Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

16.6.12

USA: Haftung von Providern und Informationsmittlern befürchtet

Die Electronic Frontier Foundation (EFF) berichtet über eine Klage des Internet Archives gegen ein neues Gesetz des Staates Washington, durch das die sexuelle Ausbeutung Minderjähriger bekämpft werden soll. Das Internet Archive stört sich vor allen Dingen an folgender Formulierung des Gesetzes:

A person commits the offense of advertising commercial sexual abuse of a minor if he or she knowingly publishes, disseminates, or displays, or causes directly or indirectly, to be published, disseminated, or displayed, any advertisement for a commercial sex act, which is to take place in the state of Washington and that includes the depiction of a minor.

Die Unschärfe der Gesetzesformulierung lässt eine weitreichende Haftung von jedermann möglich erscheinen, der direkt oder indirekt die Veröffentlichung oder die Anzeige von Content verursacht, der sexuellen Kontakt mit Minderjährigen bewirbt. Das Internet Archive befürchtet deshalb, dass gerade Informationsmittler wie Internet-Service-Provider, Internet-Cafes oder Bibliotheken von dem Gesetz betroffen sein werden. Das Internet Archive stützt seine Klage auf amerikanisches Bundesrecht, insbesondere auf die Meinungs- und Informationsfreiheit.

Der Versuch, Informationsmittler und technische Dienstleister für fremde Inhalte verantwortlich zu machen, ist also keineswegs ein deutsches oder europäisches Phänomen.

posted by Stadler at 15:22  

15.6.12

Die Europäische Beobachtungsstelle für Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums

Die EU hat mit Verordnung vom 19.04.2012 beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM) eine „Europäische Beobachtungsstelle für Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums“ geschaffen.

Auch wenn der Aufgaben- und Tätigkeitsbereich dieser neuen Behörde in Teilen sinnvoll erscheint, irritiert mich einmal mehr die Einseitigkeit des Ausgangspunkts.

In den Erwägungsgründen heißt es u.a.:

Die stetige Zunahme der Zahl der Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums stellt eine ernsthafte Bedrohung nicht nur für die Wirtschaft der Union, sondern in vielen Fällen auch für die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher in der Union dar. Eine erfolgreiche Bekämpfung dieses Phänomens erfordert daher wirksame, sofortige und koordinierte Maßnahmen auf nationaler, europäischer und globaler Ebene.

Die entgegengesetzte Möglichkeit, nämlich, dass gerade Monopolrechte wie Patente die Gesundheit von Menschen gefährden und gewerbliche Schutzrechte und das Urheberrecht – in seiner jetzigen Ausgestaltung – auch wirtschaftshemmend wirken könnten, wird noch nicht einmal in Betracht gezogen.

Was mir hier außerdem fehlt, ist die Orientierung am Gemeinwohl, mithin an den Interessen der Bürger. Die Aussage, dass die Verletzung gewerblicher Schutzrechte die Sicherheit (!) der Verbraucher gefährdet, macht in einem Satz das ganze Ausmaß der Schieflage dieser Betrachtungsweise deutlich.

Die Institutionen der EU, allen voran Kommission und Rat, nehmen gerade wenn es um Immaterialgüterrechte geht, eine Haltung ein, die durch den Lobbyismus großer, global agierender Konzerne geprägt ist. Einmal mehr wird hier außerdem deutlich, dass der Bürger in Brüssel eindimensional auf seine Rolle als Verbraucher reduziert wird.

Die EU ist eine großartige Idee, aber in ihren Institutionen scheint der Kleinmut und der Kleingeist zu regieren.

posted by Stadler at 14:06  

14.6.12

Kurzanalyse des Gesetzesentwurfs zum Leistungsschutzrecht

Der Referentenentwurf des BMJ zur Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseerzeugnisse liegt nunmehr vor. Dieser sieht die Einführung eines neuen § 87f UrhG vor, der wie folgt lauten soll:

Presseverleger
(1) Der Hersteller eines Presseerzeugnisses (Presseverleger) hat das ausschließliche Recht, das Presseerzeugnis oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen. Ist das Presseerzeugnis in einem Unternehmen hergestellt worden, so gilt der Inhaber des Unternehmens als Hersteller.
(2) Ein Presseerzeugnis ist die redaktionell-technische Festlegung journalistischer Beiträge im Rahmen einer unter einem Titel auf beliebigen Trägern periodisch veröffentlichten Sammlung, die bei Würdigung der Gesamtumstände als überwiegend verlagstypisch anzusehen ist und die nicht überwiegend der Eigenwerbung dient. Journalistische Beiträge sind insbesondere Artikel und Abbildungen, die der Informationsvermittlung, Meinungsbildung oder Unterhaltung dienen.

Gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag der Verlage sind einige Einschränkungen erkennbar. Nach dem aktuellen Entwurf ist vom Schutz nur das öffentliche Zugänglichmachen zu gewerblichen Zwecken umfasst. Das Leistungsschutzrecht wird damit auf Internetsachverhalte beschränkt. Die Beschränkung auf gewerbliche Zwecke soll offenbar dazu dienen, Hobbyblogger auszunehmen. Die Gesetzesbegründung erläuert allerdings, dass ein Blogger, der sich in seinem Blog mit seinem beruflichen Schwerpunktthema auseinandersetzt, ebenfalls zu gewerblichen Zwecken handelt, wenn er Presseerzeugnisse nutzt. Der Jounalist oder Jurist der also nebenher zu seinem hauptberuflichen Themenkreis bloggt, handelt nach dieser Lesart ebenfalls schon gewerblich.

Die ursprüngliche Idee der Schaffung eines Vergütungsanspruchs, der von einer Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden sollte, ist ebenfalls nicht mehr im Entwurf erhalten. Das bedeutet aber auch, dass der aktuelle Vorschlag keinerlei Vergütungsanspruch normiert, sondern nur auf die vorhandenen Instrumente des Unterlassungs- und Schadensersatzanspruchs Bezug nimmt.

Die spannendste Frage ist allerdings die, unter welchen Voraussetzungen ein Verstoß gegen das Leistungsschutzrecht gegeben ist und ob das Leistungsschutzrecht überhaupt weiter reicht, als das Urheberrecht/Nutzungsrecht an den journalistischen Texten selbst.

Der Gesetzesvorschlag spricht vom öffentlichen Zugänglichmachen des Presseerzeugnisses oder Teilen davon. Insoweit ist besonders interessant, dass die Gesetzesbegründung auf die BGH-Entscheidung „Metall-auf-Metall“ Bezug nimmt, die zum Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers ergangen ist. Damit will man ersichtlich die sog. „Snippets“ erfassen.

Das Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers umfasst selbst “kleinste Tonfetzen”, wie der BGH in der Metall-auf-Metall-Entscheidung wörtlich ausgeführt hat. Übertragen auf ein Leistungsschutzrecht für Verlagsprodukte würde dies bedeuten, dass auch kleinste Textbestandteile, sogar einzelne Wörter, vom Schutz umfasst wären. Das beinhaltet dann allerdings die Gefahr, dass ein solches Leistungsschutzrecht zu einem Schutz der Information und der Sprache selbst führen würde, worauf u.a. die Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR) hingewiesen hat, die keinesfalls im Verdacht steht, urheberrechtsfeindlich zu agieren.

Das geplante Leistungsschutzrecht betrifft also keineswegs nur Dienste wie Google-News, sondern zunächst auch sämtliche Suchmaschinentreffer, die auf „Presseerzeugnisse“ verweisen, weil bei dieser engen Auslegung selbst das Einlesen des Titels eines Artikels schon einen Verstoß darstellt. Suchmaschinen dürfen damit keine Presseartikel mehr indexieren. Ich bin gespannt, wie die Verlage reagieren werden, wenn Google diese Konsequenz tatsächlich zieht.

Auch die Möglichkeit Links zu setzen, wird meines Erachtens durch den Entwurf beeinträchtigt. Davon, dass der Gesetzesentwurf unter Verweis auf die Paperboy-Entscheidung des BGH ausdrücklich darauf verweist, dass die bloße Verlinkung nicht betroffen sei, sollte man sich nicht täuschen lassen. Der Hyperlink als solcher begründet nach dieser Rechtsprechung zwar kein öffentliches Zugänglichmachen des verlinkten Werkes. Allerdings darf man im Linktext selbst dann keinesfalls mehr auch nur die Überschrift des Presseartikels verwenden, weil man damit bereits einen kleinen Fetzen des Presserzeugnisses öffentlich zugänglich gemacht und damit gegen das Leistungsschutzrecht verstößt.

Der Entwurf lässt leider auch eine tragfähige Begründung der Notwendigkeit dieses Leistungsschutzrechts vermissen.

Update:
Udo Vetter hat ebenfalls zum Thema gebloggt und befürchtet neue Abmahnwellen, die sich vor allen Dingen gegen Blogger und Nutzer sozialer Medien richten könnten. Und diese Befürchtung ist keineswegs abwegig. Denn wenn ich künftig die Überschrift eines Presseartikels twitterte, würde, sofern man mir einen gewerblichen Zweck unterstellt, ein  Verstoß gegen das geplante Leistungsschutzrecht vorliegen.

Update vom 15.06.2012:
Till Kreutzer bietet eine lesenswerte, ausführliche rechtspolitische Analyse des Vorhabens.

posted by Stadler at 16:20  

13.6.12

Landgericht Berlin: Filmen verboten

Was falsche BGH-Entscheidungen anrichten, wenn sie dann auch noch von Instanzgerichten exzessiv ausgelegt werden, zeigt eine aktuelle Entscheidung des Landgerichts Berlin (Urteil vom 10.05.2012, Az.: 16 O 199/11), durch die das Filmen in Berliner U-Bahnhöfen untersagt wird,  mit der Begründung, dass dadurch das Eigentumsrecht der Berliner Verkehrsbetriebe verletzt würde.

Selbst wenn man in derartigen Fällen eine Eigentumsverletzung in Betracht zieht, kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich der Filmende im öffentlichen Raum bewegt und sich zudem auf das Grundrecht aus Art. 5 GG – hier: Kunst- und Meinungsfreiheit – berufen kann. Die Güterabwägung, die das Landgericht insoweit vornimmt, beschränkt sich auf die Aussage, dass sich die Kunstfreiheit von vornherein nicht auf die eigenmächtige Beeinträchtigung fremden Eigentums erstrecken würde.

Die Entscheidung des BVerfG auf die sich das Landgericht Berlin bezieht, betrifft einen Fall, in dem eine unmittelbare Substanzbeeinträchtigung in Form einer Sachbeschädigung gegeben war.

Das dürfte auf Fälle, in denen eine Substanzbeeinträchtigung nicht stattfindet, weil beispielsweise nur in einem öffentlich frei zugänglichen Bereich gefilmt wird, kaum übertragbar sein. Hinzu kommt, dass die Berliner Verkehrsbetiebe ein öffentlich-rechtliches Unternehmen sind, das selbst der Grundrechtsbindung unterliegt. Es erscheint mir deshalb eher naheliegend, wertungsmäßig auf eine Abwägung zurückzugreifen, wie sie das BVerfG in der Fraport-Entscheidung vorgenommen hat. Dort wurde der Versammmlungsfreiheit nämlich auch Vorrang vor dem Haus- und Eigentumsrecht der Flughafengesellschaft eingeräumt. Ebenso wenig, wie der Frankfurter Flughafen ein generelles Hausverbot gegenüber Demonstranten aussprechen darf, kann es einem Unternehmen des öffentlichen Rechts gestattet sein, ein Verbot der Anfertigung von Filmaufnahmen in einem öffentlich zugänglichen Bereich ohne weiteres auf das Hausrecht bzw. das Eigentumsrechts zu stützen.

Die Auslegung des Landgerichts Berlin – wie auch die des BGH – wird der der Bedeutung und Tragweite des Grundrechts aus Art. 5 GG nicht ansatzweise gerecht. Die Entscheidung des Landgerichts führt zu Ende gedacht letztlich dazu, dass weder Rundfunk noch Presse im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs überhaupt noch Film- oder Fotoaufnahmen anfertigen dürfen, weil das Eigentums- und Hausrecht der Verkehrsbetriebe dem generell im Wege stehen würde.

Diese Rechtsprechung schreit förmlich nach einer Korrektur durch das Bundesverfassungsgericht.

posted by Stadler at 17:18  

13.6.12

Streit um Domain schuhbeck.com: Fernsehkoch nimmt Klage zurück

Über den Rechtsstreit des Fernsehkochs Alfons Schuhbeck, der seinen Namensvetter Sebastian Schuhbeck auf Unterlassung der Nutzung der Domain „schuhbeck.com“ vor dem Landgericht München I in Anspruch genommen hatte, habe ich hier bereits mehrfach berichtet.

Der Starkoch hat wohl mittlerweile ebenfalls erkannt, dass seine Prozessaussichten alles andere als gut sind und hat seine Klage zurückgenommen, wie der Beklagte und die Abendzeitung berichten, wohl um der zu erwartenden Klageabweisung zu entgehen.

posted by Stadler at 11:56  

13.6.12

Unverhältnismäßige Beschlagnahme von Festplatten

Das Amtsgericht Reutlingen hatte mit Beschluss vom 30.11.2011 die Beschlagnahme von vier Festplatten des Beschuldigten angeordnet. Die Festplatten wurden von der Polizei dann auch sogleich beschlagnahmt und mitgenommen.

Bereits mit Beschluss vom 05.12.2011 hat das Amtsgericht Reutlingen, auf Beschwerde des Beschuldigten hin, seinen eigenen Beschluss wieder aufgehoben und die Herausgabe der Festplatten an den Beschuldigten verfügt.

Die Begründung des Ermittlungsrichters ist innovativ und im Lichte des verfassungsrechtlichen Gebots der Verhältnismäßigkeit äußerst begrüßenswert.

Zur Begründung wird nämlich ausgeführt, dass, sofern eine forensische Datensicherung vor Ort nicht möglich ist, eine Mitnahme beschlagnahmter Datenträger (Festplatten) nur in engen Grenzen als verhältnismäßig anzusehen ist. Die Polizei/Staatsanwaltschaft muss die beweissichere Anfertigung von 1:1 Kopien beschlagnahmter Datenträger dann jedenfalls unverzüglich nachholen. Wenn dies nicht umgehend – hier innerhalb von drei Werktagen – geschieht, so ist die Fortdauer einer solchen Beschlagnahme nicht mehr verhältnismäßig.

Bei vielen Staatsanwaltschaften hat sich leider die nicht hinnehmbare Praxis etabliert, beschlagnahmte Datenträger und zum Teil komplette Rechner oft monatelang liegen zu lassen, bevor überhaupt eine forensische Untersuchung der Festplatten erfolgt. Begründet wird dies regelmäßig mit Personalmangel. Diese Praxis ist meines Erachtens als unverhältnismäßig anzusehen, wurde aber von den Gerichten, soweit ersichtlich, bislang noch nie beanstandet. Man kann deshalb nur hoffen, dass dieser mutige ermittlungsrichterliche Beschluss Schule macht.

posted by Stadler at 10:40  

12.6.12

Diskussion über bezahlte Suchergebnisse

In den USA wird gerade über angeblich bezahlte Suchergebnisse bei Google, Microsoft, Yahoo und anderen diskutiert, die nicht als Werbung gekennzeichnet sind. Der Journalist Danny Sullivan hat sich in einem offenen Brief an die US Federal Trade Commission (FTC) gewandt und ein Einschreiten gefordert.

Nach deutschem Recht sind bezahlte Suchergebnisse, ebenso wie bezahlte Links in redaktionellen Beiträgen, die nicht eindeutig als Werbung gekennzeichnet werden und zudem nicht deutlich vom sonstigen Inhalt getrennt sind, ebenfalls unzulässig und rechtswidrig.

Eine derartige Praxis verstößt einerseits gegen das für Telemedien geltende Trennungsgebot und stellt andererseits eine sog. verdeckte Werbung (Schleichwerbung) dar, die gegen § 6 Abs. 1 TMG verstößt und nach §§ 3, 4 Nr. 3 UWG wettbewerbswidrig ist.

 

posted by Stadler at 12:09  

11.6.12

Wettbewerbswidriges Abwerben von Mitarbeitern über XING

Das Landgericht Heidelberg hat entschieden (Urteil vom 23.5.2012; Az.: 1 S 58/11), dass sich derjenige, der über die Business-Plattform XING Mitarbeiter eines Konkurrenzunternehmens anschreibt, wettbewerbswidrig verhalten kann.

Die genauere Lektüre des Urteils zeigt allerdings, dass der Wettbewerbsverstoß gerade daraus resultiert, dass der Versuch der Abwerbung von Mitarbeiten im konreten Fall mit abwertenden Äußerungen über den Mitbewerber verbunden war. Im Urteil des LG Heidelberg heißt es hierzu:

Die Abwerbung von Mitarbeitern ist zwar grundsätzlich zulässig, nicht aber, wenn wettbewerbsrechtlich unlautere Begleitumstände hinzukommen wie z. B. herabsetzende Äußerungen über den bisherigen Arbeitgeber (Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 4 Rn. 10.104; Küttner, Personalhandbuch, Kap. 3 Rn. 4). Da hier die Kontaktaufnahme mit den Mitarbeitern der Klägerin mit unzulässigen herabsetzenden Äußerungen verbunden wurde, liegt eine wettbewerbswidrige Abwerbung vor.

Wer also schon versucht, Mitarbeiter eines Konkurrenten über soziale Netze abzuwerben, der sollte es tunlichst vermeiden, den Mitbewerber dabei auch noch schlecht zu machen.

Die Begründung des Landgerichts Heidelberg ist allerdings durchaus diskutabel und überzeugt mich letztlich nicht. Denn, ob bereits Äußerungen wie „Sie wissen ja hoffentlich, was Sie sich da angetan haben?“ und „Sie wissen ja hoffentlich, in was für einem Unternehmen Sie gelandet sind?“ ausreichend sind, um eine Absicht der Mitbewerberbehinderung anzunehmen, kann man durchaus bezweifeln. Ob es sich außerdem um ein herabsetzendes Werturteil handelt, das zu einem Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 7 UWG führt, kann man m.E. ebenfalls diskutieren, zumal die Rechtsprechung in letzter Zeit dazu neigt, die Bedeutung der Meinungsfreiheit auch innerhalb des Wettbewerbsverhältnisses stärker zu betonen. Das Landgericht hätte jedenfalls auch in diesem Fall eine Güterabwägung unter Beachtung des Gesamtkontexts vornehmen müssen.

posted by Stadler at 11:03  

10.6.12

Leutheusser-Schnarrenberger will ACTA ohne urheberrechtlichen Teil in Kraft setzen

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger will das umstrittene Handelsabkommen ACTA offenbar in einer reduzierten Form verabschieden und in Kraft setzen, wie der SPIEGEL meldet. Die Ministerin schlägt vor, den urheberrechtlichen Teil des Abkommens auszuklammern. Wie das ohne Neuverhandlung des Abkommens möglich sein soll, erschließt sich mir bislang allerdings nicht, denn die Mitgliedsstaaten können ein solches völkerrechtliches Abkommen ja grundsätzlich nur insgesamt oder gar nicht in Kraft setzen.

Abgesehen davon ist ACTA nicht nur wegen seiner urheberrechtlichen Regelungen kritikwürdig, sondern weil es einerseits – wie viele andere völkerrechtlichen Verträge auch – in einem intransparenten und demokratisch fragwürdigen Verfahren zustande gekommen ist und andererseits eine generelle Weichenstellung auf dem Gebiet des geistigen Eigentums verfestigt, die man zu recht als verfehlt kritisieren kann.

In der Vorabmeldung des SPIEGEL wird Leutheusser-Schnarrenberger außerdem mit den Worten zitiert:

„Wir wollen zum Beispiel die Möglichkeiten für Rechteinhaber erleichtern, an die Mail-Adressen von illegalen Downloadern zu kommen, um ihre Ansprüche geltend zu machen“

Und das klingt bedenklich, denn diese Aussage deutet eine nochmalige Ausweitung des urheberrechtlichen Auskunftsanspruchs gegen Zugangsprovider nach § 101 UrhG an.  Oder will die Justizministerin damit gar auf ein Two- bzw. Three-Strikes-Warnmodell hinaus? Ein solches Warnhinweismodell wird im von Leutheusser-Schnarrenbergers Parteikollegen Rösler geleiteten Bundeswirtschaftsministerium schließlich bereits vorbereitet.

posted by Stadler at 14:42  

7.6.12

Die Schufa macht, was sie immer gemacht hat

Meine Timeline bei Twitter echauffiert sich gerade (wieder einmal) über die Schufa, seit bekannt wurde, dass das Unternehmen ihre Datenbestände jetzt auch um Informationen erweitern will, die aus dem Internet stammen. Der NDR meldet, dass die Schufa zusammen mit dem Hasso-Plattner-Institut plant, Daten von Nutzern aus sozialen Netzwerken und verschiedensten Onlinequellen zu erheben und mit den bestehenden Schufa-Daten zu kombinieren.

Die mediale Empörungsmaschinerie, an deren Spitze man fast erwartungsgemäß u.a. Thilo Weichert und die „Digitale Gesellschaft“ findet, läuft angesichts dieser Meldung gerade auf Hochtouren.

Dass die Schufa aus allgemein zugänglichen Quellen Informationen sammeln möchte, ist allerdings derart naheliegend, dass die Aufregung schon etwas erstaunt. Und auch wenn es den ein oder anderen überraschen mag, die Schufa darf das grundsätzlich auch. Denn die Erhebung und Speicherung personenbezogener Daten zum Zwecke der Übermittlung ist nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 BDSG u.a. dann zulässig, wenn die Daten aus allgemein zugänglichen Quellen stammen. Unter den Voraussetzung des § 28b BDSG dürfen diese Daten dann auch für Scoring-Verfahren verwendet werden. Das deutsche Datenschutzrecht sieht also längst vor, dass Auskunfteien wie die Schufa auch im Netz Daten sammeln können, weshalb die künstliche Aufregung von Leuten wie Weichert einmal mehr nur politisch erklärbar ist.

Worin ich das eigentlich größte Problem sehe, ist die Frage, wie die Schufa die Authentizität der Daten gewährleisten will. Denn im Netz kursieren viele falsche Informationen, die Echtheit bzw. eindeutige Personifizierbarkeit von Profilen ist nicht ohne weiteres zu gewährleisten.

Ansonsten dürfte das Vorhaben der Schufa mit geltendem Datenschutzrecht vereinbar sein. Wer hier also einen Skandal wittert, der muss vom Gesetzgeber verlangen, Auskunfteien wie die Schufa entweder abzuschaffen oder gesetzlich deutlich weiter zu beschränken als bisher. Insoweit sollte man aber berücksichtigen, dass es trotz aller Kritik, die man berechtigterweise an der Schufa üben kann, grundsätzlich auch ein nachvollziehbares Bedürfnis dafür gibt, eine Einschätzung der Kreditwürdigkeit und wirtschaftlichen Zuverlässigkeit seines Vertragspartners zu erhalten. Hierauf weist Thomas Knüwer in seinem Blog zu Recht hin.

Die von Kris Köhntopp vertretene Ansicht, dass die Schufa im Falle des Erfolgs des Projekts mit dem HPI künftig ohne Einkommen wäre, vermag ich übrigens nicht zu teilen. Denn die Schufa bekommt ihre Daten derzeit überwiegend von ihren Mitgliedern und diese Daten sind eben gerade nicht öffentlich verfügbar und nicht durch allgemein zugängliche Daten substituierbar. Es handelt sich u.a. um Daten bezüglich abgeschlossener Darlehensverträge und Ratenzahlungsgeschäfte. Wenn die Schufa diese Daten nunmehr mit im Netz verfügbaren Daten kombiniert, erweitert sie nur ihren Datenbestand, aber macht sich nicht selbst überflüssig. Denn die spezifischen Daten, die sie von ihren Mitgliedern erhält, werden auch in Zukunft nicht im Netz zu finden sein.

Update:
Nur zur Klarstellung sei angemerkt, dass wir natürlich noch nicht so ganz genau wissen was die Schufa vor hat – möglicherweise weiß sie das selbst noch nicht genau – weshalb sich über unterschiedliche Sachverhaltsvarianten trefflich spekulieren lässt. Meine Ausführungen bezogen sich auf im Internet allgemein – d.h. grundsätzlich für jedermann – zugängliche Daten. Sollte sich die Schufa, auf welchem Weg auch immer, Daten verschaffen, die nur einem eingeschränkten Personenkreis zugänglich sind, dann wäre das natürlich nicht von der Vorschrift des § 29 BDSG gedeckt. Mittlerweile hat die Schufa laut SPON zumindest aber auch erklärt, dass sich die Pläne nur auf allgemein zugängliche Daten beziehen. Alles andere hätte mich ernstlich verwundert.

Ansonsten sollte niemand darüber erstaunt sein, dass die Schufa die Möglichkeiten auslotet, die ihr das Gesetz bietet. Wenn man jetzt bei SPON liest „Minister wollen Facebook-Schnüffelei stoppen„, dann ist das wiederum nur Ausdruck einer politischen Verlogenheit die man häufig antrifft. Denn es ist gerade die Politik, die diejenigen gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen hat, die die Schufa jetzt für sich nutzen möchte. Wenn man schon empört ist, dann sollte diese Empörung doch in erster Linie der Politik gelten, die wieder einmal versucht, von sich selbst abzulenken.

 

posted by Stadler at 14:05  
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