Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

27.5.12

Die Informationszugangsfreiheit ist auch als Grundrecht notwendig und sinnvoll

Vor einigen Tagen habe ich über einen Gesetzvorschlag der Grünen zur Einführung eines neuen Grundrechts auf Informationszugangsfreiheit berichtet. Die Kritik fast aller im Parlament vertretenen Parteien ließ nicht lange auf sich warten. Union, SPD und FDP lehnen das Vorhaben ab.

Wer allerdings wie der CDU-Abgeordnete Sensburg von Informationsfreiheit spricht und davon, dass die Verfassung durch ein solches Grundrecht zu einem „Verwaltungsverfahrensgesetz“ degradiert würde, hat zumindest in rechtsdogmatischer Hinsicht keine stichhaltigen Einwände formuliert.

Denn die Informationsfreiheit garantiert Art. 5 Abs. 1 GG bereits. Sie umfasst das Recht sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Dieses Grundrecht soll nach der Vorstellung der Grünen nunmehr um ein Recht erweitert werden, sich auch aus behördlichen Quellen, die zunächst gerade nicht allgemein zugänglich sind, unterrichten zu dürfen.

Das ist eine in rechtsdogmatischer Hinsicht naheliegende und konsequente Erweiterung des Grundrechtsschutzes. Mit Verwaltungsverfahrensrecht hat das wenig zu tun, denn die verfahrensmäßige Ausgestaltung des Grundrechts würde (weiterhin) einem Bundesgesetz vorbehalten bleiben. In dogmatischer Hinsicht handelt es sich bei dem Vorschlag der Grünen um eine plausible und nachvollziehbare Konstruktion, weshalb auch der von der SPD stammende Einwand, der Gesetzesvorschlag sei nicht gut gemacht, eher dem Bereich der politischen Stimmungsmache zuzuordnen ist. Der einzige konstruktive Einwand der erhoben werden könnte, ist die Stellung dieses neuen Grundrechts nach Art. 5 Abs. 2 als neuer Art. 5 Abs. 2a GG. Es würde m.E. näher liegen, die Informationszugangsfreiheit als Erweiterung der Informationsfreiheit anzusehen und demzufolge in Art. 5 Abs. 1 GG anzusiedeln. Damit würden für die Informationszugangsfreiheit auch dieselben Schranken gelten wie für die Meinungs- und die Informationsfreiheit.

Wenn man sich die Bedenken von Union und SPD betrachtet, hat man nach wie vor den Eindruck, es ginge darum, den Staat vor dem Bürger schützen. Die Wirkungsweise der Grundrechte als Schutzrechte des Bürgers gegenüber dem Staat ist allerdings exakt gegenläufig.

Für eine moderne Verwaltung sollte Transparenz eine Selbstverständlichkeit darstellen. Stattdessen pflegt man in Deutschland weiterhin ein Verwaltungsverständnis, das den Bürger als Bittsteller und nicht als Grundrechtsträger begreift und möchte sich am liebsten auch weiterhin nicht in die Karten schauen lassen. Aber die Exekutive bedarf der Kontrolle und zwar nicht nur durch die Gerichte, sondern auch unmittelbar durch das Volk.

Wer gegen ein Grundrecht auf Informationszugang ins Feld führt, dass der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ebenfalls Verfassungsrang genieße und Vorrang vor einem Auskunftsinteresse eines Bürgers haben könne, offenbart ein merkwürdiges Verfassungsverständnis. Diejenigen Unternehmen, die öffentliche Aufträge erhalten, müssen auch mit einer Kontrolle durch die Öffentlichkeit rechnen. Man sollte ihnen erst gar nicht die Möglichkeit einräumen, sich hinter dem Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen zu verschanzen, sondern vielmehr bereits die Auftragsvergabe davon abhängig machen, dass vordefinierte Transparenzanforderungen erfüllt werden.

Der auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zielende Einwand ist aber ganz prinzipiell untauglich, denn selbst schrankenlos gewährte Grundrechte unterliegen einerseits verfassungsimmanenten Einschränkungen und andererseits wird in der konkreten Ausgestaltung durch das Merkmal des überwiegenden Allgemeininteresses ohnehin eine Interessenabwägung gefordert. Auch ein Grundrecht auf Informationszugang hätte damit keinen absoluten Vorrang vor anderen Rechtspositionen. Wer mit der Grundrechtsdogmatik vertraut ist, weiß dies aber ohnehin.

Der Grundansatz der Grünen, die Informationszugangsfreiheit gleichwertig neben die Grundrechte der Meinungsfreiheit, der Pressefreiheit und der Informationsfreiheit zu stellen, ist richtig und ausdrücklich zu begrüßen. Die hiergegen von Union, SPD und FDP erhobenen Einwände sind nicht überzeugend und offenbaren einmal mehr ein fragwürdiges Grundrechtsverständnis. Es ist die Angst vor der Freiheit und den Grundrechten, die die Politik von Union und SPD prägt. Das wird an diesem Beispiel wieder einmal deutlich.

posted by Stadler at 12:57  

9 Comments

  1. Sehr gute Analyse! Ich bin ja nur interessierter Laie, aber wenn ein Pirat den besagten Gesetzentwurf auf LQFB unterstützen möchte (mehr als symbolische Geste), hier ist er: https://lqfb.piratenpartei.de/pp/initiative/show/3384.html

    Comment by suchenwi — 27.05, 2012 @ 13:34

  2. Der aktive Verzicht auf Informationsfreiheit durch deutsche Parlamente ist ja nicht nur ein verfassungsrechtliches Problem, sondern es wirft auch die Frage auf, warum deutsche Parlament die deutschen Bürger aktiv hinter die Bürger anderer Staaten im europäischen und globalen Rahmen zurückwirft. Was triebt die SPD, die CDU und CSU eine geheime Staatspolitik wie noch vor Preußen zu betreiben? Es sieht so aus, als wenn die „Volksparteien“ ein Staatsverständnis des Führerstaates hätten.

    Es ist ja auch nicht erklärlich, warum sich Parlamente und Exekutive der Open Government Partnership (http://www.opengovpartnership.org/) aktiv verweigert haben (Friedrichs, BMI, CSU, Burschenschafter mit Pflichtkneipe und ohne Frauen) und die Bürger in Open Data Pseudoaktivitäten verarschen, dass sie kund tun, wie man mit Hundescheisse umgeht, aber den harten Kern öffentlicher Verwaltung so geheim halten, als wenn sie nicht ein demokratischer Staat wären sondern die CIA, die den Überfall auf Jugoslawien, Vietnam, Afghanistan, Libyen, Iran, Irak plant.

    In den USA dagegen kommt die Exekutive unter Obama von sich aus heraus und sagt, die öffentliche Hand müsse möglichst viele Informationen den Bürgern bereitstellen, um ein besseres Leben zu ermöglichen. Erst diese Woche wieder hat Obama die Strategie angekündigt, in der auch festgehalten wird, wann welche Behörde zu liefern hat:
    „DIGITAL GOVERNMENT:BUILDING A ST CENTURY PLATFORM TO BETTER SERVE THE AMERICAN PEOPLE“
    http://www.whitehouse.gov/sites/default/files/omb/egov/digital-government/digital-government-strategy.pdf

    Bei den ehemaligen „Volksparteien“ bei uns drängt sich zunehmend der Verdacht auf, dass sie nicht nur sich der Moderne, dem Rechtsstaat und den Bürger verweigern, sondern zunehmend zur Bedrohung für die Bürger werden. Die Wahlerfolge der Piraten sowie das Einbrechen der CDU in NRW und in Umfragen, zeigt deutlich, dass der Souverän diese Missverhalten und die Unfähigkeit nicht mehr duldet. Man könnte viele negative Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit anführen wie ACTA, Urheberrecht, Bundestrojaner, usw., aber der Verhöhnung der Bürger beim Artikel 5 GG macht das Versagen der Rechten in CDU, CSU, SPD aber auch z.T. in FTP bei uns deutlich. Das wird sich ändern. So oder so.

    Am Rande: Bremen liefert Vorbild für Informationsfreiheit. Prof. Kubicek und seine Kolonnen http://www.informationsfreiheit-bremen.de/

    Comment by Wolfgang Ksoll — 27.05, 2012 @ 13:54

  3. Art. 1 Abs. 1 Halbsatz 2 GG garantiert von seiner Entstehungsgeschichte her nach Wernicke folgendes:

    Mit Art. 5 Abs. 1 Halbsatz 2 GG »soll der freie Umlauf der Informationsmittel sichergestellt werden, der allein eine jederzeitige und umfassende Unterrichtung und damit eine freie Meinungsbildung gestattet. Gegenüber Art. 118 I 1 WRV bedeutet dieser Punkt eine Erweiterung des GR. der freien Meinungsäußerung. Gedacht ist hierbei vor allem an ausländische Zeitungen, Zeitschriften und Bücher, sowie an Abhörverbote für ausländische Sender, wie sie das ns. Regime erlassen hatte. – Wernicke in Bonner Kommentar zu Art. 5, Erl. II, 1. d)

    Dem ist zu entnehmen, dass er also nicht zur Informationsfreiheit taugt, was jedoch nicht bedeutet, dass dies heute nicht so interpretiert werden kann. Doch ob eine solche Interpretation zum Ziel führt ist äußert unwahrscheinlich, besieht man sich den missglückten Versuch der sogenannten informationellen Selbstbestimmung.

    Diese führte durch ihre Koppelung mit Art. 2 Abs. 1 GG in BVerfGE 65, 1 – Volkszählung i.V.m. Leitsatz 2 »Einschränkungen dieses Rechts auf „informationelle Selbstbestimmung“ sind nur im überwiegenden Allgemeininteresse zulässig. Sie bedürfen einer verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage, die dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entsprechen muß.« zur Möglichkeit von Einschränkungen des Art. 2 Abs. 1 GG, welche streng genommen von der Erfüllung des Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG (Zitiergebot) abhängig sind, da eine solche Einschränkung durch Gesetz ermöglicht und nicht durch die Grenzen des Art. 2 Abs. 2 GG geregelt wird. Damit wurde Art. 2 GG vom Recht fortentwickelt. Diese Erfüllung der Gültigkeitsvoraussetzung des Art. 19 Abs. 1 GG wird jedoch umgangen, da das BVerfG in BVerfGE 10, 89 – (Großer) Erftverband wiederum zweifelhaft entschied, »Denn Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG bezieht sich nicht auf die allgemeine Handlungsfreiheit;«.

    Somit entstand das Dilemma, dass die informationelle Selbstbestimmung laut BVerfGE 65, 1 durch Gesetz eingeschränkt werden kann, diese Einschränkung aber nicht der dafür vorgesehenen Generalklauseln des Art. 19 Abs. 1 GG unterworfen wäre. Klarer Verfassungsbruch, denn das BVerfG ist kein Gesetzegber und kein verfassungsändernder Gesetzgeber.

    Dieses Schicksal wird wohl auch einer Interpretation der Informationsfreiheit bzgl. des Art. 5 Abs. 1 Halbsatz 2 GG anheimfallen. Aus diesem Grunde ist es sehr zu begrüßen, dass die Informationsfreiheit außerhalb des Art. 5 Abs. 1 GG geregelt wird und klar und verbindlich den Schranken des Art. 19 Abs. 1 GG unterworfen wird. Im Zuge dessen, kann man dasselbe mit der informationellen Selbstbestimmung machen.

    Comment by I. Wengel — 27.05, 2012 @ 14:40

  4. Interessanter Zusatz wäre dann auch noch, dass man Informationen die einen selbst betreffen vollständig und unter jeglichen Umständen einsehen kann. Vollständig meint hier wirklich vollständig.

    Comment by Nero — 27.05, 2012 @ 18:31

  5. Bin ein wenig hin und her gerissen. Stimme zu das Informationsfreiheit absolut wichtig ist.
    Hätte aber lieber anstelle einer Grundgesetzänderung eine Erweiterung des Begriffs der öffentlich Zugänglichen Quellen auch auf behördliche Informationen. Sprich einen Passuns im Verwaltungsrecht nachdem alle behördlichen Unterlagen und Informationen unter Berücksuchtigung des Datenschutzes zu veröffentlichen sind.
    Somit wäre schon in erster Instanz eine Klage auf herrausgebe dieses Informationen erfolgreich und nicht erst vorm Verfassungsgericht.
    Ich habe die Disskussion im Bundestag verfolgt und muss sagen es hat mich bei vielen Aussagen geschaudert.
    Danke für die gute Analyse.

    Gruß Monomo

    Comment by Monomo — 27.05, 2012 @ 19:17

  6. Ist mein comment-14525 im Spam gelandet?

    Comment by I. Wengel — 27.05, 2012 @ 20:04

  7. Könnte im Kommentar von 14:40 bitte der Beginn des 1. Satzes von Art. 1 in 5 geändert werden? Danke!

    Comment by I. Wengel — 27.05, 2012 @ 21:43

  8. Ein grundrechtlicher Anspruch auf Informationleistung gegen dem Staat ist m.E. in Art. 5 GG falsch verortet. Richtig wäre er m.E. in Art. 17 GG aufgehoben.

    Comment by Simon — 1.06, 2012 @ 09:02

  9. @Simon:
    Kann man sicher so sehen, wobei das letztlich nur eine rechtstechnische Frage ist.
    Ich sehe dieses Grundrecht aber schon als Ergänzung der Informationsfreiheit an und weniger als eine Form der Petition.

    Comment by Stadler — 1.06, 2012 @ 11:15

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