußert werden darf und was nicht.

    Alle anderen nehmen Äußerungen für bahre Münze und glauben jedem Wort.

    Comment by Rolf Schälike — 14.06, 2016 @ 20:42

  2. Die Tricks und Methoden, Kritiker zu Mitbewerbern zu deklarieren, fielen bisher spätestens beim BGH auf die Nase. Vor allem die Handelskammer München hat sich unrühmlich mit Verfahren über Meinungsäusserungen gegen die Branchenbuchmafia bekleckert. Sollte sich das jetzt ändern?

    Comment by Dr.Klusenbreuker — 16.06, 2016 @ 08:36

  3. Es ist das natürliche Ergebnis und die logische Konsequenz von „Bewertungsportalen“, dass irgendwann dort nur noch die Konkurrenten schreiben, um den anderen Anbieter zu schädigen und sich hochzujubeln. Ich verstehe die Überraschung nicht. Das Urteil ist jedoch nutzlos. Ganze Firmen leben mittlerweile davon, durch bezahlte Schreiberlinge das Netz zu versauen. Regierungen machen das übrigens auch. Vor allem, wenn es um Wirtschaftsthemen und Kriege geht.

    Das Netz ist zu einem Giftschrank verkommen, aber wem sage ich das. Es ist bekannt. Und das ist doch schon mal was.

    Comment by Söldert — 25.06, 2016 @ 11:38

  4. Wie wahr: Das Netz ist zum Giftschrak verkommen.
    Ich würde noch ergänzen: Die Entgifter werden systemtisch von den Zensurkammern aus dem Giftschrank getrieben.
    Dieser Giftschrank entspricht dem Zustnad der Gesellschaft, bei der das Geld als Religion regiert, alle anderen Religionen offen oder verlogen vereinigt. Auf der Strecke bleibt der freie, unabhängige Mensch.

    Comment by Rolf Schälike — 25.06, 2016 @ 12:52

  5. Tja, Rolf, es sieht so aus, als sind wir die beiden einzigen User, die dieses Blog noch aufsuchen. Stadler hat offensichtlich auch keinen Bock mehr. Es ist traurig, diesen Stillstand zu sehen.

    Stadler sollte die Domain verkaufen. Was bietest Du?

    Comment by Söldert — 25.06, 2016 @ 13:57

  6. @Gemeinde, auch an Euch noch ein paar Sätze!

    Hier reißt sich ein Anwalt seit Jahren den Arsch auf, bietet Blogs an, bietet ein top Archiv an, ist ehrlich, ist sauber, ist werbefrei. Man kann losposten, wie man lustig ist. Keine Registrierung, keine Mail-Adresse, nichts wird gefordert.

    Das nennt man gemeinhin eine Internet-Perle, die man sonst nicht mal mit der Lupe findet!

    Wo zum Teufel seid IHR? Warum verlinkt IHR nicht, warum postet IHR nicht? Hier sollte es brummen, der Wald brennen.

    Oder ist es eine Perle, geworfen vor die Säue?
    Seid IHR Säue?

    Comment by Söldert — 25.06, 2016 @ 14:45

  7. Strafverteidiger sind brutal, das ist bekannt. Doch hier danke für diesen Post! Die Liebeserklärung wird verlinkt. :-)))

    Comment by Internet-law-Fans — 25.06, 2016 @ 15:56

  8. Stadler ist eben nicht Boulevbard. Geht den meisten Fachblogs so. Fachleute diskutieren ungerne öffenlich, passt nicht ins Geschäft, welches auf Geschäftsgeheimnissen beruht.

    Rechtsanwälte arbeiten auch wenig zusammen, sogar in der eigene Kanzlei begrenzt.

    Insofern nicht verwunderlich. So funktioniert nun Mal Deutschland heute. Bis jetzt -bis zum nächsten großen Krach – ganz gut.

    Comment by Rolf Schälike — 25.06, 2016 @ 16:26

  9. Kopiert, was Ihr wollt, und verlinkt Internet-law. Es sollte im Ranking bei „Jurablogs“ auf dem ersten Platz stehen, wo es hingehört. Sorgt dafür, macht es! Ihr könnt es schaffen. Hammerhart durchziehen!

    Comment by Söldert — 25.06, 2016 @ 16:26

  10. Wenn Stadler das hier unmotiviert und gelangweilt rausscheißt -Springer erzielt beim OLG Köln Teilerfolg im Streit um Adblock Plus-, dann stimmt hier was nicht. Dann erkennt man, der Typ hat keinen Bock mehr.

    Ansonsten schönes Wochenende.

    Comment by Söldert — 25.06, 2016 @ 16:50

  11. Ps. Wenn alle Stricke reißen, dann kaufe ich die Domain. Danach tobt hier der Bär im Kettenhemd. Das wird lustig. Dann bewegt sich mal was.

    Comment by Söldert — 25.06, 2016 @ 16:55

  12. @Söldert

    Bitte!!! Dann gibt es hier auch wieder Spaß und Traffic. Wir möchten so gerne wieder Leben haben in diesen Blogs. Wir sind dabei! :-)

    Danke.

    Comment by Internet-law-Fans — 25.06, 2016 @ 17:33

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