Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

28.5.10

Filesharing: Zweifelhafte Doppelabmahnungen

Dass es bei Filesharing-Abmahnungen gelegentlich äußerst fragwürdig zugeht, belegt ein neuer Fall, den ich gerade auf den Tisch bekommen habe.

Der Mandant wurde bereits vor einigen Monaten von der Kanzlei Rasch im Auftrag von Universal Music abgemahnt, weil er das Werk „Aggro Berlin“ des Rappers Sido über einen Bit-Torrent-Client zum Download verfügbar gemacht haben soll.  Der Abgemahnte hat eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.

Monate später flattert dem Mandanten dann eine weitere Abmahnung ins Haus, diesmal von der Kanzlei Nümann & Lang, die die Verletzung der Rechte an dem Musikwerk „Siggi und Harry“ des Miturhebers David Vogt und am Musikwerk „Geburtstag“ des Urhebers Haschim Elobied rügen. Die Datei die Nümann & Lang als Gegenstand der Rechtsverletzung benennt, trägt allerdings den Namen „Sido – Aggro Berlin-DE-2009-YSP seeded by www.p2p-crew.to“. Die Zeitpunkte des ersten und zweiten Verstoßes sind, bis auf eine Differenz von neun Minuten, identisch, die benutzte IP-Adresse ist dieselbe. Interessanterweise liegen beiden Abmahnungen aber unterschiedliche Auskunftsbeschlüsse des Landgerichts Köln zugrunde.

Nachdem ich kein großer Fan von Sido bin, brachte erst die Überprüfung der Trackliste des Albums die Gewissheit, dass es sich bei „Siggi und Harry“ und bei „Geburtstag“ um zwei Stücke vom Album „Aggro Berlin“ handelt.

Hier wurde also derselbe Verstoß von zwei verschiedenen vermeintlichen Rechteinhabern und verschiedenen Kanzleien abgemahnt. Dieser Fall lässt sich durch Verweis auf die bereits erfolgte Drittunterwerfung gegenüber Universal erledigen. Er wirft freilich die Frage der Abmahnbefugnis bzw. Aktivlegitimation der verschiedenen Rechteinhaber auf.

Auch die Spruchpraxis des Landgerichts Köln rückt mit solchen Vorgängen ins Zwielicht. Denn offenbar bemerkt man dort nicht, dass man für ein und denselben Verstoß zwei unterschiedlichen Antragstellern – die möglicherweise beide ausschließliche Rechte behaupten – die Ermittlung der Anschlussinhaber ermöglicht und dadurch diese Mehrfachabmahnungen überhaupt erst möglich macht.

posted by Stadler at 16:38  

13 Comments

  1. Lächerlich. Das kann doch nicht der erste Fall dieser Art sein. Wenn ein Hund einem Kind ins Gesicht beißt, dann ist sich der Gesetzgeber nicht zu schade ad hoc und in größter Empörtheit diese scheinbare Lücke im Gesetz zu schliessen. Aber bei sowas ist entweder Lobbyarbeit nötig oder es wird ignoriert.

    Comment by Bruce Wayne — 28.05, 2010 @ 16:43

  2. So einen Fall hatte ich auch schon. Zwei Songs eines BRAVO-Hits-Albums.

    Comment by RA Kompa — 28.05, 2010 @ 17:28

  3. Vielleicht mal die Rückforderung von etwa bereits erstatteten Kosten wegen von Anfang an fehlender Aktivlegitimation bzw. im Hinblick auf § 8 IV UWG prüfen.

    Comment by Stefan Richter — 28.05, 2010 @ 18:56

  4. Korrektur: § 8 IV UWG ist natürlich NIHCT direkt anwendbar, aber die dazu ergangenen gerichtlichen Wertungen gelten natürlich auch im Urheberrecht.

    Comment by Stefan Richter — 28.05, 2010 @ 19:02

  5. Die Aktivlegitimation ist hier nicht das Problem.

    Bereits im kürzlichen „Styleheads“-Fall sind verschiedene Merkwürdigkeiten aufgetaucht, die hier mehr als offensichtlich zu Tage treten.

    Dem „Miturheber“ David Vogt ist hierbei aber nichts zu unterstellen. Er mußte nicht wissen, dass eine andere Kanzlei zeitgleich das Werk über eine Tauschbörsenverwertungsagentur beobachten läßt um danach Anschlußinhaber abzumahnen. Er kann in jedem Fall geltend machen die Erforderniss einer zweckmäßigen Verletzungsverfolgung erkannt zu haben. Und das diese ein halbes Jahr zu spät erfolgte ist ja nicht sein Problem.

    Bei den anderen Herrn ist jedoch aufgrund ihrer nachgewiesenen Internetabmahnaffinität zu vermuten…. richtig ist das sich die Universal (eher Ihre Anwälte) mal dazu äußert. Mal sehen ob die am Montag arbeiten.

    Comment by Shual — 28.05, 2010 @ 23:59

  6. @Shual: Der Miturheber David Vogt muss wissen, wem er ausschließliche Nutzungsrechte eingeräumt hat und er sollte wissen, dass Universal direkt abmahnt

    Comment by admin — 29.05, 2010 @ 17:06

  7. Es gibt auch Abmahnungen, die eindeutig nicht stattgefundene Urheberrechtsverletzungen betreffen und diese scheinbar auch „beweisen“. Ist es bei solchen Fehlern überhaupt möglich, Urheberrechtsverletzungen via BitTorrent eindeutig und unwiderlegbar zu beweisen? Gab es dazu schonmal einen Prozess, den ein Abmahner gewonnen hat?

    in dubio pro reo

    Comment by Sprechsucht — 29.05, 2010 @ 18:32

  8. Neben den Urhebern sind auch die Hersteller von Tonträgern bzw. Filmen dazu berechtigt, gegen Rechtsverletzer vorzugehen. Mit der Herstellung eines Musikalbums bzw. eines Films ist ein besonderer organisatorischer, technischer und wirtschaftlicher Aufwand verbunden, der die Entstehung eines gesonderten Leistungsschutzrechts rechtfertigt. Diesem Umstand tragen die §§ 85 und 94 Urheberrechtsgesetz Rechnung, die dem Tonträgerproduzenten das ausschließliche Verwertungsrecht für einige Nutzungsarten, auch für die Nutzung in Tauschbörsen, gewähren. Dieses Recht des Tonträger- und Filmherstellers steht neben den Rechten der Urheber, der ausübenden Künstler und der Sendeunternehmen.

    Mit diesen (Abmahn-)Konstellationen werden sich wohl zukünftig alle auseinandersetzen müssen.

    Z.B.
    Bushido – Zeiten ändern Dich
    Film – Kanzlei Waldorf
    Filmmusik – Kanzlei Bindhardt, Fiedler , Rixen, Zerbe

    Film „Movie Power – Dragon -> Dragon – die Drachentöter“
    1.-mal Kanzlei Negele, Zimmel Greuter, Belle
    2.-mal Kanzlei BaumgartenBrandt

    Wer das Werk alleine oder gemeinsam mit anderen geschaffen hat, bleibt im Zweifel unabhängig von der Rechteeinräumung an Dritte zur Verfolgung von Rechtsverletzungen berechtigt.

    VG – Steffen Heintsch

    Comment by Steffen Heintsch — 30.05, 2010 @ 00:59

  9. Es ist klar, dass das Recht des Tonträgerherstellers auch zur Geltendmachung von Ansprüchen berechtigt und es in diesen Fällen formal dann so ist, dass es sich um zwei berechtigte Abmahnungen handeln kann. Das Problem der Mehrfachabmahnung bleibt bestehen.

    In vielen Fällen ist es allerdings auch so, dass der Tronträgerhersteller sich zudem die ausschließlichen Nutzungsrechte hat einräumen lassen, weshalb Abmahnungen durch den Urheber durchaus kritisch zu sehen sind, zumal, wenn Schadensersatz geltend gemacht wird.

    Comment by admin — 30.05, 2010 @ 11:55

  10. @ RA Stadler

    Nach meiner Einschätzung geht es bei der Bewertung der vorliegenden Aktion des „Systems Vogt/Bö/Bü/Si“ ausschließlich um die Urdaten.

    Diese sagen aus das die Beauftragung einer Kanzlei bzgl. der Rechteverfolgung des Tites A aus aktuellem Anlaß erfolgte. Taucht ein Titel kurz nach oder hier vorliegend sogar vor der Veröffentlichung in Internettauschbörsen illegaler Weise auf kann eine Beauftragung zu Rechtsverfolgung nur zweckmäßig und erforderlich gewertet werden.
    Im vorliegenden Fall ist dieser Vorgang jedoch bereits vor dem offiziellen Verkauffstart zum 31.10.2010 geschehen. Die spätere Einbindung des Urhebers V vor der Abmahnung wäre nach § 8 UrhG, Abs. 2, Satz 3 sogar verpfichtend.

    Allerdings ist auch klar das mit den auftauchenden Rasch-Abmahnungen für den Tonträgerhersteller die Karten neu gemischt werden. Um ein halbes Jahr verspätet versandte Abmahnungen sind nicht im Interesse und mutmaßlichen Willen desjenigen der bereits eine Unterlassungserklärung im Dezember abgegeben hat. Hat einer der Gläubiger den Schuldner bereits auf die Möglichkeit der Streitbeilegung durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung hingewiesen, kann eine zweite Abmahnung diese Aufgabe nicht mehr erfüllen. (Dies weiß die Kanzlei aus Südwestdeutschland auch ganz genau weil sie bereits einige Doppelabmahnungen zurück genommen hat.)

    Die Haken an der Angelegenheit liegen jedoch im Bereich der praktischen Rechtsverfolgung selbst. Hierzu sollten aber erstmal Gespräche gesucht werden bevor man das äußerst sensible Thema der „doppelten IP-Buchführung“ anspricht.

    Comment by Shual — 30.05, 2010 @ 21:27

  11. Absatz
    Eines sollte nicht vergessen werden. In der jetzigen Abmahnwelle finden sich auch Personen die keine Abmahnung durch die Kanzlei Rasch erhalten haben.

    Sehr interessant. Woher kommt denn nur der plötzliche Überschuß? Oder besser gesagt … ist etwa „fleißiger“ mit „beweissicherer“ gleich zu setzen? :-)

    Comment by Shual — 30.05, 2010 @ 21:38

  12. Rofl – ein Forenbetreiber und ein selb so bezeichneter „dubioser und illegaler Rechtsberater“ erklären dem RA das Urheberrecht – verkehrte Welt?

    Comment by Anonymous — 1.06, 2010 @ 00:15

  13. … ich glaube kaum das Leute die nicht mal fähig sind eine Orginal-UE ausreichend fehlerlos gestalten zu können hier mitreden können.

    Comment by Shual — 1.06, 2010 @ 01:20

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