Die Nachricht, dass gegen den Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss ein Ermittlungsverfahren wegen Besitz kinderpornografischer Schriften eingeleitet worden ist, hat sich gestern in der Netzgemeinde wie ein Lauffeuer verbreitet. Gilt Tauss doch als kompetenter Medienpolitiker, der gerade in der Internet-Community hohes Ansehen genießt, weil er unbequeme und politisch z.T. auch unpopuläre Positionen vertreten hat und zwar allen Parteien gegenüber, auch seiner eigenen.
Die Beurteilung der Vorwürfe ist ohne Kenntnis der Fakten nicht möglich. Manche haben ihr Unverständnis darüber zum Ausdruck gebracht, dass sich Tauss nicht online, z.B. via Twitter rechtfertigt. Das ist allerdings etwas, was mich als Anwalt nicht erstaunt. Als sein Strafverteidiger hätte ich ihm einen Maulkorb verpasst, bevor nicht Einsicht in die Ermittlungsakte genommen worden ist. Und vermutlich genau das, hat der Kollege der ihn vertritt auch getan.
In der Presse beginnt derzeit bereits eine subtile und unfaire Form der Hetze gegen Tauss, auf die Jens Ferner zu Recht hinweist. Tauss sei in jüngster Zeit mit Äußerungen zum Thema Kinderpornografie aufgefallen, heißt es mitunter, wodurch ein Zusammenhang zum Tatvorwurf hergestellt werden soll. Bezeichnend ist z.B. eine Berichterstattung bei der Deutschen Welle, wo es wörtlich heißt: „Erst im November hatte sich der Sozialdemokrat gegen Pläne von Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) ausgesprochen, kinderpornografische Webseiten verbieten zu lassen.“ Das ist allerdings keine subtile Hetze mehr, sondern tendenziöser und zutiefst unseriöser Journalismus.
Richtig ist, dass sich Jörg Tauss, wie ich zum Beispiel auch, mehrfach sehr deutlich gegen das Vorhaben von Familinenministerin von der Leyen ausgesprochen hat, auf der Ebene der Zugangsprovider Sperrungsmaßnahmen durchzuführen.
Vielen fällt es schwer zu glauben, an den Vorwürfen gegen Tauss könnte etwas dran sein, auch mir. Eine Intrige gegen den unbequemen Politiker erscheint mir nicht ausgeschlossen. Denn Tauss wird jetzt möglicherweise zügig zurücktreten, bevor das Ermittlungsverfahren abgeschlossen und der Sachverhalt aufgeklärt worden ist.
Update: Guter und bedenkenswerter Artikel bei ef-online
Update 07.03.09:
Die aktuelle Berichterstattung zum Fall Tauss spricht nun davon, dass man in seiner Berliner Wohnung einschlägiges Material außerhalb von Computern gefunden habe und, dass Tauss davor unter dem Namen „Werner“ per Handy 23 Kontakte mit einem Kinderporno-Lieferanten gehabt haben soll. Wenn der Sachverhalt halbwegs so stimmen sollte, wird Jörg Tauss es in der Tat schwer fallen, das mit seiner Abgeordnetentätigkeit zu begründen. Andererseits zeigt die anwaltliche Erfahrung, dass manche „Ermittlungsergebnisse“ mit Vorsicht zu genießen sind, auch wenn sie von der Staatsanwaltschaft als eindeutig hingestellt werden.
Die Redseligkeit der zuständigen Staatsanwaltschaft ist in jedem Fall erstaunlich. Die öffentliche Vorverurteilung schreitet durch die aktuelle Berichterstattung, die sich aus Informationen der Ermittlungsbehörden speist, jedenfalls unaufhörlich voran. Irgendjemand schrieb kürzlich, die Medien und die Unschuldsvermutung seien natürliche Feinde. Wenn diese Medien dann noch von den Ermittlungsbehörden gefüttert werden, kann man kaum noch von einem fairen Verfahren sprechen.