Die gebührenfinanzierte Presse
Die heutige Anhörung des BMJ zur Forderung der Verlage nach einem eigenen Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse hat einmal mehr deutlich gemacht, welche Forderung in Wirklichkeit erhoben wird. Es geht um eine allgemeine Zwangsgebühr für Presseerzeugnisse. Man will eine GEZ für Verlage schaffen. Das Vehikel, das man hierfür bemüht, ist das Urheberrecht, aber um urheberrechtliche Fragen geht es im Grunde nicht. Die Verlage sehen ihr Geschäftsmodell durch das Internet gefährdet, weil sie es nicht geschafft haben, Paid-Content-Modelle im Netz zu etablieren. Natürlich behaupten die Verlage, und mit ihnen Gewerkschaften und Journalistenverbände, es ginge um den Schutz der Pressefreiheit und der Informationsvielfalt.
Wer sich die aktuelle Medienlandschaft ansieht, insbesondere die vielen verschiedenen Angebote und Blogs, die sich jenseits der klassischen Medien etabliert haben, weiß aber natürlich, dass es noch nie eine derartige Informationsvielfalt gegeben hat und auch noch nie eine derartige Menge an qualitativ hochwertigen Angeboten. Der „Qualitätsjournalismus“ findet längst nicht mehr nur bei den alten Flagschiffen der traditionellen Presse statt. Die Schimäre von der Bedrohung der freien Presse ist ein Mittel des politischen Lobbyismus, entbehrt aber einer ausreichenden sachlichen Grundlagen. Wenn einige Zeitungen sterben sollten – was durchaus naheliegend erscheint – dann wäre dies eine logische Konsequenz des durch das Netz verursachten Medienumbruchs, die keineswegs die Informations- oder Pressefreiheit gefährdet.
Als wäre das nicht alles absurd genug, unterstützen einige große Gewerkschaften die Farce auch noch.
Comment by vera — 28.06, 2010 @ 16:40
der Staat wird das auf jeden Fall umsetzen, denn nur so behält er die Kontrolle über die „öffentliche Meinung“. Das Internet zu kontrollieren ist weit, weit schwieriger …
Comment by Peter — 28.06, 2010 @ 18:21
Was wäre für die Verleger gewonnen bzw. was steht auf dem Spiel? Firmen werden ihre Filter so konfigurieren, dass der Zugriff auf Zeitungen, Zeitschriften und Verlage gesperrt und eine Nutzung am Arbeitsplatz folglich nicht möglich ist. Der Versuch die Suchmaschinenbetreiber zur Kasse zu bitten, wird von denn vermutlich/hoffentlich damit beantwortet werden, dass die Verlage und ihre Produkte aus dem Index fliegen. Das würde/wird zu einen drastischem Einbruch in den Zugriffszahlen bei denen führen, die meinen, sich schamlos bedienen zu dürfen. Und das wird dann die Krise hervorrufen oder verschärfen, in der sich die Verlage angeblich oder tatsächlich befinden.
Comment by M. Boettcher — 28.06, 2010 @ 18:43
Ich will nicht verstehen, wiedermal soll eine sterbende Branche mit Hilfe von „Zwangs-Subventionen“ und Umverteilung vor dem aussterben gerettet werden. Doch wie fair ist das gegenüber Branchen und Unternehmern mit weniger Lobby? Und wie sinnvoll ist es, auf dem toten Pferd sitzen zu bleiben?
Comment by Bjoern Habegger — 28.06, 2010 @ 19:16
es geht aber auch um die existenzsicherung der journalisten, die sonst ihre berufe verlieren, bzw. um selbstständige, die es dann viel schwieriger haben, aufträge zu bekommen.
Comment by angst — 28.06, 2010 @ 19:18
@5: Es gibt halt kein Menschenrecht auf ewige Ausübung (bezahlte, gar) eines bestimmten Berufs.
Schon gar nicht für Selbständige.
Comment by Andreas Krey — 28.06, 2010 @ 19:34
@angst
Dann fordere ich jetzt eine per Gesetz und durch den Staat kontrollierte allgemeine Gebühr für mich. Ich bin da auch bescheiden, es müssen nur so € 6000 im Monat [steuerfrei!] zusammenkommen; das sollte doch günstig machbar sein bei ca. 25 Mio Haushalten in D?
Comment by Dierk — 28.06, 2010 @ 22:08
und ich weiß immer noch nicht welche leistung eigentlich geschützt werden soll und warum!?!
bei plattenfirmen ist es klar. die nehmen ein werk und vertonen es, erzeugen daraus also einen anderen medientyp und erbringen damit eine leistung die geschützt wird.
aber was wollen die zeitungsverlage? uns vorlesen? die artikel vortanzen? pantomime?
schade dass sich frau leutheuser-schnarrenberger so vor den karren spannen lässt.
Comment by ambee — 29.06, 2010 @ 09:17
Der Artikel trifft den Nagel auf den Kopf, kann man nur zu 100 % beistimmen !
Comment by Detlef — 29.06, 2010 @ 09:28
#3: Der Entwurf der Verleger sieht eine gesetzliche Vermutungsregel vor, nach der für jeden, der einen Computer besitzt und diesen gewerblich nutzt, die Vermutung besteht, dass er damit geschützte Inhalte nutzt. Und damit also erstmal abgabepflichtig ist. Die Widerlegung der Vermutung über einen Filter wird nicht gelingen – der lässt sich schließlich nach Belieben an- und abschalten. Die einzige Rettung wären Provider, die einen Internetzugang mit gesperrten Presseseiten anbieten. Das wiederum würde aber für die Provider zu kaum überwindbaren rechtlichen Problemen führen…
Comment by Stephan — 29.06, 2010 @ 10:29
Ist doch super. So können wir uns alle gegenseitig finanzieren. Ich öfnne ein mehr oder weniger mäßiges Blog, dazu noch nen Newsletter und schon habe ich zusätzliche Einnahmen. Perfekt für Langzeitarbeitslose…Einfach eine Obdachlosenzeitung fürs Netz generieren…
Entschuldigung, aber wer es nicht schafft, seinen mit „Qualitätsanstrich“ versehenen Content in Geld zu verwandeln hat es 1. schlicht nicht verdient bezahlt zu werden und 2. einen Content, der qualitativ nur für Dünnbrett geeignet ist.
Ich kaufe schon seit 20 Jahren keine Zeitungen mehr. Damals war von Internet kaum die Rede. Jetzt soll man Schuld sein und die Suppe bezahlen, die sich Andere eingebrockt haben? Ja wenn jetzt noch die Prostituierten über Umsatzeinbruch klagen durch billigere Mitbewerberinnen oder Hausfrauen die es mit ihrem Mann umsonst machen, dann muss auch ein ProstiGEZ her. Das wäre sinnvoll. Auch für den Klerus. Die haben ja auch die Ausstattung, auch wenn sie die nicht nutzen können oder wollen oder dürfen…
Comment by M — 29.06, 2010 @ 10:46
@10: das steht im verlinkten Beitrag anders. Danach soll es auch die Möglichkeit geben, dass Unternehmen angeben, Online-Presseinhalte grundsätzlich nicht zu nutzen, so dass sie damit auch nicht abgabenpflichtig sind. Die private Nutzung soll m. W. weiterhin frei sein, so dass es auf kommerzielle Nutzer entscheidend ankommt. Wenn die sich nun verweigern und Google & Co. die Verlagsprodukte aus dem Index werfen, wird die Wirkung des Gesetzes m. E. verpuffen. Und das ist auch gut so!
Comment by M. Boettcher — 29.06, 2010 @ 12:07
@M (#11)
Die Presse-GEZ soll explizit milliardenschwere Pressekonzerne subventionieren. Blogger sollen nicht unter den Verlagsbegriff im Sinne des Leistungsschutzrecht für Presseverleger fallen. Das zumindest äußerte der Journalist und Dozent Matthias Spielkamp; ich meine im Medieradip 23 wäre das gewesen: medienradio.org
Comment by Tharben — 29.06, 2010 @ 12:43
Für eine im Grundgesetz verankerte Meinungs- und Pressefreiheit eine staatliche Gebühr zu erheben, ist sowieso schon eine Frechheit. Nachrichtenanbieter kosten bereits jetzt schon Gebühren. Wieder einmal ein Beispiel des doppelten Abkassieren. Werden die Inhalte dann qualitativ besser? Sicherlich nicht.
Comment by Schreckgespenster — 29.06, 2010 @ 12:53
@10: Das macht doch überhaupt keinen Sinn. Klassische allgemeine Zeitungen werden doch fast ausschliesslich privat genutzt. Gewerblich genutzt werden doch höchstens Fachzeitschriften und die gibt es bisher ausserordentlich selten frei im Netz zu lesen.
Comment by Ein Mensch — 29.06, 2010 @ 12:57
Ich habe schon überlegt, deshalb bei ver.di auszutreten …
Comment by Jens — 29.06, 2010 @ 13:49
Dass das Leben aber auch ständig von Unsicherheiten begleitet sein muss. Das hält doch auf Dauer kein Verleger aus. Schon gar nicht solche, die sich in den letzten Jahrzehnten hierzulande gut eingerichtet und anschließend den Einstieg ins digitale Zeitalter verpasst haben. Springer, Burda, DuMont, WAZ-Gruppe – alle systemrelevant! Wir haben schon eine merkwürdige Kultur, das so eine Diskussion überhaupt möglich ist.
Jedoch kann und muss man sich dagegen zur Wehr setzen und den Verlagen die Meinungsführerschaft nicht überlassen. Und bei der Gelegenheit sollte man sich hierzulande gleich von ein paar anderen vermeintlich systemrelevanten Merkwürdigkeiten am Tropf der Steuer- und Abgabenzahler verabschieden: Zwangs-IHK’s, GEZ, Kirchensteuern. Beweist Eure Relevanz am freien Markt, Freunde.
Comment by Sven Glückspilz — 29.06, 2010 @ 14:26
Schon erstaunlich wie viele Internetnutzer, die ansonsten einen ziemlichen Linksdrall haben, sobal es um ein Internetthema geht, plötzlich merken, dass Staatseinmischung und Gewerkschaftsforderungen Klientelpolitik und zu unserer aller Schaden sind.
Comment by linksdrall — 30.06, 2010 @ 03:38
Vielleicht liegt es daran, dass man sich an das Internet gewöhnt und in die dort vorhandene Freiheit eingeblebt hat und man den Duft der Freiheit, hat man ihn erst einmal geschnuppert, nicht mehr missen möchte.
Comment by linksdrall — 30.06, 2010 @ 05:08
@18/19
Schon in der DDR wurden milliardenschwere, private Unternehmen durch den Sozialismus gerettet und Honecker saß in den Aufsichtsräten der Deutschen Bank, VW und Heckler & Koch.
Comment by .... — 30.06, 2010 @ 12:45
Eine großartige Vorstellung: Es werden zwei Bundesweite und mehrere regionale öffentlich-rechtliche Zeitungen gegründet, die kostenlos verteilt werden. Zur Sicherung der Journalistischen Unabhängigkeit. Beim Rundfunk wird ja unterstellt, dass die Marktgetriebenheit keine Qualität und Unabhängigkeit zulässt oder das zumindest erschwert. Mal schauen, ob das so im Sinne der Verlage ist…
Comment by Philip — 30.06, 2010 @ 21:51
Artikel 14
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
Der Gesetzgeber sollte dies endlich mal umsetzen. In Deutschland wird dieser Absatz vom Gesetzgeber einfach übergangen.
Comment by Herr Unsinn — 1.07, 2010 @ 15:15
Man muß, um zu verstehen, wie wichtig Zeitung ist, nur lesen, was und wie’s hier steht.
Ich geb’s zu, Herr Stadler, wir beraten auch die FAZ.
Gruß, k.bott
Comment by Kristofer Bott — 2.07, 2010 @ 00:13
@M.Böttcher (#3): das wäre wirklich zu hoffen.
Comment by Mario H. — 3.07, 2010 @ 15:48