Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

7.9.11

Die tatsächliche Speicherpraxis der Telefon- und Internetanbieter

In der heutigen Tagespresse wird darüber berichtet, dass Telefonanbieter Daten ihrer Kunden deutlich länger speichern würden, als bisher bekannt. Dies ergäbe sich, so z.B. die Berliner Zeitung, aus einer vertraulichen Aufstellung der Generalstaatsanwaltschaft München. Diese Aufstellung, die mir ebenfalls vorliegt, nennt sich „Leitfaden zum Datenzugriff“ und stammt vom Juni 2011, ist also relativ aktuell. Dieser Leitfaden dient der Information von Staatsanwaltschaften. Dort enthalten ist neben einer ausführlichen Darstellung der Befugnisse im Bereich der TK-Überwachung u.a. auch eine ausführliche Übersicht über die Speicherpraxis von Telefonabietern und Providern, die ich hier in Auszügen wiedergeben möchte. An der einen oder anderen Stelle ist man doch erstaunt, wie lange tatsächlich gespeichert wird. Von den großen Anbietern speichert u.a. Vodafone bedenklich lange, kleinere bzw. regionale Anbieter wie Hanse-Net oder M-Net können dies allerdings noch toppen.

 

Übersicht rückwirkende Verkehrsdaten der Netzbetreiber

T-Mobile D1
1 – 30 Tage: Alle Verkehrsdaten liegen vollständig vor
31 – 180 Tage:
– T-Mobile-Rufnummern: 80 Tage abgehend
– Prepaidkunden: 180 Tage
– Serviceprovider: 180 Tage

Vodafone (D2) Mobilfunkbereich
1- 7 Tage: Alle Verkehrsdaten liegen vollständig vor (inkl. IMSI-IMEI-Geo-Daten)
30 Tage: Alle gebührenpflichtigen ankommenden und alle abgehenden Verkehrsdaten liegen vollständig vor (inkl. IMSI, IMEI, Geo-Daten)
31 – 80 Tage: IMEI-Kennungen können bis zu diesem Zeitpunkt vollständig beauskunftet werden
81 – 180 Tage: Alle noch gespeicherten Verkehrsdaten liegen ohne IMEI, IMSI, Geo-Daten vor, mit der Folge, dass die abgehenden Daten zu IMEI-Kennungen ab diesemZeitpunkt nicht mehr festgestellt werden können.

Vodafone Festnetzbereich (Integration von Arcor)
92 Tage: Alle Verkehrsdaten liegen vollständig vor

E-Plus
90 Tage: Alle Verkehrsdaten liegen vollständig vor

Telefonica O2
1 – 7 Tage: Alle Verkehrsdaten liegen vollständig vor
8 – 30 Tage: Es liegen nur noch abrechnungsrelevante Daten vor. Eingehende Anrufe liegen nur vor, sofern sie von einem Fremdnetz kamen; rkehrsdaten von Serviceprovidern liegen vor

Deutsche Telekom AG (DTAG)
0 Tage: Ankommende Verkehrsdaten werden nicht gespeichert
3 Tage: Abgehende Verkehrsdaten liegen vollständig vor (auch Flatrate)
4 – 80 Tage: Speicherung ist abhängig vom Kundenwunsch.

HanseNet
180 Tage: Alle Verkehrsdaten liegen vollständig vor

M-Net
180 Tage: Alle Verkehrsdaten liegen vollständig vor

BT Germany
180 Tage: netzübergreifend beide Richtungen, ankommende Verbindungen können unvollständig sein

 

Übersicht Funkzellendaten der Netzbetreiber

T-Mobile D1
30 Tage (kommend) 30 Tage (gehend), Telefonie und SMS vollständig

Vodafone (D2)
7 Tage (kommend) 80 Tage (gehend), Telefonie und SMS vollständig

E-Plus
90 Tage (kommend) 90 Tage (gehend), Telefonie und SMS vollständig

Telefonica O2
7 Tage (kommend) 30 – 182 Tage (gehend), Telefonie und SMS vollständig

 

Übersicht Speicherfristen IP-Adressen Diensteanbieter

Web.de
30 Tage

1 & 1
60 Tage

GMX
Daten werden beim nächsten Login überschrieben

 

Übersicht Speicherfristen IP-Adressen Netzbetreiber

Freenet
Keine Speicherung

1 & 1
60 Tage (Non-Access-Provider; als VoIP Anbieter)

Kabel Deutschland
Keine Speicherung, bei aktuellem Login IP-Adressen Feststellung möglich; aber hoher technischer Aufwand

Net Cologne
4 Tage

Versatel Deutschland
3 Tage

posted by Stadler at 17:30  

8 Comments

  1. “Leitfaden zum Datenzugriff”

    Zum Zusammenhang:

    Es ist jedoch eine nicht zu ignorierende Realität, daß eben auf diese, allein aus technischen Gründen bei einigen Dienstleistern vorgehaltenen Daten zugegriffen wird, wenn straf- oder zivilrechtlich eine Auskunft verlangt wird. Allein die Deutsche Telekom hat im Jahr 2010 die von ihr erfaßten IP-Zuordnungen dazu genutzt, um 2,4 Mio. Auskünfte über ihre Kunden an angebliche Inhaber von Urheberrechten zu erteilen (§ 101 UrhG) und weitere 21.000 Auskünfte an Polizei- und Strafverfolgungsbehörden sowie Geheimdienste (§ 113 TKG).

    http://blog.delegibus.com/2011/04/18/das-internetrecht-opfer-einer-juristischen-scheuklappentechnik/

    Dazu anhängiges Verfahren beim OLG Frankfurt – 13 U 105/07.

    Comment by Oliver García — 7.09, 2011 @ 18:02

  2. Wo ist Thilo Weichert? Ist der mit seinem Antiamerikanismus-Feldzug der organisierten Verantwortungslosigkeit so beschäftigt, das er für die Durchsetzung des Datenschutzes in Deutschland keine Zeit mehr hat?

    Das ist heftig, wie hier an der Verfassung vorbei gespeichert wird und die Datenschützer lautest möglich schweigen. Welch Niedergang des Datenschutzes in Deutschland!

    Comment by Jan Dark — 7.09, 2011 @ 19:22

  3. Der Foliensatz ist auch online:
    http://www.filetolink.com/d/?h=d2eff84d107e2931a7559bb758b81bdd&t=1315415941&f=19fbd212
    http://www.heise.de/newsticker/meldung/AK-Vorrat-wirft-Telecom-Unternehmen-verfassungswidrige-Vorratsdatenspeicherung-vor-1338178.html

    Comment by Jan Dark — 7.09, 2011 @ 19:39

  4. Der Foliensatz ist auch online:
    http://www.heise.de/newsticker/meldung/AK-Vorrat-wirft-Telecom-Unternehmen-verfassungswidrige-Vorratsdatenspeicherung-vor-1338178.html

    Comment by Jan Dark — 7.09, 2011 @ 19:40

  5. Kann mir das mal wer genauer erläutern?

    Kabel Deutschland
    Keine Speicherung, bei aktuellem Login IP-Adressen Feststellung möglich; aber hoher technischer Aufwand

    Comment by Stef — 7.09, 2011 @ 21:37

  6. Ich bin bestimmt nicht von Verfolgungswahn befallen. ;-) Alles außer unter dem Punkt „Übersicht Funkzellendaten der Netzbetreiber“ kann ich irgendwie nachvollziehen. Verbindungen bei UMTS/EDGE nachvollziehen, ist eh schwieriger und außer E+ versucht sich da (offiziell) keiner. Meine Frage ist aber, was haben Provider davon, nachvollziehbar aufzuzeichnen, wer wo mit seinem Mobile in welcher Zelle aktiv war? Das ist IMHO nicht gesetzeskonform, noch technisch notwendig! Das sind Bewegungsprofile, Apple und Google werden dafür gehauen! Aber die deutsche Staatsanwaltschaft pennt! Technisch notwendig ist vielleicht inwiefern Zellen ausgelastet sind. Aber wer die Zellen nutzt ist irrelevant! Bei der Telebim(da hab ich eine DSL flat) drücke ich nochmal nach, das auch bei mir nach 7 Tagen Ende vom Gelände ist.
    PS: Das Vorhandensein eines Verfolgungswahns schließt eine Verfolgung nicht aus! ;-)

    Comment by Wolle — 7.09, 2011 @ 21:51

  7. @Wolle
    „Aber die deutsche Staatsanwaltschaft pennt! “
    Nein, die Staatsanwaltschaft pennt nicht. Wenn Du dem Link hier nachgehst:
    http://www.heise.de/newsticker/meldung/AK-Vorrat-wirft-Telecom-Unternehmen-verfassungswidrige-Vorratsdatenspeicherung-vor-1338178.html
    siehst Du, dass die Übersicht von der Münchener Staatsanwaltschaft kommt. Hier wird noch ein viel größerer Bock geschossen. Die Speicherung ist nur für Abrechnungszwecke zulässig. Wenn die Nutzung der Daten zur Strafverfolgungszwecken zulässig sein soll, bedarf es dazu eines Gesetzes, das wir nicht haben. Das hat das Verfassungsgericht so festgestellt. Das ist der Staatsanwaltschaft bekannt und deshalb hat sie das Papier als „VS – nur für den Dienstgebrauch“ gestempelt. Hier wird ein Rechtsbruch versucht zu vertuschen, in dem man den Geheimschutz missbraucht. Hier sollte Strafanzeige gegen die Staatsanwaltschaft München und die Mittäter von Bayerischen Landeskriminalamtes gestellt werden.

    Zu dem Missbrauch des Geheimschutzes zum Verdecken verfassungswidriger Behördentätigkeiten kommt noch hinzu, dass dann die rechtswidrig erlangten Daten zur Durchsetzung zivilrechtlicher Forderungen nach dem Urhebergesetz im Abmahnwahn genutzt werden, wozu die Staatsanwaltschaft München dann Beihilfe leisten will.

    Hier stinkt es kollosal und trotz der Belege ist vom Datenschützer weit und breit nichts zu sehen, weil die ja auf Antiamerikanismus-Feldzug sind. Da haben die keine Zeit für die Durchsetzung des Datenschutzes und der Gesetze in Deutschland. Ein Skandal ohne gleichen im Datenschutz.

    Comment by Jan Dark — 8.09, 2011 @ 08:14

  8. Ich bin der Auffassung, bei dieser Sache muss darauf geschaut werden, was wirklich das Problem ist, anstatt in Fundamentalpanik zu verfallen.

    Ob Daten zu Abrechnungszwecken erforderlich sind, erschließt sich möglicherweise nicht sofort. Z.B. hat Vodafone Tarife, bei denen Telefonate in einer Homezone – also einem geografischen Bereich, dem vorzugsweise Funkzellen zugeordnet sind – billiger sind, als außerhalb – deswegen ist nicht nur Zeitpunkt, Dauer und Ziel der Verbindung ausreichend für die Abrechnung.
    Ich möchte als Kunde die Möglichkeit haben, gegen eine fehlerhafte Rechnung vorgehen zu können, und noch eine Chance haben, dass dazu die Verkehrsdaten ausgewertet werden. Dafür ist eine Speicherfrist von 60 Tagen vermutlich angemessen.

    Nicht zu tolerieren ist dagegen, dass diese Daten anderweitig eingesetzt werden – hier stimme ich (mal) meinem Vorredern zu. Dass das von der Staatsanwaltschaft so stillschweigend akzeptiert wird, geht gar nicht.

    Comment by Oliver — 8.09, 2011 @ 09:25

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