EGMR zur Abwägung zwischen Pressefreiheit und dem Schutzbedürfnis Minderjähriger
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat heute entschieden (Az.: 27306/07 und 1593/06), dass über einen Minderjährigen, der weder eine „public figure“ ist, also nach deutschen Maßstäben eine Person der Zeitgeschichte, noch von sich aus die Öffentlichkeit gesucht hat, auch dann nicht personenidentifizierend berichtet werden darf, wenn der Sachverhalt einen Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse liefert.
Im konkreten Fall ging es darum, dass österreichische Boulevardmedien über einen Sorgerechtsstreit berichtet hatten und im Zuge dessen auch Fotos, auf denen das Kind u.a. mit schmerzverzerrtem Gesicht gezeigt wurde, veröffentlicht worden sind.
Der EGMR betont, dass er die Frage, wie die Behörden Sorgerechtsentscheidungen umsetzen und durchsetzen, durchaus als ein Thema von öffentlichem Interesse betrachtet. Angesichts der Tatsache, dass weder das Kind noch seine Eltern „public figures“ sind, sei es für das Verständnis der Besonderheiten des Falles dennoch nicht notwendig, die Identität des Kindes öffentlich zu machen.
Der EGMR betont an dieser Stelle das besondere Schutzbedürfnis von Minderjährigen, insbesondere in ihrem persönlichen Lebensbereichs, zumal dann, wenn sie nicht von sich aus in die Öffentlichkeit getreten sind.
Der EGMR hat deshalb entschieden, dass die Verurteilung der Zeitungen zur Zahlung von Entschädigung bzw. Schadensersatz keine Verletzung der Meinungs- und Pressefreiheit darstellt.