Durchsuchungsbeschluss gegen die Piratenpartei
Ein Tweet der Piratenpartei mit dem Wortlaut
„Unsere Server sind vorübergehend auf polizeiliche Anweisung offline. Keine Panik, wir sind dran. Infos folgen.“
hat die Netzgemeinde heute aufgeschreckt.
Kurze Zeit später meldeten die Piraten ergänzend, dass ein (richterlicher) Durchsuchungsbeschluss vorliegt. Mittlerweile gibt es auch eine Pressemitteilung des Bundesvorstands der Piratenpartei, in der von einem französischen Ermittlungsersuchen die Rede ist, aufgrund dessen eine Vielzahl von Servern der Piratenpartei Deutschland beschlagnahmt worden sein sollen. Der genaue Hintergrund bleibt damit vorerst unklar. Das Ermittlungsverfahren soll sich aber nicht gegen die Partei richten.
Klarheit wird man wohl erst bekommen, wenn weitere Einzelheiten, u.a. auch der Inhalt der richterlichen Anordnung, bekannt sind.
Das Vorgehen der Polizeibehörden könnte allerdings deshalb pikant sein, weil die Piratenpartei den Schutz von Art. 21 GG genießt und durch die polizeiliche Maßnahme ihr Recht an der politischen Willensbildung des Volkes mitzwirken, beeinträchtigt wird, zumal wir uns in einem Wahl(kampf)jahr befinden.
Update:
Bei ZDF-Online steht zu lesen, dass es den Ermittlern um das Piratenpad gehen soll, das (unbekannte) Aktivisten dazu genutzt haben sollen, um DDoS-Attacken gegen französische Energieunternehmen zu planen. Das ZDF zitiert insoweit einen Tweet von „fasel“.
Wenn das so ist, stellt sich mir allerdings die Frage, was die Ermittler hoffen, dort zu finden. Die bürgerlichen Namen von Aktivisten, die nur offene Kommunikationsstrukturen der Piratenpartei genutzt haben? Das wäre eine etwas naive Erwartung.
Update:
Der Kollege Udo Vetter zeigt ebenfalls wenig Verständnis für das Vorgehen der Staatsanwaltschaft.
Man hat mir bisher auch immer erklärt, die Beamten des BKA – die hier offenbar federführend agiert haben – wären technologisch ziemlich weit vorne. Gerade diese These wurde aber heute nicht bestätigt.
Bei der Piratenpartei kann man, so merkwürdig das auch klingt, ein Fläschchen aufmachen. Denn so prominent wie heute, waren sie bisher noch nicht in den Hauptnachrichten vertreten. Vielleicht habe ich auch alles nur falsch verstanden und die technikaffinen BKA-Leute wollen den Piraten damit den Sprung in die Bremer Bürgerschaft ermöglichen. ;-)
nicht nur WahlJAHR — die nächste Wahl ist übermorgen ;-)
Comment by Burnus — 20.05, 2011 @ 14:53
Genau genommen einer Wahlkampfwoche: übermorgen.
Comment by Sven — 20.05, 2011 @ 14:58
Das wird immer krasser imho.
Natürlich purer Zufall, dass das so kurz vor der Wahl passiert. Wer es glaubt kann ins Kloster gehen ;-)
Btw: Löschen statt Sperren funktioniert also doch! q.e.d.
Comment by mayleen — 20.05, 2011 @ 14:59
Ich halte Verschwörungstheorien bzgl. der Bremen Wahl in Verbindung hiermit für unwahrscheinlich. Dennoch ist es ein extrem schlechtes Timing und imho auch reichlich überzogen viel, was für das eigentliche Ziel abgeschaltet wurde…
Comment by Ismirworscht — 20.05, 2011 @ 15:08
Einen Zusammenhang zur Wahl am Sonntag halte ich ebenfalls für unwahrscheinlich.
Wenn allerdings Webserver einer politischen Partei – noch dazu von einer für die das Netz das Hauptmedium darstellt – beschlagnahmt werden, dann wirft das schon Fragen auf.
Comment by Stadler — 20.05, 2011 @ 15:22
Der Zusammenhang besteht jedenfalls insoweit, als dass die Abschaltung die Wahl beeinflussen wird – ob im Sinne der Piraten oder nicht sei dahingestellt. Streisand-Effekt lässt grüßen.
Ob dieser Zusammenhang nun gezielt von irgendjemandem gewollt war oder nicht wird, auf beiden Seiten, pure Spekulation bleiben nehme ich an.
Ich habe nur persönlich die Erfahrung gemacht, dass Zufälle oft eben nur scheinbarer Natur sind. Meist fehlt es freilich am nötigen Hintergrundwissen, um den Schein auch hinreichend zu widerlegen.
Comment by mayleen — 20.05, 2011 @ 15:35
Die Frage die sich mir stellt ist die nach der Verhältnismäßigkeit. Wenn man sich über Google Docs koordiniert hätte – hätte die Polizei dann auch alle Server von Google gekappt?
Michael
Comment by Ike — 20.05, 2011 @ 15:36
@7
Sehe ich grundsätzlich ähnlich. Vorallem im Hinblick auf den im Blog erwähnten Art. 21 GG und den Wahlsonntag.
Aber, ob es tatsächlich erforderlich ist, die Server auszuschalten um die Beweise zu sichern beziehungsweise ob nicht auch einfach im laufenden Betrieb bei gleichem Ergebnis Kopien der nötigen Daten angefertigt werden konnten kann ich nicht beurteilen (kenne mich hier mit dem zugrundeliegenden Konzept des Piratenpads und der Serverstruktur nicht aus).
Darauf wird es aber wohl entscheidend ankommen.
Comment by mayleen — 20.05, 2011 @ 15:41
Im besagten Pad wurde nichts koordiniert sondern lediglich aufgezeigt wie man sich vor Zugriffen durch Ermittlungsbehörden generell schützt und was man besser nicht machen sollte.
Ein konkretes Angriffsziel geschweige eine DDOS wurde im besagten Pad nicht koordiniert.
Den Inhalt des Pads (im übrigen nur ein Safety-Pad von anonymous) kann man hier nachlesen:
https://docs.google.com/viewer?a=v&pid=explorer&chrome=true&srcid=1tLoczYi6I0Eo8Rh5l3mEqaBtYcdM7BiQI1BkpogRL5x9p1L4GSh_TppZx2BD&hl=en_US
Es gab zwar ein Ticket an die Bundes-IT zu dem Pad, aber offenbar teilte man die Einschätzung das solange dort nicht zu einer expliziten Straftat aufgerufen wird, der Inhalt legal ist und unter die Meinungs- und Redefreiheit gehört.
Comment by Simon Lange — 20.05, 2011 @ 15:52
Wegen eines Hilfeersuchens der Kollegen aus Frankreiche grad den Piraten die ganze SERVERLANDSCHAFT zu sperren und dann zu denken das könnte NICHT mit der Wahl zusammenhängen – naiver kann man nicht sein. Kann ja schließlich nicht nur 1 Server sein!
Das gleiche wie bei dem Struus-Kahn (oder wie man den schreibt) – kaum ist er zurückgetreten vom IWF, schwupps, kommt er am nächsten Tag frei.
Alles Zufälle aber auch dieser Tage!!!
Comment by Alex — 20.05, 2011 @ 16:05
Da waren die Internetausdrucker am Werk. Liest man öfters, dass wenn eine Maus geboren wurde, der ganze Berg abgetragen wird.
Ich hoffe mal, die Sache hat ein deutliches Nachspiel und Folgen für zukünftige Aktionen dieser Art (und den Veranlasser), sollte die Verhältnismäßigkeit nicht stimmen.
Comment by Frank — 20.05, 2011 @ 16:40
@9
Gibts das schon von offizieller Seite?
Sonderlich strafrechtlich relevant sieht mir das nicht aus. Sowas findet man in besseren (Linux)Foren/-wikis nämlich auch, nur dass die Wortwahl eine andere ist.
Das ist in etwa wie eine Anleitung mit dem Titel „Wie benutze ich eine Steinschleuder“.
Einzig könnte man in diesem Kontext unter Umständen annehmen, dass dieser Anleitung unterstellt wird, sie beschäftige sich damit, auf Menschen oder Sachen Dritter zu schießen.
Comment by mayleen — 20.05, 2011 @ 16:45
Wenn aufgrund dieser „Datenschutzanleitung“ (wie in den Google Docs) von Dritten die Internet-Infrastruktur einer Partei kurz vor einer Wahl abgebaut wird, dann riecht das sehr nach Staaten, auf die wir immer zeigen, wenn es dort bei Wahlen nicht nach Recht und Gesetz ausschaut.
Dann dürfte Paris und Dortmund in Erklärungsnot kommen, schätze ich.
Comment by Frank — 20.05, 2011 @ 16:50
Es stellt sich hier imho die Frage, ob die Bombenbauanleitung böse ist und jener der sie schreibt (aus welchem Zweck auch immer) oder aber am Ende doch nur derjenige, der die Bombe baut und entgegen des Rechts einsetzt?
Für alle weniger IT versierten: Die dort beschriebenen Dinge sind (in Deutschland; in Frankreich sieht es glaube ich mit Verschlüsselung im privaten Bereich anders aus) legal, soweit ich beurteilen kann.
Es geht da nur um Verschlüsselung, sicheres Löschen sowie Pseudonymisierung.
Wobei beispielsweise durch „When the police, FBI, CIA or some other bad guys ring at you door then put your external hard drive 30 seconds in the microwave“ doch irgendwie nahelegt, zu welchem Zweck die Anleitung wohl geschrieben worden sein könnte.
Aber im Lichte der Wahl und des GG finde ich das doch wenig befriedigend als alleinigen Grund.
Comment by mayleen — 20.05, 2011 @ 17:02
@13 „Never attack any website without …“ ist auch schon eher grenzwertig.
Comment by Ursula von den Laien — 20.05, 2011 @ 17:30
@14
Nur wenn man sagt, dass DDoS nicht nur ziviler Ungehorsam ist.
Ansonsten nicht unbedingt: Wenn nämlich eine Deutungsmöglichkeit offen bleibt die keinen Straftatbestand erfüllt, gilt in dubio pro reo eben diese.
Und selbst wenn ich die Straftat annehme, bleibt die Frage der Erforderlichkeit des Eingriffs in geschehenem Umfang immer noch bestehen.
Comment by mayleen — 20.05, 2011 @ 17:36
Bzgl. sensibler persönlicher Daten von Mitgliedern der Piraten (Mails etc.) könnte das Ganze natürlich ein Problem sein. Falls dem so ist, wird das massiv auf Polizei / Staatsanwaltschaft / Politik zurückfallen. Schliesslich gibt es genügend IT-Fachkräfte in der Partei um das Desaster technisch aufzuschlüsseln und öffentlich zu machen. Auf der anderen Seite ist das ein Geschenk des Himmels, derartige Publicity ist für die Piraten, gerade so kurz vor einer Landtagswahl, absolut unbezahlbar. Falls die Verfahrensweise politisch motiviert war, wird der Schuss für die Verantwortlichen umso mehr nach hinten los gehen. Das Thema hat bei entsprechender juristischer Aufarbeitung das Potential, die Partei bis zur wichtigen Berliner Wahl im Herbst breit in den Medien zu halten.
Comment by Emmy — 20.05, 2011 @ 18:06
Warum konnte man das noch nie bei der NPD ?
Comment by räusper — 20.05, 2011 @ 23:52
Danke für diesen Beitrag.
Mir persönlich ist die mediale Aufmerksamkeit über diesen unglaublichen Vorgang immer noch zu gering! Da müsste eigentlich mehr kommen…
Comment by Tim — 21.05, 2011 @ 00:02
http://piratenradio.offlinemode.org/Piratenradio_200511.ogg ← Am Ende der Sendung spricht der Anwalt der PIRATEN. Der meinte u.a., dass gemäß des Beschlusses gar kein Amtshilfeersuchen vorlag, sondern das erst kommen sollte…
Comment by Drizzt — 21.05, 2011 @ 15:46
………………….Zur Originalmeldung .Am Morgen des 20.Mai 2011 hat die Polizei in Folge eines franzosichen Ermittlungsersuchens eine Vielzahl an Servern der Piratenpartei Deutschland die bei der Firma AixIT in Offenbach gemietet sind beschlagnahmt..Dazu stellt der Bundesvorstand fest .Der Bundesvorstand der Piratenpartei Deutschland wird im Rahmen seiner gesetzlichen Verpflichtungen zur Aufklarung der durch die franzosischen Ermittlungsbehorden erhobenen Vorwurfe beitragen. Die Zugange zu technischen Infrastruktur der Piratenpartei sind aus diesem Grund so weit es den Ermittlungszielen dient zur Verfugung gestellt worden. Damit soll die zielgerichtete Suche nach einzelnen Daten ermoglicht werden..Gegenwartig geht der Bundesvorstand davon aus dass kein schuldhaftes Verhalten der Piratenpartei Deutschland vorliegt.
Comment by E. Keith Owens — 22.05, 2011 @ 14:53
Gab es mit der BKA denn einen Vertrag über Auftragsdatenverarbeitung oder ähnliches?
Kann man ausschließen, dass die gefundenen Daten der Partei-Mitglieder nicht anderweitig verwendet werden?
Oder wurden/werden die Daten gelöscht?
Wie ist das mit den Beamten: Wer hatte dort alles Zugriff auf die Daten? Waren die Server stets mit mindestens zwei Personen bewacht oder konnte jeder in der Zeit an die Server dran? Wurden die Server von einer Drittfirma überprüft? Gab es dann einen Vertrag über Auftragsdatenverarbeitung mit dieser Firma?
Wo ist die Transparenz, was genau mit den Servern geschah? Schließlich wurde nicht gegen die Partei ermittelt aber ihre Daten wurden beschlagnahmt.
usw.
Ich würde dem Staatsanwalt bzw. Richter und der BKA die Hölle heiß machen!
Oder gilt Datenschutz nur bei privaten Webseiten-Betreibern und dafür Verhältnismäßigkeit nicht?
Comment by Frank — 23.05, 2011 @ 11:01
Mir persönlich ist auch die mediale Aufmerksamkeit über diesen unglaublichen Vorgang immer noch zu gering! Da müsste eigentlich mehr kommen…
Comment by Korrektor — 19.11, 2019 @ 20:21