Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

7.12.16

Anspruch auf Gegendarstellung wegen Äußerungen in einem Blog

Der ehemalige Piratenpolitiker Christopher Lauer (bis 2016 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses), der mittlerweile der SPD beigetreten ist, hat gerichtlich einen Gegendarstellungsanspruch gegen seinen früheren Parteikollegen Simon Lange durchgesetzt, wegen angeblich unrichtiger Tatsachenbehauptungen Langes in dessen Blog. Die Gegendarstellung ist im Blog Langes auch online.

Das Kammergericht hat mit Beschluss vom 28.11.2016 (Az.: 10 W 173/16) eine Beschwerde Langes gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Das Landgericht Berlin hatte Lange auf Antrag Lauers zuvor mit einstweiliger Verfügung vom 4.10.2016 (Az.: 27 O 513/16) zur Veröffentlichung der Gegendarstellung verpflichtet.

Interessant an der Entscheidung des Kammergerichts ist der Umstand, dass es sich um ein privates Blog mit nur unregelmäßigen Beiträgen handelt, wobei teilweise über Zeiträume von sechs Monaten hinweg kein einziger Blogbeitrag eingestellt wurde.

Der Gegendarstellungsanspruch ergibt sich aus § 56 Rundfunkstaatsvertrag (RStV). Diese Vorschrift setzt allerdings einen Anbieter von Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten voraus, in denen insbesondere vollständig oder teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild wiedergegeben werden.

Das Kammergericht hat das Vorliegen eines journalistisch-reaktionellen Angebots lediglich darauf gestützt, dass das Kriterium der Aktualität erfüllt sei, weil Lange immer wieder zu aktuellen Vorkommnissen und politischen Fragestellungen Stellung genommen habe. Mit der entgegenstehenden herrschenden Ansicht in der Literatur setzt sich das Kammergericht in seiner Entscheidung leider nicht auseinander. In der Literatur wird davon ausgegangen, dass nur gelegentliche journalistisch-redaktionell gestaltete Texte auf privaten Homepages nicht erfasst werden (Mann, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 3. Aufl., § 56 RstV, Rn. 11).

Wenn man sich die Beiträge auf Langes Website/Blog anschaut, wird man sich auch die Frage stellen müssen, inwieweit hier tatsächlich eine journalistisch-redaktionelle Gestaltung vorliegt. Ausweislich der Begründung zu § 54 Abs. 2 im 9. RÄStV sind „alle Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, die als elektronische Presse in Erscheinung treten“, erfasst. Hierzu hat der VGH Baden-Württemberg in einer Entscheidung aus dem Jahre 2014 ausgeführt:

Die Bindestrich-Verknüpfung „journalistisch-redaktionell“ bedeutet journalistisch und redaktionell, d.h. es müssen kumulativ beide Voraussetzungen erfüllt sein. Journalistische Angebote sind stets auch redaktionell gestaltet. Umgekehrt gehören aber nicht alle redaktionell gestalteten Angebote zum Online-Journalismus (Lent, ZUM 2013, 914 <915>). Journalistisch-redaktionelle Angebote zeichnen sich dadurch aus, dass bei ihnen Informationen nach ihrer angenommenen gesellschaftlichen Relevanz ausgewählt und zusammengestellt werden. Dahinter steht das Ziel des Anbieters, zur öffentlichen Kommunikation beizutragen (Held, in: Hahn/Vesting, Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 3. Aufl., § 54 RStV Rn. 51). Dabei ist es allerdings nicht erforderlich, dass das Angebot sich an eine breite Öffentlichkeit richtet. Auch auf enge Zielgruppen zugeschnittene Angebote können journalistisch sein, wenn sie eine erkennbare publizistische Zielsetzung haben, d.h. von der Intention her auf Teilhabe am Prozess der öffentlichen Meinungsbildung – jedenfalls innerhalb der Zielgruppe – angelegt sind (vgl. Lent, a.a.O. S. 915, 916; ähnlich BGH, Urt. v. 23.06.2009 – VI ZR 196/08BGHZ 181, 328 zum datenschutzrechtlichen Medienprivileg in § 41 Abs. 1 BDSG: journalistisch redaktionelle Gestaltung liegt vor, wenn die meinungsbildende Wirkung für die Allgemeinheit prägender Bestandteil des Angebots ist).

Man kann also bei sehr großzügiger Anwendung dieser Maßstäbe von einer journalistisch-redaktionellen Gestaltung ausgehen, wenn man allein darauf abstellt, dass es dem Blogger wesentlich darum geht, an der Meinungsbildung mitzuwirken. Wenn man allerdings ein Mindestmaß an journalistischer Arbeitsweise unterstellt und eine gewisse Nähe zur klassischen Presse verlangt, dürfte das Blog Langes die Anforderungen kaum erfüllen.

Die Entscheidung des Kammergerichts führt also dazu, dass selbst Gelegenheitsblogger, die vorwiegend über politische, gesellschaftliche, weltanschauliche Themen bloggen – aber auch Blogs aus dem Bereich der Kultur und des Sports könnten betroffen sein – und damit auf Meinungsbildung abzielen, als journalistisch-redaktionelle Anbieter gelten, mit der Folge, dass sie der erweiterten Impressumspflicht des § 55 Abs. 2 RStV unterliegen und der Gegendarstellungspflicht des § 56 RStV. Ob dies tatsächlich dem Sinn und Zweck des Gesetzes entspricht, darf man bezweifeln. Es ließe sich dann auch nicht mehr nachvollziehbar erklären, warum nicht jeder, der auf Facebook oder Twitter vorwiegend Meinung postet, ebenfalls erfasst wäre.

posted by Stadler at 10:32  

13 Comments

  1. Kann ich dann als Gelegenheitsblogger vor diesem Gericht auch einen Presseausweis erstreiten?

    Comment by Andreas — 7.12, 2016 @ 11:42

  2. Nein den Ausweis gibts nur durch Nachweis des Haupteinkommens durch journal. Tätigk.
    Dank Lauer gibts die PiRatten nicht mehr, auch wenn er jetzt weiteren Schaden anrichten kann. Noch übler allerdings finde ich die von deutschen Juristen immer mehr versuchte Einführung US Amerikanischen Gesetzes hier. Wir haben KEIN case law!!! Ein Urteil eines Gerichts ist noch lange KEINE Rechtsgrundlage! Nur weil ein paar Schwarzkittel in USA studiert haben, ist diese Art der Rechtssprechung hier noch nicht Gesetz!!!

    Comment by @law — 7.12, 2016 @ 11:57

  3. Wessen Gegendarstellung ist es nun? Die von Lange oder Lauer? Weshalb ist Lauer in 10 W 173/16 Antragsgegner?

    Wen hat Kompa vertreten?

    Gegendarstellung
    Gepostet von Simon am 23 Oktober 2016 in Allgemein | Kommentare deaktiviert für Gegendarstellung

    Auf der Internet-Seite ’simonlange.eu‘ schrieben Sie am 19. September 2016 unter der Überschrift ,Ciao Faxe!‘ über mich:
    ,Ich weiß von all den hinterfotzigen Aktionen die bereits 2010 gegen Dich [sc. Gerwald Claus-Brunner] liefen, als Christopher Lauer Dich erst im Landesverband • Berlin als Bankrott verleumdete und diese Verleumdung dann auch in den • Bundesvorstand von Bingen 2010 weiter trug. ( … )“
    Hierzu stelle Ich fest: Ich habe zu keinem Zeitpunkt behauptet, Gerwald Claus-Brunner sei bankrott.
    Berlin, den 22. September 2016
    Christopher Lauer

    Comment by Rolf Schälike — 7.12, 2016 @ 12:41

  4. Es ist doch richtig, notwendig und der heutigen Zweit geschuldet, dass auch Blogger, welche ihre Blogs nicht kommerziell betreiben, den Journalisten-Staus erhalten dürfen. Damit können auch solche Menschen in den Genuss der leichteren Informationsbeschaffung und dem Schutz vor staatlicher Willkür kommen.
    Dass Presseausweise an den Nachweis des Haupteinkommens durch journalistische Tätigkeit gebunden sind, dient nur den Neoliberalismus, bei dem das Geld alles bestimmt.
    Da braucht man sich nicht zu wundern, dass der Anstand zwischen den Eliten und den normalen Menschen wächst und zu Katastrophen führt.
    Insofern ist die Meinung des Kammergerichts nicht unbeding6t falsch.

    Nebenebeibemerkt: Richter Thiel wird bei der Pressekammer Berlin Richter Mauck nach dessen Pensionierung als Vorsitzenden Richter in Bälde ersetzen.

    Comment by Rolf Schälike — 7.12, 2016 @ 12:53

  5. Wieder Mal liegt RA Markus Kompa, der Lange mit seinen Interessen als Rechtsanwalt vertrat, neben der Realität.

    Nebenbeibemerkt: Weshalb muss die Internetwelt immer wieder darauf aufmerksam gemacht werden, dass Lange auf Prozesskostenhilfe angewiesen ist?

    Ist im Prinzip rufschädigend.

    Sehen es Lange und Kompa anders?

    Comment by Rolf Schälike — 7.12, 2016 @ 15:15

  6. @Andreas
    Mangels „offiziellem“ Presseausweis ist das zZt weder moeglich noch noetig.

    Es gibt natuerlich Bestrebungen, das zu aendern.

    Comment by h s — 7.12, 2016 @ 15:44

  7. mit derartigem hat sich schonmal ein gericht beschäftigt:

    http://www.danisch.de/blog/2016/01/31/presserechtsurteil-webseiten-sind-keine-presse/

    CU TOM

    Comment by mî†õm² — 7.12, 2016 @ 20:24

  8. Sehr geehrter Herr Lange,
    Ihr Blog trägt eine vollständiges und korrektes Impressum, die Ihrer Anwaltskollegen Kompa und Steinhöfel ebenfalls. Aber schon beim eindeutig journalistisch-redaktionellen Blog des erfahrenen Journalisten Dr. Nikolaus Fest fehlen brauchbare Kontaktrdaten vollständig. Ich halte das für einen Skandal und freue mich, daß dem endlich ein Riegel vorgeschoben wird. Warum soll für unregelmäßig erscheiende Blogs weniger gelten als für ein nur einmaliges Flugblatt?
    Die Meinungsfreiheit ist ein Menschenrecht. Menschen sind Personen und haben Namen. Feigen Anonymlingen stehen Ansprüche und Rechte aus gutem Grund nicht zu.

    Comment by Axel Berger — 8.12, 2016 @ 09:52

  9. Wie auch immer man es sieht, mit der Forderung nach der Veröffentlichung einer Gegendarstellung kommt der Blog-Betreiber ziemlich gut weg. Aus meiner Praxis – so richtig Online-Presse – kenn ich die eigentlich gar nicht mehr. Wir bekommen immer gleich Abmahnungen mit fetten Drohungen und Forderungen.

    Comment by CK_eins — 8.12, 2016 @ 10:02

  10. Das zum Thema des Abgesanges einer lächerlichen Kindergarten-Partei mit entsprechendem Namen. Von Anfang an zum Tode verurteilt aufgrund der unfähigen, durch die Bank versagenden, Vertreter. Einer Onlinepartei, die nie eine war, da selbst deren Homepage kaum gepflegt wurde. Bei einer früheren Bundestagswahl ist dann der Server abgekackt. Nicht, weil so viele Leute darauf zugegriffen haben, sondern weil es jedem egal war, Rechnungen zu bezahlen. Geschweige denn, hat sich jemand damit befasst, die Beiträge zu veröffentlichen. Blogeinträge wurden Monate später online gebracht, weil, Zitat Admin „Keiner Bock hatte, sich länger als eine Woche mit der Scheiße zu beschäftigen aufgrund von Faulheit und es keinen Ersatz gibt“.

    Nachwehen dieser Missgeburt sind keinen Blog wert. Die haben vollständig versagt, verkackt und sind an ihrem Elend selber schuld. Weg damit.

    Comment by Fluppe — 8.12, 2016 @ 11:42

  11. Lauer, Lauer…ist das nicht der Knabe, der psychisch krank ist und im TV gesagt hat, er könne ohne seine Tabletten nicht wie ein normaler Mensch agieren?

    Ganz feine Leute, die sich jetzt vor Gericht vorfinden, wo sie doch immer so fein gerichtliche Instanzen abgelehnt haben. Ganz im Sinne der vollständigen Transparenz und Toleranz.

    Piratenpartei, ein Fallbeispiel für vollständige Faulheit, Blödheit, Unwissenheit, Unengagiertheit, gepaart mit Parteimitgliedern, von denen nur ca. 10% gewillt war, ihren Mitgliedsbeitrag zu zahlen. Also Asovolk, wie es im Buche steht.

    Ein Abbild des Totalversagens.

    Comment by Fluppe — 8.12, 2016 @ 12:00

  12. Sehr geehrter Herr Stadler,
    hätte es oben natürlich heißen sollen. Der peinliche Aussetzer war keine Absicht.

    Comment by Axel Berger — 10.12, 2016 @ 13:18

  13. Hehehe…. das kommt davon, wenn man auf zu vielen Hochzeiten tanzt, da kann man die Namen schon mal verwechseln.

    Ich finde die Rechtschreibfehler viel peinlicher.

    Comment by Fluppe — 12.12, 2016 @ 18:41

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