Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

30.6.12

Haftungsprivileg für (offene) W-LANs?

Der Verein „Digitale Gesellschaft“ möchte die Haftung der Betreiber privater und gewerblicher W-LAN-Netze durch eine gesetzliche Ergänzung von § 8 Telemediengesetz (TMG) für Rechtsverletzungen durch Dritte ausschließen. Udo Vetter hat das Vorhaben in seinem Blog zustimmend kommentiert. Ähnliche Vorschläge gibt es derzeit aus den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen, die über den Bundesrat die Störerhaftung von W-LAN-Betreibern einschränken wollen. Den Anlass dieser Initiativen liefert ein fragwürdiges Urteil des BGH, in dem faktisch eine Rechtspflicht zur Verschlüsselung von W-LAN-Routern konstituiert worden ist.

Die „Digitale Gesellschaft“ hat einen ausformulierten Gesetzesvorschlag vorgestellt, der folgende Ergänzung von § 8 TMG vorsieht:

(3) Der Ausschluss der Verantwortlichkeit (Absatz 1) umfasst auch gewerbliche und nichtgewerbliche Betreiber von Funknetzwerken, die sich an einen nicht im Voraus namentlich bestimmten Nutzerkreis richten (öffentliche Funknetzwerke).

(4) Der Ausschluss der Verantwortlichkeit (Absatz 1) umfasst auch Ansprüche auf Unterlassung.

Der Vorschlag weist aus meiner Sicht in die richtige Richtung, wenngleich er in dieser Form kaum Aussichten auf eine Umsetzung haben dürfte. Auch wenn ich den Vorstoß außerordentlich begrüße, kann ich mir zwei kritische Anmerkungen nicht verkneifen.

Der BGH geht davon aus, dass die Haftungsprivilegien der §§ 8-10 TMG Unterlassungsansprüche nicht erfassen, sondern in diesen Fällen generell auf die Grundsätze der Störerhaftung zurückzugreifen ist. Insoweit erscheint es mir nicht sinnvoll, nur für Access-Provider klarzustellen, dass die Haftungserleichterung auch für Unterlassungsansprüche gilt, weil dies im Gegenzug ja bedeutet, dass es in Fällen des Hostings und des Cachings bei diesem Ausschluss verbleibt.

Man kann sich außerdem die Frage stellen, ob der Wortlaut tatsächlich ganz allgemein die Betreiber privater W-LAN-Router umfasst. Denn die gewählte Formulierung deutet darauf hin, dass nur derjenige in den Genuss der Haftungsprivilegierung kommen soll, der sein W-LAN gezielt für die Allgemeinheit öffnet. Das erscheint mir aber letztlich zu eng, denn warum sollte derjenige, der aus Nachlässigkeit oder anderen Gründen sein W-LAN nicht verschlüsselt, schlechter stehen, als derjenige, der sein privates Netz gezielt für Andere öffnet?

 

posted by Stadler at 22:20  

5 Comments

  1. Auch die Einschränkung auf Funknetzwerke scheint mir unnötig. Ob ich meinen Gästen WLAN oder ein LAN-Kabel anbiete sollte für Haftungsfragen eigentlich keinen Unterschied machen.

    Comment by Maik — 30.06, 2012 @ 23:29

  2. Dazu hätte ich mal folgende Frage, über die ich mir gerade Gedanken gemacht habe: Ich bzw. meine GmbH betriebt verschiedene Webhosting-Dienste. Wenn ich nun ein offenes WLAN hier aufsetze, und den Traffic über eine meiner Webhosting-IPs raus-tunnelle wird das wie Benutzer meines Webhosting-Services erscheinen. Welche Haftung trifft mich in diesem Fall? Obwohl ich bereits ca. 10 Jahre im Webhosting-Geschäfts tätig bin hatte ich da noch nie einen Fall der Filesharing-Abmahnung. Wird das dort anders behandelt werden als bei Privatpersonen?

    Comment by Phillipp — 1.07, 2012 @ 00:25

  3. Betreibt zu dem Thema eigentlich jemand international vergleichende Forschung? In New York bin ich fassungslos angesehen worden, als ich die deutschnationale Sonderbehandlung der Bürger beim WLAN erklärte.

    Dem Freifunk-Verein ist jetzt auch der Kragen geplatzt, nachdem sie jahrelang (!) vergeblich versucht haben mit verschiedenen Berliner Senaten vorwärts zu kommen. Dort nutzt man jetzt Tunnel ins freie Ausland, um der deutschnationalen Sonderbehandlung zu entgehen:

    http://freifunkstattangst.de/2012/06/14/aktion-gegen-storerhaftung-anonym-im-wlan-an-offentlichen-platzen-mit-freifunk/

    Vor ein paar Jahren haben ich mit denen Tunnel über Slowenien diskutiert, dieses Jahr steht wohl Schweden diskutiert. Mich irritiert vollständig, dass es hier ein deutschnationale Baustelle gibt, wo deutsche Bürger (und Ausländer) auf deutschem Grund deutlich schlechter gestellt werden als Bürger in anderen Staaten. Wo liegt der Grund für diese deutschnationale Verachtung und Behinderung des des Internets?

    Die Initiative der Justizministerkonferenz zu dem Thema grenzt m.E. an Dreistigkeit:
    http://www.hansjoerg-schmidt.de/mywp/2012/06/20/justizministerkonferenz-beschliest-initiative-zur-storerhaftung/

    Dreist beschließen die Justizminister, dass man Vorkehrungen treffen müsse, die gesetzlich geregelt werden müsste, ohne dass man die Notwendigkeit herleitet oder auch nur im Geringsten sich mal international umsieht. Man suhlt sich im deutschnationalen Sumpf, um den Bürgern das Leben schwer zu machen. Sind denn die Ausländer alle bescheuert, dass die den Mist wie wir nicht haben? Mir geht diese Weltfremdheit und Auslandsfeindlichkeit zunehmend auf den Senkel.

    Comment by Wolfgang Ksoll — 1.07, 2012 @ 00:54

  4. @3. Inhaltlich teile ich ja Ihre Ansicht. Aber auf einen Hinweis kann ich nicht verzichten: wenn man in einem Blog-Kommentar viermal das Wort „deutschnational“ verwendet, dann sollte man auch wissen, was damit eigentlich gemeint ist.

    Comment by Oliver — 2.07, 2012 @ 09:23

  5. @Oliver
    Ich kann mit der veröffentlichten Deutung meines deutschnationalen Begriffes gut leben, wie sie der Duden schon der deutschen Sprache zugehörig erfasst hat:
    „eine extrem nationalistische, [angebliche] deutsche Interessen in den Vordergrund stellende, politische Einstellung betreffend, aufweisend“
    http://www.duden.de/rechtschreibung/deutschnational

    Eine nur nationale Sichtweise ist in einem globalen Kommunikationsmedium, in einer globalen Welt weltfremd.

    Comment by Wolfgang Ksoll — 2.07, 2012 @ 09:50

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