Das Ende der Beschwerde?
Die Petition gegen das Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse hat erwartungsgemäß die Anzahl von 50.000 Zeichnern, die den Petenten dazu berechtigt, im Petitionsausschuss zu sprechen, nicht erreicht. Gescheitert ist die Petition deshalb, entgegen der medialen Darstellung, allerdings nicht, denn Petitionen können nicht scheitern. Manche ziehen aus der vermeintlich geringen Unterstützerzahl von gut 20.000 den Schluss, dass die deutsche Netzpolitik ihre vereinte Kampagnen-Kraft verloren hätte, während andere meinen, dass es der Piratenpartei trotz prominenter Unterstützung nicht gelungen sei, ihre Anhänger zu mobilisieren.
Vielleicht ist es an dieser Stelle aber einfach an der Zeit die Frage zu stellen, ob sich Onlinepetitionen tatsächlich als Kampagnen-Tool zur Erreichung netzpolitischer Ziele eignen. Als Jurist stehe ich den sog. formlosen Rechtsbehelfen, zu denen das Petitionsrecht zählt, kritisch gegenüber. Zu stark klingt mir dazu der alte und den Erfahrungen der Praxis entsprungene Spruch „Formlos, fristlos, nutzlos“ in den Ohren.
Für mich ist ein Petent schlicht ein Bittsteller – und dieser Status kommt auch in der Formulierung des Art. 17 GG auch deutlich zum Ausdruck – dessen Bitten und Beschwerden der Staat zwar zur Kenntnis nimmt, mehr aber auch nicht. Die Petition bietet keine Möglichkeit einer Beteiligung des Bürgers an politischen Entscheidungsprozessen und stellt letztlich ein Relikt dar, das aus einer Zeit stammt, die primär von obrigkeitlichem Denken geprägt war. Als Instrument zur Einflussnahme auf ein laufendes Gesetzgebungsverfahren ist die Petition ohnehin noch nie betrachtet worden und dafür eignet sie sich auch nicht.
Weil gerade das Netz vielfältige Möglichkeiten bietet, sich zu artikulieren und organisieren, sind Petitionen längst überflüssig. Die Aussicht darauf, sein Anliegen im bedeutungslosesten Ausschuss des Bundestages ein paar Minuten lang vorzutragen zu können, lohnt den Aufwand nicht. Außerdem sollte eine Bürgerrechtsbewegung, die sich gegen unsinnige und freiheitsgefährdende Vorhaben wie das Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse wendet, dem Staat gegenüber nicht als Bittsteller auftreten. Das strahlt kein Selbstbewusstsein aus.
Das Scheitern dieser Petition spricht einzig und allein dafür, dass man die Menschen nicht dauernd dazu animieren kann, Petitionen zu zeichnen, noch dazu, wenn sie schlecht und falsch begründet sind, wie die zum Leistungsschutzrecht. Lesenswert ist hierzu der Beitrag bei Metronaut.de.
Wir haben in Wirklichkeit in der Regierung noch obrigkeitliches Denken. Petent = Bittsteller stimmt genau.
Außerdem leben wir inzwischen im fast reinen Lobbyismus, eine praekapitalistische Phase.
Echte Demokratie existierte bis jetzt noch gar nicht. Wir hatten bisher etwas anderes… dessen Namen ich nicht weiß.
Also wen wunderts, dass die Regierung uns nicht ernst nimmt?
Comment by Frank — 11.10, 2012 @ 15:21
Der Petitionsausschuss ist wichtig.Nicht umsonst hat er als einer der wenigen Ausschüsse überhaupt Verfassungsrang. Er verwirklicht ein demokratische Grund-und Bürgerrecht und sichert den direkten Zugang für die Bürgerinnen und Bürger zur Volksvertretung. Dies sollten Bürgerrechtler nicht gering schätzen.
Das Petitionsrecht und der Petitionsausschuss hat in und außerhalb des Parlamentes wenig Freunde und wird nicht hinreichend wahrgenommen. Die sollte geändert und nicht gestärkt werden. Denn im Petitionsrecht steckt noch viel enormes demokratisches Potential. Das Petitionsrecht und der Petitionsausschuss sollten in Hinblick auf bessere Mitwirkungsmöglichkeiten ausgebaut und gestärkt werden.
Dem Juristen sei gesagt,Bitten im Sinne des Petitionsrechts sind Forderungen und Vorschläge für ein Handeln oder Unterlassen von staatlichen Organen,Behörden oder sonstigen Einrichtungen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Hierzu gehören insbesondere Vorschläge zur Gesetzgebung.Der Petitionsausschuss ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes auch nicht nur zur Entgegennahme und Kenntnisnahme der Petition verpflichtet, sondern ausdrücklich zur „sachlichen Prüfung“ und zur Bescheiderteilung einer Petition.
Die Praxis zeigt,dass Petitionen sehr wohl häufig entscheident in die politischen Willensbildung und Gesetzgebung einfließen. Petitionen sind heute zu einem unverzichtbaren Teil demokratischer Teilhabe und bürgerschaftlichen Engagements geworden.
Es sei zugestanden, dass das Petitionsrecht sein demokratisches Potential bei weitem noch nicht ausgeschöpft hat und erweiterungsfähig ist. Daran sollte man als Bürgerrechtler mitwirken und ein Bürgerrecht nicht kleinreden.
Comment by @petmobbb — 11.10, 2012 @ 15:31
„Als Instrument zur Einflussnahme auf ein laufendes Gesetzgebungsverfahren ist die Petition ohnehin noch nie betrachtet worden und dafür eignet sie sich auch nicht.“
Sie irren. Sie betrachten das Grundrecht lediglich Petition aus der Perspektive der juristischen Verbindlichkeit. Sie vernachlässigen die politische Wirkung. Zur Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Rundfunkfreiheit und Religionsfreiheit gehört gehört ja nicht nur, dass sie die Institute nutzen dürfen, sondern auch dass der Gesetzgeber sich auch der Wirkung der Nutzung der Institute bewusst ist.
Das klassische Beispiel ist die 140.000 Stimmen-Petition gegen das Zugangserschwerungsgesetz. Formal ist die Petition dahingehend gescheitert, dass die überwältigende Mehrheit des Deutschen Bundestages und des Bundesrates sowie der Bundespräsident nach mehrmonatiger Prüfung dem Gesetz zugestimmt hat. Wobei ich gerne betone, dass auch die FDP aus Sachsen und Bayern (LV von SLS) im Bundesrat zugestimmt hat, wie jedermann nachlesen kann. Und?
Das politische Ergebnis war aber, dass die Lügen von BKA-Präsident Ziercke, man könne im Ausland nicht löschen und es gäbe da milliardenschwere Märkte, dass die Lügen der Frau von der Leyen z.B. von der Gesetzgebung in Indien (die brutalst möglich erstunken und erlogen waren) zunehmend an politischer Bedeutung verloren. Selbst Roland Koch verblüffte mich, als er danach mit Kreide ind er Stimme kritische Reflektion heuchelte udn dann sich vom Acker machte wie Pater Altmaier Flucht es immer formuliert. Aber der poltische Effekt war, dass die Wendehälse dann wieder mit überwältigender Mehrheit im Deutschen Bundestag dieses absurde Gesetz wieder killten. Mit der gleichen überausgroßen Mehrheit von CDU, CSU, FDP, SPD, die vorher genau das gleiche gegenteilige Gesetz beschlossen hatte, ohne dazu rechtlich verpflichtet zu werden.
Diese Ihre Unterschätzung der politischen (statt juristischen) Prozesse kann dazu führen, dass wir ähnliches erleben werden wie in der allgemeinen E-Partizipation. Wenn im formalisierten E-Partizipationsverfahren öffentlicher Haushalte nicht 80 Mio Bundesbürger für die Frage der Aufstellung von Abfallbehältern in der Kommune Oberammergau mobilisiert werden können, dann konkludieren die Feinde der Demokratie sofort: Siehst Du: Partizipation will der Bürger ja gar nicht.
Es ist Ihr gutes Recht gegen Grundrechte der GG zu agitieren. Aber die Zeitnähe zum LSR-Verfahren und die von Ihnen gewählte Häufigkeit ihrer politischen Interaktion führt zu dem Ergebnis, dass Sie im Ende für die Springer AG das Wort geführt haben. Möglicherweise haben Sie das nicht intendiert, aber der Effekt war so.
Heute hat Campact aufgerufen, für Politiker-Einkommenstransparenz zu zeichnen. Nicht Petition, sondern Aufruf. Möglicherweise halten Sie auch das Format nicht für richtig. Aber Politik ist so: der Bürger sucht sich da seine Stimme, wo sie gehört wird. Politik ist anders Juristerei.
Die Bürger der DDR haben übrigens völlig ohne Legalität oder irgendein Rechtsinstitut ihre Regierung weggejagt und das System als Ganzes verworfen. Auch da war die politische Diskussion eine andere als die juristische. Und Leute, die dort gesagt haben, Eure Grundrechte taugen nichts, hatten eine schweren Stand. Wenn sie einen hatten.
Comment by Wolfgang Ksoll — 11.10, 2012 @ 15:57
Heisst das nicht genauer „3F-Beschwerde“ = Formlos, fristlos, fruchtlos? Stimmt aber schon irgendwie. Die Regierung wird mit wohlgefallen feststellen, daß es wohl keine großen Proteste beim LSR mehr geben wird. Doch mal sehen, ob es ein Pyrrhussieg wird, wenn Google nichts bezahlen will und stattdessen einfach Verlage aus dem Index wirft.
Comment by Stephan Eisvogel — 11.10, 2012 @ 16:22
Der letzte Absatz ist bisschen komisch. Ich z.B. hätte die Petition unterschrieben, finde es aber viel spannender zu sehen was jetzt passiert. Ich rechne fest mit einer Keule, ähnlich wie in Belgien. Nach dem Motto: Wer nicht hören will, muss fühlen, hoffe ich auf die Pleite einiger Größen des Geschäfts, die wie während der Revolution die Köpfe der Despoten, als Ergebnis der eigenen unendlichen Gier, mahnend ausgestellt werden.
Oder anders: Ich war begeistert die Petition zu unterschreiben, noch begeisterter bin ich allerdings von der alternative, Döpfner, Wiele und Co. demnächst in der Fußgänger-Zone mit nem Euro ein Mittagessens spendieren zu dürfen.
Comment by Leroy — 11.10, 2012 @ 17:01
Warum wollen gewisse Oppositionen nicht gedeihen? Lediglich aus dem Grunde, weil sie die Bahn der Sittlichkeit oder Gesetzlichkeit nicht verlassen wollen. Daher die maßlose Heuchelei von Ergebenheit, Liebe usw., an deren Widerwärtigkeit man sich täglich den gründlichsten Ekel vor diesem verdorbenen und heuchlerischen Verhältnis einer ›gesetzlichen Opposition‹ holen kann. – In dem sittlichen Verhältnis der Liebe und Treue kann ein zwiespältiger, ein entgegengesetzter Wille nicht stattfinden; das schöne Verhältnis ist gestört, wenn der Eine dies und der Andere das Umgekehrte will. Nun soll aber nach der bisherigen Praxis und dem alten Vorurteil der Opposition das sittliche Verhältnis vor allem bewahrt werden. Was bleibt da der Opposition übrig? Etwa dies, eine Freiheit zu wollen, wenn der Geliebte sie abzuschlagen für gut findet? Mit nichten! Wollen darf sie die Freiheit nicht; sie kann sie nur wünschen, darum ›petitionieren‹, ein ›Bitte, bitte!‹ lallen. Was sollte daraus werden, wenn die Opposition wirklich wollte, wollte mit der vollen Energie des Willens?
Comment by Gottfried Feder — 12.10, 2012 @ 10:25
Werter Herr Stadler,
Petitionen sind zunächst einmal ein Jedermannsrecht, das Parlament muss sie bearbeiten. Bei Lektüre des Jahresberichts werden Sie rasch feststellen, daß jedes Jahr Tausenden Menschen geholfen werden kann, was ohne Petition nicht möglich gewesen wäre. Daß es schlecht formulierte Petitionen gibt, die nur auf mediale Wirkung zielen und diese auch einmal verfehlen ändert daran nichts. Kurz: Petitionen können individuell sehr hilfreich sein, um politische Kampagnen zu fahren müssen sie aber wohl durchdacht und stimmig sein. Wenn das nicht gelingt sollte nicht das Totenglöckchen der Petition geläutet werden, sondern die „schlechte“ Eingabe bemängelt werden.
Comment by Josef Winkler — 12.10, 2012 @ 10:52
Ich stimme nicht zu, dass Petitionen überflüssig sind. Gerade öffentliche Petitionen (und nur sie!) bieten die Möglichkeit, von Abgeordneten und vor der Bundesregierung zu sprechen. Klar gibt es da noch das unendliche Netz, aber im Netz gibt es diese Möglichkeit nicht. Und so lange Gesetze im Bundestag und nicht im Netz beschlossen werden, ist eine öffentliche Beratung im Bundestag eine einmalige Sache, für es sich zu kämpfen lohnt.
Und: Bittsteller? Jede Petition muss geprüft und bewertet werden. Und soviel ich weiß, gibt es auch einen schriftlichen Bericht. Die Institutionalisierung des Petitonsverfahrens gewinnt klar gegen die Formlosigkeit des Netz-Universums.
Warum nicht beides gut vorbereiten und als Plattform für Forderungen nutzen?
Comment by bozkow105 — 12.10, 2012 @ 16:03
Die Bürgerschaft sollte sofort vor Gericht ziehen. Dafür ist Geld zu sammeln, sind Juristen einzuschalten. Respekt wird von der Justiz und Politik nur demjenigen entgegengebracht, bei dem klar ist, er wird sein Ding bis zum Bundesverfassungsgericht durchziehen, es ständig publik halten, auch durch die Presse, und der über entprechende finanzielle Mittel verfügt. Schön ist es, wenn sich Leute wie Herr Baum und Co. an die Front stellen.
Überhaupt gehen mir gewisse Formulierungen gewaltig gegen den Strich. Das ist zum Beispiel der von Aktivisten jeder Art immer genutze Begriff des „zivilen Ungehorsams“. Da platzt mir der Kragen! Denn was bedeutet das im Umkehrschluß? Wo kennt man das Wort „Gehorsam“ noch, in der Hundeschule? Sind wir sonst „Gehorsame“??? Ich jedenfalls nicht! Ich bin mündig, streitbar und halte diesen Staat für einen Dienstleister, der in seinen Käfig zurückgeprügelt werden muß, wenn er über die Stränge schlägt. Ich bezahle diesen Staat, ich trage diesen Staat. Ich bin nicht dessen Diener oder unmündiges, gehorsames Kind!
In diesem Sinne schönes Wochenende!
Comment by Tim — 12.10, 2012 @ 17:35
Man sollte Petitionen auch unter dem Gesichtspunkt der Mitteilung des Bürgers an den Bundestag sehen „Hier läuft etwas schief. Sieh dir das nochmal an.“ Warum sollte der Gesetzgeber kein Anrecht auf eine Mahnung vor dem Zugriff haben?
Comment by ThorstenV — 18.10, 2012 @ 19:53