Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

5.12.12

Der weiße Ritter Springer und die Hehlerbande Google

„Das ist so, als würde eine Hehlerbande bei Amnesty International eine Menschenrechtspetition zur Verteidigung der freien Bürgerrechte beim Ladendiebstahl einreichen.“

Der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG, Mathias Döpfner hat mit dieser Aussage die Diskussion über ein Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse endgültig auf BILD-Niveau heruntergrochen. Die Hehlerbande ist natürlich Google und die Menschenrechtspetition deren Kampagne „Verteidige Dein Netz„.

Nun ist Springer allerdings ein Konzern, der wie kaum ein anderer von der konsequenten und systematischen Verletzung fremder Rechte lebt, wie man in einer aktuellen Entscheidung des BGH wieder einmal nachlesen kann. Dass also ausgerechnet Springer die Federführung im Meinungskampf um das Leistungsschutzrecht für Presserzeugnisse übernommen hat, um vermeintlich die Rechte der Verlage zu verteidigen, ist nicht nur ein bisschen absurd.

Die Springer-Boys Döpfner und Keese im Kampf um die freie Presse gegen die bösen Google-Boys Page und Brin. In dieser Soap-Opera bleibt für die Bundesregierung und den Bundestag nur die Rolle des willfährigen Wasserträgers der fabelhaften Springer-Boys. So dürfte es zumindest im Skript des Drehbuchautors Christoph Keese vorgesehen sein.

posted by Stadler at 16:01  

4.12.12

Die handwerklichen Mängel des Leistungsschutzrechts

Die Debatte um das Leistungsschutzrecht wird vielfach emotional und ideologisch geführt. Was hierbei bislang zu kurz kommt, ist eine Auseinandersetzung mit den handwerklichen Defiziten des aktuell im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Entwurfs. Ich möchte deshalb zwei juristisch-handwerkliche Mängel des Entwurfs näher darstellen und gleichzeitig vor allem die Juristen dazu einladen, weitere Mängel und Ungereimtheiten des Gesetzesentwurfs zu diskutieren.

Die Vorschrift des § 87g Abs. 4 lautet nach dem Entwurf wie folgt:

Zulässig ist die öffentliche Zugänglichmachung von Presseerzeugnissen oder Teilen hiervon, soweit sie nicht durch gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen oder gewerbliche Anbieter von Diensten erfolgt, die Inhalte entsprechend aufbereiten. Im Übrigen gelten die Vorschriften des Teils 1 Abschnitt 6 entsprechend.

Satz 2 verweist auf Teil 1 Abschnitt 6 des UrhG, also auf die sog. Schrankenbestimmungen. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu, dass damit insbesondere das Zitatrecht nach § 51 UrhG erhalten bleibt. Diese Aussage ist allerdings gänzlich falsch, da eine Maschine nicht zitieren kann. Ein Zitat im urheberrechtlichen Sinne setzt nämlich immer voraus, dass jemand eigene Gedanken zum Ausdruck bringt und sich mit dem zitierten Werk inhaltlich auseinandersetzt. Und genau das können automatisiert arbeitende Dienste nicht leisten. Sie setzen sich nicht geistig-inhaltlich mit einem Werk auseinander, sondern zeigen nur „Snippets“ nach voreingestellten Kriterien an. Derartige Snippets in Suchmaschinen oder bei News-Aggregatoren stellen also nie ein Zitat im Sinne des Urheberrechts dar. Die Vorschrift des § 87g Abs. 4 S. 2 läuft damit leer und ist gänzlich überflüssig. Google kann sich nicht auf das Zitatrecht berufen. Ob es sich hierbei um einen handwerklichen Fehler oder um eine gezielte Nebelkerze der Entwurfsverfasser handelt, vermag ich nicht zu beurteilen.

Weitaus schwerwiegender ist das systematische Problem der Ausgestaltung des Leistungsschutzrechts als ausschließliches Recht. Ein ausschließliches Recht berechtigt seinen Inhaber dazu, ein Werk unter Ausschluss aller anderen Personen auf die ihm erlaubte Art zu nutzen.

Was passiert jetzt aber, wenn der Autor eines journalistischen Textes mehreren Verlagen bzw. Redaktionen jeweils ein einfaches Nutzungsrecht an seinem Text einräumt und mehrere Zeitungen den Text dann auch online veröffentlichen? Nach der Logik des § 87f Abs. 1 müsste dann jeder Hersteller eines Presseerzeugnisses (Verleger) ein ausschließliches Recht erwerben, obwohl es ein solches ausschließliches Recht per definitionem nur ein einziges mal geben kann. An dieser Stelle entsteht ein Wertungswiderspruch, der mir nicht auflösbar erscheint.

Es sind also nicht nur grundlegenden Einwände, die gegen ein Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse sprechen. Vielmehr ist der konkrete Entwurf auch handwerklich inkonsistent.

posted by Stadler at 14:55  

2.12.12

Beim Urheberrecht endet offenbar die redaktionelle Unabhängigkeit

Bereits vor einigen Monaten konnte man eine Form von Kampagnenjournalismus beobachten, der mich zu der Frage veranlasst hat, wer die Urheberrechtskampagne eigentlich koordiniert.

Aktuell lässt sich in den klassischen Zeitungsmedien erneut eine fast durchgehend einseitige Berichterstattung über das geplante Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse feststellen. Zu einer ausgewogenen Berichterstattung würde es beispielsweise gehören, zumindest zu erwähnen, dass die Rechtswissenschaft das Leistungsschutzrecht – in seltener Einigkeit – ablehnt. Zu einer ausgewogenen Berichterstattung würde es zudem gehören, nicht nur den Lobbyismus von Google anzuprangern, sondern in gleichem Maße den Verlagslobbyismus zu hinterfragen, der dieses Gesetzgebungsvorhaben überhaupt erst auf den Weg gebracht hat. All das passiert aber nicht oder bestenfalls unzureichend.

Man kann also ohne weiteres konstatieren, dass bei diesem Thema eine objektive Berichterstattung schlicht nicht stattfindet. Stattdessen erleben wir Kampagnenjournalimus, der von Verlegerinteressen geleitet wird. Ob die Verlage unmittelbar Einfluss auf die Redaktionen nehmen oder es sich um eine Form von vorauseilendem Gehorsam handelt, ist letztlich von untergeordneter Bedeutung, denn das Ergebnis bleibt dasselbe.

Selbst diejenigen Journalisten, die Kritik am Leistungsschutzrecht üben, scheinen mir am Ziel vorbeizuschießen oder gar eine Ablenkungsdebatte führern zu wollen. Wenn Stefan Plöchinger – Chefredakteur von Sueddeutsche.de – in einem lesenswerten Blogbeirag die Ansicht vertritt, die Debatte über ein Leistungsschutzrecht würde von der wesentlich wichtigeren Google-Debatte ablenken, dann scheint er mir damit selbst eine Ablenkungsdebatte führen zu wollen.

Denn die Probleme, die sich daraus ergeben, dass Google ein marktbeherrschendes Unternehmen ist, haben wenig bis gar nichts mit der Debatte um das Leistungsschutzrecht zu tun. Die Situation der Verlage wäre keinen Deut anders, wenn der Suchmaschinenmarkt nicht von einem Monopolisten dominiert würde, sondern es beispielsweise fünf gleich große Anbieter gäbe.

Das Leistungsschutzrecht betrifft andererseits nicht nur Google, sondern ganz allgemein Suchmaschinen und gewerbliche Anbieter von Diensten, die Inhalte wie Suchmaschinen aufbereiten. Das lässt jede Mange Raum für juristische Auslegung. Je nachdem, wie die Rechtsprechung diese weiteren Dienste definieren wird, können davon durchaus eine Vielzahl von Onlineanbietern betroffen sein.

Es geht also keineswegs nur um Google. Vielmehr wäre es notwendig, die Rolle der Verlage etwas genauer und kritischer zu beleuchten und mit Blick auf das Leistungsschutzrecht die Frage nach Sinn und Notwendigkeit stärker in den Vordergund zu rücken. Die mediale Diskussion krankt an dieser Stelle aber auch daran, dass viele Journalisten den juristischen Hintergrund einfach nicht verstehen und den Gesetzesentwurf deshalb nicht richtig einordnen können. Denn es gibt Gründe dafür, dass die Rechtswissenschaft den Gesetzesentwurf praktisch einhellig ablehnt und selbst die Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtschutz und Urheberrecht (GRUR) – die ansonsten äußerst urheber- und rechteinhaberfreundlich ist – in derart eindeutiger Weise Position bezieht.

Mich persönlich lässt die Berichterstattung gerade auch von Flaggschiffen wie der FAZ und der SZ wirklich ernsthaft daran zweifeln, dass es den unabhängigen und kritischen Journalismus (vulgo: Qualitätsjournalismus) überhaupt noch gibt. Jedenfalls dann, wenn die eigenen Interessen der Verlage betroffen sind, werden die Leser nicht mit einer ausgewogenen Berichterstattung bedient. Die Verlage nutzen vielmehr ihre publizistische Macht, ebenso wie Google seine Suchmaschine benutzt, um in dieser Frage die Meinungshoheit zu erlangen. Und das ist, mit Verlaub, schändlich.

Der Journalist Richard Gutjahr stellt seinen Zeitungskollegen deshalb die vermutlich entscheidende Frage:

Journalismus. War das nicht genau das, was uns von Google unterscheidet?

 

posted by Stadler at 21:26  

30.11.12

Wie geht es mit dem Leistungsschutzrecht weiter?

Der Gesetzesentwurf zum Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse wurde gestern im Bundestag in erster Lesung beraten.

Kernstück des Gesetzesvorhabens ist die geplante Vorschrift eines § 87g Abs. 4 UrhG der die öffentliche Zugänglichmachung von Presseerzeugnissen oder Teilen davon, für unzulässig erklärt, sofern sie durch gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen oder gewerbliche Anbieter von Diensten erfolgt, die Inhalte entsprechend aufbereiten. Nachdem auch kleine Teile, also sog. Snippets betroffen sind, erfasst das Gesetz sowohl klassische Suchmaschinenergebnisse als auch News-Aggregatoren wie Google News, nachrichten.de, Virato oder Rivva.

Die Anbieter müssten also dann entweder Verträge mit den Verlagen über die Einräumung entsprechender Nutzungsrechte schließen oder Presseerzeugnisse systematisch aussperren.

In diesem Zusammenhang hört man jetzt öfter die These, man werde Google und Co. dann schon noch zwingen, an die Verlage zu zahlen. Gerade das sieht das Gesetz jedoch nicht vor.

Unter normalen Umständen könnte es sich ein marktbeherrschendes Unternehmen wie Google schon aus kartellrechtlichen Gründen nicht erlauben, die Websites von Verlagen bzw. Zeitungen zu blockieren. Das würde sich mit der Einführung eines Leistungsschutzrechts allerdings grundlegend ändern. Denn die Neuregelung erklärt die Zugänglichmachung von Presseerzeugnissen durch Suchmaschinen und News-Aggregatoren für unzulässig. Das bedeutet nichts anderes, als dass Google nach der Logik des Gesetzes aussperren muss, um keinen Rechtsverstoß zu begehen. Und ein Zwang zum Erwerb urheberrechtlicher Nutzungsrechte lässt sich auch gegenüber einem marktbeherrschenden Unternehmen wie Google nicht begründen. Es ist folglich nicht zu erwarten, dass Google zahlen wird, zumal die Verleger in anderen (europäischen) Ländern anschließend auf vergleichbare Regelungen drängen würden.

Die wirtschaftliche Frage ist also letztlich, wer wen dringender braucht. Google wird es sich ohne weiteres erlauben können, Google-News in Deutschland zu schließen und die Verlage für eine Weile von der Suchmaschine auszusperren. Man wird dann eben die Inhalte von FAZ, SZ, ZEIT, Spiegel, Welt, BILD, Stern u.a. nicht mehr über Google finden können. Einige kleinere Verlage werden schlau genug sein und Google unentgeltliche Nutzungsrechte einräumen.

Die Leidtragenden werden die Nutzer sein, denn das geplante Gesetz erschwert die Auffindbarkeit von Inhalten im Netz erheblich.

Man darf in dieser Diskussion außerdem nicht nur über Google sprechen, sondern muss vor allem auch kleinere Anbieter im Blick haben. Betroffen von einem solchen Leistungsschutzrecht sind nämlich gerade auch Special-Interest-Suchmaschinen und Dienste, die RSS-Feeds einbinden oder automatisiert Linksammlungen erzeugen. Einige dieser Dienste werden dann komplett schließen.

Im Bundestag haben die Vertreter der Regierungsfraktionen den Gesetzesentwurf  erwartungsgemäß verteidigt, während er von den Oppositionsparteien abgelehnt wurde. Es wird sich nun zeigen, ob und wie dieser Gesetzesentwurf aus den Ausschüssen wieder herauskommt und welche Fassung in die abschließende 2. und 3. Lesung im Bundestag gelangt.

Vielleicht wäre es aber auch für die Politik und die Verlage ganz heilsam, wenn das Gesetz tatsächlich in Kraft tritt, denn dann wird die Politik sehr schnell erkennen, was sie angerichtet hat und die Verlage werden einsehen müssen, dass sie ein Eigentor geschossen haben. Möglicherweise ist dieser pädagogische Effekt ja genau das, was jetzt nötig ist.

posted by Stadler at 10:10  

28.11.12

Google, das Leistungsschutzrecht und die Heuchelei der Presse

Google hat gestern die Kampagne „Verteidige Dein Netz“ gestartet, was zu einem heftigen und höchst einseitigen Rauschen im Blätterwald geführt hat. Selten waren sich FAZ, SZ, SPON und andere so einig wie mit ihrer Kritik an dieser Kampagne Googles.

Die Reaktion der traditionellen Presse offenbart ein hohes Maß an Heuchelei und stell ein deutliches Indiz dafür dar, dass es mit der redaktionellen Unabhängigkeit nicht mehr weit her ist.

Google verfolgt mit seinem öffentlichen Aufruf zweifellos eigene wirtschaftliche Interessen und nutzt dafür die Popularität seiner Suchmaschine. Zu einer ausgewogenen Berichterstattung hätte es allerdings dann gehört, deutlich darauf hinzuweisen, dass die Verlage seit mehr als drei Jahren ganz massives Lobbying betreiben und unter Ausnutzung ihrer Macht und ihres Einflusses, die Regierungsparteien dazu gebracht haben, dass das Leistungsschutzrecht im Bundeskabinett beschlossen und anschließend als Gesetzesentwurf in den Bundestag eingebracht wird. In einem älteren, ebenso einseitigen Kommentar in der FAZ wird zumindest dieser zentrale Aspekt nicht verschwiegen:

Natürlich haben die Verlage in eigener Sache gekämpft – das sollte jeder tun, dessen Grundrechte gefährdet sind.

Aber trifft das auf Google etwa nicht zu? Ist der Hinterzimmer-Lobbyismus der alten Schule, den die Verlage natürlich bestens beherrschen, etwa besser und korrekter als eine offene Kampagne von Google? Liebe Qualitätspresse, mehr Heuchelei war selten.

Was die Verlage hier praktizieren, ist die Durchsetzung ihrer eigenen wirtschaftlicher Zwecke mit Hilfe der Gesetzgebung. Darauf hatte ich schon ganz zu Beginn der Debatte hingewiesen. Google hält – natürlich ebenfalls aus Eigennutz – erwartungsgemäß dagegen.

Man muss sich als Bürger schon deshalb auf die Seite Googles stellen, weil die Grundaussage des Suchmaschinenriesen richtig ist. Das Leistungsschutzrecht gefährdet die Informationsfreiheit und ist nicht im Sinne der Allgemeinheit. Das sage nicht nur ich, sondern das ist praktisch die einhellige Ansicht der Rechtswissenschaft. Die Option sich rauszuhalten, besteht deshalb für mich nicht. Die Position von Google ist im Kern richtig und die der Verlage ist falsch.

Dass die Verlage es gerade schaffen, ihre Reihen zu schließen und auch die großen Redaktionen hinter ihrer Forderung zu versammeln, verheißt im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Presse allerdings nichts Gutes.

posted by Stadler at 18:10  

27.11.12

Max-Planck-Institut, GRUR und führende Rechtswissenschaftler sprechen sich gegen Leistungsschutzrecht aus

Das Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht (MPI), der Fachausschuss Urheber- und Medienrecht der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtschutz und Urheberrecht (GRUR) sowie einige der bekanntesten Rechtswissenschaftler aus dem Bereich des Urheber- und Informationsrechts haben sich in einer ausführlichen Stellungnahme gegen das geplante Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse ausgesprochen.

Die Wissenschaftler befürchten, dass auf deutsche Presseprodukte nach Einführung eines solchen Leistungsschutzrechts gar nicht mehr verlinkt würde, jedenfalls nicht unter Verwendung von Snippets. Außerdem wird in dem Papier betont, dass das Schutzrecht nicht erforderlich sei und zudem die Reichweite eines Verbotsrechts nicht klar umrissen werde.

Der Umstand, dass das Papier von rechtswissenschaftlichen Schwergewichten wie Gerald Spindler, Thomas Hoeren, Ansgar Ohly oder Haimo Schack unterzeichnet worden ist, zeigt, dass das Vorhaben in der Rechtswissenschaft praktisch geschlossen abgelehnt wird. Man darf gespannt sein, ob sich der Bundestag wieder einmal gegen die einhellige Ansicht der Wissenschaft stellen wird.

Wen das Leistungsschutzrecht nach der aktuellen Entwurfsfassung betrifft und warum es die Informationsfreiheit gefährdet und unter keinem Gesichtspunkt sinnvoll ist, habe ich hier und hier erläutert.

Google hat übrigens, als der neben den Nutzern Hauptbetroffene einer solchen Regelung, gerade eine Kampagne gegen das Leistungsschutzrecht gestartet. Unter dem Motto „Verteidige Dein Netz“ werden die Nutzer aufgefordert, gegen das Leistungsschutzrecht Stellung zu beziehen.

posted by Stadler at 17:53  

21.11.12

Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum Leistungsschutzrecht

Der Gesetzesentwurf zum Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse in der Fassung vom 14.11.2012 ist jetzt über den Bundestagsserver abrufbar. Gegenüber den zuletzt diskutierten Versionen hat sich offenbar nichts mehr geändert. Die Änderungsvorschläge die aus Bundesratsausschüssen kamen, haben bislang jedenfalls keine Berücksichtigung gefunden.

Wenn man sich den geplanten Wortlaut von § 87f Abs. 1 und § 87 g ABs. 4 UrhG nochmals ansieht, dann wird sehr deutlich, dass der Regelungsgehalt primär darin besteht, kommerziellen Suchmaschinen und News-Aggregatoren zu verbieten, auf Presseerzeugnisse oder Teile davon zu verweisen.

Weshalb sich die Verlagslobby darüber aufregt, dass Google vor diesem Hintergrund erwägt, die Websites großer Zeitungen aus dem Index zu nehmen, ist vollkommen unverständlich. Man kann wohl kaum von einem Boykott sprechen, wenn Google einer Rechtspflicht nachkommt, die ihm vom Gesetzgeber auferlegt wird.

posted by Stadler at 21:05  

11.10.12

Das Ende der Beschwerde?

Die Petition gegen das Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse hat erwartungsgemäß die Anzahl von 50.000 Zeichnern, die den Petenten dazu berechtigt, im Petitionsausschuss zu sprechen, nicht erreicht. Gescheitert ist die Petition deshalb, entgegen der medialen Darstellung, allerdings nicht, denn Petitionen können nicht scheitern. Manche ziehen aus der vermeintlich geringen Unterstützerzahl von gut 20.000 den Schluss, dass die deutsche Netzpolitik ihre vereinte Kampagnen-Kraft verloren hätte, während andere meinen, dass es der Piratenpartei trotz prominenter Unterstützung nicht gelungen sei, ihre Anhänger zu mobilisieren.

Vielleicht ist es an dieser Stelle aber einfach an der Zeit die Frage zu stellen, ob sich Onlinepetitionen tatsächlich als Kampagnen-Tool zur Erreichung netzpolitischer Ziele eignen. Als Jurist stehe ich den sog. formlosen Rechtsbehelfen, zu denen das Petitionsrecht zählt, kritisch gegenüber. Zu stark klingt mir dazu der alte und den Erfahrungen der Praxis entsprungene Spruch „Formlos, fristlos, nutzlos“ in den Ohren.

Für mich ist ein Petent schlicht ein Bittsteller – und dieser Status kommt auch in der Formulierung des Art. 17 GG auch deutlich zum Ausdruck – dessen Bitten und Beschwerden der Staat zwar zur Kenntnis nimmt, mehr aber auch nicht. Die Petition bietet keine Möglichkeit einer Beteiligung des Bürgers an politischen Entscheidungsprozessen und stellt letztlich ein Relikt dar, das aus einer Zeit stammt, die primär von obrigkeitlichem Denken geprägt war. Als Instrument zur Einflussnahme auf ein laufendes Gesetzgebungsverfahren ist die Petition ohnehin noch nie betrachtet worden und dafür eignet sie sich auch nicht.

Weil gerade das Netz vielfältige Möglichkeiten bietet, sich zu artikulieren und organisieren, sind Petitionen längst überflüssig. Die Aussicht darauf, sein Anliegen im bedeutungslosesten Ausschuss des Bundestages ein paar Minuten lang vorzutragen zu können, lohnt den Aufwand nicht. Außerdem sollte eine Bürgerrechtsbewegung, die sich gegen unsinnige und freiheitsgefährdende Vorhaben wie das Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse wendet, dem Staat gegenüber nicht als Bittsteller auftreten. Das strahlt kein Selbstbewusstsein aus.

Das Scheitern dieser Petition spricht einzig und allein dafür, dass man die Menschen nicht dauernd dazu animieren kann, Petitionen zu zeichnen, noch dazu, wenn sie schlecht und falsch begründet sind, wie die zum Leistungsschutzrecht. Lesenswert ist hierzu der Beitrag bei Metronaut.de.

 

posted by Stadler at 15:06  

9.10.12

Änderungsvorschläge des Bundesrats zum Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse

Mehrere Ausschüsse schlagen dem Bundesratsplenum vor, zum Gesetzesentwurf zur Schaffung eines Leistungsschutzrechts für Presseerzeugnisse dahingehend Stellung zu nehmen, dass geprüft werden möge, inwieweit die Anerkennung der verlegerischen Leistung besser in die geltende Systematik des Urheberrechtsgesetzes eingefügt werden kann, als durch das im Gesetzesentwurf vorgesehene Leistungsschutzrecht. Konkret wird eine Ergänzung der Urhebervermutung des § 10 UrhG um einen Absatz 4 vorgeschlagen, der eine Vermutungsregel schaffen soll, durch die die Prozessführungsbefugnis der Presseverleger im Autoreninteresse erleichtert wird.

Der tatsächliche Nachweis der Rechtseinräumung an einen Verlag ist mir bislang prozessual allerdings nur sehr selten als Problem oder Hindernis untergekommen. Die tatsächliche Praxisrelevanz dieses Vorschlags darf man also getrost bezweifeln.

Der sich anschließende Vorschlag der Bundesratsausschüsse, die Praktikabilität des Leistungsschutzrechts durch Schaffung einer Verwertungsgesellschaft zu erhöhen, ist im Lichte des ersten Vorschlags widersinnig.

Wenn man wie die Bundesratsausschüsse dafür plädiert, das Leistungsschutzrecht überhaupt nicht in der geplanten Form zu normieren, dann kann man zur Absicherung dieses Rechts – das man ja gar nicht schaffen will – eigentlich auch keine Verwertungsgesellschaft fordern.

Man hätte zumindest darauf hoffen dürfen, dass der Rechtsausschuss des Bundesrates in der Lage ist, einen in sich schlüssigen Vorschlag zu formulieren. Aber selbst das ist nicht der Fall.

Die Schaffung einer Verwertungsgesellschaft war übrigens eine zentrale Forderung der Verlagslobby, die der Gesetzesentwurf der Bundesregierung nicht aufgegriffen hat. Dass sie jetzt wieder auftaucht, dürfte lobbyistische Hintergründe haben.

 

posted by Stadler at 15:22  

4.10.12

Müssen wir eigentlich dauernd Petitionen zu netzpolitischen Themen zeichnen?

Sascha Lobo fordert gerade via Twitter und Blog dazu auf, die Petition gegen das geplante Leistungsschutzrecht für Preseerzeugnisse zu zeichnen, obwohl die Petition schlecht formuliert ist. Sein Hauptargument: Die Petition gegen Netzsperren hätte mit ca. 134.000 Unterzeichnern etwas bewirkt, weil es gelungen ist, derartig viele Menschen zu mobilisieren.

Das ist zwar zutreffend, beantwortet aber nicht die Frage, ob die Petition ganz allgemein das richtige Instrument ist, um netzpolitischen Themen Gehör zu verschaffen und politische und gesetzgeberische Entscheidungen zu beinflussen.

Das in Art. 17 GG verbürgte Petitionsrecht wird oft genutzt, dennoch ist es praktisch wirkungslos. Petitionen ermöglichen keine unmittelbare politische Einflussnahme. Sie können im Idealfall nur Öffentlichkeit schaffen und mediale Aufmerksamkeit erzeugen. Erst dadurch wird Druck auf die politischen Entscheider ausgeübt. Die Wirkung der Petition ist also immer nur mittelbar und in ihrer Wirkung wesentlich von den medialen Begleiteffekten abhängig. Wirkung erzeugt man aber nur dann, wenn das Instrument der Petition sparsam eingesetzt wird. Derzeit erleben wir allerdings eine gegenteilige Entwicklung. Wir werden ständig dazu aufgefordert, neue Petitionen zu zeichnen, die häufig ein berechtigtes Anliegen verfolgen aber ebenso häufig mangelhaft formuliert oder begründet sind. Dieser inflationäre und nicht wirklich durchdachte Gebrauch des Instruments der Onlinepetition schwächt allerdings ihre Wirkung entscheidend.

Der Erfolg der Netzsperren-Petition kann nicht beliebig reproduziert werden und zwar auch dann nicht, wenn Opinion-Leader wie Sascha Lobo zur Unterstützung aufrufen. Wir sollten das Mobilisierungspotential, das auch in dieser Frage vorhanden ist, deshalb nicht mit Aufrufen zur Zeichnung von Petitionen vergeuden.

Ich zeichne diese Petition deshalb nicht, ebensowenig wie die zur Abschaffung der GEMA-Vermutung.

posted by Stadler at 10:56  
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